Sandkastenliebe verzweifelt gesucht - Rosie Blake - E-Book

Sandkastenliebe verzweifelt gesucht E-Book

Rosie Blake

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Beschreibung

Isobels Leben könnte wirklich spannender sein. Mit Ende zwanzig hat sie immer noch keinen festen Job, und ihr Liebesleben besteht aus Fernsehabenden mit ihrem Freund Stevie. Als Isobel in den Nachrichten eine Pressemeldung von Andrew Porter - ihrem ersten "Ehemann" aus dem Kindergarten - sieht, fragt sie sich, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn sie sich nicht vor mehr als 20 Jahren von ihm getrennt hätte. Der Gedanke, dass Andrew damals der Richtige, der Zeitpunkt aber der falsche gewesen sein könnte, lässt Isobel nicht mehr los, und sie macht sich auf die Suche nach ihm. Sie reist ihm über Cornwall bis nach Malaysia hinterher, immer mit dem Ziel vor Augen, dass mit Andrew Porter ihr Leben besser werden wird. Doch was, wenn er gar nicht das ist, wonach Isobel sucht?


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Inhalt

TitelZu diesem BuchProlog12345678910111213141516171819202122232425262728293031323334353637383940EpilogDie AutorinDie Romane von Rosie Blake bei LYXImpressum

ROSIE BLAKE

Sandkastenliebe verzweifelt gesucht

Ins Deutsche übertragen von Michaela Link

Zu diesem Buch

Isobel Graves ist seit zwei Jahren in Los Angeles und inzwischen weit von allem entfernt, was sie sich von einem Leben an der sonnenverwöhnten Küste Kaliforniens erhofft hat. Weil ihre Karriere als Fernsehmoderatorin stagniert – oder besser gesagt nie ins Rollen gekommen ist –, hält sich die Engländerin mit Gelegenheitsjobs über Wasser, und auch ihr Liebesleben beschränkt sich auf langweilige Videoabende mit ihrem Freund Stewie. Als ihr Agent ihr dann auch noch den Laufpass gibt, ist Iz am absoluten Tiefpunkt angekommen und muss sich fragen, wie es so weit hat kommen können. Da entdeckt sie eines Abends in den Nachrichten Andrew Porter. Als Achtjährige hatten sie und Andrew sich in einer romantischen Zeremonie auf dem Spielplatz Liebe und ewige Treue geschworen. Und Iz erwischt sich immer öfter bei dem Gedanken, ob ihr Leben vielleicht anders verlaufen wäre, wenn Andrew und sie sich nicht aus den Augen verloren hätten. Iz macht sich augenblicklich auf die Suche nach Andrew. Und ehe sie sichs versieht befindet sie sich auf einer abenteuerlichen Reise von Cornwall bis nach Malaysia, immer mit der Hoffnung im Gepäck, dass Andrew der Richtig und mit ihm das Glück zum Greifen nah sein könnte. Doch was, wenn Andrew gar nicht der Traummann ist, nach dem Iz sich so sehr sehnt?

Prolog

Dorset

»Willst du, Isobel Graves, Andrew Parker zu deinem rechtmäßig angetrauten Ehemann nehmen?«

Es war so weit.

Ich sah ihn an und atmete tief ein. Er blickte nach vorn und sah mich nicht an. Sein Haar war über der Stirn nach oben gegelt. Ich mochte es, wenn es so nach oben abstand. Ich schluckte und schaute wieder den Priester an. »Ich will.«

»Willst du, Andrew Parker …«

»Andrew James Parker …«

»Was?«

»James ist mein zweiter Vorname.«

Er war so gewissenhaft! Ich grinste. Ich mochte den Namen James.

»Oh, Entschuldigung.« Der Priester befingerte seinen Kragen. »Ähm … und willst du, Andrew James Parker, Isobel …«

Dann wurden seine Augen riesengroß, und es entstand eine Pause, als er in Panik geriet und mich fragend ansah, weil er meinen zweiten Vornamen nicht kannte. Ich schüttelte so schnell den Kopf, dass mein Haar von einer Seite zur anderen flog, während der Priester mit einem Seufzen fortfuhr: »… Graves zu deiner rechtmäßig angetrauten Ehefrau nehmen?«

»Ja, ich will«, sagte Andrew mit seiner feierlichsten Stimme. Mein Herz schlug schneller.

»In Krankheit und Gesundheit«, hakte der Priester nach.

Wir beide nickten. »Ja«.

»Gut«, kommentierte er.

Wir hörten Gekicher hinter uns. Dann sagte jemand »Scht«, und es wurde wieder still.

»Bis dass der Tod euch scheidet?«

Wir nickten wieder, eine Spur weniger begeistert. Ich spürte, wie Gott mich aus den Wolken betrachtete, um zu sehen, ob ich es auch ernst meinte.

Die Stimmung war feierlich. Es war, als hielten alle gleichzeitig die Luft an.

»Hast du den Ring?«, fragte der Priester.

Lyndon trat vor und legte den Ring in die ausgestreckte Hand des Priesters, verbeugte sich und schlurfte zurück zu seinem Platz in der vorderen Reihe.

»Bestens«, erklärte der Priester. »Also dann.« Er hielt inne und steckte mir schnell den Ring an den Finger.

Ich holte tief Luft und wartete auf die Worte, über die ich während der letzten Wochen nachgedacht hatte und mit denen ich mein Tagebuch vollgekritzelt hatte. Die Worte, von denen ich wusste, dass sie kommen würden.

»Dann erkläre ich euch zu Mann und Frau. Du darfst …«

Gelächter brach los und der Priester stotterte verlegen den nächsten Teil, »… die Braut küssen.«

Allgemeines Gejohle und ein einzelnes »Wuuh« waren zu hören. Über den Lärm hinweg schienen mir meine eigenen Atemzüge in den Ohren zu klingen.

Andrew Parker schlug meinen Schleier zurück, um mein gerötetes Gesicht zu entblößen (es war sehr heiß darunter, das hatte Beth mir schon nach ihrer Hochzeit gesagt, aber bis jetzt hatte ich ihr nicht geglaubt). Und dann beugte er sich vor, richtig dicht an mein Gesicht, und er roch nach Kaugummi und … das war’s. Ganz plötzlich. Ein Kuss von Andrew James Parker, der auf meiner Oberlippe landete.

Meine Nase fühlte sich nass an. Jemand hatte angefangen auf einer Geige »Three Blind Mice« zu spielen. Wir wurden mit Blättern beworfen statt mit Konfetti. Andrew wandte sich ab. Aber ich war glücklich und hatte ein warmes Gefühl im Bauch. Und ich war irgendwie benommen, da ich nicht gedacht hatte, dass es sich so anfühlen würde. Und jetzt jubelten uns alle zu und lächelten, und Harry schüttelte Andrew die Hand, und dann beschlossen Sammy und Lyndon, ihn hochzuheben und herumzutragen, worauf mich alle Mädchen umringten, weil sie wissen wollten, wie der Ring aussah und wie sich der Kuss angefühlt hatte. Sie waren alle unverheiratet, außer Beth, die im letzten Halbjahr geheiratet hatte. Aber dann hatte Chris die Schule verlassen, und sie hatte ihn nur ein einziges Mal in der Stadt gesehen, doch er war mit seiner Mum unterwegs gewesen, und sie war zu verlegen gewesen, um auch nur zu winken, und hatte deshalb so getan, als wäre er gar nicht da. Das würde ich Andrew niemals antun. Ich sah zu ihm hinüber – zu meinem Ehemann. Er hatte sein Hemd ausgezogen und sich seine Schulkrawatte um den Kopf gebunden. Ich schaute auf den Ring, den irgendjemand aus einem gelben Pfeifenreiniger gemacht hatte, und lächelte.

Zwei Wochen später fragte ich mich, was eigentlich schiefgegangen war.

Gestern hatte man Andrew Parker dabei beobachtet, wie er Jenny Murray auf dem Spielplatz auf diesen großen Plastikfässern herumgeschoben hatte. Ich hatte rot gesehen und Sammy Layton auf den Fässern herumgeschoben, da er mich immer anbettelte, es zu tun. Dann hatte Katie Sanderson uns gesehen und Andrew Parker erzählt, dass ich jetzt mit Sammy Layton gehen würde, und Andrew Parker war zu mir gestürmt gekommen. Seine Unterlippe hatte gezittert, und er war sich mit einer Hand durch seine Haartolle gefahren. Langsam hatte er eine Hand ausgestreckt und direkt auf mich gezeigt.

»Du, Isobel Graves, bist nicht länger meine Ehefrau, und du wirst keinen neuen Ehemann finden, von diesem Tag an, bis dass der Tod dich scheidet.«

Dann ertönte ein Donnerschlag, und während der Regen vom Himmel prasselte und alle ins Haus rannten, sah ich zu, wie er auf dem Absatz kehrtmachte und mich verließ. Wasser strömte mir übers Gesicht, und ich bekam eine Gänsehaut auf den Armen.

Mein erster Ehemann hatte mich verlassen.

1

Los Angeles

»Heute zwanzig Prozent Rabatt auf alle Schalentiere. Krebs nicht rum, krabbscht es euch … Scheiße.«

Lass sie doch nicht ständig fallen, Iz.«

»Ich kann sie mit den blöden Scheren nicht festhalten.«

»Garnelen haben keine … Hallo, mein Herr. Heute zwanzig Prozent Rabatt auf alle Schalentiere. Hier sind Sie fischtig … Die haben keine Scheren, Iz. Die haben so was wie rosa Ärmchen.«

»Und was zum Kuckuck sind dann diese Dinger hier?« Ich stand auf und wedelte mit verschiedenen rosafarbenen Anhängseln vor Mels großem Garnelengesicht herum. Ich konnte ihre Augen nicht erkennen.

