Sammelband der gefühlvollen Sports-Romance-Trilogie (Kiss'n'Kick) - Nicole Alfa - E-Book

Sammelband der gefühlvollen Sports-Romance-Trilogie (Kiss'n'Kick) E-Book

Nicole Alfa

0,0
9,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

**Sportler, die dein Herz berühren** Diese E-Box enthält drei emotionale Liebesromane mit heißen Sportlern in der amerikanischen Kleinstadt River Hill: Kicking Your Love: Auf den ersten Blick wirkt Austin Anderson auf Kickboxerin Railey genauso unverschämt wie alle anderen Jungs in River Hill. Doch je näher sie den attraktiven Sportler mit seiner einfühlsamen Art beim Training kennenlernt, desto mehr zweifelt sie an ihrer Entscheidung, ihn nicht an sich heranzulassen. Ein Deal mit Austin könnte Railey dabei helfen, mehr Selbstbewusstsein aufzubauen, doch sie ist nicht die Einzige, mit der er eine Abmachung trifft … Seeking Your Love: Seit dem Ende ihrer Freundschaft hat sich Ally geschworen, dem ehemaligen Karate-Kämpfer und Womanizer Ben Blake fernzubleiben. Und obwohl sie weiß, dass er nichts weiter als ein selbstverliebter Bad Boy ist, geht ihm seine Art tief unter die Haut. Doch als er plötzlich in ihrer Judo-Stunde auftaucht, wird es immer schwieriger, ihn auf Abstand zu halten … Guarding Your Love: Ein Neustart am College – nach ihrer schmerzhaften Trennung träumt Isabella davon, sich endlich auf ihr Tanzpädagogik-Studium zu konzentrieren. Wenn da nicht ihr Ex-Freund Kyle wäre, ehemaliger Footballstar ihrer Highschool, der wieder in ihr Leben tritt und das Knistern zwischen ihnen aufs Neue entfacht. Doch auch für den attraktiven Footballer Liam beginnt sie Gefühle zu entwickeln … Die Wattpad-Sensation nun bei Carlsen Impress! //Dies ist der Sammelband der berührenden Liebesroman-Buchserie »Kiss'n'Kick«. Alle Romane der Sports Romance: -- Kicking Your Love. Kiss'n'Kick 1 -- Seeking Your Love. Kiss'n'Kick 2  -- Guarding Your Love. Kiss'n'Kick 3 Diese Reihe ist abgeschlossen.//

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



www.impressbooks.deDie Macht der Gefühle

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Impress Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2022 Text © Nicole Alfa, 2022 Lektorat: Larissa Bendl Coverbild & Covergestaltung: www.bookcoverstore.com ISBN 978-3-646-60971-4www.impressbooks.de

Impress

Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.

Tauch ab und lass die Realität weit hinter dir.

Jetzt anmelden!

Jetzt Fan werden!

Nicole Alfa

Kicking Your Love (Kiss'n'Kick 1)

**Ein Kickboxer zum Verlieben**

Auch wenn Railey einen Regionalmeistertitel im Kickboxen hat, wird sie zumeist nur auf ihre Größe reduziert. Als der attraktive Austin Anderson beim Training auftaucht, ist sie überzeugt, dass er genauso unverschämt ist wie alle anderen Jungs in River Hill. Doch je näher sie ihn kennenlernt, desto unsicherer wird sie, was seine Absichten angeht. Die Art, wie einfühlsam er sich um sie kümmert, bringen ihre Mauern gefährlich ins Wanken. Und dann schlägt er auch noch vor, Raileys Selbstbewusstsein aufzubauen, wenn sie im Gegenzug mit ihm trainiert. Doch Railey ist nicht die Einzige, die einen Deal mit Austin eingeht …

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Vita

Playlist

Danksagung

© MAKEMOHRFOTO Erding

Nicole Alfa schrieb bereits mit elf Jahren die Erstfassung für ihre Debütreihe. Nachdem sie ihre Manuskripte auf einer Plattform für Autoren hochlud und dort Zuspruch von ihren Lesern bekam, verfestigte sich ihr Wunsch, Schriftstellerin zu werden. Oft lässt sie sich für ihre Charaktere und deren Schicksale durch ihre Umgebung, Erfahrungen, Musik oder Fotos inspirieren. Ihr Motto ist es, nicht aufzugeben, auch wenn andere sagen, dass es unmöglich ist.

Für alle Raileys dort draußen

Vorbemerkung für die Leser*innen

Liebe*r Leser*in,

dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die demzufolge Spoiler für den Roman enthält.

Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du während des Lesens auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleib damit nicht allein. Wende dich an deine Familie, Freunde oder auch professionelle Hilfestellen.

Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.

Nicole Alfa und das Impress-Team

Playlist

Numb – NEFFEX

Swing of Things (Remix) – MAY-A feat. Powfu

Girls Like Us – Zoe Wees

Lay It All on Me (feat. Ed Sheeran) – Rudimental

Unstoppable – Sia

Colors – Halsey

Bleeding Love – VAMERO & LIZOT

I Believe I’m Fine – Robin Schulz & HUGEL

Ghost – Jacob Lee

Iris – Natalie Taylor

like that – Bea Miller

I Like Me Better – Lauv

Gone Are The Days (feat. James Gillespie) – Kygo

All Nighter (Dark Heart Remix) – OVERSTREET

Bird Set Free – Sia

Stronger (feat. Kesha) – Sam Feldt

The Power of Love – Gabrielle Aplin

Never Forget You – Zara Larsson & MNEK

Prolog

Drei Jahre zuvor

»Railey Young«, werde ich namentlich aufgerufen.

Ich atme einmal tief durch, um meine zitternden Hände und mein klopfendes Herz unter Kontrolle zu bringen.

Aufgeregt trete ich an den anderen Teilnehmern vorbei und stelle mich vor die drei in schwarze Jogginghosen und T-Shirts gekleideten Kampfrichter, die mir freundlich zunicken.

Einer von ihnen ist Steven, mein Kickbox-Trainer. Er hält eine Urkunde in der einen Hand und einen Pokal in der anderen. »Herzlichen Glückwunsch.«

Strahlend nehme ich die Urkunde und den glänzenden Pokal entgegen. Auf diesen Moment habe ich seit Wochen hingefiebert: Ich habe an meinem ersten Turnier im Kickboxen teilgenommen und den Titel für die Regionalmeisterschaft in meiner Gewichtsklasse gewonnen!

Überglücklich stelle ich mich zurück in die Reihe, als der nächste Gewinner einer anderen Gewichtsklasse seine Urkunde erhält. Ich schiele heimlich nach links zu Miles, einem Schüler aus meinem Verein, und werde knallrot, weil er mich ansieht. Seine blonden Haare hängen ihm wirr in sein breites Gesicht und seine himmelblauen Augen funkeln mich an. Ein angenehmes Flattern breitet sich in meinem Magen aus.

Als er mir zuzwinkert, werde ich rot. Miles hat meinen Kampf mitverfolgt, weshalb ich mehr als stolz bin, ihn gewonnen zu haben. Doch dann wendet er sich wieder seinem Kumpel neben ihm zu und die beiden tuscheln miteinander.

Nachdem jeder Teilnehmer seine Urkunde erhalten hat, renne ich aufgeregt zu meiner Familie, die wie alle anderen Angehörigen und Freunde auf der anderen Seite der Turnhalle gewartet und sich von dort aus die Kämpfe angesehen hat.

»Du hast es geschafft!«, jubelt mein Zwillingsbruder Dean. Er strahlt über das ganze Gesicht und umarmt mich stürmisch.

»Ja«, gebe ich fröhlich zurück, als wir uns voneinander lösen, werde dann jedoch traurig. »Schade nur, dass du nicht mitmachen konntest.«

Dean, der sich vor ein paar Wochen beim Training das Kreuzband gezerrt hat und deshalb nicht am Turnier teilnehmen konnte, zuckt mit den Schultern.

»Das nächste Mal bin ich wieder mit dabei, Schwesterchen«, meint er und lächelt mich zuversichtlich an.

Dann tritt unser großer Bruder Reece an ihm vorbei. Stolz zeichnet sich in seiner Miene ab, als er mich feierlich in seine Arme zieht. Glücklich schmiege ich mich an ihn. Er ist nicht nur mein großer Bruder. Er ist mehr als das. Er ist mein bester Freund.

Reece löst sich wieder von mir und legt wie Steven zuvor seine Hand auf meine Schulter. »Das hast du toll gemacht, Railey. Ich wusste, du wirst es schaffen.«

Obwohl nur Dean und ich Zwillinge sind, sehen wir uns alle ziemlich ähnlich. Wir haben dieselben dunkelbraunen, fast schwarzen Haare, stechend blaue Augen und ein herzförmiges Gesicht. Manchmal denken die Leute, wir wären Drillinge. Wobei Reece ein wenig größer ist als Dean und ich.

Unser Dad steht neben unserer Mom und hat ebenfalls ein glückliches Strahlen im Gesicht. Dad kam erst letzte Woche von seinem Einsatz zurück und hat jetzt für ein paar Wochen frei. Er arbeitet in der Army im Iran an der Grenze zu Afghanistan, wo er Soldaten ausbildet.

In der Zeit seiner Abwesenheit ist Reece für uns da, so wie er immer für uns da ist. Reece ist etwa drei Jahre älter als Dean und ich und fängt jetzt sein letztes Jahr an der Highschool an. Seine Kumpels unternehmen heute zum Abschluss der Sommerferien einen Trip nach Kalifornien ans Meer. Aber er ist hiergeblieben, damit er mir bei meinem ersten Wettkampf zuschauen konnte.

