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Sammelband 7 Krimis: Der einzige Mordzeuge und andere Krimis Dieses Buch enthält folgende Krimis: Alfred Bekker: Passauer Mords-Dessert Alfred Bekker: Der einzige Mordzeuge Alfred Bekker: Die Konkurrenten Alfred Bekker: Die teure Kunst des Mordes Alfred Bekker: Der Killer in den Bergen Alfred Bekker: Kalt wie Eis Alfred Bekker: East Harlem Killer Ein Gangsterboss wird vor Gericht freigesprochen, weil Beweismittel auf ungesetzliche Weise beschafft wurden und sich außerdem Zeugen plötzlich nicht mehr erinnern können. Noch auf den Stufen des Gerichtsgebäudes trifft ihn die Kugel eines Killers und für die Ermittler beginnt die Jagd nach dem Mörder. Denn dieses Attentat ist nur der Beginn einer Welle der Gewalt... ALFRED BEKKER ist ein Schriftsteller, der vor allem durch seine Fantasy-Romane und Jugendbücher einem großen Publikum bekannt wurde. Daneben schrieb er Krimis und historische Romane und war Mitautor zahlreicher Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, John Sinclair und Kommissar X.
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Seitenzahl: 302
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Dieses Buch enthält folgende Krimis:
Alfred Bekker: Passauer Mords-Dessert
Alfred Bekker: Der einzige Mordzeuge
Alfred Bekker: Die Konkurrenten
Alfred Bekker: Die teure Kunst des Mordes
Alfred Bekker: Der Killer in den Bergen
Alfred Bekker: Kalt wie Eis
Alfred Bekker: East Harlem Killer
Ein Gangsterboss wird vor Gericht freigesprochen, weil Beweismittel auf ungesetzliche Weise beschafft wurden und sich außerdem Zeugen plötzlich nicht mehr erinnern können. Noch auf den Stufen des Gerichtsgebäudes trifft ihn die Kugel eines Killers und für die Ermittler beginnt die Jagd nach dem Mörder. Denn dieses Attentat ist nur der Beginn einer Welle der Gewalt...
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ALFRED BEKKER ist ein Schriftsteller, der vor allem durch seine Fantasy-Romane und Jugendbücher einem großen Publikum bekannt wurde. Daneben schrieb er Krimis und historische Romane und war Mitautor zahlreicher Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, John Sinclair und Kommissar X.
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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.
© by Author
© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Alle Rechte vorbehalten.
www.AlfredBekker.de
Titelseite
Copyright-Seite
Alfred Bekker & Rupert Bauer | PASSAUER MORDS-DESSERT
Alfred Bekker | DER EINZIGE MORDZEUGE
Alfred Bekker | DIE KONKURRENTEN
Die teure Kunst des Mordes
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Alfred Bekker | DER KILLER IN DEN BERGEN
Alfred Bekker | KALT WIE EIS
East Harlem Killer
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Sie hatten sich zu einem gepflegten abendlichen Tête-à-tête verabredet.
"Ich kann auch über Nacht bleiben", hatte Nadine gesagt.
"Sagt Dein Mann nichts dazu?"
"Nein, Robert."
"Aber..."Er runzelte die Stirn.
"Die Wahrheit ist: Ich habe ihn schon seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen."
"Hattet ihr Streit?"
"Ja, ein bisschen. Aber ich hätte nicht gedacht, dass es so schlimm kommt und er einfach davonläuft und nicht wieder auftaucht."
Jetzt saßen sie vor einem vorzüglichen Essen. Robert war ein guter Hobby-Koch und hatte sich gehörig ins Zeug gelegt.
Es war ein alter Jugendtraum von ihm, Koch in einem Restaurant der haute cuisine zu sein.
Am liebsten in seinem bevorzugten Speiselokal, dem Stiftskeller in der Heiliggeistgasse in seiner Heimatstadt Passau.
Dorthin führte er gerne seine Gäste aus. Es gab da drei Möglichkeiten in einem gepflegten Ambiente zu dinieren: Entweder am einem lauschigen Sommerabend im Stiftsgarten oder im rustikalen Keller. In letzterem fühlte man sich sofort ins Mittelalter versetzt.
Am liebsten aber speiste er im Bischofszimmer mit seiner uralten Wandtäfelung. Genau das Richtige als Herrenzimmer für die älteste deutschsprachige Vereinigung, die schon über 800 Jahre zählte. In einem Geheimfach in diesem Raum wird die Gründungsurkunde aus dem 12. Jahrhundert aufbewahrt.
Aber aus diesen Plänen war nichts geworden.
Er hatte Jura studiert und war Anwalt geworden.
Robert hatte Lachs mit Kräuterbutter auf den Tisch gebracht, und er sah mit Genugtuung, dass Nadine solche Kostbarkeiten zu würdigen wusste.
Sie hoben die Weingläser und prosteten sich zu.
"Auf meinen charmanten Gast", sagte Robert.
"Auf einen exzellenten Koch!", erwiderte Nadine freundlich lächelnd. "Und auf einen faszinierenden Mann!"
"Sagen wir einfach: Auf uns!"
Sie nickte.
"Ja, das ist gut. Damit bin ich auch einverstanden."
Zum Nachtisch gab es köstliche Eistorte. Robert hatte sie selbstverständlich eigenhändig kreiert.
Nadine dachte kurz an ihren Mann und daran, was er wohl sagen würde, wenn er sie hier mit Robert hätte sehen können.
Nadines Mann war temperamentvoll und sehr eifersüchtig. Und vor allem war er nicht bereit, Nadine frei zu geben Nadine wiederum war keine sehr starke Persönlichkeit. Sie hatte zwar schon oft Robert gegenüber angekündigt, dass sie sich nun endlich von ihrem Mann trennen wollte, aber wenn es dann ernst wurde, schreckte sie regelmäßig davor zurück.