»Das sind die Arm-Beine, beides zugleich, wie bei Spinnen oder so.«

»GRRRRRR, ist mir auch ganz egal.« Meine Stimme klang gedämpft in dem riesigen Garnelenkostüm, und ich spürte zu meiner Frustration, wie weitere Prospekte auf den Boden fielen.

»LASS SIE NICHT STÄNDIG FALLEN, IZ.«

»Ist schon Mittagspause?«

»Schätzchen, es ist noch nicht einmal Zeit für dein ›Pausenbrot‹.« Sie versuchte, mit ihren großen Schalentierscheren die Anführungszeichen zu machen, und enthauptete dabei fast eine wohlfrisierte Passantin. »Oh, hallo, meine Dame, heute gibt es zwanzig Prozent Rabatt auf Schalentiere. Heiliger Hering, wenn das kein Schnäppchen ist.«

»Was soll das mit den Fisch-Kalauern?«, fragte ich, rückte meinen Garnelenkopf zurecht und lächelte ein kleines Mädchen in einem Sommerkleid an. Es konnte mein Lächeln nicht sehen und versteckte sich schreiend hinter den Beinen ihres Vaters, als die gewaltige Garnele sich AUF SIE konzentrierte.

»Ich variiere gern ein bisschen, Iz, damit der Kunde mehr hören will. Ich bin sozusagen die tatkräftigste Garnele, seit, Scheiße, hat schon jemals eine Garnele irgendwas Tolles gemacht?«

»Es ist eine Garnele, Mel, ich glaube nicht, dass Garnelen überhaupt irgendetwas machen.«

»Na, das ist aber faul, die haben doch genug Gliedmaßen für alles Mögliche. Hallo, mein Herr, Lust auf zwanzig Prozent Rabatt heute, Dorsch sei Dank, dass es uns gibt, was?«

Ich stöhnte in meinem Garnelenkopf laut auf, was es drinnen stickig machte und mir das Gefühl gab, verschwitzt, eingepfercht und ekelig zu sein. Die Sonne war auf eine Weise grell, wie es nur die Sonne in L. A. sein konnte, und ein Mädchen in Hotpants und einem winzigen, bauchfreien Top fuhr gerade auf Rollerblades vorbei und grinste hämisch über unsere kleine Zwei-Personen-Garnelen-Party. Der Manager des Ladens, ein sehr stämmiger Mann mit Fünffachkinn und einem Bauch, der ihm bis über die Oberschenkel hing, würde jeden Moment herauskommen und uns einen weiteren Vortrag darüber halten, wie wir Reklame machen sollten. Und wir hatten immer noch ungefähr fünf Stunden dieser Hölle vor uns.

»Wo ist Celine abgeblieben?«, fragte Mel und drehte sich langsam im Kreis, sodass ihr Garnelenschwanz herumpeitschte und einen Jungen in Latzhosen ins Stolpern brachte, der zu sehr damit beschäftigt war, am Daumen zu lutschen und uns anzustarren, um aus dem Weg zu gehen. Er begann zu weinen und lief davon, um es seiner Mum zu erzählen. Mel hatte offenbar nichts bemerkt und war völlig ahnungslos, da wir durch das kleine Fenster aus rosafarbenem Netzstoff vor unseren Augen nur einen Meter weit sehen konnten.

Ich versuchte, die Achseln zu zucken, aber das Outfit war so schwer, dass sich absolut nichts regte.

»Keine Ahnung.«

»Das ist wieder mal typisch für sie. Sie baggert wahrscheinlich gerade irgendeinen obersüßen Typen an, und wir dürfen die ganze Arbeit machen.«

»Wieso ist überhaupt sie die Meerjungfrau?«, fragte ich. »Das ist nicht okay. Warum dürfen wir nie die heiße Meerjungfrau sein? Erinnerst du dich an den Job im Einkaufszentrum, wo wir den ganzen Tag auf den Knien rumrutschen mussten und so getan haben, als wären wir Zwerge, und sie war Schneewittchen? Dabei ist sie nicht einmal weiß, sie ist orange.«

Als hätte unser Gespräch Celine herbeigerufen, kam sie angeschlendert, bekleidet mit einem langen Fischschwanz-Rock ganz aus grünen und türkisfarbenen Chiffonrüschen und zwei Meeresmuscheln, die gewagt auf ihren künstlich gebräunten Brüsten befestigt waren. Ein Mann mit umgedrehter Baseballkappe stieß mit einem Mülleimer zusammen, weil er den Blick nicht von ihr zu lösen vermochte.

»Hal-lo, meine Damen, Promi-Sichtung, ich bin mir ziem-lich sicher, dass ich gerade Amanda gesehen habe, die in der zweiten Staffel von Gossip Girl war«, sagte sie und fächelte sich mit einem Fächer Luft zu, der wie eine Muschel aussah. Ihr Gesicht war von üppigen, goldenen Locken umrahmt. Sie sah aus, als wäre sie auf einem Strand in Hawaii und nicht vor einem Supermarkt im Stadtzentrum von L. A., um Prospekte zu verteilen.

Promi-Sichtung?

Stille trat ein.

»Diese Staffel, ähm, muss ich verpasst haben«, meinte Mel in ihrem Garnelenkostüm.

»Wir können in diesen Dingern ohnehin nichts sehen«, brummelte ich und versuchte, meine Garnelenarme vor der Brust zu verschränken, nahm dabei aber ungefähr sechs Gliedmaßen mit. Ich ließ die verbliebenen Prospekte fallen. »Grrrrrr, ich hasse diesen verdammten Job.«

»Lass sie nicht ständig fallen, Iz.«

»Hey!«, trällerte Celine. »So schlimm ist es doch gar nicht.«

»Das liegt daran, dass du nicht als Schalentier mit einem riesigen Garnelenkopf rumläufst«, bemerkte ich.

»Hey, du siehst total süß aus«, lachte sie.

Mir war danach, ihr mit meinen vielen Armen und Beinen in ihr Meerjungfrauengesicht zu schlagen. Ich wackelte hin und her, als ich auf sie zuging. Sie hätte ängstlich ausgesehen, wenn sie das Gesicht um mehr als einen Zentimeter hätte verziehen können, aber ihre mit Botox bearbeitete Stirn war wie versteinert. Sie wich zurück, und ihr Fischschwanz wischte von einer Seite zur anderen.

»Hey, Babe, du musst doch nicht gleich so eine Spaßbremse sein. Mel amüsiert sich bestens, nicht wahr, Mel?«

Die andere Garnele drehte sich um. »Ich amüsiere mich wie eine Königskrabbe.«

»Gott, ich brauche einen Kaffee«, sagte ich und nahm meinen Garnelenkopf ab, woraufhin ein anderes Kind hinter die Beine seiner Mutter rannte. Der lange Zopf des Mädchens flog hinter ihr her, als sie floh.

Ich bückte mich, Menschenkopf mit einem Garnelenkörper, aber das Outfit begrenzte meine Bewegungen, als ich versuchte, die heruntergefallenen Prospekte aufzusammeln. Mein langes, braunes Haar fiel nach vorn, und ich bemühte mich, es mit einer der Scheren zurückzustreichen.

Wie war ich nur an diesen Tiefpunkt gelangt?

»Entschuldigung«, sagte ich und legte meinen riesigen Garnelenkopf auf einen freien Stuhl. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich den hier ablege?« Erstaunlich, wie schnell ein hohler Riesenfischkopf einen Tisch frei machen konnte.

Ich bestellte mir einen Cappuccino, setzte mich vorsichtig hin und schob meine zahlreichen Anhängsel unter meinen Stuhl, damit ich niemanden ins Stolpern brachte. Ein Mann grinste hämisch, als ich die Kontrolle über ein Bein verlor. Als ich meine Gliedmaßen endlich gebändigt hatte, stützte ich beide Ellbogen auf den Tisch; mein Spiegelbild im Schaufenster des Cafés starrte mich ohne zu lächeln an.

Die Kellnerin schob mir meinen Cappuccino hin, den Blick starr auf einen meiner sechs Arme gerichtet.

»Danke«, murmelte ich, riss ein Zuckertütchen auf und streute seinen Inhalt über den kakaogestreiften Schaum.

Ich war seit zwei Jahren in L. A. In dieser Zeit hatte ich überwiegend Jobs wie den hier gemacht. Es war in vielerlei Hinsicht leicht verdientes Geld: sich verkleiden, lächeln, nett sein. Ich wusste, dass es Schlimmeres gab, aber es war so weit von dem entfernt, was ich mir erhofft hatte. Frisch aus England eingetroffen, hatte ich große Träume und Geschichten über L. A. und die glamouröse Welt des Fernsehens im Kopf gehabt. Ich würde Fernsehmoderatorin werden; mit meiner Erfahrung als Nachrichtensprecherin und Berichterstatterin von Ereignissen aus dem wahren Leben, meinem entzückenden englischen Akzent und meinem überschäumenden Enthusiasmus würde ich es schaffen. Und nicht als lebensgroße Garnele Prospekte verteilen.