»Lasst uns zur Feier des Tages Essen gehen«, schlägt Mom vor.

»Du willst dich bestimmt noch schnell von deinen Freunden verabschieden, oder? Wir gehen schon mal vor und warten am Auto auf dich«, meint mein Vater und zwinkert mir verschwörerisch zu, sodass ich mich mit glühenden Wangen abwende. Meine ganze Familie weiß, dass ich in Miles verknallt bin.

Nachdem sie gegangen sind, schlendere ich mit klopfendem Herzen zu Miles und seinem Kumpel. Beide sind zwei Jahre älter als ich, haben aber denselben Gürtel, das heißt denselben Ausbildungsgrad wie ich. Wir haben etwa zur gleichen Zeit mit dem Kickboxen angefangen und sind seitdem so etwas wie Freunde. Wobei ich die ganze Zeit über hoffe, dass Miles in mir mehr als nur irgendeine Freundin sieht.

Miles hat mir den Rücken zugewandt und sieht mich deshalb nicht auf ihn zugehen. Trotzdem höre ich, was er sagt. »Krass, dass sie sich den Meistertitel in ihrer Gewichtsklasse geholt hat. Auch wenn es nur die Regionalmeisterschaften sind. So lange ist sie ja noch nicht dabei und es war ihr erstes Turnier. Railey ist für ein Mädchen echt gut«, meint er zu seinem Freund. Vor Aufregung und Stolz macht mein Herz einen Satz.

»Klingt, als ob sie dir gefällt?«, erwidert sein Freund und stößt ihn mit der Schulter an.

»Sie ist ja ganz nett und niedlich«, entgegnet Miles. »Aber sie ist überhaupt nicht mein Typ. Sieh sie dir an, wie winzig sie ist. Ich stehe auf richtige Frauen. Nicht auf kleine Mädchen, die aussehen wie aus der Elementary School. Die wird wahrscheinlich für immer so kindlich bleiben. So eine will doch niemand daten.« Er lacht über seinen eigenen Witz und sein Freund stimmt lauthals mit ein.

Mein Herz, das gerade eben noch sehr schnell geschlagen hat, bleibt stehen und zerbricht in Millionen von Scherben. Das Atmen fällt mir schwer. Tränen schießen mir in die Augen.

Bevor sie mich bemerken können, drehe ich mich um und laufe davon. Am Ausgang der Turnhalle wartet Reece auf mich. Er lehnt lässig an der Wand, die Hände in seine Hosentaschen geschoben.

Als er die Tränen in meinen Augen bemerkt, verändert sich seine Miene. Er stößt sich von der Mauer ab, kommt auf mich zu und schließt mich in seine Arme.

»Was ist denn los, Railey?«, will er wissen und streicht mir zärtlich durch die Haare.

»Er … er … er hat gesagt, dass er mich nicht attraktiv findet, weil ich so klein bin wie ein Kind«, jammere ich und schäme mich im nächsten Moment, weil ich nicht nur aussehe wie ein kleines Kind, sondern mich gerade auch so verhalte. Aber Miles’ Worte haben mir wehgetan.

Reece legt seine Hände auf meine Schultern und sieht mich eindringlich an. »Sag so etwas nicht. Du bist zwar kleiner als andere Mädchen in deinem Alter, aber das ist doch nicht schlimm. Außerdem bist du noch viel zu jung für einen Freund. Du hast genügend Zeit, einen zu finden. Du bist sehr hübsch, Railey. Und schlau. Außerdem zählen die inneren Werte mehr als die äußeren. Wenn er dich so, wie du bist, nicht mag und so oberflächlich ist, dann hat er dich nicht verdient. Irgendwann wirst du schon den Richtigen finden. Genau dann, wenn du es am wenigsten erwartest.«

Kapitel 1

Hatte Reece recht? Würde ich wirklich den Richtigen finden, wenn ich es am wenigsten erwartete?

In dem Augenblick, in dem ich hörte, was Miles über mich sagte, dachte ich, meine Welt bricht zusammen. Dabei tat sie das nicht in diesem Moment. Miles’ Worte zogen lediglich Risse durch mein Herz. Es zerbarst erst vollständig, als Reece nicht mehr da war.

Mein Leben veränderte sich schlagartig, sodass ich es nicht mehr wiedererkannte. Innerhalb kürzester Zeit war so viel geschehen. Dinge, die mich völlig überforderten. Dinge, von denen ich geglaubt hatte, sie würden nie Realität werden. Doch das wurden sie.

Das Leben hatte mir mit voller Wucht den Boden unter den Füßen weggerissen. Es zerbrach in tausend Scherben, die mich wie eine unerwartete gewaltige Flutwelle überrollten. Sie überraschte und erdrückte mich. Raubte mir die Luft zum Atmen. Jedoch konnte ich nichts dagegen tun. Jede einzelne Erfahrung, jeder einzelne Schicksalsschlag, jedes einzelne Ereignis – auch wenn es noch so klein und unbedeutend war – brannte sich wie heißes Feuer in meine Haut. Manche Wunden verheilten. Aber ihre Narben blieben als Erinnerung.

Es war, als wäre ich aus einem Traum herausgerissen worden. Einem Traum, in dem die Welt noch in Ordnung war. Stattdessen wurde ich in die harte Realität katapultiert. So gerne ich zurück in die Vergangenheit rennen wollte, eine unnachgiebige Tür hielt mich davon ab. Diese Tür verschloss sich, bewahrte die Vergangenheit vor mir und zwang mich dazu, in der Gegenwart zu bleiben.

Alle wollten, dass ich losließ und weiterlebte. Ich lebte weiter. Loslassen konnte ich jedoch nicht. Verzweifelt klammerte ich mich an meiner Vergangenheit fest, als wäre sie der rettende Anker inmitten der stürmischen See. Niemand verstand mich. Niemand wusste, wie es war, wenn man einen geliebten Menschen verlor, der nie wieder zurückkehren würde.

Ein lautes Klingeln reißt mich aus meinen Gedanken. Blinzelnd löse ich die Finger von der Tastatur, um den Wecker auszumachen. Ich war so im Niederschreiben meiner Gefühle versunken, dass ich die Zeit ganz vergessen habe. Es ist fast fünf. In einer Stunde beginnt unser Kickboxtraining, das jeden Freitagabend im örtlichen Sportverein stattfindet.

Da ich mich noch fertig machen muss, speichere ich den geschriebenen Text in meinem Gedanken-Dokument ab. Dort halte ich all meine Überlegungen und Sorgen fest, wenn es mir nicht gut geht.

So wie heute. Denn vergangene Nacht habe ich wieder von ihm geträumt. Der Traum war eine Erinnerung. Eine Erinnerung an damals. An mein erstes Turnier im Kickboxen, als er noch gelebt und mich nach Miles’ bösen Worten getröstet hat. Sie hat die Trauer wieder hochleben lassen, weshalb ich meine Gefühle niedergeschrieben habe. Danach geht es mir immer besser.

Als Nächstes lade ich ein bereits vorgeschriebenes neues Kapitel meines Buches hoch, das ich auf einer kostenlosen Schreibplattform veröffentliche. Jeden Freitag teile ich vor dem Training ein neues Kapitel mit meinen mittlerweile fast zehntausend Lesern. Die Deadlines, die ich mir somit selbst gesetzt habe, sind motivierend. Ebenso wie das Wissen, dass die Leser jede Woche darauf warten, wie es weitergeht.

Nachdem der erfolgreiche Upload bestätigt wurde, klappe ich den Laptop zu. Dann packe ich meine Tasche zusammen und warte ungeduldig auf meinen Zwillingsbruder.

»Hast du’s endlich?!«, rufe ich entnervt und klopfe zum gefühlt hundertsten Mal gegen die Badezimmertür. Dean hält sich jetzt gefühlt seit einer halben Ewigkeit darin auf. Es ist jedes Mal dasselbe mit ihm und dem Bad.

»Gleich, ich muss noch meine Haare trocknen«, gibt er empört zurück. Ich höre, wie er den Stecker in die Steckdose steckt und den Föhn anschaltet.

Genervt schlage ich meinen Kopf gegen die Tür. Er braucht jeden Tag eine halbe Ewigkeit, um sich fertigzumachen, bevor er aus dem Haus geht. Dabei ist das Gestyle umsonst, da wir nach dem Training ohnehin total zerzaust und verschwitzt sein werden.

»Dean, mach jetzt diese verdammte Tür auf oder ich breche sie ein! Ich brauche nur schnell meinen Haargummi, dann kannst du wieder abschließen!«, rufe ich, als er sich nach fünf Minuten immer noch föhnt, und sehe erneut auf die Uhr auf meinem Handydisplay. Wenn er so weitermacht, kommen wir zu spät.

»Wozu der ganze Aufwand? In spätestens einer Stunde ist deine Frisur doch sowieso ruiniert«, schimpfe ich, als er endlich die Tür öffnet und ich ins Bad stolpere. »Warum bist du nicht angezogen?«, frage ich ihn, da er nur in seiner Unterhose bekleidet vor dem Waschbecken steht und sich im Spiegel begutachtet.

