Saudi-Arabien verstehen - Martin Pabst - E-Book

Saudi-Arabien verstehen E-Book

Martin Pabst

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Beschreibung

Traditionsbewusst und reformorientiert, lange abgeschottet, klischeebehaftet, facettenreich und einer der reichsten arabischen Staaten Saudi-Arabien ist eine aufstrebende Regionalmacht und viel zu wichtig für den Mittleren Osten und die Weltpolitik, als dass das Land im Westen so unbekannt bleiben darf, wie es bis heute noch ist. Hüter der Heiligen Stätten von Mekka und Medina, ein Ölproduzent auf dem Weg zur diversifizierten Wirtschaftsmacht, absolute Monarchie mit strikter Durchsetzung der Scharia, Herausforderung für die westlichen Demokratien, geopolitischer und ideologischer Rivale des Irans: das ist Saudi-Arabien, der größte Staat auf der Arabischen Halbinsel. Doch hat das Land mit seinen diversen Stämmen, Kulturen und Konfessionen viele Facetten. Ambitionierte Künstler machen von sich reden, selbstbewusste Frauen erkämpfen mehr Freiräume, und bemerkenswerte Sehenswürdigkeiten warten auf die Öffnung des Landes. Martin Pabst bereist regelmäßig die arabische Welt, war jüngst in Saudi-Arabien. Das Buch zeigt den faszinierenden gesellschaftlichen Wandel zwischen Tradition und Moderne auf, der sich momentan in diesem Land vollzieht. Höchste Zeit, Saudi-Arabien zu erkunden.

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Seitenzahl: 628

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Cover for EPUB

Martin Pabst

Saudi-Arabien verstehen

Geschichte, Politik, Religion, Gesellschaft

Klett-Cotta

Impressum

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Klett-Cotta

www.klett-cotta.de

© 2022 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Cover: Rothfos & Gabler, Hamburg unter Verwendung einer Abbildung von © shutterstock

Karte: Isabell Bischoff, Hannover

Gesetzt von Dörlemann Satz, Lemförde

Gedruckt und gebunden von CPI – Clausen & Bosse, Leck

ISBN 978-3-608-98420-0

E-Book ISBN 978-3-608-12104-9

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Saudi-Arabien: Klischeebehaftet und facettenreich, traditionell und reformorientiert, machtbewusst und verunsichert

Karte von Saudi-Arabien

Was man zur Geographie und zur Geopolitik wissen muss

Die Geschichte der Arabischen Halbinsel bis zum Aufstieg der Dynastie Saud

Die Allianz Saud/Wahhab begründet ein religiös legitimiertes Staatswesen

Ein neuer Staat: Das Königreich Saudi-Arabien

Der

hadsch

in Mekka, der Wiege des Islam

Puristische Frömmigkeit und dogmatischer Wahrheitsanspruch: Der wahhabitische Islam

Wie funktioniert eine absolute Monarchie?

Saudische Frauen erobern sich Freiräume

Saudi-Arabien – eine künstlerische Wüste?

Nach dem Öl: Saudische Wirtschaft im Umbruch

Gastarbeiter, Expatriats und Flüchtlinge: Wie die Ausländer leben

Saudi-Arabien und der »Arabische Frühling«

Zäsur 2015: Der neue König Salman und sein mächtiger Kronprinz »MbS«

Ausblick

Anhang

Danksagung

Anmerkungen

Bibliographie

Namen- und Ortsregister

Saudi-Arabien: Klischeebehaftet und facettenreich, traditionell und reformorientiert, machtbewusst und verunsichert

Über Saudi-Arabien sind in Deutschland(1) viele Klischees verbreitet. Stolze Wüstennomaden, unermesslich reiche Ölscheichs und strenge wahhabitische Prediger sind häufig gebrauchte Stereotypen. Jedoch sind sie überzeichnet und werden dem Königreich nicht gerecht – der langen Geschichte des Landes, seiner gesellschaftlichen und kulturellen Vielfalt, seinen mannigfaltigen Sehenswürdigkeiten. Hinzu kommt, dass die Entwicklungen in raschem Fluss sind, denn Saudi-Arabien befindet sich derzeit in einem rasanten politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Transformationsprozess.

Das unzureichende Wissen ist nicht verwunderlich, war Saudi-Arabien doch in der Vergangenheit eines der abgeschlossensten Länder der Welt. So war es für Touristen einfacher, nach Nordkorea zu gelangen, denn das dortige staatliche Reisebüro bot immerhin in begrenztem Umfang streng beaufsichtigte Gruppenreisen an. Hingegen wurden Visa für Saudi-Arabien nur für muslimische Pilger und vom Königreich benötigte Fachkräfte gewährt.