Das war ein Punkt, den Robert nur schwer schlucken konnte und den er auch nicht verstand.
Er musste es hinnehmen, schon deshalb, weil ihm wirklich etwas an Nadine lag. Er würde ihr soviel Zeit geben, wie sie brauchte.
"Was weiß Dein Mann eigentlich von mir?", fragte Robert.
"Er weiß, dass da etwas ist. Aber er weiß keinen Namen. Er kennt dich also nicht, jedenfalls soweit ich weiß." Sie lachte und zeigte dabei ihre strahlend weißen Zähne. "Und das ist auch gut so, Robert!"
"Ich weiß nicht. Vielleicht würde es einiges klären..."
"Das glaube ich nicht! Ich kann dir sagen, was passieren würde, Robert!"
"Und was bitte?"
"Er käme hier vorbei, würde mit einem hochroten Kopf bei dir klingeln und dich dann gleich beim Kragen packen."
"Und dann?"
Sie zuckte mit den Schultern.
"Vielleicht - wenn er verhältnismäßig ausgeglichen ist - würde er eine ernste Warnung aussprechen. 'Lassen Sie in Zukunft die Finger von meiner Frau!' oder so ähnlich würde sich das anhören."
Robert verzog das Gesicht.
"Dein Mann ist doch keine Figur aus diesen alten Wildwest-Filmen!"
"Er benimmt sich aber so."
Robert schien das Ganze zu amüsieren.
"Wie ginge es dann weiter?"
"Vielleicht würdest du einen Kinnhaken abbekommen, vielleicht auch eine ausgewachsene Tracht Prügel..."
"Klingt nicht sehr verlockend."
"Was würdest du tun, Robert?" Sie schien auch zunehmend Gefallen an dieser Art der Gedankenspielerei zu entwickeln. "Mein Mann ist über eins neunzig groß und ein ziemlich breiter Schrank."
"Kein Problem, Nadine!"
Robert griff blitzschnell unter sein Jackett und zog eine Pistole hervor. Nadine erschrak.
"Mein Gott, Robert! Das... Das wusste ich bisher nicht!"
"Habe ich dir nicht erzählt, dass ich Sportschütze bin und eine Waffen besitze?"
"Doch, das wohl. Aber ich wusste nicht, dass du sie ständig bei dir trägst!"
Er zuckte mit den Schultern. "Ich habe oft genug die Opfer von Gewalttaten vor Gericht vertreten müssen. Wir leben in einer gefährlichen Zeit und ich möchte nicht eines Tages selbst zu diesen Opfern gehören."
Sie atmete tief durch. "Ja, das verstehe ich. Aber wenn man so etwas sieht, verschlägt es einem im ersten Moment einfach die Sprache..." Dann blitzte es in ihren Augen. "Würdest du meinen Mann erschießen, wenn er hier auftauchen würde?"
Er nickte. "Warum nicht? Wären damit nicht alle meine Probleme gelöst? Ich hätte dich endlich für mich gewonnen..."
Sie lächelte freundlich und fasste seine Hand. "Leider ist das wohl kein gangbarer Weg.", meinte sie.
"Weshalb nicht?"
"Du scherzt! Aber im Ernst: Weil die meisten Morde irgendwann einmal aufgeklärt werden. Bei Autoeinbrüchen ist das anders, da hat man als Täter eine Chance. Aber nicht als Mörder, Robert."
Sie lachten beide herzhaft. Der Wein hatte sie bereits etwas beschwipst und ihre Zungen gelockert.
"Weißt Du, weshalb die meisten am Ende gefasst werden?", fragte sie und gab auch gleich die Antwort: "Weil sie keinen wirklich guten Ort wissen, an dem man die Leiche verstecken kann!"
"Man könnte meinen, du hättest praktische Erfahrungen auf diesem Gebiet!"
"Nein. Ich habe nur jede Menge Romane gelesen." Um ihre Mundwinkel spielte ein schwer zu deutendes Lächeln. "Angenommen, mein Mann wäre hier aufgetaucht, hätte dich zur Rede gestellt, vielleicht auch angegriffen und du hättest ihn erschossen... Wo hättest du die Leiche versteckt? In den Fluss geworfen? Im Garten vergraben?"
„Nun ja, ich wohne hier am Vogelfelsen, vergiss das nicht. Du hast doch schon oft den herrlichen Blick in das Inntal bewundert. Hier gibt es viele kleinen Grotten und Klüfte, die keinen Leichnam wieder hergeben würden. Es hat schon seinen Grund, warum dieses Gebiet hier Vogelfelsen heißt. In wenigen Wochen wäre nichts mehr von deinem Robert vorhanden. Nicht zu vergessen den Inn. Ein wenig weiter östlich zwischen der Eisenbahnbrücke und dem Fünferlsteg bildet der Inn viele Strudel und gibt nichts mehr her. Und gleich darüber ist der Stadtfriedhof. Ein wahrhaft idealer Ort!“
Er lachte leise vor sich hin.
"Bevor wir uns weiter darüber unterhalten, Schatz: Möchtest du zum Schluss noch einen Cappuccino?"
"Oh, ja, gerne."
"Gut, dann gehe ich schnell in die Küche und mach uns einen!"
Sie sah ihm nach und dann fiel ihr Blick auf die restlichen Stücke der Eistorte, die zu schmelzen begonnen hatten. Nein, es wäre doch wirklich zu schade drum gewesen! Die Torte musste schnellstens wieder eingefroren werden, wenn man sie noch retten wollte! Nadine zögerte nicht lange. Sie kannte sich in Roberts Bungalow, der wie ein Nest in den Vogelfelsen gebaut war, gut aus, fast wie zu Hause.
Sie nahm die Torte und lief mit ihr in den Keller, wo sich die Vorratskammer befand. Diese war direkt in den Felsen geschlagen. Nadine stand zwei Tiefkühlschränken gegenüber, die vermutlich mit Delikatessen angefüllt waren.