Ich nahm einen Schluck, der Zucker klebte mir an den Lippen. Mel kam herein, ihren Garnelenkopf unter dem Arm. Ihr rotes Haar klebte ihr an der Stirn, während sie die Tische nach mir absuchte. Ich winkte ihr matt, und sie strich sich ihren Pony aus dem Gesicht und kam grinsend zu mir. Ihre Anhängsel wackelten, irgendein feixender Bursche verdrehte die Augen, als wolle er sagen: »Oh Mann, es gibt tatsächlich zwei von der Sorte.«

Sie ragte vor meinem Tisch auf und stemmte ihre freie Hand in die Hüfte. »Zieht hier jemand eine traurige Meeresfrüchtchenschnute?«

»Halt du deine Schnute«, sagte ich mit zuckenden Mundwinkeln. Ich wollte ihr nicht in die Augen sehen.

»Wer ist hier ein trauriges Meeresfrüchtchen?«, sagte sie mit einer Babystimme. »Du bist es. Du bist es.«

Als ich nicht antwortete, zuckte sie die Achseln. »Soll ich den Garnelentanz aufführen, an dem ich jetzt schon seit einer ganzen Weile arbeite? Na schön, erst seit du mich vor fünf Minuten verlassen hast, aber ich glaube, er ist gut.«

»Nein, ist schon okay«, antwortete ich.

»Zu spät«, sagte sie und brach in eine Abfolge von Tanzschritten aus, Garnelenbeine und -arme schlenkerten sinnlos und aus dem Takt umher, und das Ganze gipfelte im »Garnelenhops«, bei dem sie ein leeres Glas auf dem Tisch hinter uns umwarf.

»Setz dich, Mädel«, befahl ich, zog den Stuhl heraus und kicherte.

»Tut mir leid«, rief sie der Kellnerin zu, als diese stirnrunzelnd kam, um das Glas abzuräumen und den Tisch abzuwischen.

»Kaffee bitte, wir Meerestiere haben ordentlich Durst«, lachte Mel, was ihr ein weiteres Stirnrunzeln eintrug. »Also, was ist los, Babe?«

»Äh, ich hasse es wirklich, wenn du mich ›Babe‹ nennst – wir sind so was von überhaupt keine ›Babe‹-mäßigen Freundinnen.«

»Okay, Kumpel, ich verstehe dich«, sagte sie mit feierlicher Stimme und hob ihren Garnelenarm.

Ich seufzte und schlug mit meinem Teelöffel gegen den Rand der Tasse. »Ich benehme mich arschig«, erwiderte ich. »Aber es ist heute ja nicht schlimmer als sonst auch, ignorier mich einfach.«

»Ha, ich liebe es, dass du so englisch bist, wenn du niedergeschlagen bist, ›ich benehme mich arschig‹«, ahmte sie mich mit einem grässlichen englischen Unterschichten-Akzent nach und ließ den Kopf nach vorn baumeln. »’kay …«, sagte sie wieder in ihrer eigenen Stimme. »Also, ich glaube Hot Yoga wär’s total. Soll ich oder soll ich nicht?«

Ich bremste sie mit einer Garnelenschere und einem verärgerten Gesichtsausdruck. »Hallo? Ich meinte nicht WIRKLICH, dass du mich ignorieren sollst, Scheiße, gib mir drei Minuten Zeit für Selbstmitleid.«

»Oh, tut mir leid, tut mir leid, richtig, also ja, heute ist prima. Ich meine, es ist nicht prima, wenn man bedenkt, dass wir wohl nicht davon geträumt haben, eines Tages die besten sprechenden Menschengarnelen von L. A. zu sein, aber wir sind an diese rituelle Demütigung gewöhnt, oder? Erinnerst du dich an die Neujahrskampagne zum Thema Sexuelle Gesundheit – wir könnten als was Schlimmeres verkleidet sein, Iz.« Sie schauderte bei der Erinnerung. »Geriffelt – zu Ihrem Vergnügen. Ich dachte echt, dass ich mich davon vielleicht nie wieder erholen würde. Wir MUSSTEN uns da durchtrinken.«

»Äh, du hast die ganze Zeit Männer dazu aufgefordert, dich mit Gleitmittel einzuschmieren, und betrunken und hysterisch rumgegackert.«

»Nicht mein bester Moment«, gab sie zu.

»Hast du nicht auch gedacht«, begann ich mit leiser Stimme und wurde von Mels Klappern mit der Kaffeetasse unterbrochen, »hast du nicht auch gedacht, dass so etwas inzwischen hinter uns liegen würde? Es sollte vorübergehend Geld einbringen, während du Tänzerin wirst und ich mein Demoband verschicke.«

Mel zog die Mundwinkel herunter, und ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich ihr die Stimmung verdarb. Dann zuckte sie die Achseln. »Ich glaube immer noch irgendwie, dass das passieren wird, wir müssen nur durchhalten und Vertrauen haben.«

»Wahrscheinlich«, sagte ich, nahm einen Schluck von meinem Cappuccino und duckte mich dann, als Celine mit peitschendem Schwanz vorbeirauschte und den Kopf hin und her drehte, als sie draußen auf der Straße nach uns Ausschau hielt.

»Hoppla«, kicherte Mel.

»Fragst du dich jemals, wie lange wir das noch …?«

»Ich kapiere nicht, wie Meerjungfrauen Sex haben sollen«, überlegte Mel laut und schnitt mir damit das Wort ab.

»Wie bitte?« Ich brach den Satz ab. Mel war offensichtlich nicht auf mich und meine Probleme konzentriert.

Sie deutete nickend auf die Szenerie vor der Tür. »Ich hab nur Celine gesehen, und ich kapiere es nicht, rein körperlich, wie kriegen die es hin?«

»Du weißt, dass es keine Meerjungfrauen gibt, Mel«, vergewisserte ich mich.

»Na ja, klar, aber wenn es sie gäbe, kapiere ich nicht, wie sie es anstellen würden. Wo ist der Zugang?«

»Zugang?«

»Du weißt schon, wie …« Sie hielt zwei Scheren hoch.

»Ja, ich kann es mir vorstellen.« Ich hob eine Hand, um sie zu stoppen. »Vielleicht bekommen Meeresmenschen Babys nur durch Umarmen?«, schlug ich vor.

»Wie schrecklich.«

»Grauenhaft«, stimmte ich zu. »Äh, könnten wir vielleicht, wenn es kein zu großes Problem darstellt, wieder über mich reden?«, fragte ich.

Mel riss den Blick von Celines Fischschwanz los und sah mich wieder an. »Ja, tut mir leid, tut mir leid, ich habe mir nur wegen der Logistik Sorgen gemacht.«

»Offensichtlich.«

»Wie dem auch sei, ich bin total konzentriert … Schieß los!«, sagte sie und versuchte, mit ihrer Schere zu klicken.

»Okay, also, ich hatte gefragt, wie lange wir das deiner Einschätzung nach noch machen müssen, und wann du glaubst, dass wir tun werden, was wir wirklich … Ach, weißt du was«, rief ich und warf die Hände in die Luft, »ich langweile mich selbst.« Ich trank den Rest meines Cappuccinos aus und sah Mel an. »Glaubst du also, es gibt da ein Loch?«

»Wo? In deinem Leben?«, fragte Mel und legte die Stirn in Falten.

»Nein, in der Meerjungfrau.«

Mel dachte darüber nach und nippte langsam an ihrem Kaffee. »Ehrlich, Iz, ich weiß es nicht.«

2

Vier Stunden später hatte ich geduscht und braune Baumwollshorts und ein Tanktop übergestreift. Das Haar hatte ich mir aus dem Gesicht frisiert, und als ich mein Bild im Spiegel betrachtete, fühlte ich mich wieder ein klein wenig mehr wie ich selbst. Ich rieb mir Feuchtigkeitscreme auf die Haut, die von dem guten Wetter in letzter Zeit gebräunt war, atmete langsam aus und ließ die Schultern sinken. Es war ein langer Tag gewesen. Obwohl Mel versucht hatte, mich aufzumuntern, indem sie so tat, als wäre sie die »Killergarnele«, und Celine die Promenade entlanggejagt, sie angeknurrt und mit den Scheren nach ihr geschnappt hatte. Celine hatte angefangen zu schreien und versucht, Mels schwingenden Gliedern auszuweichen, ein nettes Bild mit wehendem Haar und hüpfenden Brüsten. Dabei hatte sie eine ihrer Meeresmuscheln verloren und wollte den Rest des Nachmittags nicht mehr mit uns sprechen, selbst nachdem Mel sich entschuldigt hatte – indem sie ihr eine Gabel brachte, die Gabel ein Dingsbums nannte und ihr etwas aus Die kleine Meerjungfrau vorsang. Die Stunden hatten sich dahingeschleppt und mir war immer heißer und unbehaglicher geworden, während die Sonne halsstarrig über uns stand, ohne dass vorbeiziehende Wolken ihr Strahlen abgemildert hätten.

Ich ging die Treppe hinunter und kuschelte mich auf das Sofa neben Stewie, der zuvorkommend vorgeschlagen hatte zu kochen und dann etwas vom Chinesen mitgebracht hatte. Während ich an einem kalten Garnelentoast knabberte, (reib es mir noch unter die Nase, Stewie) versuchte ich, Interesse an dem Film aufzubringen, den er sich gerade ansah (irgendetwas über einen liebesfähigen Roboter), langweilte mich aber bald und griff nach einer Zeitschrift. Als ich ziellos durch die Seiten blätterte, wurde ich immer niedergeschlagener, denn mein Körper war definitiv nicht bereit für einen Bikini – WAS BEDEUTET DAS ÜBERHAUPT, BIKINI-BEREIT –, ich kannte keine »zehn Methoden, meinen Mann zu beeindrucken« und hatte auch nicht genug vom Gelb dieser Saison in meiner Garderobe. Ich warf das Magazin zur Seite und bettete den Kopf an Stewies Schulter.

Ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden, flüsterte er mit leiser Stimme: »Du weißt, was ich mag, Baby.« Fischatem auf meinem Gesicht, während eine Hand über meinen Schenkel kroch.

Ich schloss die Augen und seufzte. Wirklich? Heute Abend? Jetzt?

»Hm«, brummte ich und legte einen Arm um ihn, um Zeit zu schinden.

Ich drückte ihn fest und hoffte, der Roboter auf dem Bildschirm würde ihn ablenken.

Er rückte näher heran. »Komm schon, Baby, es ist eine Ewigkeit her«, sagte er mit seinem Ostküsten-Akzent, bei dem seine Stimme am Ende höher wurde.

Ich riss den Arm weg. »Ich habe einfach …« Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, was ich einfach hatte. Ich kann einfach nicht, war das, was ich dachte. Ich war einfach nicht in Stimmung. Ich konnte es einfach nicht ertragen. Ich hatte einfach … Stewie war allerdings eine Weile weg gewesen, zwölf Tage, um genau zu sein (das hatte er verkündet, als er an diesem Abend auf meiner Türschwelle erschienen war). Ich befeuchtete mir die Lippen, versuchte, mich aufzuraffen, innerlich darauf vorzubereiten. Ich konnte es schaffen. Es machte Spaß, war ein Spiel. Er liebte es.

Seine Hand kroch an meinem Schenkel hoch, er drehte sich zu mir und schnüffelte an meinem Hals wie ein aufgeregtes Ferkel. Ich ließ es zu, lag auf dem Sofa, versuchte, mich zu entspannen, versuchte, den Tag hinter mir zu lassen. Er zog an meinem Tanktop und entblößte eine Brust, auf die er sich voller Freude stürzte. Ich musste das hier tun, ich musste mir ins Gedächtnis rufen, warum Stewie gut für mich war. In letzter Zeit war ich so gemein zu ihm gewesen, und er hatte eigentlich gar nichts falsch gemacht. Es war meine Schuld, und niemand verdiente so etwas.

Also begann ich, mit einem Seufzen und geschlossenen Augen: »Goose, du toller Heeeeeengst.« Ich spürte, wie Stewies Hand sich erwartungsvoll verkrampfte, wie sein Mund über meiner Brustwarze erstarrte, und hielt kurz inne, bevor ich fortfuhr: »Schaff mich ins Bett, sonst …« Stewie fummelte am Gummiband meines Slips. Ich verstummte und schob seine Hand weg.

Er schaute zu mir auf. Er hatte einen Klecks Sojasauce im Mundwinkel.

Ich atmete langsam aus und schob mir eine Haarsträhne hinters Ohr. »Ich kann nicht, ich bin mit dem Herzen nicht dabei«, erklärte ich.

»Aber du liebst dieses Zitat doch sonst immer«, antwortete Stewie, rümpfte die Nase und wirkte verloren. »Du kriegst Meg Ryans Akzent immer hundertprozent hin.«

»Hundertprozentig.«

»Hab ich doch gesagt.«

»Können wir heute Abend nicht einfach Sex haben, statt dieses ganzen …« Ich breitete die Arme weit aus, »… dieses ganzen Rollenspiels. Ich bin einfach nicht in Stimmung. Ich war den ganzen Tag lang eine Garnele, Stewie, EINE GARNELE. Ich habe genug Schauspielerei hinter mir.«

Ich zog mein Top wieder runter. Stewie rückte ein Stück von mir ab und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine schmalen Schultern und sein übergroßer Kopf ließen ihn wie ein wütendes »i« aussehen.

»Na schön, außerdem bin ich jetzt auch nicht mehr in Stimmung.«

Du bist nicht in Stimmung?

»Gut, na, dann sind wir ja quitt«, stellte ich fest, stand vom Sofa auf, zog meine Shorts zurecht und ging in die Küche. Dabei versuchte ich, einen Hauch von Würde zu bewahren.

Ich lehnte mich an die Theke und nahm zur Kenntnis, dass Stewie nebenan schmollend in meinen Zeitschriften auf dem Couchtisch stöberte, seine Unterlippe vorgeschoben, als hätte ich ihm seine Eisenbahn weggenommen. Ich wandte mich um und drehte den Wasserhahn auf, um so zu tun, als würde ich abwaschen, und ließ den Lappen zornig über einen Teller kreisen. Stewie hatte sich wieder aufs Sofa gesetzt und sah sich Wrestling an, sein mattbraunes Haar war gerade noch zu sehen. Ein weiterer Abend mit ihm lag vor mir. Konzentrier dich nicht auf die negativen Dinge, Iz. Warum musst du in Gedanken immer so eine gemeine Kuh sein? Denk an Stewies gute Eigenschaften. Zum Beispiel, dass er nett zu dir ist, dich nach deinem Beruf fragt, Interesse zeigt. Aber gegen all das rebellierte meine Unsicherheit: Wie war es so weit gekommen? War das wirklich alles?

Im Vereinigten Königreich, bevor ich den Schritt nach Amerika getan hatte, war es ganz gut gelaufen – ich hatte mit dem Verkauf von Staubsaugern und Schmuck morgens um drei Uhr Erfahrung bei Live-Kanälen gesammelt und ein paar Monate lang bei ITV West im Nachrichten- und Sportressort gearbeitet. Aber ich wollte den großen Durchbruch, und ich war ledig und brauchte ein Abenteuer. Mit wilden Hoffnungen hatte ich mich auf L. A. gestürzt, Hoffnungen auf Ruhm, Reichtum und einen gut aussehenden Einheimischen, der mein Herz im Sturm eroberte. Aber das Einzige, was ich tatsächlich gefunden hatte, war ein winziger Schuhkarton von einem Apartment in einem heruntergekommenen Stadtteil, eine Teilzeitbeziehung mit Stewie und den »vorübergehenden« Job als Reklamemädchen, während mein Demoband auf den Schreibtischen verschiedener Produzenten ignoriert wurde.

Ich hörte Stewie nebenan laut seufzen, betont unauffällig, und versuchte mich daran zu erinnern, was ich an ihm anfangs attraktiv gefunden hatte. Wir hatten uns auf einer Party in West Hollywood kennengelernt, als ich meinen besten Partytrick vorgeführt hatte (die Titelmelodie von Der Prinz von Bel Air rappen und dann ein Glas Sambuca herunterkippen, ohne die Hände zu benutzen). Er hatte total umwerfend und weltmännisch ausgesehen, wie er da neben einer Marmorsäule gestanden hatte, die schimmernden Lichtreflexe des Außenpools auf ihm. Er hatte mir einen Drink gebracht, mir erzählt, er sei in dieser Nacht hergeflogen und würde am nächsten Morgen wieder abfliegen. Ich war von seiner sexy Piloten-Nummer hingerissen gewesen (er hatte eine Jacke mit Streifen darauf angehabt – sehr Top Gun), und ich hatte außerdem mehr als den einen Sambuca getrunken. Irgendwie fand ich mich dann in einem Gästezimmer wieder, an ihn gedrückt, während er meinen Hals küsste und mir sagte, ich sei schön.

Seitdem hatten wir uns in den letzten acht Monaten immer mal wieder getroffen. Er flog Inlandflüge für Cheapee, eine Billigfluglinie, deshalb standen keine kostenlosen Transatlantikflüge auf dem Plan. Er mochte Videospiele, Wrestling und Wiederholungen von Airport. Wenn er mich küsste, hielt er gern mein Gesicht zwischen beiden Händen und sah mich an. Das fand ich ziemlich nervtötend. Er wurde nie laut oder wütend auf mich, weder sagte er gemeine Dinge noch verletzte er mich. Er war süß, er brachte mir frisch gepressten Orangensaft, weil er wusste, dass ich das mochte, er massierte mir die Füße, wenn ich sagte, dass sie wehtaten. In letzter Zeit war ich diejenige gewesen, die unfreundlich war. Manchmal hasste ich mich, wenn ich mich in einem Moment des Ärgers ertappte, und spürte, wie Schuldgefühle an mir nagten. Eine leise Stimme sagte mir, dass er es nicht verdiente, dass er nichts getan hatte, was meine miese Laune rechtfertigte.

Ich schluckte. Es lag an mir. Acht Stunden als Garnele können einen echt runterziehen. Ich musste versuchen, nicht anderen die Schuld daran zu geben. Stewie war hier, nicht wahr? Er meinte es gut mit mir, und er hatte sich so gefreut, mich nach zwölf Tagen wiederzusehen.

Ich setzte ein Lächeln auf und stellte mich an die Küchentür. Dann räusperte ich mich und schaute zum Sofa. »Schaff mich ins Bett, sonst wechsle ich das Revier.«

Sein Kopf fuhr herum.

Ich wiederholte den Satz und wandte mich ab, um die Treppe hinaufzugehen.

Stewie sprang begeistert vom Sofa und rief mir nach: »Zeig mir den Weg nach Hause, Liebling.«

Ich schloss die Augen und trat in mein Schlafzimmer.

Liebes Tagebuch,

Andrew ist mein bester Freund von allen meinen Freunden in der Schule und er hat gesagt, dass wir für immer und ewig Freunde sein werden. Er hat gesagt, ich darf immer, wenn ich will, nach der Schule zum Tee mit zu ihm nach Hause kommen. Ich spiele gern Nintendo mit ihm. Wir spielen »Duck Hunt«, und er lässt mich von hinterm Sofa aus mit der Laserpistole schießen, als wären wir in einem Cowboyfilm.

