Samum - Rudolf Stratz - E-Book

Samum E-Book

Rudolf Stratz

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Beschreibung

Die junge Käthe hat mit ihrem Mann, einem Professor der Zoologie, einen ungewöhnlichen Ort für ihre Hochzeitsreise gewählt: eine Reise tief in die afrikanische Sahara, in Begleitung ihres beduinischen Führers Abd-el-Kader. Doch sie werden gewarnt: Der Samum zieht auf, ein verheerender Wüstensturm, der schon im Vorfeld, als "Warnung", die Luft mit einer eigentümlichen elektrischen Schwüle auflädt. Das junge Paar sucht Schutz in der kleinen arabischen Oase M'Guarra. Doch dort begegnet der Professor einer Studienfreundin aus vergangenen Tagen und die beiden scheinen sich rasch wieder nahe zu kommen. Für Käthe wird die Atmosphäre im doppelten Sinn zu drückend und sie zwingt ihren Mann hinaus in den wilden Wüstensturm ... Eine spannende, atmosphärisch dichte Meisternovelle!Rudolph Heinrich Stratz (1864–1936) war ein deutscher Schriftsteller, der zahlreiche Theaterstücke, Erzählungen und vor allem Duzende Romane verfasst hat. Stratz verbrachte seine Kindheit und Jugend in Heidelberg, wo er auch das Gymnasium besuchte. An den Universitäten Leipzig, Berlin, Heidelberg und Göttingen studierte er Geschichte. 1883 trat er in das Militär ein und wurde Leutnant beim Leibgarde-Regiment in Darmstadt. 1886 quittierte er den Militärdienst, um sein Studium in Heidelberg abschließen zu können. Zwischendurch unternahm er größere Reisen, z. B. 1887 nach Äquatorialafrika. Mit dem 1888 und 1889 erschienenen zweibändigen Werk "Die Revolutionen der Jahre 1848 und 1849 in Europa" versuchte der Vierundzwanzigjährige erfolglos, ohne formales Studium und mündliches Examen zu promovieren. 1890 ließ er sich in Kleinmachnow bei Berlin nieder und begann, Schauspiele, Novellen und Romane zu schreiben. Von 1891 bis 1893 war er Theaterkritiker bei der "Neuen Preußischen Zeitung". Von 1890 bis 1900 verbrachte er wieder viel Zeit im Heidelberger Raum, vor allem im heutigen Stadtteil Ziegelhausen. Ab 1904 übersiedelte er auf sein Gut Lambelhof in Bernau am Chiemsee, wo er bis zu seinem Tod lebte. 1906 heiratete er die promovierte Historikerin Annie Mittelstaedt. Während des Ersten Weltkrieges war er Mitarbeiter im Kriegspresseamt der Obersten Heeresleitung. Bereits 1891 hatte er sich mit dem Theaterstück "Der Blaue Brief" als Schriftsteller durchgesetzt. Doch vor allem mit seinen zahlreichen Romanen und Novellen hatte Stratz großen Erfolg: Die Auflagenzahl von "Friede auf Erden" lag 1921 bei 230 000, die von "Lieb Vaterland" bei 362 000. Ebenso der 1913 erschienene Spionageroman "Seine englische Frau" und viele weitere Werke waren sehr erfolgreich. 1917 schrieb er unter Verwendung seines 1910 erschienenen zweibändigen Werkes "Die Faust des Riesen" die Vorlage für den zweiteiligen gleichnamigen Film von Rudolf Biebrach. Friedrich Wilhelm Murnau drehte 1921 nach Stratz' gleichnamigem mystischen Kriminalroman den Spielfilm "Schloß Vogelöd". Den 1928 als "Paradies im Schnee" erschienenen Roman schrieb Stratz 1922 nach Aufforderung von Ernst Lubitsch und Paul Davidson als Vorlage für den 1923 unter der Regie von Georg Jacoby realisierten gleichnamigen Film. 1925 und 1926 erschienen seine Lebenserinnerungen in zwei Bänden. Zwischenzeitlich weitgehend in Vergessenheit geraten, wird das Werk von Rudolph Stratz nun wiederentdeckt.-

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Rudolf Stratz

Samum

Novelle

Illustriert von Chr. Speyer

Saga

Samum

© 1900 Rudolf Stratz

Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

All rights reserved

ISBN: 9788711506998

1. Ebook-Auflage, 2016

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

1.

