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Die hochgelobte Biografie über den bekannten Kölner Radsportler und Trainer Dieter Koslar. Michael Koslar schrieb diese Biografie über seinen Vater, die auf Interviews mit Weggefährten und Tonbandaufzeichnungen basiert. Angefangen von den ersten Rennen über seine Tätigkeit als Trainer bis hin zu seinem verfrühten Tod. Zahlreiche Fotos unterstützen die Biografie über diesen Ausnahmesportler, der es bis zur Olympiade nach Mexiko 1968 schaffte. Eine bewegende Biografie über einen Menschen der sich der Radsport verschrieben hatte - behutsam und einfühlsam geschrieben von Michael Koslar.
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Seitenzahl: 93
Veröffentlichungsjahr: 2014
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„Entweder du hast eine Freundin,
oder du fährst Rad“
Dieter Koslar
Michael Koslar
Salz in der Suppe
Fast so etwas wie eine Autobiographie
des
Dieter Koslar
Impressum
Angaben gemäß § 5 TMG
Koslar, Michael
Filmkontor600
Katzengasse 1
50735 Köln
Kontakt
Telefon: 0221/760 48 09
E-Mail: [email protected]
Internetadresse: www.michaelkoslar.de
copyright
Erstauflage 2008, Copyright, Michael Koslar 2014, Köln, www.michaelkoslar.de
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung von Michael Koslar reproduziert oder unter der Verwendung elektronischer Systeme vervielfältigt oder verarbeitet werden.
Layout & Umschlaggestaltung: nettekoven, Köln, www.nettekoven.net
Vorwort
Die Anfänge
Wie gelangte man früher zu den Radrennen?
Gönner, Geld & Familie Behnke
Bundeswehr & Sturmflut
Hochzeit, Vaterschaft & weite Welt
Olympia!
Der ewige Zweite
Trainer in Vogelsang
Die Profis kommen
Mein Kampf gegen den Krebs
Nachwort
Mein Name war Dieter Koslar.
Ich war Radsportler und Radsporttrainer.
Mein Leben war der Radsport.
Die folgende (Auto-)Biographie habe ich im Herbst/Winter 2001 auf einen Kassettenrekorder gesprochen und mein Sohn Michael hat diese 2005/2006 ins Reine geschrieben. Die restlichen Lücken in meiner Biographie hat er in Gesprächen, Recherchen und Anekdoten von Weggefährten und Zeitzeugen zusammengetragen. Manche Inhalte sind nicht mehr ganz chronologisch wiederzugeben, denn es gibt so viele Geschichten und Begebenheiten, die sich durch den Lauf der Zeit nicht mehr ganz so einfach entwirren lassen. Michael hat in vielen Passagen die richtigen Worte für mich gefunden, meine Satzkonstruktionen ein wenig geglättet und versucht, etwas Ordnung in den Ablauf zu bringen. Hier vertraue ich voll und ganz auf meinen Sohn, denn er hat oft genug meine selbstverfassten Pressemeldungen korrigiert und besitzt noch dazu ein abgebrochenes Germanistikstudium. Das Schwierigste war, das Geld für den Buchdruck aufzutreiben. Jeder hatte zwar Spaß an dem Gedanken, dass ein Buch über mich erscheint, aber niemand hatte Geld...
Natürlich mag es für Sie ein wenig seltsam anmuten, wenn ich zu Ihnen - quasi jenseitig - spreche. Dies ist ein Kunstgriff meines Sohnes.
Ich kann gut verstehen, dass sich mein Filius erst jetzt an meine Biographie wagt, denn er hatte genug um die Ohren mit dem Erbe, welches ich ihm hinterlassen habe. Erst kürzlich, als er meinen Lebenslauf zum ersten Mal in einem kleinen Kreis von Zuhörern vorgetragen hat, entschied er sich, das Buch zu veröffentlichen.
Falls Sie noch nicht wissen, mit wem Sie es zu tun haben, hier ein kleiner Überblick:
Seit dem Beginn meiner Karriere als Radfahrer und später als Trainer, ranken sich um mich zahlreiche Geschichten und Anekdoten. Ich nahm nie ein Blatt vor den Mund und wurde für meine im kölschen Dialekt vorgetragenen und manchmal sehr direkten Ansprachen (die auch hohen Unterhaltungswert hatten), von den Zuhörern geliebt und von langsamen Fahrern - den Müüs, wie ich sie immer nannte - gefürchtet. Ich legte mich auch gerne mit den Funktionären des BDR (Bund Deutscher Radfahrer) an.
„Immer geradeaus“, das war mein Anspruch und einer meiner wesentlichsten Charakterzüge. Laut werden und sich danach bei einem Kölsch an der Theke schnell versöhnen – ich war eben ein kölscher Jung. Obwohl ich nie in meinem Leben den Dom bestiegen habe, da ich nicht schwindelfrei war.