Es macht Spaß bei Andrew zu Hause, denn seine Mum backt uns Brownies, und wir trinken große Gläser kalte Milch. Andrews Dad ist nie da, weil er mit einer neuen Frau in einem anderen Haus lebt. Es macht Spaß zu spielen. Manchmal werde ich traurig, dass ich keine Geschwister habe, aber Andrew sagt, das ist nicht so wichtig, wenn man Freunde hat.

I x

3

Stewie brach zu einem frühen Flug auf, und ich erwachte spät, streckte beide Beine aus und wackelte mit den Zehen, bis ich auf einer Seite die Bettkante fühlte. Durch die weißen Musselin-Vorhänge meines Schlafzimmers konnte ich noch mehr Weiß ausmachen: ein bewölkter Tag, ein wenig Licht, das sich mühte durchzukommen, aber im Wesentlichen ein Kein-Wetter-Tag, trüb, keine Sonne, kein Regen, kein gar nichts. Ich drehte mich um, schüttelte ein Kissen auf und kuschelte mich wieder hinein. Samstag. Schlaftag. Ich musste nicht arbeiten, es gab nur mich und die Wohnung. Vielleicht würde ich etwas backen. Vielleicht würde ich endlich alle Zutaten für eine Schwarzwälder Kirschtorte besorgen: Heute könnte es etwas werden.

Ich öffnete ein Auge. Es hatte keinen Sinn zu dösen, da ich mich jetzt hungrig gemacht hatte. Ich musste aufstehen und auf Futtersuche gehen. Ich rieb mir das Gesicht und öffnete ein paar Küchenschränke, vielleicht in der Hoffnung, dass ein Hauself sie magisch mit Leckerbissen und Süßigkeiten gefüllt hatte. Es war wenig Bemerkenswertes da, also improvisierte ich und aß eine überreife Banane, die ich großzügig auf ein Konfetti Cluster Pop Tart gestrichen hatte, dessen Haltbarkeitsdatum schon vor einer ganzen Weile abgelaufen war. Ich saß auf dem Küchenhocker und schaute mit leerem Blick auf den Kalender an der Wand, auf dem ein Kaninchen zu sehen war, das versuchte, sich mit einer Käsereibe umzubringen. Die »Bunny Suicides« brachten meine Mum immer dazu, sich vor Lachen wegzuschmeißen. Ich grinste, als ich an sie daheim in England dachte, aber die Banane wollte beim Schlucken nicht so recht rutschen.

Froh darüber, beim letzten Bissen angelangt zu sein, schaute ich zu meinem Laptop, der verlassen neben dem Sofa stand. Während ich ihn hochfuhr, kuschelte ich mich in die Kissen und wartete darauf, dass die Seite geladen wurde. Als ich auf das E-Mail-Icon klickte, verspürte ich einen kleinen Kitzel, denn ich sah vier neue E-Mails. Aber dann war ich deprimiert, weil zwei von ihnen mir etwas verkaufen, und eine mir helfen wollte, mit meinem riesigen neuen Penis Frauen anzulocken, was nett war, aber nicht wirklich notwendig. Ich klickte auf die Mail von Mum, und mir wurde warm ums Herz, als der Text auf dem Bildschirm erschien. Während ich ihn las, blitzte vor meinem inneren Auge Mums gerötetes Gesicht auf.

Hallo Schätzchen,

ich bin im Garten und male, es ist absolut himmlisch mit den düsteren Hügeln im Hintergrund, dem Licht auf dem Sand und dem Wasser, das wild an den Felsen leckt. Mein Bild ist absolut schrecklich, aber die Landschaft ist im Moment einfach wunderbar. Heftiges Wetter. Ich habe ein brillantes kleines Ding von einer Maler-Website in Amerika gekauft, mit dem man Entfernungen einschätzen kann, aber ich glaube, ich halte es irgendwie falsch. WIE DEM AUCH SEI, wie läuft es bei dir mit der Arbeit? Musstest du noch mehr von diesen schrecklichen Jobs machen? Ich bin mir SICHER, dass irgendjemand bald dein Potenzial erkennt, Schätzchen, und du mindestens einen, wenn nicht fünf Moderatorenjobs bekommen wirst. In der Werbung für Kontaktlinsen fanden wir dich großartig. Ich habe wirklich geglaubt, du seist kurzsichtig.

Also, Schätzchen, der Hauptgrund, warum ich schreibe, ist, dir mitzuteilen, dass dein Vater es geschafft hat, ebenfalls ins Fernsehen zu kommen! Er wird morgen Abend (Sonntag) in den BBC-Nachrichten erscheinen und zu einem schrecklich langweiligen Thema interviewt werden, irgendetwas mit Oldtimer-Autos, aber ich wollte es dich wissen lassen, weil ich glaube, dass er wirklich ziemlich stolz auf sich ist. Genau wie ich. Schalte um neun Uhr abends unserer Zeit den Fernseher ein, das Interview wird gegen Ende der Nachrichten gebracht, irgendwo zwischen den »spaßigen« Meldungen, die die Zuschauer aufheitern sollen, bevor der Wetterbericht kommt und wir uns alle umbringen wollen.

Schön, ich muss Schluss machen, dieses absolut schreckliche Bild wird sich nicht von selbst malen, weißt du. Tausend Küsse von uns beiden, nun, größtenteils von mir, da dein Vater NIEMALS so extrem wäre, daher von ihm vielleicht eine kurze Umarmung, bei der sich nur die Schultern berühren.

Mum xxxxxx

Ich kicherte und spürte, wie sich mein Magen beim Gedanken an meine Eltern und ihr warmes Bauernhaus in Cornwall zusammenzog. Wie Dad mit der Zeitung, der angeschlagenen, blauen Teekanne und einem gebutterten Hefeküchlein dasaß und leise vor sich hin brummte, weil Mum achthundert Pfund für etwas Technisches ausgegeben hatte, das er nicht bedienen konnte. Mum raste in einer gestreiften Schürze durch die Küche, wahrscheinlich mit Mehl bestäubt, auch wenn sie gerade keins benutzte, und produzierte einen zauberhaften, schiefen Biskuitkuchen mit echten Erdbeeren darin und einem kleinen Becher Sahne zum Darübergießen. Durchs Küchenfenster sah man in der Ferne wahrscheinlich gerade ein paar vereinzelte Surfer über den Strand Polzeath kommen.

Also, mein sanfter Dad würde im Fernsehen sein und von dem Oldtimer schwärmen, den er jüngst auf Vordermann gebracht hatte. Ich hatte seinen neuesten Wagen noch nicht gesehen, aber bei Dad stand immer irgendein auseinandergebautes Vehikel in der Garage, dessen Einzelteile er liebevoll über Zeitungspapier auf der Bank draußen säuberte, nachdem Mum ihn dorthin verbannt hatte. Seine Lesebrille thronte auf seiner Nasenspitze, und seine Zunge hatte er konzentriert zwischen die Lippen geschoben, während durch das offene Wohnzimmerfenster Musik von Brahms erklang. Ich fühlte mich plötzlich sehr allein in der Küche und griff nach meinem Handy.

Du bist herzlich zu einem englischen High Tea bei mir eingeladen, tippte ich ein.

Mel, besessen von meinem »überkandidelten« britischen Akzent und merkwürdigen britischen Ritualen – »Ich meine, bei euch gibt es Sandwichstreifen, auf denen nur Gurke ist«–, antwortete sofort.

Ich bin dabei. Kannst du wieder die Tiara tragen und so tun, als wärst du Kate Middleton?

Abgemacht, simste ich zurück.

Dex muss ebenfalls mitkommen. Wir haben gerade den besten Sex aller Zeiten!

Ähm, er ist sehr willkommen, aber hört bitte mit dem Sex auf, bevor ihr hier seid.

Das kann ich nicht versprechen. Er macht das so gut!

Igitt, du ekelst mich an.

Ich heizte den Ofen in meiner winzigen Einbauküche an, die so schmal war, dass sich zwei Personen in der Mitte verkeilen konnten, wenn sie aneinander vorbeiwollten, dann stöberte ich im Schrank nach Backzubehör. Ich staubte die Plastikwaage ab, griff nach dem Sieb und fühlte mich gleich etwas besser. Mehl, Eier, Margarine, Milch. Ich beschloss, Zitronen-Cupcakes in großen Muffinformen zu machen, sodass der Biskuitteig über die Ränder quellen würde. Das Rezept hatte ich vor Jahren während einer Trennungsphase gefunden, in der ich von Zitronenkuchen und Knäckebrot gelebt hatte. Ich suchte die Zutaten raus. Als ich mich umdrehte, um meinen iPod anzuschalten, stieß ich einen einzelnen, ungenierten Jubelschrei aus, als Olly Murs herausschallte. Während ich alles miteinander verrührte, begann mein Arm vor Anstrengung zu schmerzen, mein Kopf wurde leer, und ich wurde ruhig.

»Du trägst sie wirklich!«, rief Mel einige Stunden später voller Freude, als ich die Tür öffnete, in einem rosa Kleid und mit einer Tiara auf dem Kopf.

»VERBEUGE DICH VOR MIR, LAKAI, BEVOR DU EINTRITTST«, sagte ich und zeigte auf das dreckige Pflaster draußen vor der Wohnung.

»Natürlich, es tut mir ja so leid, Euer Hoheit«, erwiderte Mel und fiel auf ein Knie nieder. »Dex«, zischte sie, zupfte an seinem Ärmel und zerrte ihn mit sich zu Boden.