Nadine wusste nicht, in welchen die Torte gehörte.
Sie versuchte es beim rechten Eisschrank und öffnete die Tür. Die Torte fiel ihr vor Schreck aus der Hand, als sie in das ihr wohlbekannte Gesicht ihres Mannes blickte.
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An Arthur Barings Haustür klingelte es. Baring kniff die Augen zu engen Schlitzen zusammen, als er an die Tür ging und durch den Spion blickte. Er sah einen kleinen, unscheinbaren Mann, der ungeduldig von einem Fuß auf den anderen trat. Baring betätigte die Sprechanlage. "Wer sind Sie?" knurrte er.
"Herr Baring? Arthur Baring, der berühmte Schauspieler?"
"Sind sie von der Presse? Dann verschwinden Sie!"
"Lassen Sie mich bitte herein, Herr Baring! Ich bin nicht von der Presse!"
Baring wollte schon die Gegensprechanlage abschalten, da fuhr der kleine Mann fort: "Es geht um etwas, das sie vor ein paar Tagen in den Park gebracht haben... Herr Baring? Hören Sie mich noch? Ich glaube nicht, daß es gut wäre, wenn ich die Angelegenheit weiter von hier draußen mit Ihnen bespreche!"
Für Arthur Baring wirkte das wie ein Schlag vor den Kopf. Er fühlte seinen Puls rasen und schluckte. Nur ruhig Blut! versuchte er sich einzureden und öffnete die Tür.
Der kleine Mann grinste breit. "Ja, Sie sind es wirklich! Arthur Baring - ich habe Sie so oft im Fernsehen bewundert..." "Kommen Sie zur Sache!" brummte Baring und bat den Mann herein. "Wie heißen Sie übrigens?" Der Besucher machte eine unbestimmte Geste.
"Mein Name tut im Augenblick nichts zur Sache. Es ist vielmehr Ihr Name, der hier möglicherweise zur Debatte steht. Ihr guter Name..." Sie gingen ins Wohnzimmer. Der Besucher nahm Platz, Baring hingegen blieb stehen und musterte sein Gegenüber ungeduldig.
"Es war sehr klug von Ihnen, mich hereinzulassen", erklärte der kleine Mann gedehnt. "Und das läßt mich hoffen, daß wir auch in allem anderen zu einer vernünftigen Einigung kommen werden..."
"Wovon sprechen Sie?"
"Haben Sie schon Zeitung gelesen?"
"Was soll das?"
"Der Mord an ihrem Agenten ist das beherrschende Thema auf den Gesellschaftsseiten..." "Er wurde im hiesigen Stadtpark überfallen und ausgeraubt, als er spazieren ging", erklärte Baring. "Wahrscheinlich hat er sich gewehrt und..."
"Das glaubt die Polizei!" gab der Besucher mit listigem Gesicht zu bedenken.
"Jedenfalls steht es so in den Zeitungen. Aber wir beide, Herr Baring, wir wissen es doch besser..."
"Was wollen Sie damit andeuten?" fragte der Schauspieler unwirsch. Und bei sich dachte er: Erst einmal abwarten, was er wirklich in den Händen hat!
"Wir beide wissen, Herr Baring, daß Sie Ihren Agenten Fritz Berger umgebracht haben. Ich kann nur vermuten, was Ihr Motiv wahr. Vielleicht ist es so, wie es seit Wochen die Boulevard-Zeitungen schreiben: Daß Sie aus dem Vertrag mit Berger herauswollten, daß aber Berger nicht im Traum daran dachte, sie gehen zu lassen - jetzt, wo Sie es geschafft haben, er kräftig an Ihnen verdienen könnte und man schon von Angeboten aus Hollywood munkelt!"
Baring lachte verkrampft. "Ich soll also Berger umgebracht haben. Dann sind Sie also einer der Privatdetektive, die Bergers Frau beauftragt hat, um mir nachzuspionieren..." Der Besucher schüttelte den Kopf. "Sie irren sich. Aber es ist tatsächlich jemand auf der anderen Straßenseite, der Ihr Haus beobachtet... Nein, ich bin einfach jemand, der sich gedacht hat, daß Ihnen mein Schweigen vielleicht, sagen wir hunderttausend Mark wert ist! Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, daß es wohl das Ende Ihrer Karriere wäre, wenn ich zur Polizei ginge und dort ausplaudern würde, was ich beobachtet habe!"
"Verlassen Sie mein Haus, wer auch immer Sie sind! Ich muß mir das nicht anhören!"
Der Besucher ließ sich nicht beirren. "Sie sind in den Stadtpark gefahren, nicht wahr, Herr Baring? Ich war spät abends noch auf einen Spaziergang draußen und habe mich gewundert, daß da einfach jemand mit dem Wagen über die Fußwege fährt! Um ein Haar hätte ich Sie deswegen angesprochen, aber dann sah ich, wie Sie etwas aus dem Kofferraum herausholten und in ein Gebüsch legten.
Es war schon dunkel, ich konnte aber dennoch erkennen, daß es sich um einen menschlichen Körper handelte... Und dann fiel der Schein einer Laterne auf Ihr Gesicht! Mein Gott, dachte ich, das kann doch nicht sein! Wie oft hatte ich dieses Gesicht auf dem Fernsehschirm gesehen! Später, als Sie dann weggefahren waren, habe ich im Gebüsch nachgeschaut und die Leiche von diesem Fritz Berger gesehen, ihrem Agenten. Er hatte wohl einen schweren Schlag gegen den Kopf bekommen... Und Sie hatten ihn so zurechtgemacht, daß es wie ein Raubmord aussehen mußte..."
Verdammt! dachte Baring. Ich war mir doch so sicher, völlig allein zu sein!
