Salzwasser - Charles Simmons - E-Book

Salzwasser E-Book

Charles Simmons

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Beschreibung

"Im Sommer 1963 verliebte ich mich, und mein Vater ertrank." So beginnt die Erzählung über einen Sommer, an dessen Ende nichts mehr so ist wie zuvor: Wie jedes Jahr verbringt der fünfzehnjährige Michael die Ferien mit seinen Eltern am Atlantik. Doch diesmal gibt es eine Veränderung, denn in dem benachbarten Gästehaus zieht die verführerische Mrs. Mertz mit ihrer zwanzigjährigen Tochter Zina ein. Die Andersartigkeit und Offenheit, die die beiden Frauen umgeben, faszinieren nicht nur Michael. Augenblicklich verliebt er sich in die schöne Zina und ist ihren Kaprizen hoffnungslos ausgeliefert. Als er jedoch seine romantischen Gefühle ihr gegenüber auf die grausamste Art und Weise verraten sieht, bricht für ihn die unschuldige Welt seiner Kindheit zusammen, und es kommt zum tragischen Ende eines Sommers. In der Neuerzählung von Turgenjews Novelle «Erste Liebe» schildert Simmons einfühlsam und fast ein wenig wehmütig den Verlust der kindlichen Unschuld, der die Verwirrungen der ersten Liebe begleitet. Den Hintergrund dazu bilden die Farben und Stimmungen eines Sommers am Meer.

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Ähnliche


Charles Simmons

Salzwasser

Roman

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Susanne Hornfeck

C.H.Beck

Zum Buch

«Im Sommer 1963 verliebte ich mich, und mein Vater ertrank.» So beginnt die Erzählung über einen Sommer, an dessen Ende nichts mehr so ist wie zuvor: Wie jedes Jahr verbringt der fünfzehnjährige Michael die Ferien mit seinen Eltern am Atlantik. Doch diesmal gibt es eine Veränderung, denn in dem benachbarten Gästehaus zieht die verführerische Mrs. Mertz mit ihrer zwanzigjährigen Tochter Zina ein. Die Andersartigkeit und Offenheit, die die beiden Frauen umgeben, faszinieren nicht nur Michael. Augenblicklich verliebt er sich in die schöne Zina und ist ihren Kaprizen hoffnungslos ausgeliefert. Als er jedoch seine romantischen Gefühle ihr gegenüber auf die grausamste Art und Weise verraten sieht, bricht für ihn die unschuldige Welt seiner Kindheit zusammen, und es kommt zum tragischen Ende eines Sommers. In der Neuerzählung von Turgenjews Novelle «Erste Liebe» schildert Simmons einfühlsam und fast ein wenig wehmütig den Verlust der kindlichen Unschuld, der die Verwirrungen der ersten Liebe begleitet. Den Hintergrund dazu bilden die Farben und Stimmungen eines Sommers am Meer.

Vita

Charles Simmons (1924—2017 war Redakteur der New York Times Book Review. Mit seinem hochgelobten Roman «Salzwasser» wurde er auch in Europa berühmt. Er lebte und arbeitete in New York.

Susanne Hornfeck ist Übersetzerin und Autorin. Sie übersetzt aus dem Englischen und Chinesischen und wurde mehrfach ausgezeichnet.

Inhalt

1 Die Sandbank

2 Lektion in Photographie

3 Die Mertzens

4 Die Party auf der Veranda

5 Der Tag danach

6 Eine Warnung

7 Ein Ausflug in die Stadt

8 Die Strandparty

9 Über die Liebe

10 Auf Abwegen

11 Beschütze mich

12 Ein Freund der Liebe

13 Hillyers Theorie

14 Was Zina sagte

15 Die Party an Labor Day

16 Wie man mit den Dingen fertig wird

17 Beschluß

Für Peggy und Pauline, meine Zwillinge

«Es ist also abgemacht», begann er, setzte sich bequemer in den Sessel und zündete sich eine Zigarre an, «daß jeder von uns die Geschichte seiner ersten Liebe erzählen muß. Sie sind an der Reihe, Sergej Nikolajewitsch.»