»Oh Mann, Mädels, wenn ihr so anfangt, muss ich Bier kaufen gehen.«

»Das ist keine Art mit einer PRINZESSIN zu reden«, grollte ich. »Aber ich habe Bier. Für danach.«

Dex rappelte sich auf und rieb sich mit einer gebräunten Hand die Haarstoppeln auf seinem Kopf.

Ich reckte den Hals, um ihm einen Kuss zu geben. »Hi, Dex.«

»Hi, Euer Hoheit.«

Mel starrte noch respektvoll zu Boden.

»Sie dürfen sich erheben, Miss Conboy.« Ich hielt ihr eine Hand hin.

»Mir gefallen deine Schuhe, Kate«, bemerkte sie. »Kann ich jetzt deine Tiara tragen?«

Ich stülpte sie ihr auf den Kopf, das glänzende, rote Haar schimmerte im Tageslicht, und führte beide hinauf in die Wohnung, die zufriedenstellend nach Kuchen und frischer Luft roch. Als wir uns an den kleinen Tisch im Wohnzimmer setzten, hob eine Brise die unteren Enden der Vorhänge an.

Ich schenkte Dex eine Tasse Tee ein und lachte, als Mel beim Anblick der Cupcakes in »Ahs« und »Ohs« ausbrach. Dann ließ ich mich in einen Sessel fallen, an dessen Armlehnen sich die Fäden lösten. Während wir redeten, zupfte ich daran herum.

Der Sims über dem winzigen falschen Kamin war vollgemüllt mit Postkarten, Hochzeitseinladungen von Freundinnen in England, die ich seit Jahren nicht gesehen hatte und die Männer heirateten, die ich nie kennengelernt hatte, einem kleinen Zauberwürfel-Schlüsselring, einer staubigen Teedose voller Stifte und einem leeren, blauen Aschenbecher. Dex ließ geistesabwesend den Blick darüber wandern und zog dann hinter einer Einladung eine an den Ecken abgegriffene Postkarte hervor.

»Niedlich«, bemerkte er und hielt sie mir hin.

»Das ist eine von meiner Grandma aus Cornwall«, erklärte ich. Dex reichte sie mir, und ich zeichnete mit dem Finger die Cottages auf der Postkarte nach. Das Bild zeigte ein winziges Dorf im Südwesten von Cornwall in der Nähe des Ortes, wo sie lebte, und es weckte in mir eine schmerzliche Sehnsucht nach zu Hause. Dieser Versuch eines englischen High Tea kam nicht zur besten Zeit. Ich hatte immer gedacht, ich würde diesen Postkarten-Traum eines Tages leben, und hatte regelrechte Fantasien, was mein Leben betraf. Es ging immer um irgendeinen anständigen englischen Herrn, und ich dachte sehnsüchtig an meinen ersten Ehemann zurück, Andrew, den Jungen, der vor all den Jahren auf dem Spielplatz »Ja, ich will« gesagt hatte. Er war am Ende des Halbjahrs gegangen, und wir hatten nie eine offizielle Scheidung gehabt. Beth hatte ihre Scheidung, und ich hatte sie bezeugt. Ein Blatt Papier war unterzeichnet worden, das sie bestätigte, falls Gott zugeschaut hatte, aber ich hatte nie etwas Entsprechendes getan, und irgendwie war Andrew immer als der in meinem Kopf geblieben, der abgehauen war. Der Mann, mit dem ich mir ein Leben hätte aufbauen können. Der englische Ehemann, von dem ich träumte, wenn ich an die Zukunft dachte.

»Ich kann kaum glauben, dass du von dort kommst«, sagte Mel, die mich immer bat, ihr mehr von England und der Queen zu erzählen, und die wissen wollte, ob es wirklich stimmte, dass die Leute dort noch den Morristanz tanzten, und ob ich jemals auf der Jagd einen Fuchs getötet, »Wills« kennengelernt hätte oder um einen Maibaum herumgetanzt wäre, der mit dem St.-Georgs-Kreuz der englischen Flagge umwickelt war, und dabei die Nationalhymne gesungen hätte. Ich schloss die Augen, als Dex und Mel über die Hochzeitseinladung von »Penelope Blythington-Smythe« kicherten, und ihre Versionen eines englischen Akzents zum Besten gaben, bei denen sie im Wesentlichen so klangen, als litten sie an einer schrecklichen Halskrankheit.

»Würdest du so freundlich sein, mich zu küssen, meine Liebste?«

»Dich küssen«, kreischte Mel und klang wie Dick Van Dyke in Mary Poppins: »Pfui, ich denke nicht, dass dies schicklich wäre.«

Lächelnd schwebte ich gedanklich von ihnen weg und verfiel in meine übliche Träumerei. An einen Ort, an dem ich in meiner Vorstellung wohnte, mit neunundzwanzig Jahren, und zu der Person, mit der ich zusammenlebte. Ein kleines, viktorianisches Cottage, rote Backsteine, Ziegeldach, Veranda vorm Haus und Rosen, die sich um die Seitenwände rankten. Die zauberhaften weißen Schiebefenster geöffnet, deren Glas einen perfekten englischen Sommertag widerspiegeln – einundzwanzig Grad, ein paar Wolken am Himmel, eine leichte Brise, der Grill, der auf der gepflasterten Terrasse darauf wartet, angeheizt zu werden. Ein gewundener Pfad, der an einem Apfelbaum vorbeiführt, um dessen Stamm Erdbeeren wachsen, sodass du ein oder zwei davon pflücken und eine süße Geschmacksexplosion genießen kannst, wenn du in das köstliche Fruchtfleisch beißt. Der Geruch von Lavendel, der dich erreicht, wenn du näher kommst und die Haustür aufschiebst. Er wird vom Geruch von frisch gebackenem Brot abgelöst, dann hörst du etwas durchs Haus trippeln, während du in den Flur ganz aus Holzdielen trittst. Ein großer Spiegel in schmiedeeisernem Rahmen hängt an der Wand, frische Blumen stehen in einer Keramikvase an der Seite.

Du gehst durch die große Bauernküche, riesige Schieferfliesen auf dem Boden, ein geschrubbter Kieferntisch, eine Anrichte, auf der sich Gläser, Becher und Handzettel des nächsten Bauernmarkts stapeln. Eine Stalltür führt in einen kleinen, farbenprächtigen Garten mit angrenzenden Feldern, Efeu rankt sich am Zaun entlang, auf dem Rasen steht eine Hollywoodschaukel, wo du sitzen und zusehen kannst, wie die Sonne hinter einer Baumreihe am Horizont versinkt, während dein Ehemann Stichwort Andrew –– dir einen perfekt zubereiteten Gin Tonic bringt, mit Eiswürfeln, einem Rosmarinzweig und einer Scheibe Zitrone im schweren Kristallglas.

Andrew ist von irgendeiner heldenhaften Tätigkeit (Arzt? Tierarzt?) zurück und erscheint wieder an der Stalltür, um dich, die du auf der Schaukel sitzt, anzulächeln, während der Sonnenuntergang deiner Haut einen goldenen Schimmer verleiht, sodass du unglaublich gesund und jung aussiehst. Er ist groß und breitschultrig und hat dichtes, hellbraunes Haar, das niemals ausfallen wird, weil das nicht in seinen Genen liegt. Er hat ein offenes Gesicht, das dich nachsichtig anlächelt, vielleicht bietet er dir auf einem kleinen Teller eine Praline an? Er lässt sich neben dich auf die Hollywoodschaukel gleiten, und plötzlich spürst du eine große, karierte Decke, und ihr zwei kuschelt euch aneinander und seht in eurem perfekten Heim dem ausklingenden Tag zu. Du hörst leise, schläfrige Geräusche aus dem Dorf und beobachtest ein paar Vögel, die am Himmel vorbeifliegen.

»Iz, IZ … Erde an Iz, komm zu uns zurück, Iz.«

Mel und Dex, die vor mir standen und mir ein Bier hinhielten, rissen mich aus meinem Tagtraum. Dex trug jetzt die Tiara.

»Du sahst aus, als wärst du total weggetreten gewesen. Wo warst du?«, fragte Dex naserümpfend, denn er hatte bei mir noch nie diese Art von Trance erlebt.

Mel dagegen, ein alter Hase, hatte es schon oft beobachtet. »England«, sagte sie zu ihm und boxte mich in den Arm. »Sie hat so eine Geschichte mit einem Jungen von früher in England in ihrem Kopf. Ziemlich schräg, aber so ist sie eben, schräg.«

»Ähm, und sie steht direkt neben dir«, warf ich ein.

»Komm schon, Babe, du weißt, dass du ein bisschen bekloppt bist.«

»Ein Typ in England«, wiederholte Dex und beugte sich vor, als er sich setzte.

»Nicht irgendein Typ«, sagte ich zu Dex. »Mein Ehemann«, fügte ich in ehrfürchtigem Ton hinzu.

»Wohl kaum«, spottete Mel.

Ich sah sie an und verdrehte die Augen.

»Himmel, es ist nicht nötig für eure Typen ins Ausland zu gehen, wir sind alle hier«, sagte Dex und breitete die Arme weit aus.

Mel stupste ihn an der Schulter an: »Du würdest den Bundesstaat niemals verlassen, geschweige denn das Land.«

»Na, was für ein Glück, dass ich keine Ehefrau habe, die in ausländischen Gefilden lebt«, erklärte Dex feierlich.