Ach Gott, ja!“ Die kleine Frau gähnte herzhaft, streckte die Arme aus, stützte dann wieder den Kopf auf die Hände und die Ellbogen auf die Kniee und schaute, auf dem Felsblock kauernd, hinaus in die Sahara.

Unermesslich dehnte sich da unten vor ihren Blicken die Wüste, ein sturmbewegtes Meer hochaufgebäumter Sanddünen, in fahlen, leichenfarbenen Wellen von den äussersten Grenzen des Südens heranrollend, nur selten da und dort von kleinen blauschwarzen Flecken, den Palmenhainen der Oasen, durchsprenkelt.

Andere Palmen schwebten darüber umgestülpt in der zitternden Luft, verkehrte weisse Minarehs, ein tiefblau spiegelnder kleiner See dazwischen — das Gespensterbild der Fata Morgana, wie es vom Morgen bis zum Abend zwischen Himmel und Erde über der glühenden Wildnis spielt.

Im Westen flammte der Himmel und die Erde in feuriger Pracht. Die Sonne ging unter, in einem Bade blutroter brennender Farbenwellen, die weithin das Ockergelb des Sandes mit ihrem überirdischen Brandschein überstrahlten und das blinzelnde Auge blendeten, und schwand langsam in einem starren Todesschweigen, durch das nur zuweilen der Südwind in flüchtig zusammen-gewirbelten Sandsäulen heissen Atems dahinfegte.

Die kleine Frau schloss die Augen. Ihr graute vor der Wüste, die sie doch nun schon so lange tagtäglich von den Felsabstürzen des Atlas, in denen sie kampierten, zu ihren Füssen liegen sah. Und auch wenn sie die Wimpern schloss, stand doch das Bild der Sahara in seiner einförmigen Grösse vor ihr — die bald schwefelgelben, bald fahlgrauen wildzerrissenen Sandkämme, die ewig blaue Wölbung darüber und bei Tagesanfang und -ende im Osten oder Westen der in blutiger Pracht steigende und sinkende Sonnenball ...

„Monsieur Abd-el-Kader!“ rief sie plötzlich, ohne sich umzudrehen.

Aus der geräumigen Felshöhle hinter ihr trat ein alter Araber, hager und hochgewachsen, unter der Zipfelkapuze des malerisch umgeschlagenen weissen Burnus ein kühnes Antlitz mit funkelnden Augen.

„Madame?“

„Was rumpelt denn da in der Höhle?“

„Es lösen sich ganz hinten einzelne Steine und stürzen herunter.“

„Am Ende uns auf den Kopf?“

„Damit hat es noch keine Gefahr. Wir müssen ja doch fort und so rasch als möglich auf die Strasse zurück.“

„So — müssen wir? Wer sagt Ihnen denn das?“

„Das Wetter sagt es mir, Madame! Es wird immer schwüler, obwohl die Sonne schon untergeht, der Südwind verstärkt sich — wir bekommen Sturm! Sehen Madame nur ins Gebirge! Man erblickt heute die Lagerfeuer der anderen Jagdexpeditionen nicht, wie sonst jeden Abend. Sie sind schon auf dem Rückweg begriffen, und wir müssen auch zurück.“

Die kleine Frau stand auf. „Ob wir das müssen oder nicht, darüber hat nur mein Mann zu bestimmen. Und ich wollte, er käme endlich von der Jagd zurück! So lange ist er noch nie ausgeblieben.“

Abd-el-Kader schwieg und seine Herrin musterte, der Sahara den Rücken zudrehend, ihr kleines Reich mit dem prüfenden Blick der jungen Hausfrau, die sich ihrem Gatten gegenüber für Ordnung und Sauberkeit im Lager verantwortlich fühlt. Sie lächelte dabei verstohlen. Obwohl sie nun schon seit vier Wochen jagend und forschend und faulenzend die wilden Atlashänge hinzogen — dies Gewirr kahler Steinhalden und Berggipfel, öder Hochsteppen mit bleichen, vogelwimmelnden Salzsümpfen und spärlichen, von weidenden Kamelherden belebten Grasflächen — obwohl ihr dies abenteuernde Leben unter dem Zelt und unter dem freien Himmel schon beinahe selbstverständlich erschien, kam es ihr doch plötzlich wieder wie ein Traum vor, dem in kurzem das Erwachen folgen musste.