Der penetrante Duft seines übermäßig verwendeten Eau de Toilette kriecht mir in die Nase und lässt mich niesen. »Hast du in CK One gebadet, oder was?«, frage ich angewidert.

»Gerade weil ich in einer Stunde sowieso wieder schwitzen werde, habe ich in CK gebadet«, verteidigt er sich gespielt empört. »Im Gegensatz zu dir ist es mir nicht egal, was andere über mich denken.«

Kopfschüttelnd schnappe ich mir meinen schwarzen Haargummi, der auf der Ablage über dem Waschbecken liegt. Es ist mir ganz und gar nicht egal, was andere über mich denken. Aber ich sehe es nicht ein, warum ich mich extra für ein eineinhalbstündiges Training aufstylen sollte.

»Weißt du, früher haben sich die Weibchen immer das Männchen gesucht, das am meisten gestunken hat«, sage ich und gehe zurück auf den Flur.

»Das war vor vielen tausend Jahren. Außerdem gab es da noch kein Deo«, ruft mir Dean nach, als ich in mein Zimmer laufe, um meine Sporttasche zu holen.

Nachdem ich wieder zurück auf den Flur getreten bin, fällt mein Blick auf die Tür zu Reece’ ehemaligem Zimmer neben meinem, das jetzt als Gästezimmer dient. Ein Stich bohrt sich in mein Herz. Wie sehr wünsche ich mir, er wäre noch hier. Doch er ist weg. Er wird nie wieder zurückkehren und wir müssen jetzt damit leben.

Er ist schon tot. Dean könnte auch noch sterben, schießt es mir plötzlich durch den Kopf. Es ist ein reiner Zwangsgedanke, den ich seit seinem Tod häufiger habe.

Obwohl ich weiß, dass das, was ich tue, totaler Blödsinn ist, gehe ich drei Schritte zurück und konzentriere mich, aus Angst, dass der Gedanke Realität werden könnte, fest auf das Mantra, dass Dean nicht sterben wird.

Dann laufe ich nach unten und warte vor der Haustür ungeduldig auf meinen eitlen Zwillingsbruder. Da Mom und Dad noch arbeiten müssen, sind wir allein. Dean kommt fünf Minuten später endlich fertig angezogen in Jeans, T-Shirt und Jacke mit seinem Rucksack auf dem Rücken gemächlichen Schrittes nach draußen.

»Es ist so ein Klischee, dass es immer heißt, Mädchen würden länger brauchen als Jungs. Du bist das perfekte Beispiel dafür, dass es nicht so ist«, meine ich und hole mein Fahrrad aus der Garage, die ich zuvor per PIN-Eingabe geöffnet habe. Meine Sporttasche klemme ich auf den Gepäckträger, damit sie mich beim Fahren nicht stört.

»Ich will gut aussehen und riechen«, kommentiert Dean, der sein Fahrrad ebenfalls nach draußen schiebt und einen Schalter drückt, damit sich das Garagentor wieder schließt. Im Gegensatz zu mir hat er keinen Gepäckträger. Deshalb hat er seine Sportsachen in seinem Rucksack verstaut.

»Ein einfaches Deo hätte gereicht«, erwidere ich. »Außerdem sind wir viel zu spät dran.«

»Stress nicht so herum, Railey«, antwortet Dean mit einem Blick auf seine Armbanduhr. »Das Training beginnt erst in einer halben Stunde und wir brauchen nur fünf Minuten, bis wir da sind. Wir sind also super in der Zeit.«

Schließlich setzen wir unsere Helme auf und schwingen uns auf unsere Fahrräder. Dann radeln wir die Einfahrt an unserem gepflegten Vorgarten entlang durch unser Wohnviertel in River Hill – einer typischen amerikanischen Vorstadt in Arizona mit Kindergarten, mehreren Schulen, Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten.

Bis auf die verschiedenen Farben der Hauswände sehen alle Häuser in unserem Viertel so gut wie gleich aus. Die Straßen sind in regelmäßigen Abständen mit Laubbäumen gesäumt. Da wir in einer ruhigen Gegend wohnen, kommen uns nur ein paar Autos entgegen. Dafür sind auf den Fußgängerwegen und auf der Straße aufgrund des sonnigen, warmen Wetters einige Spaziergänger und Radfahrer unterwegs.

Nach nur wenigen Minuten taucht vor uns die kleine Turnhalle auf, in der wir ein- bis zweimal in der Woche Kickbox-Training haben.

Wir fahren auf den Parkplatz davor, der von mehreren Bäumen umgegeben ist, und halten bei den Fahrradständern, an denen schon zwei Fahrräder lehnen. Dean hat sein Fahrrad schneller als ich abgeschlossen und stürmt schon voller Vorfreude in das alte Backsteingebäude. Im Vorraum kann ich ein paar Jungen und Mädchen ausmachen, die ihn begrüßen.

Da ich noch genug Zeit habe, ziehe ich mein Handy aus meiner Tasche auf dem Gepäckträger und überfliege meine neuen Benachrichtigungen. Die ersten Leser haben das neue Kapitel schon durchgesuchtet und Votes sowie Kommentare hinterlassen. Ihr Feedback ist sehr hilfreich, um mich zu verbessern. Jedes Mal, wenn ich ein neues Kapitel hochlade, warte ich sowohl gespannt als auch ungeduldig auf neue Rückmeldungen.

Als ich allerdings den ersten Kommentar durchlese, spüre ich einen Stich im Herzen.

Bisher hat mir das Buch ganz gut gefallen und nach dem bösen Cliffhanger von letzter Woche habe ich mich schon auf das nächste Kapitel gefreut. Nach dem ewigen Hin und Her haben sie sich endlich ihre gegenseitige Liebe gestanden und es kam zum eigentlich lang ersehnten ersten und verbotenen Kuss. Allerdings wurde ich enttäuscht. Was war das denn für eine langweilige, gestellte Kussszene? Null Kribbeln, null Prickeln, null Romantik. Da hätte ich mir mehr erwartet …

Ich muss schlucken. Wie soll ich den Kuss richtig beschreiben, wenn ich selbst noch nie geküsst wurde? Andere Leser haben unter dem Kommentar ähnliches geschrieben.

Ich bin so in die negativen Rückmeldungen versunken, dass ich das leise, kaum hörbare Sirren hinter mir nicht wahrnehme. Erst als ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung registriere, werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Als ich den Kopf zur Seite drehe, schießt ein Zweiradroller knapp an mir vorbei. Mit einem lauten Aufschrei springe ich erschrocken zurück. Dabei fällt mir das Handy beinahe aus der Hand. Der Fahrer des Rollers hält auf dem Parkplatz neben mir. Da das Fahrzeug kaum ein Geräusch von sich gibt, vermute ich, dass es sich dabei um einen Elektroroller handelt. Dennoch hat er mir einen riesigen Schrecken eingejagt.

»Kannst du nicht aufpassen?«, rufe ich mit klopfendem Herzen. »Du hättest mich fast umgefahren!«

Der Rollerfahrer zieht den Schlüssel aus dem Zündschloss, steigt von dem Fahrzeug und dreht sich zu mir um. Dann nimmt er in aller Seelenruhe den dunklen Helm ab. Mein Herz setzt für einen Schlag aus, als verwuschelte haselnussbraune Haare und gleichfarbige Augen zum Vorschein kommen.

»Du bist gar kein Junge, du bist ein Mädchen«, stellt der Typ, den ich hier noch nie zuvor gesehen habe, verblüfft fest. Seine tiefe Stimme jagt mir eine Gänsehaut über den Rücken.

»Wie bitte?« Entrüstet stemme ich die Hände in die Hüften.

Der unbekannte Junge verstaut seinen Helm in einem Fach unter dem Sitz, ehe er sich vor mich stellt. Es gefällt mir nicht, wie sich seine Mundwinkel amüsiert heben.

»Ich habe dich nur von hinten gesehen und zuerst für einen Jungen mit schulterlangen Haaren gehalten – so was liegt ja momentan bei manchen im Trend. Aber dann hast du geschrien und ich dachte mir nur: Der Kleine hat aber eine hohe Stimme.«

Er lacht kopfschüttelnd und fährt sich mit der anderen Hand durch die vom Helm zerzausten Haare, um sie wieder in Form zu bringen.

Ich sehe an mir herunter. Meine kurzen, dunkelbraunen, fast schwarzen Haare reichen mir knapp bis zu den Schultern. Ich trage knielange Shorts und über meinem T-Shirt eine Jacke, weil es beim Fahrradfahren und vor allem nach dem Training kühl ist.

Die Worte des Typen machen mich wütend. Ich hebe den Kopf und sehe ihm in die Augen. »Na und? Die Klamotten sind bequem. Ich bin hier nicht auf dem Laufsteg und muss auch niemandem gefallen!«

Seine Mundwinkel zucken, als hätte ich einen Witz gemacht. »Da gebe ich dir recht, Shorty. Im Übrigen habe ich dich nicht beinahe umgefahren.« Er setzt ein freundliches Lächeln auf, das ich ihm nicht abnehme.

Ich kenne Kerle wie ihn. Sie machen sich über mich und meine Körpergröße lustig. Dazu sieht er noch unglaublich gut aus, was ihm bestimmt bewusst ist. Er hat ein schönes, markantes Gesicht und lange, dichte Wimpern. Seine Strähnen reichen fast bis zu seinen Augenbrauen. Er wirkt muskulös und sportlich. Zumindest erahne ich das aufgrund seines enganliegenden T-Shirts, das über seiner Brust spannt. Darüber trägt er eine Dog-Tag-Halskette, eine Erkennungsmarke für Soldaten, und eine Lederjacke.