»Hast du überhaupt einen Pass, Dex?«, lachte ich. Dex war ein typischer Einheimischer mit Südstaatenakzent wie Johnny Cash und Cowboystiefeln. Richtigen Cowboystiefeln, in denen er erstaunlich cool aussah.

»Ja, aber ich habe ihn mir nur ausstellen lassen, damit man mir in Bars Alkohol ausschenkt.«

»Dex sah mit einundzwanzig immer noch ungefähr wie zwölf aus«, erklärte Mel.

Ich nickte. und Dex stieß Mel an. »Aber der attraktivste Zwölfjährige aller Zeiten, habe ich recht? Habe ich recht?«

»Nein, du bist abscheulich.«

»Oh.« Dex ließ den Kopf hängen, während ich kicherte und zusah, wie Mel sich auf ihn stürzte und sein Gesicht mit Küssen und ihrem flammend roten Haar bedeckte.

Dex zwinkerte mir zu. »Ich hab’s immer noch drauf«, sagte er und zog Mel in seine Arme.

Mel schmiegte sich an ihn und streichelte unterdessen abwesend Dex’ Bein. Dann schien sie aufzuwachen und sprang auf die Füße. »Los, wir machen die Stadt unsicher, hängen ab und kippen ein paar Schnäpse. Schwing dich in deinen feierlichsten Sonntagsstaat.«

Dex sprang ebenfalls auf und riss sie zu einem schlechten Walzer mit. »Es wird eine guuuuuuuute Nacht«, erklärte er, kippte sie nach hinten und küsste sie sanft.

»Oh Mann, ich werde mich ordentlich betrinken müssen, wenn ihr zwei das die ganze Nacht macht.«

Und das taten sie, also tat ich es auch.

Liebes Tagebuch,

Andrew und ich sind heute am höchsten auf dem Baum geklettert, und ich hatte ziemliche Angst, aber ich habe nichts gesagt. Ich bin nicht so weit raus auf die Äste wie er, aber ich habe mich kopfüber von dem Ast weiter unten baumeln lassen, und all meine Haare sind heruntergeflogen und ich habe ganz komisch ausgesehen. Andrew hat gesagt, wir würden wie Wombats aussehen, die so schlafen können, und ich habe mir Sorgen gemacht, dass ich runterfallen würde, weil ich so gelacht habe, aber ich bin nicht runtergefallen.

I x

4

Mit trüben Augen musste ich am viel zu grellen Sonntagmorgen mit dem Phänomen einer nicht identifizierten Fleischwunde am Oberschenkel – einem sich violett verfärbenden Bluterguss – fertigwerden. Die Vorhänge waren nicht zugezogen, sodass mir ein Streifen L. A.-typischer Sonnenstrahlen ins Gesicht schien und mich zwang zu blinzeln. Ich lag verkehrt herum, die Füße ruhten auf meinem Kissen, mein Gesicht war ein sabberndes Wrack, das auf meine graue Tagesdecke mit Pailletten gedrückt war. Eine gesendete SMS sagte mir, dass ich um vier Uhr sieben noch auf gewesen war.

An: STEWIE – Karoaeek, verlaufen in Cassino. Sex könnte jetzt gehen.

Auf keinen Fall könnte Sex jetzt für mich gehen. Selbst mich hinzusetzen erschien mir wie ein unmöglicher Traum. Beim Aufstehen spürte ich winzige Hubbel, wo die Pailletten sich in meine Wange gedrückt hatten. Als ich in den Spiegel schaute, sahen die Dellen aus, als wäre in der Nacht ein Minitraktor auf meinem Gesicht auf und ab gefahren.

»Baaaaaaaaaah«, rief ich Mel in den Anrufbeantworter. Er antwortete mit einem aggressiven »Piep«.

Den größten Teil des Tages verbrachte ich damit, mich vorsichtig durchs Haus zu bewegen. Auf dem Tisch lagen immer noch Kuchenkrümel von unserem High Tea (und wahrscheinlich auch von vier Uhr morgens), und in der Kanne waren immer noch die Überreste des eiskalten English-Breakfast-Tees. Stewie erschien am Nachmittag und schloss sich die Tür selbst auf, nachdem ich ihm die Schlüssel durchs Fenster auf die Straße geworfen hatte.

»Kann nicht. Sterbe«, sagte ich, als er mich gegen die Wand im Flur drückte, bevor ich wieder unter meine Decke auf dem Sofa kriechen konnte.

Er ging an mir vorbei in die Küche und rief über seine Schulter: »Ich habe heute Nacht einen späten Flug, also werden wir irgendwann Liebe machen müssen«. Was mich nur dazu veranlasste, die Decke noch enger um mich zu ziehen. Stewie roch nach verbranntem Toast und starkem Aftershave.

»Toll, ich freu mich schon drauf.«

Er durchstöberte die Schränke auf der Suche nach etwas Essbarem. Mit viel Geklapper. Ich wusste nicht, dass meine Schränke so viel Lärm machten, es war, als risse er sie aus der Wand. War er der American Hulk? Ist der Hulk immer Amerikaner? REISS. PENG. Puh. »Gott, du hast nie etwas zu essen da«, rief er aus der Küche.

Warum hatte ich ihn eingeladen?

Er kehrte mit einem Kaffeebecher in der Form eines Dalmatinerkopfs und einer Tüte Brezeln zurück. Dann schob er meine Füße vom Sofa, setzte sich und öffnete geräuschvoll die Tüte. Darauf schaltete er zu einem amerikanischen Footballspiel um und ignorierte mein »Aber das habe ich mir gerade angesehen« mit einem geringschätzigen: »Das waren Tiere, die von Regalen fallen« (Ich liebe diese Videos). Er saß da, krümelte mit den Brezeln und schlürfte seinen Kaffee, als wäre seine Zunge zu groß für seinen Mund. Ich versuchte, nicht dazusitzen und ihn zu hassen, aber während ich beobachtete, wie ein weiterer Krümel auf meinem zauberhaften, cremefarbenen Flauschteppich landete, konnte ich nicht umhin zu hoffen, dass die nächste Brezel ihm einen schrecklichen und unwahrscheinlichen brezelbedingten Tod bescheren würde. Als ich begriff, dass ich mich, falls er tatsächlich ersticken würde, vielleicht bewegen müsste, tat ich diesen Gedanken ab, so schnell er mir gekommen war, und wünschte mir einfach, dass die Decke über ihm einstürzen würde.

Stunden später befand ich mich in der Horizontalen, und Stewie hatte es geschafft, sich hinter mich zu stehlen, und mir so schön über den Bauch zu streicheln, wie ich es gern mochte. Ich streckte mich wie eine Katze aus, die Möpse hochgereckt, sodass Stewie das als Signal auffasste, dass Sex auf dem Sofa geil war, und er riss mir meine Jogginghose runter, bevor ich sagen konnte: »Nicht auf den Brezeln.«

Er zog seinen Reißverschluss wieder hoch, lächelte mich selbstzufrieden an, schlenderte ins Badezimmer und ließ mich als einen verschwitzten Haufen unter meiner Decke zurück; das Haar klebte mir im Gesicht und meine Jogginghose war immer noch um einen Knöchel verheddert. Die Postkarte lag gerade eben in Reichweite auf dem Teppich, ich hob sie auf, und als ich auf die fremdländische Szene starrte, hatte ich das Gefühl, als würde ich mich immer weiter und weiter von diesem idyllischen Leben entfernen.

Das war’s, dachte ich, während ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr strich. Komm damit klar, Stewie ist da, und du hast niemanden sonst kennengelernt. Du hast es nicht einmal versucht. Bei diesen Gedanken stöhnte ich auf, zog mich hoch und ging ins Bad, um zu duschen. Als ich mich abtrocknete, erhaschte ich einen Blick auf die Uhr, und begriff, dass ich die Nachrichten in England verpassen würde, wenn ich jetzt nicht den Fernseher einschaltete.

»Es läuft schon, es läuft schon, ich muss es auf dem Laptop sehen«, keuchte ich, während ich, nasse Fußstapfen hinterlassend, ins Wohnzimmer zurückflog und meinen Laptop einschaltete. Ich klickte auf die ITV-West-Website und rief den Nachrichtenstream auf. Ich hatte die Schlagzeilen verpasst, es ging gerade um etwas Lokales in einer Schokoladenfabrik in Somerset. Alle trugen blaue Duschhauben und rührten in riesigen Gefäßen mit dunkler Schokolade. Dann wechselte das Bild in den Nachrichtenraum und zum nächsten Beitrag.

»Da ist er«, sagte ich und rappelte mich in eine sitzende Position auf. Der Laptop wackelte auf dem Kissen auf meinem Schoß.

Mein Dad stand rechts und wurde aus dem Off interviewt. Seine freundliche Stimme, seine kurzen Antworten und seine leicht eingeschüchterte Haltung entlockten mir ein Grinsen. Die Dorfwiese war perfekt und makellos englisch – ein Dreieck üppigen Grases, umgeben von Cottages, einem Pub an der Seite und Menschen, die in gewachsten Jacken gemächlich umherschlenderten.

Die buschigen Augenbrauen meines Dads mit ihren grauen Strähnen bewegten sich auf und ab, während er über das himmelblaue Cabrio-Coupé hinter sich sprach, das am Straßenrand parkte.

»Oh, sieht er nicht gut aus?«, rief ich. Er hatte sich sein graues Haar aus dem Gesicht gekämmt, und die Falten um seine Augen vertieften sich immer dann, wenn er auf eine Frage lauschte. Hinter ihm beobachteten Dorfbewohner das Geschehen und gingen über die Wiese, um sich den Wagen anzusehen.