Für die lange Abschließung des Königreichs nach außen gibt es zwei Gründe: Zum einen war es seit seiner Gründung 1932 misstrauisch gegenüber dem Eindringen fremder Ideen und Wertvorstellungen. Die Ordnung des Königreichs beruht auf dem vom Prediger Abd el-Wahhab (um 1703–1792) reformierten, strikt an den Geboten des Koran und dem Leben des Propheten (1)Muhammad ausgerichteten Islam. Dieses puristische Islamverständnis unterscheidet Saudi-Arabien bereits von anderen muslimischen Staaten. So steht während der fünf täglichen Gebetszeiten das gesamte öffentliche und kommerzielle Leben still. Noch größer ist der Gegensatz zu den Wertvorstellungen Europas(1) und Nordamerikas, ihrem Liberalismus und Pluralismus.

Zum anderen sah Saudi-Arabien aufgrund seines Ölreichtums auch keine Notwendigkeit, den internationalen Tourismus zu fördern. Noch vor wenigen Jahren finanzierten die Einnahmen aus Ölexporten zu 85 Prozent das Budget der Regierung. Touristisch erschlossen wurde das Land lediglich ansatzweise für Inländer sowie für Besucher aus arabischen Nachbarstaaten.

85 Prozent der Einwohner leben heute in Städten, doch viele von ihnen erst seit vergleichsweise kurzer Zeit; sie sind noch ihrem ländlichen Ursprung und seinen Traditionen verbunden.

Das Land folgt der strengen wahhabitischen Richtung des Islam, die Christen und Juden als Ungläubige einstuft, doch seit dem Zweiten Weltkrieg unterhält es enge Beziehungen zur abendländischen Supermacht USA wie auch zu westeuropäischen(1) Staaten. Für beide Seiten ist dieser Spagat eine dauernde Herausforderung.

Lange Zeit hat das Königreich das Leben seiner Bürger auf Glaube, Familie und Arbeit ausgerichtet. Besucher staunen immer wieder, wie vergleichsweise leer die Straßen sind – das Leben spielt sich vorwiegend in geschlossenen Räumen ab. Sichtbare hohe Mauern schirmen die Häuser nach außen ab, ebenso hoch sind die unsichtbaren Mauern der Religion, Tradition, Konvention und Kultur. Vergnügungen wie Kinos, Musik und Theater waren jahrzehntelang tabu. Von Kindertagen an wird eine strikte Geschlechtertrennung praktiziert, und die Rolle der Frau ist auf die Familie ausgerichtet (»Männer müssen Gott, Frauen dem Mann gehorchen.«[1]). Der König regiert als absoluter Monarch, der Koran ist die Verfassung des Landes, und Straftaten können gemäß strikter Auslegung der Scharia mit rigiden Körperstrafen geahndet werden.

Dennoch konkurrieren saudische Traditionen heute mit westlichen Lebensentwürfen. Der Wandel setzte um 2000 ein, als Satellitenfernsehen und Internet alternative Lebensentwürfe bekannt machten und die Regierung begann, ein gewisses Maß an Pluralität zuzulassen. Immer mehr Bürger reisen oder studieren im Ausland und nehmen dort viel größere Freiheiten in Anspruch, als sie in der Heimat genießen. Gebildete Saudis sprechen heute gut Englisch, 96 Prozent der Einwohner nutzten 2021 das Internet und 79 Prozent die sozialen Medien, sie sind also bestens über das Leben in anderen Weltregionen informiert. Ambitionierte Künstler machen von sich reden, Frauen erstreiten mehr Freiräume, und Bürger versuchen, eine aktive Zivilgesellschaft aufzubauen.

Schon während der Regierungszeit König Abdullahs (2005–2015) war der Wunsch nach Veränderung spürbar. Die zunehmend selbstbewusste Mittelschicht strebte nach erweiterter ökonomischer Betätigung und mehr Mitsprache. Junge Saudis waren über mangelnde Freizeitangebote und staatliche Gängelung frustriert und mahnten Reformen an – manche von ihnen suchten auch problematische Auswege, wie den Konsum illegaler Suchtmittel oder private Autorennen auf öffentlichen Straßen. Mutige Frauen kämpften für gesellschaftliche Freiheiten und berufliche Selbstverwirklichung. Im Gegenzug warnten konservative Kräfte vor einer Erosion saudischer Werte. Der vorsichtige Modernisierer Abdullah setzte ausgewählte Reformen um, die lange undenkbar schienen. So berief er Frauen in die beratende Versammlung, ernannte 2009 erstmals eine Ministerin und gründete eine nach ihm benannte, hochmoderne Universität für Wissenschaft und Technologie, die keine Geschlechtertrennung kennt und Englisch als Unterrichtssprache verwendet.