Der Junge sieht aus wie einer dieser selbstverliebten Möchtegern-Bad-Boys in den Büchern, die ich gerne lese. Wie ein Typ, mit dem ich mich nicht trauen würde zu sprechen – und noch wichtiger: mit dem ich niemals sprechen wollen würde! Normalerweise. Denn dieses selbstgefällige Grinsen, das sich auf seinen vollen Lippen ausbreitet, macht mich nur noch wütender.

»Du hast mich beinahe umgefahren«, halte ich fest. »Kommst du dir jetzt cool vor, weil du mich so erschreckt hast? Das ist ganz und gar nicht cool.«

»Ich bin in mäßigem Abstand an dir vorbeigefahren. Das ist ein großer Unterschied«, verbessert er mich. »Und wärst du nicht so auf dein Handy fixiert gewesen, hättest du den zugegeben leisen Motor meines Elektrorollers trotzdem gehört und wärst nicht erschrocken«, schiebt er noch hinterher. Er mustert mich aus zusammengekniffenen Augen. »Bist du eine dieser Influencerinnen, die außer ihrem Handy gar nichts mehr um sich herum wahrnehmen?«

»Überhaupt nicht«, widerspreche ich ihm heftig.

Vielleicht reagiere ich gerade wegen der negativen Kommentare, des Schrecks und der Tatsache, dass er mich anscheinend erst für einen Jungen und dann für eine handysüchtige Influencerin gehalten hat, über. Doch das würde ich niemals laut zugeben. »Ich bin weder das eine noch das andere. Und hast du mich vorhin Shorty genannt?«, fällt mir sein Kommentar wieder ein.

Der Junge grinst breit und tritt einen Schritt näher an mich heran, sodass sich unsere Oberkörper fast berühren. Da er etwa eineinhalb Köpfe größer ist als ich, muss ich meinen Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen sehen zu können. Er hat wirklich unglaublich schöne haselnussbraune Augen. Bei genauerem Hinsehen erkenne ich, dass seine Iriden jeweils von einem dunkelgrünen Ring umgeben sind.

»Ich kenne deinen Namen ja nicht und fand Shorty ganz passend. Oder wäre dir Kleine oder Minion lieber?«

Mir klappt vor lauter Verblüffung über seine Unverschämtheit die Kinnlade herunter. »Sehe ich so aus, als wäre ich gelb im Gesicht?«

»Nein, aber das können wir mit etwas Farbe gern ändern, wenn du willst«, schießt er feixend zurück.

Eigentlich sollte ich mich mittlerweile daran gewöhnt haben, immer auf meine Größe reduziert zu werden. Dennoch verletzt es mich. Ich weiß, dass ich klein bin. Warum muss ich von jeder Person, der ich über den Weg laufe, daran erinnert werden?

Da es mir reicht und diese Diskussion zu nichts zu führen scheint, lasse ich den Typen kurzerhand stehen. Wortlos greife ich nach meiner Sporttasche und stürme zur Turnhalle.

»Hey, warte bitte!«, ruft er und folgt mir. »Tut mir leid, wenn ich dich verletzt habe. Das war doch nur Spaß und nicht so gemeint«, beginnt er überraschend versöhnlich und läuft neben mir her, als er mich an der Eingangstür eingeholt hat. »Ich wollte nur –«

»Lass es einfach und lass mich in Ruhe!«, unterbreche ich ihn wütend und flüchte in die Mädchenumkleide, wo ich mit vor Aufregung zitternden Händen meine Tasche öffne, um meine Sportklamotten herauszuholen. Im Training trage ich entweder Shorts oder elastische Leggings und einen Sport-BH. Damit ich mich nicht so nackt fühle, ziehe ich meistens ein Tanktop mit der Aufschrift ›You train to look good, I train to kick your ass‹ darüber an. Dieser Spruch motiviert mich. Außerdem trage ich zum Schutz vor möglichen Verletzungen Schienbeinschoner. Beim Zweikampf bekomme ich zusätzlich noch einen Mundschutz, der mein Gebiss und meinen Kiefer schützt.

Während ich mich umziehe, spukt die Diskussion mit dem fremden, unverschämten Typen in meinem Kopf umher. Warum müssen immer alle denken, sie könnten auf mir herumhacken, nur, weil ich klein bin? Was hatte er überhaupt vor der Turnhalle zu suchen? Ist er neu hier? Immerhin habe ich ihn bisher weder im Training noch an meiner Schule je gesehen. Innerlich hoffe ich, dass er nicht auch Kickboxen betreibt, doch meine Chancen stehen bestimmt schlecht. Er sah jedenfalls nicht so aus, als wäre er nur aus Langeweile hierhergefahren.

Allerdings will ich mir weder von ihm noch von den negativen Rückmeldungen zu meinem neuen Kapitel die Laune verderben lassen. Immerhin habe ich mich auf das Training gefreut. Zwar lässt mich das Schreiben in andere Welten eintauchen und lenkt mich von Problemen ab. Aber beim Kickboxen kann ich mich abreagieren. Und gerade habe ich genug Emotionen in mir, die ich an einem Boxsack auslassen möchte.

Nachdem ich meine Haare zu einem kurzen Zopf zusammengebunden habe, begebe ich mich in die mit Bodenschutzmatten ausgelegte Turnhalle. An der Decke sind an festen Stahlhalterungen mehrere Boxsäcke befestigt. Außerdem gibt es noch Standboxsäcke und im hinteren Eck der Turnhalle befindet sich ein Ring für Zweikämpfe. Durch die hohen Fenster an den Wänden oben scheint die untergehende Sonne herein und taucht den Raum in ein angenehmes warmes Licht.

Etwa dreißig Jugendliche unterhalten sich angeregt miteinander, um die Wartezeit zu überbrücken. Ich marschiere zu einer Turnbank an der Wand, auf der ein kleines Notizbuch liegt. Dort trage ich meinen Namen ein, da bei jedem Training die Anwesenheit kontrolliert wird.

Punkt sechs Uhr stellen wir uns der Gürtelfarbe nach in einer Reihe vor unserem Trainer Steven auf.

Im Kickboxen gibt es wie im Karate verschiedene Gürtelfarben, die den Ausbildungsstand, genannt Kyu, zeigen. Der weiße Gürtel ist beispielsweise für Anfänger, wird meistens allerdings gar nicht getragen. Dann kommen der gelbe, orange, grüne, blaue, braune und vier schwarze Gürtel. Dabei wird zwischen Schüler- und Meistergraden unterschieden und die Kyus werden rückwärts gezählt. Die bunten Gürtel stehen für die Schülergrade. Somit hat der braune Gürtel als erster Kyu den höchsten Rang und der gelbe mit dem fünften den niedrigsten. Die schwarzen Gürtel sind Meistergrade und bilden eine Ausnahme, da es mehrere von ihnen gibt, die Dan genannt und ebenfalls rückwärts gezählt werden.

Ich habe mittlerweile den blauen Gürtel, welcher dem zweiten Schülergrad entspricht. Dean ist mit dem grünen einen Grad unter mir und steht deshalb ein paar Schüler links von mir. Als ich ihn in der Reihe entdecke, sackt mein Herz nach unten. Denn er unterhält sich fröhlich mit dem unbekannten Typen von vorhin.

Zumindest bis sich unser Trainer Steven räuspert und Stille einkehrt. Jeder achtet darauf, den Körper aufrecht zu halten und die Füße schulterbreit auseinanderzustellen.

Steven lächelt zufrieden. Er hat kurzgeschorene Haare und trägt einen Vollbart. Seine muskulöse Statur verrät, dass er Kampfsport betreibt. Doch trotz seiner respekteinflößenden Ausstrahlung ist er sehr nett und rücksichtsvoll.

Da er sowohl Lehrer fürs Kickboxen als auch für Judo und Karate ist, hat er vom Karate ein paar Begrüßungsformen übernommen. Deshalb verneigt er sich mit einem »Ossu« vor uns und wir alle tun es ihm gleich. Dieses Ritual ist ein Zeichen des gegenseitigen Respekts und der Anerkennung.

»Wie ihr womöglich schon bemerkt habt, haben wir seit heute einen neuen Schüler«, beginnt Steven und nickt zu dem fremden Jungen.

Der tritt einen Schritt nach vorne und winkt selbstbewusst mit einem breiten Grinsen in die Runde. »Hey, ich bin Austin.«

Austin also. Was für ein blöder Name! Wer benennt denn sein Kind nach einer Stadt?

»Meine Familie und ich sind vor Kurzem aus North Carolina hierhergezogen«, fährt er fort. »Ich habe dort vor ein paar Jahren in einem Fight Club mit dem Kickboxen angefangen und aktuell den dritten Kyu.«

Ich hebe die Brauen und kann mir ein selbstgefälliges Grinsen nicht verkneifen. Er hat wie Dean den grünen Gürtel und ist somit einen Kyu unter mir.

»Herzlich willkommen in meinem Kickbox-Kurs«, sagt Steven und lächelt. »Ich hoffe, dir wird es hier genauso gut gefallen wie in North Carolina. Jetzt haben wir gleich drei Junior-Meister in unseren Reihen.«

»Wie bitte?«, frage ich verwirrt. Die einzigen Junior-Meister der letzten drei Jahre in unserem Kurs sind Miles und ich.