Und dann tauchte in der Menge hinter ihm plötzlich ein Gesicht auf, das ich sofort wiedererkannte. Mir klappte der Unterkiefer herunter und ich hörte auf zu atmen. Stewies Stimme verwandelte sich in Hintergrundrauschen, während ich hektisch auf den Pfeil klickte, um zurückzuspulen. Ich achtete nicht länger auf das Gesicht meines Dads, sondern scannte wieder die Menge, sah einen Rücken, eine braune Jacke aus irgendeiner Art von Tweed, dunkelblondes Haar, ein Profil. Und dann hielt ich inne, als der Mann sich umdrehte, und der Raum wurde vollkommen still, als ich ihn anstarrte. Als ich in ein Gesicht starrte, das ich seit über zwanzig Jahren nicht gesehen und an das ich mehr als zwanzig Jahre lang gedacht hatte. Die ganze Wohnung schien zu warten, in meinem Kopf schrien die Gedanken durcheinander und füllten jede Nische meines Gehirns aus. Ich rückte näher an den Bildschirm heran, sodass die Bilder verschwammen. Ich spulte wieder zurück, drückte auf Pause, spulte vor, drückte auf Pause, spulte zurück. Ich war mir sicher. Er war es.

Ich hatte Andrew Parker gefunden.

Liebes Tagebuch,

Dad ist wegen meiner Geburtstagsfeier früher nach Hause gekommen, und Mum hat das ganze Haus schön hergerichtet, mit Unmengen Luftballons, auf denen große Neunen standen. Einer der Ballons schwebte ohne seine Schnur zur Decke, und da ist er noch immer, aber er ist ganz schlabbrig und zerknautscht. Er sieht traurig aus, und man kann die Neun darauf nicht mehr lesen. Wir haben eine Party-Spielrunde gemacht und Geschenkeauspacken gespielt und auch schlafende Löwen, was ich wirklich schlecht kann, denn wenn Dad herüberkommt, nennt er mich Zwerg und macht ein komisches, knurrendes Löwengebrüll, und das ist so witzig, weil Dad normalerweise nicht wie ein Löwe ist.

Das zweitbeste Spiel war das, wo wir alle Statuen wurden und stillhalten mussten oder ausschieden, und ich habe es wieder mit Andrew unter die letzten Zwei geschafft, und wir mussten tanzen und dann stehen bleiben, und er ist eine Sekunde nach mir stehen geblieben, und ich habe gewonnen, und dann hat er wirklich riesig gelächelt und mich umarmt. Es war der beste Geburtstag überhaupt. Ich glaube, er ist absichtlich nach mir stehen geblieben, und das war der Grund, warum er gelächelt hat.

Außerdem gab es Partytüten mit Colafläschchen, und Andrew hat gesagt, es war die beste Partytüte, die er je bekommen hat, und Mum hat zu dem Superman-Song getanzt, weil sie Wein in der Hand hatte. Es war ein Riesenspaß.

I x

5

»Kannst du mir meinen Reißverschluss zumachen, Iz?«, fragte Mel und stieg in ihr Karottenkostüm. »Lass mich bloß erst die Füße durch den Körper kriegen. Himmel.«

»Oh Gott, Mel, ich kann das heute nicht«, jammerte ich, mein Outfit lag wie eine rote Pfütze auf dem Boden neben mir, die Hände hingen wie erstarrt an meiner Seite.

Mel drehte sich um, einen Fuß in ihrem Kostüm, einen draußen. »Sei nicht albern. Wir werden Spaß haben wie die Kichererbsen. Wir werden uns amüsieren wie die Kürbisse. Darauf Rettich! Du wirst schon sehen.«

Ich stöhnte, »Heute keine Wortspiele, Alte«, und ging zu ihr, um ihr zu helfen, sich in das lange, orangefarbene Outfit zu zwängen. Ich fand den Reißverschluss, zog ihn hoch und trat zurück. Sie war eine Karotte, das Kraut wedelte im Wind über ihrem Kopf. Ein ausgeschnittenes Loch für ihr Gesicht. Sie lächelte, und ihre weißen, geraden Zähne blitzten im Sonnenlicht.

»Gott, warum bist du immer so verdammt glücklich?«, brummelte ich.

Die Karotte zuckte die Achseln. »Dex hält es für eine Krankheit. Pathologisches Glücklichsein.«

»Das könnte ich auch gebrauchen«, erwiderte ich erschöpft und wandte mich ab, um mein Outfit für diesen Tag aufzuheben.

Der Wind wehte ein klimperndes, hohes, aufreizendes Lachen herüber. »Du Witzbold.«

Ich drehte mich um und entdeckte Celine im Gespräch mit einem Mann mit schulterlangem, blondem Haar, ein Skateboard unter dem Arm und eine verkehrt herum aufgesetzte Mütze auf dem Kopf. Celine trug ein wirklich niedliches Bauernmädchen-Outfit: mit Fransen besetzte Cowboystiefel, Jeans-Hotpants á la Daisy Duke, Baumwollbluse, die sie über ihrem gebräunten, flachen Bauch verknotet hatte. Meine Augen wurden schmal, während ich sie beobachtete und die Füße in die beiden Löcher am unteren Rand meines großen, runden und leuchtend roten Tomaten-kostüms setzte. Ich hievte es hoch, schob die Hände durch eine Art Trikot darin und stand dann vor dem Dilemma, mich wieder bücken zu müssen, wobei die Tomate in widerwärtige Rollen um meine Körpermitte zusammengequetscht wurde, als ich den Hut aufhob. Ich musste den grünen Stängel auf dem Kopf tragen. Er war unter meinem Kinn mit einem Gummiband befestigt, und Teile davon hingen mir ins Gesicht und vor den Augen.

Meine Stimme war heiser, als ich mich zu einer Frau umdrehte, die an mir vorbeiging, die Handtasche über eine Schulter geschlungen und perfekt frisiert: »Guten Morgen, meine Dame, bei uns läuft heute eine Verkaufsaktion für Christie’s Dosengemüse …«

Während ich wie in einem Nebel arbeitete, hatte ich reichlich Zeit, über die Sichtung Andrews am vergangenen Abend nachzugrübeln. Ich war mit der Frage aufgewacht, ob das wirklich passiert war. Oder hatte – in meinem verkaterten Zustand, mit einem Stewie, der über mich hinwegkletterte, der Hitze in der Wohnung, meinen jüngsten Gedanken an England und zu Hause – ihn meine arme, benebelte Fantasie nur in einem jämmerlichen Versuch heraufbeschworen, mich aufzumuntern? Mir meinen Helden vorgegaukelt? Aber ich hatte mir den Teil der Sendung heute Morgen noch einmal angesehen, und da war er gewesen, deutlicher, als ich ihn in Erinnerung gehabt hatte. So sah er jetzt wahrscheinlich aus. Er hatte immer noch vorne diesen leichten Wirbel im Haar.

Dieses Haar hatte ich zuletzt nach Ende der Weihnachtsferien im Auto seiner Mum verschwinden sehen. Ich war aus dem Haus gekommen, meine Collage einer Winterszene – ganz aus Makkaroni gefertigt, – verdammt eindrucksvoll auf dem Arm, als er abgefahren war. Wir hatten seit dem Tag des Fluchs und des Regens nicht wirklich miteinander gesprochen, und während ich ihn wegfahren sah, wünschte ich, ich hätte ihm auf Wiedersehen sagen können. Er war am Anfang jener Woche ein herausragender Überbringer von Myrrhe beim Krippenspiel gewesen, und ich hätte etwas Nettes über die Krone sagen sollen, die er aus Alufolie gebastelt hatte. Er kam dann im neuen Jahr nicht wieder, und ich hatte mich immer gefragt, was aus ihm geworden sein mochte. Seine ordentlich hochgezogenen, grauen Socken, seine gerade Nase und das lockige Haar. Wo war er abgeblieben? Warum war er fortgegangen? Und das Wichtigste, waren wir vor den Augen Gottes immer noch verheiratet? Wochenlang hatte ich mir diese Fragen gestellt und in der Schule nach ihm Ausschau gehalten, als könne er bei der Milchausgabe plötzlich auftauchen, und es gab mir einen Stich, als ich begriff, dass er wahrscheinlich nie wiederkommen würde.

Mel fand ein schattiges Fleckchen auf einer Bank unter einer Markise. Wir hatten eine der Dosen geklaut und aßen Pfirsiche daraus, während wir versuchten, weniger in unseren Outfits zu dampfen, und Saft tröpfelte mir am Kinn hinunter. Ich hockte auf der Kante der Bank. Mein gewaltiges Tomatenhinterteil erlaubte es mir nicht, mich zu weit zurückzulehnen. Ich hob die Hand und beugte den Kopf nach unten, um mir Schweißperlen von der Stirn zu wischen.

»Gott, ich schmelze buchstäblich«, verkündete ich.

Mel hatte die Augen geschlossen und sich zurückgelehnt, ihr kreisrundes Gesicht der Sonne entgegengereckt, ihren langen, grünen Stängel wie Haar zurückgeworfen. Sie schien mich nicht zu hören.

»Hm.«

»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte ich, besorgt, dass ich in letzter Zeit ein wenig zu trübsinnig gewesen war und ihr eine bessere Freundin sein sollte. »Was«, ich legte eine Pause ein, bevor ich weitermachte, »WASABI dir denn getan? Ich steh auf dem Sch-LAUCH.« Ich stupste sie an.