Aber offenbar hatte es doch einen Zeugen gegeben. Die Details, die Berger aufgezählt hatte, waren zu genau, um erfunden zu sein. Es hatte sich genau so abgespielt. "Sehen Sie", fuhr Baring fort, "als ich Bergers Leiche fand, wollte ich schon zur Polizei gehen, aber dann dachte ich mir: Ein so großer Schauspieler! - Es wäre doch schade, wenn es keine Filme mehr mit ihm geben würde, weil man ihn wegen Mordes verurteilt. Ich glaube nicht, daß hunderttausend zuviel sind."
Baring zog die Augenbrauen hoch. "Ja, vielleicht waren Sie wirklich dort...
Sie lassen mir wohl keine andere Wahl!"
Der Besucher lächelte zufrieden.
"Ich wußte, Sie würden vernünftig sein."
"Ich kann Ihnen einen Scheck schreiben."
"Einverstanden."
Baring ging zum Schreibtisch und tat so, als würde er in der Schublade nach seinem Scheckheft und einem Stift suchen. Einen Augenblick später hatte er dann eine Pistole in der Hand und richtete sie auf den Besucher.
"Sie sind offenbar tatsächlich in jener Nacht im Park gewesen und haben mich beobachtet. Wenn ich Ihnen jetzt Geld gebe, dann werden Sie wieder und wieder auftauchen und immer unverschämter werden!" Baring grinste. "Ich werde Sie jetzt töten. Heute Abend lade ich Sie im Park ab und lasse es wie einen Raubmord aussehen..."
"Wie bei Fritz Berger!"
"Ja, ganz genau! Was einmal funktioniert hat, wird auch ein zweites Mal gehen!"
Der kleine Mann schlug in diesem Moment seine Jacke zur Seite, so daß Baring ein kleines Gerät sehen konnte, das am Gürtel befestigt hatte war.
"Wenn Sie mich jetzt umbringen, tun Sie es vor den Ohren der Polizei, Herr Baring! Jedes Wort, das in diesem Raum gesprochen wurde, ist übertragen und aufgezeichnet worden. Die Beamten werden jeden Augenblick hier auftauchen, nachdem Sie mich so bedroht haben!" Baring schien verwirrt. Er runzelte die Stirn, während sein Gegenüber fortfuhr: "Übrigens war Ihre Vermutung schon richtig: Ich bin Privatdetektiv. Bergers Frau konnte sich mit der Raubmord- Theorie einfach nicht abfinden. Sie wußte, daß Ihr Mann hier vor seinem Tod hier bei Ihnen gewesen war und reimte sich eins zum anderen..." Wenig später war die Polizei da, und bevor Baring abgeführt wurde, fragte er noch: "Waren Sie wirklich in jener Nacht im Park?"
Der kleine, hagere Mann schüttelte den Kopf. "Es gibt für diesen Mord nur einen einzigen Zeugen, Herr Baring, und das sind Sie. Es tut mir leid, aber irgendwie mußte ich diesen Zeugen dazu bringen, eine Aussage zu machen!"
Olmayer hatte bereits selbst an die Möglichkeit gedacht, daß er unter Umständen an Verfolgungswahn litt, sie dann aber rasch und energisch bei Seite geschoben....
Aber so furchtbar dieser Verdacht auch war, der in ihm nagte und ihn einfach nicht loslassen wollte: Nun schienen die Tatsachen eine Sprache von grausamer Eindeutigkeit zu sprechen. Nein, für Olmayer gab es keinen Zweifel mehr. Aus dem Verdacht war für ihn Gewißheit geworden.
*
Olmayer zeigte dem Polizisten das abgesägte Geländer. "Hier, sehen Sie! Das war kein Unfall! Um ein Haar wäre ich dort hinuntergestürzt!"
Der Polizist warf einen kurzen Blick hinab in die Tiefe, der offenbarte, daß er nicht schwindelfrei war. Nachdem der Uniformierte dann den Blick kurz über die weiträumigen Industrieanlagen hatte schweifen lassen, wandte er sich wieder an den immer noch erregten Olmayer und fragte, so ruhig es eben ging: "Sagen Sie, seit wann leiten Sie dieses Werk hier?"
"Seit vier Monaten etwa!" kam die zornige Erwiderung. "Hören Sie mir eigentlich gar nicht zu? Ich habe Ihnen das doch alles längst erzählt!
Außerdem - was hat das hiermit zu tun?" Und dabei deutete er auf das Geländer.
"Ich schätze, Ihr Job bringt 'ne Menge Streß mit sich, nicht wahr?" Der Beamte legte Olmayer eine Hand auf die Schulter. "Ich will damit nur sagen, daß das alles vielleicht etwas zuviel für Sie war.
Vielleicht..."
"Was?"
"So etwas ist durchaus keine Schande, Herr Olmayer. Bitte, Sie sollten das, was ich gerade gesagt habe, um Himmels Willen nicht falsch verstehen..."
"Sie meinen, daß ich verrückt bin, nicht wahr? So ist es doch!"
"Aber, Herr Olmayrer, ich bitte Sie..."
"Sie denken, ich hätte mir das alles nur eingebildet! Sie glauben, ich würde unter Verfolgungswahn leiden!"
Der Polizist sah Olmayer mit ernstem Gesicht an.
"Offen gestanden sieht es mir wirklich danach aus. Diese Serie von angeblich mysteriösen Unfällen, die Sie mir geschildert haben und hinter denen einige Ihrer Kollegen stecken sollen..."
Olmayer wurde von ohnmächtiger Wut geschüttelt.
Dieser selbstgefällige uniformierte hatte nicht die Absicht, ihm zu helfen und sorgfältige Ermittlungen durchzuführen. Zum Teufel mit dieser Ignorantenseele!