Iwan Turgenjew, «Erste Liebe», 1860

1 Die Sandbank

Im Sommer 1963 verliebte ich mich, und mein Vater ertrank.

Eine halbe Meile vor der Küste bildete sich Ende Juni im Lauf einer Woche eine Sandbank. Wir konnten sie nicht sehen, aber wir wußten, daß sie da war, denn die Wellen brachen sich dort. Jeden Tag bei Ebbe warteten wir darauf, daß sie aus dem Wasser auftauchen würde. So weit draußen hatte sich noch nie eine Sandbank gebildet, und wir fragten uns, ob sie halten würde. Wenn ja, dann wäre das Wasser im Uferbereich geschützt und ruhiger. Wir könnten unser Boot, die Angela, auf der Höhe des Hauses verankern, statt wie sonst in Johns Bay auf der anderen Seite von Bone Point. Auch das Schwimmen würde anders sein, wie in einer Bucht, und mit dem Wellenreiten wäre es vorbei.

Vater und ich angelten vor der Küste nach Kingfischen, Wittlingen, Blaubarschen und Seebarschen. Die Seebarsche kämpften am besten, und sie schmeckten am besten. Wir zogen auch jede Menge Sandhaie raus, aber sie waren klein; nutzlose Dinger, die wir ins Meer zurückwarfen. Manchmal legten wir große Haken für richtige Haie aus. Zum Auswerfen waren die zu schwer. Wir befestigten ein Stück Makrelenfleisch daran, und ich schwamm hinaus und versenkte sie. Das haben wir schon gemacht, als ich noch klein war, doch damals paddelte ich mit meinem Schwimmreifen hinaus, ließ den Haken sinken, und Vater zog mich an einem Seil wieder herein. Meine Mutter sah das nicht gern, auch wenn wir es nur bei ruhiger See taten. Einmal erwischten wir einen hundert Pfund schweren Hammerhai, der seltsamste Fisch, den ich je gesehen habe. Sein Kopf sah aus wie ein Vorschlaghammer mit Augen. Die Leute behaupteten, er würde Menschen fressen, aber Vater sagte, das stimme nicht.

Wir fingen auch Stachelrochen. Wenn Vater einen an der Angel hatte und ich gerade im Haus war, dann rief er, und ich kam mit dem Gaff, einem Haken an langem Stiel, angerannt. Stachelrochen sind breite, flache Fische. Erwischt man sie nahe am Ufer im seichten Wasser, dann saugen sie sich am Boden fest, und man kann sie nicht einholen. Man muß mit Gummistiefeln hinauswaten und sie durchbohren, damit das Wasser das Vakuum löst. Wir fingen welche mit einer Spannweite von anderthalb Metern. Sie haben stachelbesetzte Schwänze, mit denen sie um sich schlagen und einen verletzen können. Deshalb muß man auf den Schwanz treten und ihn abschneiden, bevor man den Fisch durchbohrt. In manchen Gegenden ißt man diese Rochen; wir taten es nicht.

Ich bin nie mit dem Gaff hinausgegangen. Vater erlaubte es mir nicht. Er machte das, während ich die Angel hielt. Einmal hatte Vater schon den Schwanz abgeschnitten und den Körper des Fisches durchstoßen, da machte sich der Rochen samt Gaff davon und zerrte mich mit sich. Die Spule war blockiert. Ich ließ die Angelrute nicht los und wurde hinausgezogen bis dorthin, wo Vater stand. Er nahm mir die Angel aus der Hand, und als wir den Rochen endlich reingeholt hatten, war er schon fast tot. Wir schnitten ihn von der Schnur, und er trieb davon.

«Wenn ich nun nicht dagewesen wäre», sagte Vater, «wie lange hättest du noch festgehalten? Für immer?»