Erwachen im Elternhaus — in der kleinen deutschen Landstadt — wieder erwachen als junges Mädchen mit der ewigen Frage: wie wird er sein, wie wird er heissen und aussehen, dem du dereinst dein Leben in die Hand giebst? — nein — sie lachte und schüttelte energisch den hübschen Kopf: das lag hinter ihr! Und sie war auf der Hochzeitsreise — anders freilich, als sie sich das früher wohl geträumt hatte. Aber gerade darum schön! In Italien und Tirol konnte jeder und jede die Flitterwochen vertändeln! Wer einen Mann gewonnen wie sie, der durfte sich nicht wundern, sondern stolz sein, wenn er sie auf wilde, unbetretene Pfade abseits der grossen Menge in neue Welten und ein neues Leben führt.

Es leuchtete warm auf in ihren blauen Kinderaugen, während sie sich im Halbkreis umsah. Wie hübsch war es doch — wie eigenartig und traulich zugleich, ihr selbstgeschaffenes Heim vor und unter der grossen Felswölbung am letzten Absturz des Atlas zur Sahara!

Hart am Eingang der Höhle, durch die Steinwände gegen den Tau und kalten Hauch der Wüstennacht geschützt, stand der Glanzpunkt des Lagers, das Zelt, einem riesenhaften, halb aufgeklappten Regenschirm nicht unähnlich. Es erforderte eine gewisse Uebung, durch den Spalt zwischen den sonnengebleichten und staubbefleckten Leinwandfalten hineinzukriechen, ohne durch Erschütterung der innen aufgepflanzten Stange den Bestand des Ganzen in Frage zu bringen — aber wie behaglich ruhte es sich innen auf den schmalen Feldbetten, wie traulich knisterte das frische Stroh unter den Binsenmatten des Bodens, wie heimelig begleitete einen das Raunen des Nachtwindes draussen, fernes Schakalgejanke und das Schnarchen der Beduinen um das rötlich durch die Zeltwand schimmernde Lagerfeuer hinüber in die Träume — ja wirklich, „Raum ist in der kleinsten Hütte“ — weiter kam sie gewöhnlich ihrem Manne gegenüber mit dem Citat nicht. Es ging in einen Kuss über.

Hinter dem Zelt, weiter nach dem Innern der Höhle, waren die Lebensmittel aufgestaut, Büchsenfleisch, Thee und Kaffee, Salz und Pfeffer, Brotlaibe und Dattelsäckchen, Reis und Erbswurst — eine richtige, auf alles gerüstete Speisekammer, wie sie die Urgrossmütter auf dem Lande besassen. Ganz im kühlen Hintergrund endlich, wo die Sonne nicht mehr hinreichte, war der Keller, Cognac, Rotwein und eine grosse Menge Vichywasser in Flaschen, wohl sechzig oder mehr, eine ganze Maultierladung voll. Denn wo sich hier in der Wüste Wasser fand, war es salzig und für Europäer ungeniessbar, wenn auch die derben Magen der Araber und ihres Viehs das brakige Nass ohne Schaden vertrugen.

Gegenüber dem Zelt erhoben sich zwei aufgeschichtete Steinhaufen mit Wolldecken überkleidet, je ein Feldstuhl vor jedem, ein Tintenfass, ein paar Bücher, Photographieen und eine Handarbeit darauf, das Arbeitszimmer des Hausherrn und das Boudoir seiner Gemahlin — beide durch Kreidestriche am Boden sorgfältig voneinander, wie von dem Schlafgemach und dem Keller getrennt, damit keine Verwechselungen und Uebergriffe stattfinden konnten.

Rechts vom Eingang der Höhle hatte sich Abd-el-Kader, der vielgewandte, französisch sprechende Wüstenführer, einen Herd aus Steinen aufgebaut, an dessen Glut er mit den beiden Maultiertreibern, in Wolldecken eingewickelt, zu nächtigen und zugleich mit Hilfe eines mageren gelben Steppenhundes seine Herrschaft zu bewachen pflegte. Auf der anderen Seite bleichten die Jagdtrophäen in der afrikanischen Sonne, zierliche Gazellenkrickel, lyraförmig gewölbte grosse Antilopengeweihe, dicke krummgebogene Mufflonhörner, rosige Flamingobälge, Hyänen- und Schakalschädel und pralle, mit Sand ausgestopfte und mit roten Halsbändchen geschmückte Wüsteneidechsen.