"Schauen Sie, Sie müssen doch selbst zugeben, daß das alles sehr fantastisch ist, was Sie mir da erzählt haben: Ich habe mit Ihren Kollegen gesprochen und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß jemand darunter ist, der Ihnen nach dem Leben trachtet." Er schüttelte entschieden den Kopf. "Natürlich gibt es innerhalb einer Betriebshierarchie schon einmal Uneinigkeiten und Rivalitäten. Aber wegen solcher Sachen begeht doch niemand einen Mord!" Er faßte sich bedeutungsvoll an die Mütze. "Ich habe zwanzig Jahre Praxis mit solchen Dingen. Sie sollten mir glauben, Herr Olmayer."
"Dann erklären Sie mir doch bitte endlich dies hier!" Olmayer deutete wieder auf das zersägte Geländer. "Sehen Sie nicht, daß es vorsätzlich zersägt wurde?"
"Ich weiß natürlich nicht, wer das getan hat.
Aber ich weiß eins: Von einem zersägten Geländer kann man noch nicht ohne weiteres auf einen Mordversuch schließen."
Sie stiegen die Treppe hinunter. Unten wartete ein weiterer Beamte im Streifenwagen.
"Also, auf Wiedersehen, Herr Olmayer. Wenn Sie gegen irgend jemanden Anklage erheben wollen...", der Polizist konnte sich einironisches Lächeln nicht verkneifen, "...dann wissen Sie wohl sicher den formellen Weg!"
Er stieg zu seinem Kollegen in den Wagen. Als die Beamten davongebraust waren, bemerkte Olmayer etwas abseits drei Gestalten, die leise miteinander flüsterten. Deutlich sah man die Anspannung und den Mißmut in ihren Gesichtern. Als Olmayer sie sah, verhärteten sich auch seine Züge, seine Körperhaltung verkrampfte sichtlich und ja, vielleicht war da auch so etwas wie Furcht. Da waren sie also: Benrath, Larsen und Galring.
Die drei waren von Anfang an gegen Olmayer gewesen - gleich, als er das Werk zum erstenmal betreten hatte, hatte er das deutlich gespürt.
Ursprünglich war ihr Verhältnis untereinander wohl eher von Rivalität geprägt gewesen, aber ihr Buhlen um die Beförderung hatte jäh aufgehört, als man ihnen unerwarteterweise einen Fremden - Olmayer - vor die Nase setzte, anstatt einen von ihnen für die Leitung des Werkes auszuwählen.
Sie taten alles, um Olmayers Autorität zu untergraben und ihm Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Jedes Mittel schien ihnen recht zu sein, um den mißliebigen Vorgesetzten loszuwerden.
Natürlich würden sie, sobald dieses Ziel erreicht wäre, wieder wie Hyänen gegenseitig übereinander herfallen.
"Guten Tag, Herr Olmayer!" sagte Benrath. Die anderen nickten ihrem Vorgesetzten zu, ohne sich jedoch die Mühe zu machen, die von ihnen empfundene Abneigung auf irgendeine Art und Weise zu kaschieren. Olmayer grüßte zurück, ohne richtig zu ihnen hinzuschauen.
"Warum war die Polizei da?" erkundigte sich Galring, als Olmayer sich anschickte, an den dreien vorbeizugehen. Olmayer hielt an. Er hörte das Quentchen Unsicherheit in der Frage des anderen mit sichtlicher Genugtuung. "Ich wüßte nicht, weshalb ich Ihnen das erzählen sollte", brummte er und ließ den Frager stehen.
*
Am nächsten Tag geschah etwas sehr seltsames:
Benrath erschien in Olmayers Büro, sichtlich nervös, aber ohne den sonst stets vorhandenen abschätzigen Gesichtsausdruck. Er war freundlich - ja, fast zu freundlich! - und unterbreitete seinem Vorgesetzten ein überraschendes Angebot.
"Schauen Sie, Herr Olmayer, wir hatten in der Vergangenheit einige, nun ja, sagen wir mal menschliche Schwierigkeiten miteinander. Es lief nicht alles so, wie es unter Kollegen hätte laufen sollen..."
"Allerdings! Da haben Sie recht! Sie, Galring und Larsen haben mir ständig nur Schwierigkeiten gemacht, anstatt mich unterstützen, wie es Ihre Pflicht gewesen wäre!" Olmayer beugte sich Benrath entgegen. "Ich habe es bisher noch niemandem gesagt, um nicht Unruhe unter der Belegschaft zu stiften, aber es gibt in der Zentrale große Schwierigkeiten! Wenn wir uns nicht sehr ins Zeug legen, kann es sein, daß man sich dafür entscheidet, dieses Zweigwerk zu schließen!"
Und bei sich dachte Olmayer: Ich bin zum Erfolg verurteilt. Wenn ich es nicht schaffe, den Laden in Schwung zu bringen, wird man mir so schnell keine Werksleitung mehr anbieten...
Aber welche Chance hatte er, solange er drei erbitterte Feinde in seiner unmittelbaren Umgebung hatte, die Sabotage betrieben und ihn sogar umzubringen versucht hatten - anstatt ihn unterstützen? Olmayer kniff die Augen zusammen.
"Ich hoffe, Sie wissen jetzt, worum es geht!"
Benrath nickte ehrlich betroffen.
"Davon hatte ich keine Ahnung!" sagte er leise.
Als Olmayer dann wieder das Wort ergreifen wollte, kam ihm der andere jedoch zuvor und bot ihm die Versöhnung an.
"Ich habe mit Larsen und Galring gesprochen. Sie waren mit mir einer Meinung, daß diese Fehde ein Ende haben muß! Kommen Sie doch heute Abend zu mir nach Hause! Da können wir dann bei einer Flasche Wein den Frieden begehen!"
*
Als Olmayer am Abend mit einer Flasche Wein unter dem Arm bei Benraths eintraf, warteten die anderen bereits auf ihn. Die Gläser waren gefüllt und auf dem Tisch stand eine Platte mit belegten Broten.
"Ah, Olmayer! Schön, daß Sie doch noch den Weg zu uns gefunden haben", sagte Galring.
"Entschuldigung", erwiderte Olmayer. "Ich bin etwas spät dran, nicht wahr? Er stellte die mitgebrachte Flasche auf den Tisch.