Steven lächelt. »Austin hat letztes Jahr in seiner Gewichtsklasse die Junior-Regionalmeisterschaften gewonnen.«

»Konkurrenz finde ich immer gut«, kommt es von Miles, der ein paar Schüler weiter neben mir steht. Er mustert Austin mit zusammengezogenen Brauen. »Ich freue mich schon auf den Kampf.«

Beinahe hätte ich über die Falschheit in seiner Stimme laut aufgelacht. Er freut sich ganz und gar nicht. Miles hat denselben Gürtel wie ich und will immer der Beste sein. Er sieht diesen Austin als Gefahr an. Doch das kann mir egal sein. Sollen sich die beiden Idioten doch gegenseitig die Köpfe einschlagen.

»Ich freue mich auch schon. Es wird mir hier bestimmt viel Spaß machen«, erwidert Austin leichthin und blickt in die Runde. Als seine Augen bei mir haltmachen, wird sein Lächeln noch breiter. Finster erwidere ich seinen Blick. Zu meiner Überraschung zwinkert mir Austin zu, woraufhin ich mich entrüstet abwende. Hat es nicht schon gereicht, mich auf dem Parkplatz zu erniedrigen? Nein, er muss auch noch in mein Training gehen und mich hier ärgern! Zu allem Überfluss scheint sich mein Bruder gut mit ihm zu verstehen.

Steven klatscht in die Hände. »Genug geredet. Lasst uns mit dem Aufwärmen und dem heutigen Training beginnen.«

Zunächst lässt Steve uns ein paar Runden durch die Turnhalle laufen und seilspringen, um zusätzlich unsere Ausdauer zu trainieren.

Schließlich stellen wir uns wieder in einer Reihe nebeneinander auf. Daraufhin tritt jeder Zweite nach vorne, da wir so mehr Platz haben und unsere Nachbarn nicht stören, und wir beginnen mit den restlichen Aufwärmübungen.

Weil ich Austins Blick immer wieder auf mir spüre, strenge ich mich heute mit zusammengebissenen Zähnen bei den Sit-ups umso mehr an. Danach mache ich mit Leichtigkeit die Liegestütze auf Fäusten, bis meine Muskeln angenehm brennen und ich mich mit knallrotem Gesicht wieder aufrichte, um nach Luft zu ringen.

Nach den anschließenden Dehnübungen, die besonders wichtig sind, da unsere Bänder und Sehnen bei bestimmten Techniken auf unterschiedliche Weise beansprucht werden, beginnen wir mit dem eigentlichen Training.

Zunächst lässt Steven uns Trockenübungen machen, indem wir die einzelnen Bewegungsabfolgen auf der Stelle ausführen und dann Schritt für Schritt nach vorne gehen, bis wir an die gegenüberliegende Wand gelangen und wieder umkehren. Währenddessen geht unser Trainer mit hinter dem Rücken verschränkten Händen an uns vorbei und korrigiert hin und wieder unsere Form.

Ich blicke zu Dean. Der führt einen Sidekick aus, den Steven verbessert.

Als ich mich wieder auf meine eigene Beinarbeit fokussieren will, fällt mein Blick auf Austin. Er ist ganz konzentriert in seinen Bewegungen, daher bemerkt er nicht, wie ich ihn anstarre. Seine Augen haben die Wand vor sich fixiert, während ihm die Haare wieder in die Stirn hängen, auf der ich die Schweißperlen bereits sehen kann, die wie Diamanten auf seiner Haut funkeln. Dennoch ist sein Gesicht nicht so rot wie meines oder das meines Bruders. Mit geradezu unmenschlicher Leichtigkeit hebt er das Bein und dreht sich, ehe er es ausschlägt und wieder fest auf dem Boden aufkommt. Ein perfekter Sidekick.

Ich muss schlucken, als meine Augen über seinen Körper wandern. Er trägt ein dunkles Tanktop, das sich seinem durchtrainierten Oberkörper wie eine zweite Haut perfekt anpasst. Wie ich bereits vermutet habe, scheint er häufig zu trainieren. Als er die Lederjacke vorhin anhatte, habe ich seine definierten Armmuskeln gar nicht gesehen. Seine Beinmuskeln sind ebenfalls ausgeprägt und kommen durch seine kurze Hose gut zur …

»Railey! Was stehst du da so rum und starrst durch die Gegend? Nicht aufhören, weitermachen!«, schimpft Steven und reißt mich dadurch aus den Gedanken.

Alle Augen wandern zu mir. Ich laufe noch röter an, als ich durch die Anstrengung ohnehin schon bin. Erst recht als Austin Stevens Blick folgt und mich direkt anschaut.

Meine Kehle fühlt sich plötzlich ganz trocken an und ich räuspere mich, was in einem Hustenanfall endet. Noch peinlicher geht es nicht mehr.

Dachte ich zumindest. Denn eine halbe Stunde später machen wir Partnerübungen, für die wir unsere dafür extra vorgesehenen fingerfreien, am Handballen und -rücken gepolsterten Halbhandschuhe anziehen. Es sind nicht die Boxhandschuhe, die wir beispielsweise bei Kämpfen im Ring tragen. Durch die abgespeckte Version haben unsere Hände mehr Freiheit und wir können sie auch zur Faust ballen oder damit Liegestütze machen. Außerdem sind sie bei Partnerübungen angenehmer.

Jene mag ich allerdings so oder so nicht besonders gern, weil meine Partner meistens größer sind als ich. Zwar werden wir bei Wettkämpfen oft in Gewichtsklassen eingeteilt, doch im Training lässt Steven uns per Zufallsprinzip üben. Im Gegensatz zu anderen Trainern in der Region ist er eher unkonventionell. Doch genau das lieben seine Schüler an ihm.

Als ich mich zu meinem Hintermann umdrehe, sackt mein Herz nach unten.

»Miles?«, hauche ich entsetzt. Vorhin stand er noch ein paar Schüler weiter, deshalb war ich schon erleichtert nicht mit ihm zusammen trainieren zu müssen. Hat er mit jemand anderem gewechselt?

Miles wirkt genauso wenig begeistert. Wie Austin vorhin stellt er sich direkt vor mich. Und wie der Neue ist er fast zwei Köpfe größer als ich. So, wie er auf mich herunterschaut, fühle ich mich ganz winzig. Vor ein paar Jahren noch habe ich für ihn geschwärmt. Zumindest bis ich herausfand, was für ein Idiot er ist.

Miles mustert mich kritisch. »Kommt es mir nur so vor oder bist du geschrumpft?«, scherzt er.

Seine Worte verletzen mich erneut, denn sie erinnern mich an die Situation vor drei Jahren, als er sich über mich lustig gemacht hat.

»Vielleicht bist du ja gewachsen?«, gebe ich zurück, weil mir nichts anderes als Konter einfällt.

Ehe es noch peinlicher werden kann, müssen wir mit unseren Partnerübungen beginnen. Dabei hält er seine Hände, die wie meine von Handschuhen geschützt sind, vor sich. Mit der rechten Hand boxe ich in seine rechte. Das gleiche tue ich mit der linken. Allerdings ist Miles so groß, dass ich mich strecken muss, um ihn überhaupt treffen zu können.

»Ich sollte in die Hocke gehen, damit du auch mal rankommst, was?«, grinst er und geht tatsächlich in die Knie, sodass er mit mir auf gleicher Augenhöhe ist.

Meine sowieso schon üble Laune verschlechtert sich noch mehr und ich bin kurz davor, einfach abzuhauen. Gedanklich zähle ich bis zehn, ehe ich einen Angriff auf seine Stirn antäusche. Miles blockt meinen nächsten Schlag ab und kontert mit einem Beinkick.

Sein Fuß berührt meine Hüfte. »Das war ja leicht. Wir haben zwar beide Regionalmeistertitel, aber in einem Kampf zwischen uns wäre ich der wahre Sieger«, meint er überheblich und runzelt die Stirn. »Wenn das so weitergeht, langweile ich mich noch.«

Ich kneife die Augen zusammen, Scham brennt in meinen Wangen. Ich balle die Hände zu Fäusten, würde sie ihm am liebsten ins Gesicht oder dorthin rammen, wo es besonders wehtut.

Ehe ich etwas Schlagfertiges erwidern kann, tritt unser Trainer neben uns und wir machen mit unseren Übungen weiter. Ich hebe das Knie und verpasse Miles einen Stoßtritt in Richtung seines Magens, den er gekonnt abblockt.

»Hey, Steven, meinst du nicht, ich sollte mit einem ebenbürtigeren Gegner trainieren, der so groß ist wie ich?«, fragt er an Steven gewandt. »Oder wenigstens in meiner Gewichtsklasse? Railey ist ein Fliegengewicht. Nicht, dass ich sie am Ende noch verletze.«

Ich halte mitten in der Bewegung eines Schlages gegen seine Schulter inne.

Mein Trainer runzelt die Stirn, dann schüttelt er den Kopf. »Zwar finden unsere Wettkämpfe in Gewichtsklassen aufgeteilt statt, aber es kann vorkommen, dass man mal gegen kleinere oder größere, schmächtigere oder stärkere Gegner antritt. Außerdem ist dir Railey, auch wenn sie kleiner ist als du, mehr als gewachsen. Wenn du ein Problem damit hast, mit kleineren Menschen zu trainieren, solltest du dir überlegen, ob mein Kurs wirklich der richtige für dich ist.«

Miles läuft tiefrot an und Steven zwinkert mir zu, weshalb ich trotz meiner Beschämung lächeln muss. Wenigstens einer hält zu mir. Dann wendet er sich ab und Miles weicht meinem Blick aus, während wir beide peinlich berührt weitertrainieren.