Hier befanden sich auch in einem kleinen Käfig die lebend zum Zeitvertreib gehaltenen Springmäuse, wunderliche niedliche Geschöpfe mit grossen Ohren und vogelartigen Hinterbeinen, die sich neugierig schnuppernd an das Gitter drängten, sowie dort eine Hand mit Brotbrocken erschien. Dicht dabei waren die Pflöcke für Max und Moritz, die beiden Maultiere, und für Pips, das junge Eselchen, das freiwillig schon seit vierzehn Tagen mit der Karawane lief. Die übrigen Tragtiere waren in eine Seitenschlucht verbannt, darunter auch der Stolz der Expedition, Hans Huckebein, ein richtiges, würdevolles Kamel, das auf dem Marsche das Zelt schleppte, im Lager aber durch den eigentümlichen, durchdringenden Dunstkreis, den es verbreitete, sich unmöglich machte.

Wie viel netter war doch das alles, als jetzt in in einem Grand-Hotel an der Table d’hote zu sitzen, von den Gästen neugierig beobachtet und bekrittelt, von den Kellnern diskret belächelt — mit der Aussicht, am nächsten Tage sich in der Eisenbahn schütteln zu lassen und in einem neuen langweiligen Grand-Hotel zu landen! Die kleine Frau lächelte — nein, lieber so! Weltabgeschieden zu zweit wie in einsamer Barke auf hohem Meer, durch die stille Stein- und Sandwüste streifen, dem Alltag entronnen, ohne Sorgen und Pflichten, ohne ein ödes Gestern und ein dräuendes Morgen — eines im anderen nur sich selber lebend!

Sich und der Liebe!

Das Gesicht der kleinen Frau war ernst geworden, feierlich, wie sie, neben den Jagdtrophäen kauernd, in die dämmergrauende Unendlichkeit der Sahara hinaussah, an deren äussersten Fernen nur noch ein über den Sanddünen verglimmender blutfarbener Dunst die Sonne wies. Zu denken, dass das kaum vier Wochen her war, seit sie wirklich lebte! Seit sie das grosse Geheimnis des Daseins kannte und aus dem Schlummer der Kindheit erwacht war. Sie seufzte leise auf und ein Lächeln heissen Dankes gegen den Mann, der sie erweckt, ging über ihr Gesicht.

Zugleich ward sie sich wieder ihrer Pflichten bewusst. Müssig sitzen und träumen und Luftschlösser bauen — das waren noch Angewohnheiten aus der Mädchenzeit. Jetzt hatte sie das — Gott sei Dank! — nicht mehr nötig, wo alles in Erfüllung gegangen war!

Mit energischem Handgriff holte sie aus dem Haufen der Jagdtrophäen das Prachtstück der Sammlung, ein Paar riesiger, wie die Scheide eines Türkensäbels gekrümmter Mufflonhörner, hervor und begann mit einem Fettläppchen den anhaftenden Staub und Sand zu entfernen. „Ovis Tragelaphus — das Mähnenschaf,“ murmelte sie dabei befriedigt vor sich hin und wiederholte wie ein Kind sich ein Schulpensum einprägt, „ovis Tragelaphus, das ...“

Aber da klang Maultiertrappen hart an der Ecke der Felswand. Die Mufflonhörner rollten zu Boden. In schnellen Sprüngen war sie vorn am Rande der Steinhalde und blieb enttäuscht stehen.

Es war nicht ihr Mann. Der französische Kürassierleutnant ritt da unten vorbei, der sich schon seit Wochen in den Gebirgen vergraben hatte, um den Traum seines Lebens, die Erlegung eines Panthers, zu verwirklichen. Gottesfürchtig, wie er als Jesuitenzögling war, ritt er jeden Sonnabend, einen Bewaffneten und einen Diener mit Wasserfässchen und Datteln hinter sich, den weiten Weg bis zum nächsten Bordsch, einem Unterkunftshaus an der Heerstrasse, und von da bis zu einem Städtchen mit einer Kapelle der Franziskanermission, um Sonntag früh dort die Messe zu hören und dann unverzüglich zu seinen unsichtbaren Panthern zurückzukehren.