Arthur Tabat, der Organisator von „Rund um Köln“, sagte einmal über mich: „Er war ein Mensch, der viel austeilen konnte, aber in der Tiefe seines Herzens einen ganz weichen Kern hatte.“
Und er hatte Recht. Ein Heiliger war ich nie. Noch nicht einmal ein besonders guter Vater oder Ehemann. Manchmal, besonders in meinen frühen Jahren, übertrieb ich es des Öfteren mit meiner „Lautstärke“ und dem Austeilen. Das ging soweit, dass mir der eine oder andere sogar heftigen Jähzorn nachsagte. Auch diese Menschen hatten Recht. Trotz allem bin ich meinen Weg gegangen. Die nachfolgenden Seiten sind meine Autobiographie. Jedenfalls fast.
Am 6. Mai 1940 erblickte ich in Köln-Vogelsang das Licht der Welt. Nur einen Tag nach der ersten Kriegsaustragung von „Rund um Köln“. Das Rennen lief aufgrund der Gefahr von Luftangriffen nur auf einem Rundkurs um das Eisstadion an der Lentstraße. Sieger wurde der Aachener Jakob Kropp. Vier Tage später begannen die deutschen Truppen mit dem so genannten Westfeldzug. Nur knapp einen Monat später kamen beim ersten Luftangriff auf die Kölner Innenstadt sechs Menschen ums Leben. Der kleine beschauliche Stadtteil Vogelsang, den man damals zu Recht Randsiedlung nannte, hatte bisher nicht viel vom Krieg abbekommen und war knapp 10 Jahre alt. Meinen Eltern war ein Häuschen mit Grundstück auf der Vogelsangerstraße zugeteilt worden. Mein Vater Max war als Soldat ein halbes Jahr im beginnenden Krieg der Kombüsenchef. Da die Koslars aber schon von jeher gut „maggele“ konnten, bestach er die richtigen Leute und wurde dann irgendwann aus dem Wehrdienst entlassen. Mag sein, dass er als Chef der Küche ein paar gute Argumente „im Topf“ hatte. 1941 wurden in Köln bereits über 100 Luftangriffe verzeichnet. Und auch die Vogelsanger bekamen die Auswirkungen der Angriffe der britischen Bomber mit. Am Vogelsanger Markt, direkt neben der Kirche, lag der Bunker am Rotkehlchenweg, der auch später für Schul- und Theateraufführungen genutzt wurde und sogar auch einmal ein Kino war. Wenn mal nachts wieder die Sirenen heulten, hieß es schnell in die Klamotten kommen, ab in den Keller oder - wenn noch genug Zeit war - in den Bunker. Das waren die ersten Erinnerungen meines Lebens.
Auf unserem Grundstück (ca. 800 qm) in Vogelsang galt es in erster Linie, sich selbst zu verpflegen. Nach Vogelsang wurden kinderreiche Familien zum Siedeln geschickt, um die es finanziell nicht besonders gut gestellt war. Im großzügigen Garten pflanzte meine Mutter Martha Bohnen, Erbsen, Kartoffeln, Möhren und Kappes an, erntete die Apfelbäume, kochte die sauren Äpfel ein, suchte die Hühnereier zusammen und fütterte die Kaninchen. Zwischendurch ging sie natürlich auch noch arbeiten. Als Näherin bei Josef Brumbach in Ehrenfeld – Feine Herren Schneiderei, Telefon Köln A 220. Im Keller brannte mein Vater Max den Schnaps selbst – natürlich schwarz. Im Anbau wurden manchmal Pferde notgeschlachtet – natürlich schwarz. Ich erinnere mich noch (und jedes Weihnachten gab ich diese Anekdote wiederum meiner Familie zum Besten), dass es eines Tages wieder soweit war und mein Vater mit einem Freund mal wieder ein Pferd zum Richtblock führte. Da sich das Pferd aber enorm wehrte und mein Vater wohl nicht direkt einen tödlichen Hieb ausführen konnte, wieherte es so erbärmlich, dass es die ganze Vogelsangerstraße mitbekam. In dieser Zeit stand es natürlich unter Strafe Pferde zu schlachten. Und so wurde ich losgeschickt in der Nachbarschaft mehrere Portionen „Schweigefleisch“ zu verteilen. Ein andermal wurde meine jüngste Schwester Christa angesprochen, ob es denn bei Koslars wieder Pferdefleisch gab. Christa bejahte und ehe wir uns versahen, standen die Vogelsanger an unserer Tür Schlange. Martha, meine Mutter, stand dann in der Küche und briet für alle Mann Frikadellen was das Zeug hielt. Von diesem Tage an beschloss meine Mutter, dass in unserem Haus kein Pferd mehr geschlachtet würde. Natürlich war Fleisch zu dieser Zeit eher Mangelware. Der Mittagstisch bestand oft aus solchen Gerichten wie Fitschbunne oder