Wir betreiben keinen Small Talk mehr, sondern konzentrieren uns verbissen auf die Übungen. Miles scheint genauso wenig mit mir reden zu wollen wie ich mit ihm, was die ganze Situation nur noch unangenehmer macht. Deshalb nehme ich mir fest vor, das nächste Mal darauf zu achten, wo ich mich hinstelle, um nicht wieder mit ihm gepaart zu werden.

Hin und wieder schiele ich zu meinem Bruder, der überglücklich mit diesem Austin trainiert. Ich verspüre einen eifersüchtigen Stich, da ich auch lieber an Deans Seite wäre.

Miles folgt meinem Blick. »Kennt ihr den Neuen? Wisst ihr, wie lange er schon kickboxt? Dein Bruder und er scheinen ja schon gute Freunde zu sein.«

Ich sehe Miles an. Kommt es mir nur so vor oder klingt er ebenfalls eifersüchtig? Hat er sich deshalb extra so hingestellt, dass er mit mir zusammen trainiert, um aus mir herauszubekommen, woher mein Bruder Austin kennt?

»Warum fragst du das? Vorhin meintest du, du findest Konkurrenz immer gut. Klingt aber eher so, als hättest du Angst, dass der Neue besser ist als du. Ist bestimmt blöd, nicht mehr der einzige Junge mit einem Regionalmeistertitel zu sein«, bemerke ich herausfordernd.

Mit Genugtuung registriere ich, wie sich Miles’ Miene verdüstert. Er zieht die Brauen zusammen und schnaubt auf. »Was auch immer er in North Carolina gelernt hat, er kommt nicht an mich heran.«

***

Nachdem wir noch ein paar Schlagtechniken an den Boxsäcken geübt haben, ist das Training auch schon vorbei.

Als ich aus der Umkleide komme, fällt mein Blick auf die Stelle, an der Reece vor drei Jahren gelehnt und mich nach Miles’ Abfuhr getröstet hat. Es war einer der letzten Momente, die ich mit ihm hatte.

Dean oder unseren Eltern könnte dasselbe passieren, schießt es mir plötzlich durch den Kopf und ich bleibe schlagartig stehen. Angespannt sehe ich mich um, ob mich jemand beobachtet. Mein Puls rast in die Höhe. Da aber niemand hier ist und lediglich gedämpfte Stimmen aus den Umkleidekabinen dringen, gehe ich hastig drei Schritte zurück, ehe ich nach draußen laufe, bewusst daran denkend, dass Dean nicht sterben wird.

Der wartet fröhlich an den Fahrradständern auf mich. Er ist in ein angeregtes Gespräch mit Austin verwickelt. Dessen Blick fällt auf mich. Ausgerechnet da atme ich den unüberriechbaren Ck-One-Duft des Eau de Toilette meines Bruders ein, der in alle Richtungen weht. Ich muss niesen.

»Gesundheit«, grinst Austin, woraufhin ich ihm nur einen eisigen Blick zuwerfe und hocherhobenen Hauptes zu meinem Fahrrad marschiere, um es aufzuschließen. Auch wenn es mir Genugtuung verschafft, dass Miles einen Konkurrenten in ihm sieht, bin ich immer noch sauer, weil er mich vor dem Training beleidigt hat.

»Hat mich gefreut dich kennenzulernen, Austin«, sagt Dean und sieht mich verwirrt an. Vermutlich wundert er sich, warum ich seinen neuen Freund ignoriere.

»Mich auch, Dean«, erwidert dieser und holt seinen Helm aus dem Fach in seinem Elektroroller hervor.

Austin scheint aufzufallen, dass ich ihn dabei beobachte. Ein stolzes Lächeln breitet sich auf seinen vollen Lippen aus. »Es ist ein cooler Roller, oder? Wenn ihr wollt, könnt ihr irgendwann mal eine Spritztour mit mir drehen«, schlägt er vor und ich glaube mich verhört zu haben.

»Gerne!«, sagt Dean begeistert.

»Super«, erwidert Austin. Dann zwinkert er mir zu. »Man sieht sich, Shorty.« Er zieht sich seinen Helm über, steigt auf den Roller und fährt mit einem letzten Blick auf mich davon.

»Seid ihr jetzt beste Freunde, oder was?«, frage ich meinen Bruder beleidigt.

Dean setzt sich auf sein Fahrrad und grinst mich schulterzuckend an, als er wie ich seinen Helm aufhockt. »Was hast du denn gegen ihn? Aus ist nett und cool.«

»Du kennst ihn doch nicht mal«, widerspreche ich und kann nicht glauben, dass er ihm schon einen Spitznamen gegeben hat. Er hat ihn vor zwei Stunden zum ersten Mal gesehen. »Wie kannst du da wissen, dass er nett und cool ist?«, schiebe ich hinterher und muss an Miles denken. »Er kann so tun, als fände er dich nett, aber in Wirklichkeit lästert er hinter deinem Rücken über dich.«

Dean schüttelt den Kopf. »Manchmal muss man halt Risiken eingehen. Wenn ich jedes Mal Angst haben müsste, dass jemand hinter meinem Rücken über mich lästert, könnte ich keine Freundschaften schließen. Austin ist neu hier und kennt noch niemanden. Er sucht Anschluss, deshalb habe ich ihn direkt angesprochen. Sein Vater arbeitet auch beim Militär und wurde wie Dad kürzlich auf den Stützpunkt in der Nähe versetzt. Aus diesem Grund sind sie umgezogen. Vielleicht kennen sich unsere Väter sogar«, meint er.

Na super. Das hat noch gefehlt.

»Allerdings ist er leider hetero, also wäre er eher was für dich«, fährt er grinsend fort.

Ich werfe meinem Bruder einen finsteren Blick zu. »Woher willst du wissen, dass er hetero ist? Und nein danke.« Gleichzeitig macht sich ein schmerzhafter Stich in mir breit. »So ein Typ will nichts von Mädchen wie mir«, murmle ich.

Austin ist gut aussehend und allem Anschein nach hat er kein Problem damit, auf Leute zuzugehen. Schön für ihn. Bestimmt hat er eine Freundin. Noch schöner für ihn. Und falls nicht, wird er an unserer Schule schnell eine finden. Aber das kann mir egal sein, weil er nichts von mir und ich nichts von ihm will. Außerdem kann ich ihn nicht leiden. Er ist genauso wie Miles. Genauso wie alle anderen Typen.

Da bleibe ich lieber in meiner erfundenen Welt und träume von einem Freund, der mich bedingungslos liebt.

So, wie ich bin.

Kapitel 2

»Railey, aufstehen!«, weckt mich eine mir wohlbekannte Stimme.

Blinzelnd öffne ich die Augen, bis sie sich an die Helligkeit gewöhnt haben, die mein Zimmer durchflutet. Meine Mom steht vor meinem Fenster und hat die Gardinen beiseitegezogen, sodass die strahlende Sonne in mein Zimmer scheint und es in ein blendendes Licht taucht.

»Was soll das?«, murmle ich verschlafen. »Es ist Samstag.«

»Es ist Mittag«, erwidert meine Mom streng. »Hast du wieder bis in die Nacht hinein geschrieben? Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht immer so lange aufbleiben sollst. Es ist mir egal, dass heute Samstag ist. Das späte Schlafengehen und Aufstehen bringt deinen Schlafrhythmus durcheinander, wenn in zwei Wochen wieder die Schule beginnt. Wann wärst du aus dem Bett gekommen, hätte ich dich nicht geweckt? Außerdem treffen in ein paar Stunden unsere Gäste ein und wir müssen noch den Garten für die Grillparty vorbereiten. Mach dich jetzt bitte frisch und komm dann runter«, führt sie ihre Schimpftirade fort.

Grummelnd ziehe ich die Decke über meinen Kopf. Mit einem Ruck zieht meine Mutter sie weg, woraufhin ich empört protestiere. Doch Mom kennt kein Nein. Mit erhobenem Finger steht sie da und deutet auf meinen Schreibtischstuhl, über den sie ein Blümchenkleid geworfen hat. Gedanklich übergebe ich mich bereits. Ich bin doch keine Blumenfee.

»Ich möchte dich nicht im Schlabberlook auf dem Barbecue sehen, junge Dame«, droht sie gespielt ernst.

»Muss ich da überhaupt anwesend sein?«, murmle ich unbegeistert. »Ich verstehe nicht, warum ihr einen solchen Aufstand wegen Dads Kollegen macht.«

Ich habe keine Lust darauf, die glückliche Tochter inmitten der teilweise versnobten Freunde meiner Eltern zu spielen. Vor allem, wenn ein Familienmitglied fehlt, das früher solche langweiligen Feiern mit seinem Humor aufgelockert und uns alle zum Lachen gebracht hat.

»Natürlich wirst du hingehen, sonst kannst du vergessen, mit Großvaters Auto in die Schule zu fahren. Jack ist mit seiner Familie neu in die Stadt gezogen. Da dachten wir uns, es wäre doch nett, sie durch das Barbecue mit unserem Bekanntenkreis vertraut zu machen, damit sie leichter Anschluss finden.«

Sofort muss ich an diesen Austin denken. Spricht sie von ihm und seiner Familie?