Aber heute war gar nicht Sonnabend.

„Guten Abend, Madame!“ Der hagere, knochige Normanne mit dem dunklen Schnurrbart und den stechenden Augen, der, in verblichenes Jagdzeug gekleidet, die Flinte über die Schulter gehängt, mit langbaumelnden Beinen auf seinem Maultier sass, lüftete höflich die Kappe. In dieser kleinen Jägerkolonie inmitten der Wildnis verkehrten die Nationen zwanglos miteinander. Man fühlt sich hier mehr als Mensch im Gegensatz zur Wüste, als Europäer inmitten des Islam denn als Deutschen und Franzosen.

„Guten Abend, mein Herr!“ rief die kleine Frau auf Französisch. „Wo reiten Sie denn so spät hin?“

„Nach Hause, Madame! Es wird Zeit!“

„Ganz nach Hause?“

„Jawohl, Madame! Die Sahara regt sich. Es liegt Sturm in der Luft. Wüstensturm. Samum! Spüren Sie nicht diese eigentümliche elektrische Schwüle?“

„Ja — heute liegt es mir wie Blei in den Gliedern.“

„Das ist die Warnung des Samum! Man muss ihr folgen. Machen Sie es wie wir und benutzen Sie die Nachtkühle zum Heimweg! Die beiden baltischen Herren haben sich mir auch angeschlossen!“

Richtig — da erschienen unten auch die beiden kurischen Barone, zwei gewaltige Nimrode mit grossen grünen Rucksäcken voll Geweihen und Schädeln zu beiden Seiten ihrer Sättel. Sie spornten ihre Maultiere mit Fersenstössen zur Eile an.

„Erbarmen Sie sich!“ schrie der eine der blondbärtigen Hünen. „Sie wollen in den Bergen bleiben? Unmöglich! Jetzt heisst es, den nächsten artesischen Brunnen an der Strasse oder eine Oase gewinnen, sonst ... wo ist denn der Herr Professor?“

„Mein Mann ist noch auf der Jagd! Er wird schon anordnen, was nötig ist. Sorgen Sie sich nicht um uns! Gute Reise, meine Herren!“

„Guten Abend, Madame!“ Die kleine Karawane, Maultiere, Europäer und Araber, die schaukelnden Flinten und glucksenden Wasserfässchen, die grünen, mit Geweihen gefüllten Beutel, die in die Luft starrenden Stangen der zusammengeschnürten Zelte, die Bündel von Wolldecken und Strohmatten — alles verschwand wie ein Nebelgebilde in der Dämmerung, die immer rascher niedersank. Die Wüste hatte sich jetzt ganz in einförmiges Grau gehüllt. Stumm und tot wie ein stilles Meer lag sie da. Ihr heisser Hauch stieg zuweilen als ein kurzer stürmischer Windstoss zu den Höhen empor. An der fahlgewordenen Himmelswölbung blitzten die ersten Sterne in einem seltsamen rötlichen Schein, als lagerten unsichtbare Dunstmassen zwischen ihnen und der Erde, und rückwärts, in der Nacht der Atlasberge, huschte da und dort ein lautloses Wetterleuchten über die Zacken und Grate dahin, jäh aufflammend und ebenso rasch in sich verlöschend.

„Ach, Monsieur Abd-el-Kader!“ sagte die kleine Frau. „Ich wollte, mein Mann käme!“

„Er wird schon kommen, Madame. Sicher hat er ein Mufflon oder gar einen Panther zu Schuss gebracht. Er ist ein grosser Jäger. Um einen Jäger dürfen seine Frauen sich nicht ängstigen!“

„Seine Frauen? Ja — Abd-el-Kader — glauben Sie denn wirklich, dass er noch mehr Frauen hat als mich?“

Nein — der alte Wüstenführer war bereits in Algier und Marseille gewesen und hatte dort beobachtet, dass in der That auch die reichsten Franken aus ihm unbekannten Gründen sich mit einem Weibe begnügten.

„Und ausserdem, Abd-el-Kader, Sie sagen, mein Mann sei ein Jäger, gerade, als ob das sein Daseinsberuf sei, zeitlebens Mufflons zu schiessen. Das thut er doch nur ausnahmsweise, wenn er gerade Ferienzeit hat, wie jetzt auf unserer Hochzeitsreise.“