"Stoßen wir also an!"
"Ja, trinken wir!"
Olmayer blickte zunächst mißtrauisch in sein Glas.
"Nicht Ihre Sorte?" fragte Benrath, der bereits ausgetrunken hatte. Dann lächelte er und fügte hinzu: Natürlich werden wir gleich auch aus ihrer Flasche probieren."
Olmayer trank und brach eine Sekunde später zusammen, während sich die anderen noch einmal zuprosteten. Larsen beugte sich anschließend über den reglosen Olmayer, hob ihn hoch und setzte ihn in einen Sessel.
"Hey, das war nicht abgemacht!" wandte er sich plötzlich kreidebleich an Benrath.
"Was ist denn los?"
"Wir wollten ihn einschüchtern, aber nicht umbringen!"
"Ist er tot?" fragte Galring unnötigerweise.
Larsens Blick war noch immer starr auf Benrath gerichtet.
"Du warst es, der das Zeug zusammengemixt hat, das unseren Freund ins Reich der Träume versetzen sollte!"
Benrath konnte nur mit den Schultern zucken. "Ich muß wohl was in sein Glas geschüttet haben. Anders kann ich mir das nicht erklären. Ein Unfall..."
Larsen erhob sich wütend und packte Benrath bei den Schultern.
"Was hast du getan!"
"Hör auf!" fuhr Galring dazwischen. "Wir sollten uns besser darum kümmern, wo wir mit Olmayer bleiben."
Larsen griff nach der Weinflasche auf dem Tisch, öffnete sie und schüttete sich etwas ein. "Ich brauche jetzt erst einmal einen Schluck. Ihr auch?"
Benrath nickte. "Ja..."
"Mir auch etwas!" murmelte Galring matt.
Sie kippten den Wein hastig hinunter und schenkten sich gegenseitig nach.
"Wir dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren!" meinte Galring sachlich. "Das ist jetzt das Allerwichtigste."
"Mir ist auf einmal so schlecht!" brummte Larsen.
Er sank auf das Sofa und hielt sich den Leib. Das Weinglas entfiel seinen Händen und zersplitterte auf dem glatten Holzparkett. Galrings Gesicht begann, sich zu verfärben, er krümmte sich.
"Sag' mal, woher kommt eigentlich der Wein?" fragte er. "Ist das nicht die Flasche, die Olmayer mitgebracht hat?"
Plötzlich, kurz bevor auch ihm übel wurde, begriff Benrath. "Da muß etwas drin gewesen sein!
Olmayer wollte uns vergiften!" keuchte er völlig unnützerweise, denn Galring und Larsen waren bereits tot.
ENDE
von Alfred Bekker
Der Umfang dieses Buchs entspricht 115 Taschenbuchseiten.
Im illegalen Kunsthandels werden Milliarden umgesetzt, und man kommt an die Hintermänner noch schwerer heran als im Drogenhandel. Jetzt erreicht das FBI eine Bitte des Innenministeriums der Russischen Föderation um Zusammenarbeit, die möglicherweise die Chance bietet, einige dieser mafiösen Strukturen endlich aufzudecken. In der Eremitage in St. Petersburg sind seit Jahren massenhaft Kunstgegenstände verschwunden und auf dem schwarzen Markt verkauft worden. Vom Wachpersonal bis zur Kuratorin steckten maßgebliche Teile des Museumspersonals mit den Kriminellen unter einer Decke. Die Ware taucht später zu einem Teil in New York auf. Nun werden die FBI Agents Jesse Trevellian und Milo Tucker darauf angesetzt. Agent Dennister wird ihnen von der Zentrale in Washington als Experte für den internationalen Kunsthandel zugeteilt, um sie mit seiner Sachkenntnis zu unterstützen. Schon bald gibt es einen Toten...
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
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© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
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St. Petersburg, Russland
Das Café Rasputin war ein beliebter Szene-Treff, wo sich Künstler, Intellektuelle und alle die sich dafür hielten einfanden, um über den Niedergang Russlands zu diskutieren oder der Performance eines experimentellen Dichters zu lauschen. An den Wänden hingen großformatige Gemälde in grellen Farben. Vladimir Bykov fiel in seinem biederen, dreiteiligen Anzug sofort auf. Er ließ suchend den Blick über die Gäste schweifen. Stimmengewirr erfüllte den Raum.
Und Zigarettenrauch.
In kalten Schwaden hing er über den Tischen und machten Bykov klar, wie sehr ihn zwanzig Jahre New York geprägt hatten. Im Big Apple war das Rauchen beinahe überall verboten und so war Bykov den in Augen und Nase beißenden Qualm nicht gewöhnt.
Sein Blick blieb an einem Mann im dunklen Rollkragenpullover haften, der allein an seinem Tisch saß.
Bykov ging an seinen Tisch.
Der Mann im Rollkragenpullover zog an seiner filterlosen Zigarette und blies Bykov den Rauch entgegen. „Na, endlich! Ich dachte, du kommst nicht mehr! Setz dich!“
Bykov nahm Platz. „Wir müssen miteinander reden, Sergej!“
Der Mann im Rollkragenpullover beugte sich nach vorn und sprach nun in gedämpftem Tonfall. „Ich steige aus, Vladimir! Die Sache ist zu heiß geworden. Und wenn du schlau bist und am Leben bleiben willst, tust du dasselbe!“
„Was ist passiert?“, fragte Bykov.
„Genug, um in Zukunft die Finger von der Sache zu lassen. Das Geschäft läuft nicht mehr und ich habe keine Lust, mir die Finger zu verbrennen. Vor zwei Tagen wurde Korzeniowskij erschossen und ich möchte nicht der Nächste zu sein.“
Bykov verengte die Augen.