«Ja», sagte ich, und er drückte mir die Schultern. In jenem Sommer war ich sieben.

Bone Point war ein besonderer Ort. Im Ersten Weltkrieg wurde er von der Regierung für militärische Zwecke genutzt und im Zweiten Weltkrieg wieder. Danach wurde er zum Naturschutzgebiet erklärt. 1946 gab es nur ein paar Häuser dort. Wenn man eines davon besaß, dann konnte man es, so lautete die Vereinbarung mit der Regierung, die nächsten 45 Jahre behalten, bis 1991. Neue Häuser durften nicht gebaut werden. Vater und Mutter übernahmen unser Haus 1948, im selben Jahr, in dem ich geboren wurde und Mutters Vater starb. Er hatte das Haus in den frühen dreißiger Jahren gebaut, und auch meine Mutter hatte dort immer ihre Sommerferien verbracht.

Sie war ein Einzelkind wie ich. Sie behauptete, das Haus sei damals zu groß gewesen, und ihrer Meinung nach war es auch für uns zu groß. Mutter hatte immer etwas zu klagen. Das Haus war nicht zu groß. Ich mochte den vielen Platz und das viele Licht. Das Erdgeschoß bestand ganz aus Fenstern und Glastüren und hatte an allen vier Seiten eine Veranda. Auch ihr Vater habe das Licht gemocht, erzählte Mutter. Sie sagte oft, daß ich sie an ihn erinnerte. Das gefiel mir, denn sie hatte ihren Vater sehr gern gehabt. Aber eigentlich meinte ich, mehr meinem Vater zu gleichen. Er sagte oder dachte kaum etwas, mit dem ich nicht einverstanden war.

Die Möbel stammten noch aus Großvaters Zeit, alles war riesig. Da gab es zum Beispiel das Rattansofa im Wohnzimmer, auf dem Vater an einem Ende liegen und lesen konnte, während ich am anderen lag, und unsere Beine trafen sich bloß von den Knien abwärts. In meinem Schlafzimmer war trotz meines großen Doppelbetts noch jede Menge Platz. Mein Hund Blackheart pflegte bei mir zu schlafen, und wir kamen uns nie in die Quere. Jedes Jahr im September, wenn wir zurück in die Stadt zogen, mußten wir uns wieder umgewöhnen, denn dort war mein Bett normal groß.

Obwohl wir nach einer Woche immer noch nichts von der Sandbank sahen, wurde ihr Vorhandensein mit jedem Tag deutlicher. Die Wellen brachen sich dort.

«Hast du Lust rauszuschwimmen?» fragte Vater.

Es war, als hätte er meine Gedanken gelesen.

«Wir haben Ebbe», sagte er. «Wir können auf der Sandbank ausruhen. Auf dem Rückweg wird die hereinkommende Flut uns mitnehmen. Was meinst du?»

Wir waren beide gute Schwimmer. Vater kraulte, ich bevorzugte Rückenschwimmen. Das ist zwar langsamer, aber ich schaute gern in den Himmel, wenn ich schwamm. Gibt es etwas Schöneres, als mit dem Körper im Wasser und mit dem Geist im Himmel zu sein? Wenn wir gemeinsam schwammen, war Vater mir meist voraus, dann wendete er, tauchte, blieb unter Wasser, kam wieder hoch und tollte herum, bis ich aufgeholt hatte. Er war eine richtige Wasserratte.

Diesmal sollte er das besser lassen, fand ich. Wir hatten eine Strecke von einer halben Meile ins offene Meer vor uns, und er verschwendete bloß seine Energie. Als wir etwa zweihundert Meter geschwommen waren, wußte ich, daß wir uns verschätzt hatten. Wir waren zu schnell gewesen. Die Ebbe hatte ihren Tiefststand noch nicht erreicht, wie Vater vermutet hatte. Die Strömung ging noch hinaus und zog uns auf die Sandbank zu. Jeden Tag verschoben sich die Gezeiten um eine Stunde. Heute waren wir um zwölf Uhr losgeschwommen, und ich erinnerte mich, daß gestern um diese Zeit Ebbe gewesen war. Also würde der Tiefststand heute erst eine Stunde später erreicht sein. Das sagte ich Vater.