Endivienjemangs und mit etwas Glück gab es manchmal Stallhas, aber ganz häufig gab es die berüchtigte Mais- und Erbsensuppe, die uns Kinder allmählich aus den Ohren herauskam. Ich kann mich noch dran erinnern, dass ich im Herbst, zusammen mit meinem Bruder Rolf, aus der kalten Erbsensuppe ein paar Stöckchen und ein wenig Transparentpapier oft Pattevügel (also Kinderdrachen) gebaut habe. Im März 1945 rückten die Amerikaner in Vogelsang ein. Ein Ereignis, was mich sehr beeindruckte. Der letzte Nazi war gerade mit dem Motorrad abgerauscht, das Vogelsanger Archiv mit den Unterlagen für Parteizugehörigkeit brannte auch schon und die meisten Waffen waren im „Wassermann“ versenkt worden, da dauerte es nicht lange, bis die Amis auftauchten. Aber was war das für eine Armee?! Unsere Wehrmacht trug Lederstiefel, erschien irgendwie steif und war geschlagen. Die Amis hörte man fast gar nicht. Sie trugen Stiefel - heute würde man wohl Sneakers sagen - aus weichem Leder und wirkten, trotz der Lage in der wir uns alle befanden, sehr entspannt. Besonders Kinder mochten sie. Ich bekam von einem sogar eine Orange geschenkt. In unserem Haus in den beiden oberen Zimmern quartierte sich für zirka zehn Tage ein Leutnant mit seiner Ordonanz ein. Während der im Garten versuchte, sich an meine Schwester Leni ranzumachen und meine Mutter mit dem Kehrbesen dazwischen ging, schlich ich mich in die Zimmer und ließ noch ein paar Orangen mitgehen.
Nach dem Krieg bewohnten wir unser (Vorder-)Haus, was rund 68 qm hatte, zu siebt: mein Vater Max, meine Mutter Martha, meine Schwestern Hanni, Leni, Christa, mein Bruder Rolf und ich. Vogelsang war für uns die reinste Goldgrube für Selbstverpflegung – verglichen wie es im übrigen Köln war. Jede Ecke unseres Gartens war mit Obst und Gemüse bepflanzt worden. Dann ging es noch mit meinen Schwestern zum „Sömmern“: Felder, die von den jeweiligen Bauern bereits abgeerntet waren, wurden von uns noch einmal im wahrsten Sinne des Wortes abgegrast und die Reste (zum Beispiel Rübenstücke) wurden dann zu Hause in der Wäschbütt eingekocht. Im Keller gesellte sich dann wieder eine Reihe frisch gefüllter Einmachgläser mit Rübenkraut zu den Glasreihen, die mit Apfelmus, Apfelmarmelade, eingelegten Äpfel und Apfelschnaps bestückt waren. 1946/47 gab es einen sehr kalten Winter, in dem Kardinal Frings seine berühmt gewordene Silvesterpredigt hielt und das Wort „fringsen“ Einzug in die deutsche Sprache fand. Fringsen: kirchlich abgesegnetes Stehlen, zur Abwendung äußerster leiblicher Not. Das nahmen wir wörtlich und so streifte ich mit den Nachbarskindern durch Vogelsang und wurde von meinem Vater zum „Klütteklaue“ - auf Hochdeutsch „Braunkohlebriketts entleihen“ - abkommandiert, wenn ein Zug am Vogelsanger Bahndamm rangierte. Im Sommer und Herbst klaute ich Äpfel, Birnen oder Kirschen aus den Vorgärten. Versuchen sie als Kind heute mal auch nur einen Bleistift aus dem Supermarkt mitgehen zu lassen. Die meisten Menschen machen doch heutzutage aus einem Furz einen Donnerschlag.
Anfang der 50er Jahre vermietete meine Mutter auch noch ein Zimmer an eine ungarische Studentin. Frau Zsumpalik. Ich weiß noch, dass sie uns jeden Tag ein kleines Täfelchen Schokolade auf unser Kopfkissen legte. Für mich war das immer ein kleines Wunder, das so gar nicht in unser doch eher bodenständiges Alltagsleben passte.
1952, das Jahr in dem der Kölner Boxer „Müllers Aap“ den Ringrichter Pippow k.o. schlug, wurde für mich zu einem Schicksalsjahr: Mein Bruder Rolf verunglückte tödlich bei einem Motorradunfall. Er wurde nur 19 Jahre. Auf Rolf habe ich immer viel gehalten. Er war ein feiner Kerl. Ruhig, zugänglich, hilfsbereit. Meine Schwester Christa behauptete immer, er wäre das Gegenteil von mir gewesen... Rolf fing die harte und oft ungerechte „Erziehung“ meines Vaters ab und stellte sich schützend vor mich. Jetzt war er plötzlich nicht mehr da und ließ mich alleine mit meinem jähzornigen Vater, meinen drei Schwestern und einer sich kaputt schuftenden Mutter, die ihre Zuneigung nur ungelenk zeigen konnte.