Da meine Mom mich erwartungsvoll anblickt und ich sowieso keine Wahl habe, nicke ich nur. Daraufhin marschiert sie zufrieden nach draußen. Im Türrahmen dreht sie sich noch mal zu mir um. Sie ringt kurz mit sich. Dann sagt sie: »Es ist jetzt fast drei Jahre her, Railey. Seitdem verkriechst du dich in deinem Zimmer und gehst nur für die Schule, den Sport oder mit Victoria aus dem Haus.« Sie macht eine Pause. »Ich vermisse ihn genauso sehr wie du. Wie wir alle. Aber er hätte gewollt, dass wir weitermachen.«

Mom wartet meine Antwort gar nicht erst ab, sondern tritt nach draußen und marschiert die Treppe hinunter. Die Zimmertür lässt sie offen stehen, damit ich nicht in Versuchung komme, weiterzuschlafen. Ich bleibe noch eine Weile im Bett liegen und kämpfe mit den Tränen. Ja, er hätte gewollt, dass wir weitermachen.

Schließlich steige ich aus dem Bett und schließe die Zimmertür. Ich drehe mich um und blicke sehnsüchtig zu meinem Laptop, der auf dem Schreibtisch auf mich wartet. Obwohl mich die negativen Kommentare zu meinem letzten Kapitel runtergezogen haben, habe ich bis kurz nach drei Uhr in der Nacht am nächsten Kapitel gearbeitet. Es kribbelt mir auch jetzt in den Fingern, den Laptop einzuschalten und an der Geschichte weiterzuschreiben. Mich in meine erfundene Welt zu flüchten.

Leider muss ich das auf nach dem Barbecue verschieben.

Ich seufze ergeben auf und begebe mich ins Bad, um mich frisch zu machen. Nachdem ich mir gemütliche Klamotten angezogen und mit meiner Familie gefrühstückt habe, helfen Dean und ich unseren Eltern bei der Vorbereitung der Party. Wir bereiten die Salate und Marinaden für das Fleisch zu und bauen im Garten neben dem Grill einen Buffettisch für Speisen und Getränke sowie zwei weitere Tische auf, um die wir Bänke und ein paar Klappstühle stellen. Zwar ist unser Garten von mehreren Bäumen und einer hohen Hecke umgeben, die ihn von dem unserer Nachbarn trennt. Trotzdem platzieren wir zusätzlich zwei Sonnenschirme neben den Tischen, weil die Sonne im Laufe des Tages wandern wird.

Da bald die ersten Gäste eintreffen werden, ziehe ich mir in meinem Zimmer das Kleid über, das mir Mom bereitgelegt hat.

Allerdings schießen während des Umziehens wieder böse Gedanken durch meinen Kopf, weshalb ich das Kleid dreimal aus- und wieder anziehe, bis der Druck in mir nachlässt. Obwohl ich weiß, dass die Handlungen sinnlos sind, muss ich dem Zwangsgefühl folgen, weil mir sonst die Angst, dass meine Gedanken Realität werden könnten, keine Ruhe lässt.

Würden mich andere Leute jetzt sehen, würden sie mich für verrückt halten. Aber ich kann nichts dafür. Mein Therapeut hat damals eine Zwangsstörung bei mir diagnostiziert. Ausgelöst wurde sie durch ein Ereignis, durch das ich die Kontrolle über mein Leben verloren habe. Mithilfe der Zwänge versuche ich die Kontrolle anderweitig wieder zurückzuerlangen.

Ich sehe mich im Spiegel an. Dunkle Ringe liegen unter meinen Augen und verdeutlichen, dass ich heute Nacht nicht viel geschlafen habe. Ich überdecke sie mit Concealer und trage zusätzlich Mascara auf. Dann betrachte ich mein Erscheinungsbild erneut. Jetzt sehe ich etwas frischer aus. Allerdings gefällt mir das Kleid noch nicht ganz. Es hat dünne Träger und reicht mir bis zu den Knien. Weil ich es so langweilig finde, hole ich aus meinem Kleiderschrank einen Gürtel heraus, den ich mit dem Kleid und einer Lederjacke kombiniere. Somit sehe ich zumindest weniger nach Blumenfee aus.

Ich versuche meine Mundwinkel nach oben zu ziehen, doch sie heben sich nur leicht. Früher habe ich viel gelacht. Jetzt fällt es mir oft schwer, ein ehrliches Lächeln zustande zu bringen.

Traurig berühre ich das silberne Medaillon um meinen Hals, das einzige Schmuckstück, das ich trage und in dem ich ein Foto von meinem toten Bruder aufbewahre.

Ich wünschte, du wärst jetzt hier, denke ich und wische mir über die Augen. Obwohl es bereits fast drei Jahre her ist, nagt der Verlust immer noch schwer an mir. Ich kann und will seinen Tod nicht akzeptieren. Denn das würde bedeuten, ihn loszulassen.

***

Kurze Zeit später stehe ich in unserem Garten. Der unverwechselbare Duft von Spareribs und gegrilltem Mais liegt in der Luft und lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Die Freunde und Arbeitskollegen meiner Eltern sind bereits zahlreich eingetroffen unterhalten sich angeregt miteinander. Wie jedes Mal bewundern sie die sorgfältig angelegten Blumen- und Gemüsebeete – ein leidenschaftliches Hobby meiner Mom.

Auch sie trägt ein Kleid. Mein Dad wiederum steht in Chinoshorts und einem Polo-Shirt vor dem Grill, um seine Hüften hat er eine Schürze gebunden. Aufgrund seines Aufzugs erinnert er mich eher an einen Hobbykoch als an einen Soldaten. Ich bin froh darüber, dass er sich nach seinen Außeneinsätzen vorletztes Jahr auf einen anderen Posten beworben hat, den er auch bekommen hat. Jetzt arbeitet er hier in der Nähe beim zivilen Militär, wo er für Amts- und Katastrophenhilfe zuständig ist.

Neben ihm befindet sich ein Tisch, auf den wir zuvor das Grillfleisch, die Marinaden und Salate sowie Pappteller und Getränke gestellt haben. Die Vorräte werden immer kleiner, weil sich die Gäste reichlich bedienen.

»Hey, Dad«, sage ich und stelle mich neben ihn. »Das Barbecue scheint ja gut zu laufen.«

Mein Dad wendet seinen Blick kurz vom Grill ab, um mich anzusehen. Seine Stirn glänzt aufgrund der Hitze, die die Glut ausstrahlt. Er lächelt fröhlich. »O ja, es läuft fantastisch. Danke, dass ihr uns geholfen habt.«

»Kein Problem«, meine ich. »Mom hat uns dazu gezwungen. Du weißt ja, wie überzeugend sie sein kann.«

»Das muss ich ja auch sein, damit unsere Tochter nicht andauernd in ihrem Zimmer versauert«, ertönt Moms Stimme hinter mir. Sie tritt zu uns. »Siehst du, ich sagte dir doch, es würde dir gefallen.« Sie ist sichtlich überglücklich, dass die Grillparty so erfolgreich ist und die Gäste bei guter Laune sind. Ihr Blick fällt auf jemanden hinter mir. »Oh, wie schön, die Carters sind eben gekommen.«

Sie winkt eine schlanke blonde Frau und einen Mann herbei, denen Hailee folgt. Sie ist in meinem Alter, hat dieselben aschblonden Haare und das gleiche herzförmige Gesicht wie ihre Mom, jedoch die stechend blauen Augen ihres Dads. Sie trägt ein schlichtes Kleid, das ihre Figur an den richtigen Stellen perfekt betont, ohne anzüglich zu wirken. Allerdings scheint sie sich genauso unwohl zu fühlen wie ich mich, da sie mich zurückhaltend anlächelt und neben ihren Eltern eher verloren wirkt.

Die Carters sind unsere Nachbarn. Früher haben Dean und ich oft gemeinsam mit Hailee gespielt. Wir kamen immer gut miteinander klar. Doch seit wir damals auf die Middle School gewechselt sind, sind Hailee und ich nur noch Bekannte, die hin und wieder eine Fahrgemeinschaft bilden.

Dean gesellt sich zu uns und umarmt Hailee stürmisch.

»Schön, dass du da bist«, meint er, woraufhin sich auf ihrem Gesicht ein erfreutes Strahlen ausbreitet. Im Gegensatz zu mir und ihr verstehen sich die zwei noch immer sehr gut. »Wollen wir verduften?« Er wendet sich an mich. »Railey, kommst du auch mit?«

Ehe ich zu einer Antwort ansetzen kann, ertönt hinter mir eine fröhliche Stimme. »Railey!«

Ich trete an Dean und Hailee vorbei, um meiner besten Freundin entgegenzulaufen.

»Vicky!«, rufe ich erfreut.

Ein paar Sekunden später finde ich mich in einer stürmischen Umarmung wieder. Ein süßlicher Parfümduft dringt an meine Nase und ihre langen dunkelbraunen Haare kitzeln mein Gesicht.

Dann löst sich Victoria wieder von mir. »Da bin ich endlich. Sorry für die Verspätung. Ich war noch bei Luke.«

»Kein Problem«, antworte ich. »Ich freue mich, dass du es noch geschafft hast.« Lächelnd sehe ich zu ihr auf. Wenn meine beste Freundin da ist, wird es weniger langweilig.