«Ist schon in Ordnung. Wir können ja auf der Sandbank warten, bevor wir zurückschwimmen.»

Er schien nicht beunruhigt, aber er tollte auch nicht weiter herum.

Als wir die Sandbank erreichten, war das Wasser dort tiefer, als wir gedacht hatten. Vater konnte mit dem Mund über Wasser stehen, ich aber nicht. Er versuchte, mich bei der Hand zu nehmen, damit die Strömung mich nicht weiter ins Meer zog, doch er verlor den Halt. Ich mußte schwimmen, um auf gleicher Höhe mit ihm zu bleiben.

«Wir können uns nicht ausruhen», sagte er. «Wir müssen zurück. Du darfst nicht in Panik geraten, verstehst du?»

«Schon gut.»

«Soll ich dir helfen?»

«Wenn du mir helfen mußt, kriege ich garantiert die Panik.»

Es war nicht leicht. Was uns vorantrieb, war der Gedanke, daß die Strömung nachlassen würde. Die Frage war bloß, wer zuerst ermüdete – die Ebbe oder wir.

Am Strand standen Leute und beobachteten uns. Als wir näherkamen und ich wußte, daß wir es schaffen würden, drehte ich mich auf den Bauch und winkte meiner Mutter. Ich schluckte Wasser. Blackheart war auch da, und die beiden, die das Gästehaus gemietet hatten, mit ihrem Hund. Wir brauchten fünfundzwanzig Minuten für den Rückweg; der Hinweg hatte nur zehn Minuten gedauert.

Vater und ich lagen lange Zeit erschöpft am Strand. Die beiden Hunde beschnüffelten uns, um zu sehen, ob wir noch lebten. Mutter hielt meine Hand. Sie hatte eine Stinkwut auf Vater. Die beiden Mieter, die gerade erst eingezogen waren, blieben bei uns. Mrs. Mertz war in Mutters Alter. Ihre Tochter Zina war, selbst kopfunter betrachtet, schön. Augen und Haare waren braun, die Haut hatte einen helleren Braunton, und ihre Lippen waren purpurrot. Sie sahen aus wie geschnitzt. Ständig umarmte und streichelte sie ihren Hund, so als sei er in Gefahr gewesen und nicht wir. Dann berührte sie meine Wange, nur so aus Neugierde, wie mir schien. Ich verliebte mich kopfunter in Zina.

Am selben Abend nach dem Essen winkte mir Vater, mit nach draußen zu kommen. Wir gingen am Wasser entlang und redeten kaum. Ich dachte, er wollte nach dem Meer sehen oder Mutter aus dem Weg gehen, die nicht mit ihm sprach. Der Tag war freundlich und klar gewesen. Jetzt war die Luft schwer und feucht, und es blies ein kalter Wind herein, der die See kabbelig machte.

«Da draußen habe ich einen Moment lang gedacht, du würdest mich allein lassen», sagte ich.

«Das würde ich nie tun. Wie kommst du darauf?»

«Nur so.»

«Hättest du mich denn allein gelassen?» fragte Vater.

«Nein, Sir.»

«Dann ist’s ja gut», sagte er und legte seinen Arm um meine Schultern. Immer wenn er das tat, fühlte ich mich von ihm geliebt.

Wir gingen zum Haus zurück. Mutter machte gerade ein Feuer im Kamin.

«Na, zieht es die Täter an den Tatort zurück?» sagte sie. Sie hatte sich wieder beruhigt. Vor dem Schlafengehen spielten wir Monopoly. Der Wind drehte, und während der Nacht kam ein kräftiger Nordost auf. Er dauerte drei Tage. Danach war die Sandbank verschwunden.