„Korzeniowskij?“, echote er. „Das wusste ich nicht...“
„Du scheinst so manches nicht zu wissen, Vladimir!“
„Dann erkläre es mir, Sergej!“
„Ich sehe zu, dass ich mein Geld in die Schweiz bekomme und dann bin ich weg!“, erklärte der Mann im Rollkragenpullover.
Er lehnte sich zurück und ließ den filterlosen Glimmstängel aufglühen.
Bykov wedelte mit der Hand, um den Rauch zu vertreiben.
Sergej grinste schief. „Verweichlichter Amerikaner!“, murmelte er verächtlich.
„Was den Pass betrifft stimmt das“, konterte Bykov.
„Na, das wird es für dich ja etwas leichter machen, mit der neuen Situation fertig zu werden.“
Bykov lachte heiser. „Du hast gut reden, Sergej! Ich bin schließlich Verpflichtungen eingegangen! In New York gibt es Leute, die auf die nächste Lieferung so sehnsüchtig warten wie ein Junkie auf seinen Stoff! Die werden ziemlich sauer reagieren.“
Sergej zuckte mit den Schultern. „Tut mir leid.“
„Was ist mit Lebedew?“
„Der ist schon vor Wochen von der Bildfläche verschwunden. Offenbar hat er den Braten etwas früher gerochen, als der Rest von uns und zugesehen, dass er seine Schäfchen ins Trockene bekommt.“
„Verdammt!“ Bykov ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. Eine dunkle Röte überzog sein Gesicht.
Sergej wirkte gelassener. „So ist das nun mal. Jeder muss jetzt sehen, dass er so gut wie möglich aus dem Schlamassel herauskommt.“
„Na, großartig!“
Sergej drückte den Rest seiner Zigarette im Aschenbecher aus, trank seinen mit Wodka vermengten Kaffee aus und erhob sich.
Bykov war bleich wie die Wand geworden.
Sergej sah ihn an und verzog das Gesicht. „Hey, bist du wirklich schon so ein amerikanisches Weichei geworden, Vladimir? Ich dachte, ihr würdet da drüben den Unternehmergeist immer besonders groß schreiben!“
Bykov verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln.
„Das tun wir auch.“
„Da wird der deinige ja wohl nicht gleich versagen, nur, weil die Zeit der Riesenjackpots für dich jetzt erst mal eine Weile vorbei ist!“
„Sehr witzig!“
„Immerhin lebst du noch – das ist mehr, als man von so manch anderem sagen kann, der bei der Sache mitgemacht hat!“ Gönnerhaft klopfte Sergej seinem Gesprächspartner auf die Schulter. „Nichts für ungut, Vladimir! War ´ne schöne Zeit und ich denke wir werden dem warmen Dollar-Regen noch lange nachtrauern.“
Bykov bleckte die Zähne wie ein Raubtier. „Du kannst mich mal!“, fauchte er.
„Wie auch immer. Vielleicht machen wir ja irgendwann, wenn sich die Lage beruhigt hat, mal wieder zusammen Geschäfte. Man sollte ja immer optimistisch bleiben!“ Er grinste schief und setzte noch hinzu: „Außerdem kommen Ikonen nie aus der Mode!“
Sergej sah auf die Uhr.
Dann nickte er Bykov zu und ging in Richtung Ausgang.
Gerade hatte ein Mann in dunkler Lederjacke, dazu passenden Stiefeln und grauer Strickmütze den Raum betreten.
Sergej erstarrte, als er ihn sah.
Der Mann in Leder griff unter seine Jacke und riss eine Pistole hervor. Er drückte sofort ab. Sergej bekam einen Treffer in den Brustbereich, taumelte zwei Schritte zurück und wurde anschließend noch in Kopf und Hals getroffen.
Mit einem dumpfen Geräusch schlug der Getroffene auf den Holzboden. Blut sickerte aus den Wunden.
Überall im Café brach Panik aus. Entsetzensschreie gellten durch den Raum.
Bykov erhob sich vom Platz, drehte sich herum und griff unter seine Jacke.
Der Mann in Leder schwenkte den Lauf seiner Automatik in Bykovs Richtung. Die Blicke der beiden Männer begegneten sich kurz. Dann leckte erneut das Mündungsfeuer wie eine rote Drachenzunge aus dem Lauf der Automatik hervor.
Bykov bekam einen Schuss in die Brust, der ihn gegen die Wand taumeln ließ. Ein zweiter Treffer erwischte ihn nur Zentimeter daneben – genau dort, wo sich das Herz befand.
Bykov rutschte an der Wand hinunter, versuchte sich festzuhalten und riss dabei eines der großformatigen Gemälde von den Haken.
Er ächzte und rang nach Luft.
Der Mann in Leder drängte sich derweil bereits durch die von Panik erfüllten Gäste des Café Rasputin in Richtung Ausgang.
Rechts und links stoben die Leute vor ihm zur Seite, so gut sie konnten. Niemand wollte schließlich von der Waffe in seiner Rechten angeschossen werden.
Augenblicke später war er draußen in der Menge der Passanten verschwunden.
Inzwischen stöhnte Bykov schmerzerfüllt auf.
Er versuchte sich zu bewegen, aber er hatte das Gefühl, von mehreren Messern durchbohrt zu werden.
Er rang noch immer nach Luft. Das Atmen tat höllisch weh. Vorsichtig betastete er die Stellen, an denen er getroffen worden war. Die Projektile hatten seine Kleidung aufgerissen. Unter dem edlen Tuch seines New Yorker Schneiders kamen die ersten Lagen grauen Kevlars zum Vorschein.
Immerhin, dachte er, die Weste hat gehalten, was der Hersteller verspricht, auch wenn die Treffer trotzdem sehr schmerzhaft gewesen sind.
Aber die Kevlar-Weste hatte das Eindringen der Kugeln in den Körper verhindert und Bykov damit das Leben gerettet. Ein paar blaue Flecken würden ihm von der Attacke bleiben – wenn er Pech vielleicht auch eine angeknackste Rippe. Bykov berührte eine der Stellen ein zweites Mal. Er war sich noch nicht ganz sicher, wie schwer die Verletzungen tatsächlich waren.