Während ich mit meinen siebzehn Jahren gerade einmal die ein Meter fünfzig erreiche, ist sie ein Meter achtzig groß. Ihrem Bruder fehlen nur wenige Zentimeter zur Zwei-Meter-Grenze. Im Gegensatz zu meiner bleichen Haut ist Victoria braun gebrannt, was perfekt mit ihren dunkelbraunen Locken harmoniert.

»Ich habe keine Lust auf dieses lahme Barbecue«, wispert sie mir zu und schultert ihre Umhängetasche. »Deshalb habe ich Bier mit dabei – habe ich von meinem Bruder geklaut. Lass uns ein ruhiges Örtchen suchen.«

Ich nicke nur, wenngleich es mir widerstrebt, Alkohol zu trinken. Da mein Magen knurrt, schnappe ich mir noch einen Teller mit Spareribs und Servietten.

»Willst du auch was?«, frage ich Victoria. »Du kriegst selbstverständlich kein Fleisch. Oder bist du mittlerweile keine Vegetarierin mehr?«, schiebe ich im Scherz hinterher, weil ich weiß, dass sie keine Gelegenheit auslässt, um zu erwähnen, wie furchtbar der Fleischkonsum doch ist.

»Doch, bin ich noch und werde ich auch nach wie vor bleiben. Nur einen Salat bitte. Außerdem bin ich auf Diät«, erwidert sie pikiert und nimmt sich einen kleinen Teller. Sie ist alles andere als mollig, ernährt sich gesund und treibt viel Sport. Trotzdem ist sie der Meinung, sie wäre zu pummelig.

Gemeinsam begeben wir uns unter einen schattigen Baum im hintersten Eck des Gartens, wo wir uns auf dem Gras niederlassen und uns mit dem Rücken an den Stamm lehnen. Schweigend essen wir unsere Teller leer. Als wir fertig sind, legen wir sie beiseite und Victoria holt zwei Flaschen Bier aus ihrer Tasche.

»Was ziehst du denn für ein Gesicht?«, will sie wissen und spielt mit dem Deckel ihres Getränks. Die andere Flasche drückt sie mir in die Hand. Sie ist schon lauwarm. Mit zusammengekniffenen Augen mustert Victoria die Gäste. Wie ich sie kenne, hat sie darauf gehofft, dass süße Typen hier herumlaufen. Doch die meisten Leute sind so alt wie unsere Eltern oder haben Kleinkinder dabei. Kleinkinder, die so groß sind wie ich.

Ich seufze, ziehe die Knie an und bette meinen Kopf darauf. »Ich habe genauso wenig Lust auf dieses Barbecue wie du. Lieber würde ich jetzt schreiben.«

Victoria hebt die Brauen. »Schreiben ist doch stinklangweilig. Ich kann nicht verstehen, wie dir so etwas nerdiges Spaß machen kann. Außerdem bin ich ja da.« Sie sieht mich vorwurfsvoll an. »Seit dein Bruder gestorben ist, bist du noch verklemmter, als du früher warst. Und du bist ruhiger geworden. Ich vermisse die alte Railey, mit der man Spaß haben und über alles Mögliche lachen konnte.«

»Was gibt es Neues über Luke?«, wechsle ich schnell das Thema und drehe die Flasche gedankenverloren in meiner Hand. Ich mag keinen Alkohol, was sie eigentlich weiß. Alkohol benebelt die Sinne und senkt die Hemmschwelle. Und dann trifft man dumme und im schlimmsten Fall lebensgefährliche Entscheidungen.

Ich schüttle mich, um den Gedanken zu vertreiben, und konzentriere mich auf meine beste Freundin. Im Gegensatz zu mir ist Victoria sehr offen und selbstbewusst und hat auch keine Probleme damit, auf andere Leute, insbesondere auf Typen, zuzugehen. Während ich in der Anwesenheit eines Jungen nicht die richtigen Worte finde, gewinnt Victoria mit ihrem strahlenden Lächeln viele Jungs für sich.

Sie hatte an ihrem ersten Jahr auf der Highschool schon ihren ersten Freund und ihren ersten Kuss. Meine Erfahrungen wiederum beschränken sich auf Bücher und Filme.

Auf meine Frage hin errötet Victoria und schiebt sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Wir haben es getan. Gestern Abend«, wispert sie aufgeregt.

»Und wie war es?«, will ich neugierig wissen.

Ihr erstes Mal hatte sie mit sechzehn, das war letztes Jahr. Seitdem wechselt sie häufig die Freunde, weil die meisten nur das Eine von ihr wollen, was sie frustriert.

»Es war sehr schön. Er ist einfühlsam und alles und scheint es wirklich ernst mit mir zu meinen. Ich glaube sogar, dass mehr daraus werden könnte. Luke ist richtig cool. Nächste Woche gehen wir auf die Party von Kyle. Die ganze Schule wird dort sein. Du kannst mitgehen, wenn du willst«, meint sie strahlend.

Ich nicke nur, weil ich nicht so der Feiertyp bin. Zum einen langweile ich mich auf Partys schnell. Zum anderen werde ich häufig von irgendwelchen Leuten, die sich besonders witzig vorkommen, gefragt, ob ich mich auf dem Weg zum Kindergarten verirrt habe. Am schlimmsten ist es, mit Victoria verglichen zu werden: das heiße Mädchen mit den Modelmaßen und ihre kleine Freundin, die aussieht wie ein Kind.

Victoria will gerade etwas sagen, als meine Mom auf uns zukommt. »Versteck die Flaschen, sonst flippt sie aus!«, zische ich hektisch und werfe mein unangerührtes Bier ins Gebüsch neben uns. Victoria lässt ihres in ihrer Tasche verschwinden.

»Mrs Young.« Sie winkt meiner Mom fröhlich zu, die ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammenpresst und vor uns aufragt.

»Victoria«, antwortet meine Mom kurz angebunden und mustert sie scharf. Ich muss schlucken und habe das ungute Gefühl, dass sie genau weiß, was meine beste Freundin gerade getrunken hat. Das Verhältnis zwischen den beiden war schon immer sehr angespannt, da Mom der Meinung ist, dass Victoria einen schlechten Einfluss auf mich ausübt.

»Railey, Jack ist mit seiner Frau und seinem Sohn eingetroffen. Es wäre toll, wenn du sie gemeinsam mit uns begrüßt.«

Widerwillig rapple ich mich auf und halte mir den Bauch, der mir plötzlich wehtut. Mir ist nicht gut. Vielleicht hätte ich doch nicht so viele Spareribs essen sollen.

Meine Mutter blickt mich abwartend an. Ich habe keine Lust, diese Familie zu begrüßen. Aber ich habe keine andere Wahl. Deshalb werfe ich Victoria einen entschuldigenden Blick zu.

»Ich bin gleich wieder zurück«, sage ich.

Dann folge ich meiner Mom zu meinem Dad und Dean, bei denen ein Mann und eine Frau stehen. Sie unterhalten sich gut gelaunt miteinander.

»Das sind Mr und Mrs Anderson«, stellt meine Mom das Paar vor. Ich schüttle ihnen höflich die Hand.

»Nenn mich gerne Evelyn«, meint Mrs Anderson. Sie erinnert mich trotz ihrer hellblonden Haare und ihrer schmächtigen Statur an meine Mom.

Mr Anderson wiederum ist ein kräftiger Mann mit denselben kurzgeschnittenen Haaren wie mein Dad. Auf seinem Unterarm zeichnet sich das Tattoo eines Soldatenskelettkopfes ab, das unter seinen hochgekrempelten Ärmeln hervorlugt. Um seinen Hals hängt eine Dog Tag. Obwohl er auf den ersten Blick wie mein Kickboxtrainer sehr einschüchternd wirkt, lächelt er warm. »Und mich darfst du gerne Jack nennen.«

Ich nicke nur und zwinge mich zu einem höflichen Lächeln. Jack tritt einen Schritt beiseite und mein Blick fällt auf einen Jungen, der sich bisher im Hintergrund gehalten hat. Im Gegensatz zu unseren Eltern trägt er keine eleganten Sachen. Ganz im Gegenteil: Er steckt in Cargoshorts und einem T-Shirt, das seinen gut gebauten Oberkörper und seine Arme besser zur Geltung bringt. Um seinen Hals hängt dieselbe Kette, die auch Jack trägt. Meine Augen wandern langsam nach oben über das markante Kinn und treffen auf haselnussbraune Augen, um deren Iriden ein dunkelgrüner Ring zu erkennen ist.

Meine Mom legt mir eine Hand auf die Schulter, als hätte sie Angst, ich würde augenblicklich die Flucht ergreifen. Was ich vielleicht auch getan hätte, stünde sie nicht direkt neben mir. »Und das ist ihr Sohn: Austin Anderson. Laut Dean müsstet ihr euch bereits aus dem Kickbox-Training kennen.«

»Austin«, sagt Dean erfreut und die beiden tauschen einen Handschlag aus. Dann entdeckt er drei Jungs und zwei Mädchen, die gerade den Garten betreten. »Meine Freunde sind gerade angekommen. Ich gehe sie schnell begrüßen und bin gleich wieder da. Wenn du willst, kann ich dir meine Clique später vorstellen. Dann kennst du schon mal ein paar Leute aus unserer Schule.«

»Sehr gerne«, erwidert Austin lächelnd, woraufhin sich Dean vor unseren Eltern entschuldigt. Ich hingegen stehe wie festgefroren da und starre Austin an.