Vorsichtig stand er auf und stützte sich dabei auf einen der Tische.
Im Café Rasputin herrschte jetzt vollkommenes Chaos. Alle rannten durcheinander und versuchten, sich irgendwie in Sicherheit zu bringen.
Da auch Bykov eine Waffe in der Hand hielt, wich ihm jeder aus.
Nur weg, so lange die Miliz noch nicht hier ist!, ging es ihm durch den kopf.
Er hatte keine Lust, sich den langwierigen Fragen der Polizei zu stellen und am Ende noch ein kleines Vermögen investieren zu müssen, um die betreffenden Beamten zu schmieren.
Vielleicht hat Sergej recht gehabt und es ist wirklich Zeit, dass ich aussteige!, überlegte Bykov, als er ins Freie taumelte.
„Na, gewöhnst du dich langsam an deine neue Karre?“, fragte mich mein Kollege Milo Tucker, als ich ihn an diesem Morgen abholte. Wie üblich hatte Milo an der bekannten Ecke in der Upper West Side gewartet. Es regnete Bindfäden und er war ziemlich durchnässt.
„Von welcher Karre sprichst du?“, fragte ich.
„Na, von welcher wohl?“
„Das ist ein sehr schnittiger Sportwagen, keine Karre.“
Milo machte sich immer wieder darüber lustig.
Der Wagen, den ich die letzten Jahre über gefahren hatte, war mir gestohlen worden. Wir fanden ihn später in einer Schrottpresse als handliches Päckchen wieder und es stellte sich im Laufe der Ermittlung heraus, dass die Diebe es auf den Inhalt des installierten Dienstrechners abgesehen hatten. Die darauf gespeicherten Daten waren für die Gangster ein Hilfsmittel gewesen, um eine groß angelegten Cyberangriff auf das FBI zu starten.
Inzwischen fuhr ich einen schnittigen Sportwagen.
Die technische Innenausstattung mit integriertem TFT-Bildschirm und Computer entsprach dem Standard, den auch der alte Wagen gehabt hatte.
Seit einiger Zeit hatte ich Gelegenheit, die Fahreigenschaften meines neuen Sportwagens kennen zu lernen.
Bis jetzt war ich vollauf zufrieden, auch wenn ich dem alten Wagen immer noch etwas nachtrauerte. Aber das hatte wohl eher sentimentale Gründe.
Milo schnallte sich an.
„Na, dann zeig mal, was der Neue kann!“, meinte er.
„Witzbold.“
„Wieso?“
„So lange wir uns im Big Apple aufhalten, dürfte das wohl kaum praktikabel sein, wenn wir nicht eine unangenehme Begegnung mit unseren Kollegen in Uniform riskieren wollen. Schließlich gibt es ja auch für FBI-Agenten keine gesonderten Verkehrsregeln.“
„Zumindest, solange nicht irgendein gerechtfertigter Notfall vorliegt“, gestand ich zu.
Der Regen wurde so heftig, dass selbst die unermüdlich hin und her schwingenden Wischblätter es kaum schafften, einen klaren Durchblick zu gewährleisten.
„Wieso bist du ausgerechnet heute so spät dran, Jesse?“, fragte Milo, als wir wenig später an einer Ampel halten mussten. „Ich bin fast aufgeweicht bei der verdammten Nässe!“
„Ich war heute Morgen noch in der Werkstatt und hatte dort einen Sondertermin außerhalb der Geschäftszeiten.“
Milo grinste.
„Ach, hat das gute Stück schon seine Mucken?“
Ich schüttelte den Kopf. „Keineswegs. Es waren nur noch ein paar Feineinstellungen vorzunehmen. Routinekram eben.“
„Wer es glaubt wird selig. Mal ehrlich, ich weiß nicht, ob ich dieser Karre trauen kann!“
Als wir das Bundesgebäude an der Federal Plaza erreichten, ließ der Regen zum Glück endlich nach.
Noch bevor wir unser gemeinsames Dienstzimmer erreichten, lief uns Agent Max Carter über den weg. Der Innendienstler aus der Fahndungsabteilung des FBI Field Office New York grüßte knapp und wies uns darauf hin, dass unser Chef in einer halben Stunde eine Besprechung in seinem Büro angesetzt hatte.
„Du bist doch sicher informiert, worum es geht, Max!“, vermutete ich.
Max nickte. „Das wird eine groß angelegte Operation mit internationaler Zusammenarbeit und so weiter...“
„Drogen?“
„Nein. Schon mal was von der Eremitage gehört?“
„Ist das nicht ein Museum in St. Petersburg?“
„Richtig.“
„Dann geht es um illegalen Kunsthandel?“
„Lass dich einfach überraschen, Jesse! Ich muss noch mal ein Dossier für euch zusammenstellen.“
„Bis nachher.“
Der illegale Kunsthandel hatte finanziell gesehen längst Dimensionen wie der Handel mit Drogen, Waffen oder Müll erreicht und war zu einem wichtigen Zweig des organisierten Verbrechens geworden, ohne dass die Öffentlichkeit davon besonders Notiz genommen hatte.
Wir fanden uns zusammen mit einer Reihe weiterer G-men pünktlich im Besprechungszimmer von Mr Jonathan D. McKee, dem Leiter des FBI Field Office New York ein und nahmen Platz.
Mandy grüßte uns knapp.
Die Sekretärin unseres Chefs servierte Kaffee für alle. Außer uns waren unter anderem die Kollegen Clive Caravaggio und Orry Medina anwesend. Die Agenten Jay Kronburg und Leslie Morell trafen kurz nach uns ein.
Max Carter schlich sich erst auf leisen Sohlen in den Raum, als Mr McKee bereits zu sprechen begonnen hatte.