Obwohl nach Abdullahs Tod mit Salman bin Abd (1)al-Asis(1) wiederum ein leiblicher Sohn des Staatsgründers im hohen Alter (79 Jahre) die Herrschaft antrat, nahm die Reformpolitik nun Fahrt auf. Treiber ist der zum Zeitpunkt des Thronwechsels gerade einmal 29 Jahre alte Königssohn Muhammad bin Salman(1). Heute ist er Kronprinz, stellvertretender Premierminister, stellvertretender Vorsitzender des Ministerrats, Verteidigungsminister, Vorsitzender des Rats für Wirtschaft und Entwicklung sowie des Rats für politische und sicherheitspolitische Angelegenheiten. Damit besitzt er eine ungeheure Machtfülle. »MbS« (2)gilt als Repräsentant der Mittelschicht, der Frauen und der Jugend, die große Hoffnungen in ihn setzen. Er hat erkannt, dass man Saudi-Arabien nicht dauerhaft gegen die große Mehrheit der Bevölkerung regieren kann – zwei Drittel sind jünger als 35 Jahre.

Der Kronprinz will das Image Saudi-Arabiens in der Innen- wie Außenwahrnehmung nachhaltig verändern. Aus dem abgeschlossenen, streng religiösen und auf seinen Ölreichtum konzentrierten Königreich soll ein ökonomisch diversifizierter, gesellschaftspolitisch dynamischer und international einflussreicher Staat mit moderatem Islam und freundlichem Antlitz werden.

Das Tempo der von MbS(3) vorangetriebenen gesellschaftlichen Reformen ist immens. Zehn Jahre zuvor war es noch undenkbar gewesen, dass Frauen Auto fahren, männliche und weibliche Jugendliche in städtischen Cafés zusammensitzen, Konzerte, Theater- und Filmaufführungen stattfinden, die Macht von Klerus und Religionspolizei beschnitten ist und ein internationaler Tourismus angekurbelt wird.

Für den Reformkurs sind auch ökonomische Zwänge verantwortlich. Infolge der Energiewende muss sich Saudi-Arabien auf die Zeit nach dem Öl einstellen. Wenn das Land in den 2020er-Jahren Wirtschaft und Gesellschaft nicht nachhaltig diversifiziert und modernisiert, droht eine mittelfristige Verarmung der weiterhin wachsenden Bevölkerung. Eine solche Entwicklung könnte die jahrhundertealte Herrschaft der Dynastie Saud gefährden, die bisher Garant für Stabilität und Wohlstand war.

Freilich ergeben sich neue Widersprüche: Die Reformen werden nicht von unten angestoßen, sondern von oben verordnet. Eine politische Öffnung parallel zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen ist nicht erkennbar, eine kritische Zivilgesellschaft nicht erwünscht. Gerade Kronprinz Muhammad bin Salman(4) steht für eine autoritäre Moderne, die sich eher an China(1) oder Russland(1) als an den USA oder Westeuropa(2) orientiert. Für die westlichen Demokratien bleibt der Umgang mit Saudi-Arabien somit eine Herausforderung. Auch auf dem Feld der Außen- und Sicherheitspolitik tritt Saudi-Arabien heute nicht mehr zurückhaltend auf, sondern setzt seine Interessen machtvoll durch. Dahinter verbirgt sich freilich auch Verunsicherung, denn das Land fürchtet die wachsende Stärke des Iran(1) angesichts der Verringerung der US-Präsenz am Persischen Golf(1).

Den Besucher erwartet ein gastfreundliches Land mit vielfältigen Landschaften und Kulturen, von der schwülen Küstenebene Tihama am Roten Meer(1) über die Bergländer Hedschas(1) und Asir(1) mit ihrem gemäßigten Klima, die Hochebene Nedschd(1), die Wüsten Nefud(1) und Rub al-Chali(1) bis zur erdölreichen Küste am Persischen Golf(2). Im ganzen Land bietet das Königreich beeindruckende Sehenswürdigkeiten: jahrtausendealte Felszeichnungen und Nabatäergräber, alte Siedlungen mit Häusern aus Lehm oder Korallenstein, lebendige Suks (Märkte) und luxuriöse Einkaufszentren, majestätische Festungen und spektakuläre Gebirgswanderwege, spannende Kamelrennen und Falkenjagden, hohe Dünen, schattige Palmoasen, einsame Strände, Korallenriffe und Tauchparadiese. Manche Einwohner verteidigen eine konservative Lebensweise, andere streben nach raschen Veränderungen, und wieder andere – wahrscheinlich die Mehrheit – wollen wertvolle Traditionen mit den Errungenschaften der Moderne verbinden.

Dieses Buch versucht, vertiefte Hintergrundinformationen über ein lange unzugängliches Land zu bieten und den politischen und gesellschaftlichen Wandel aufzuzeigen, der sich dort gegenwärtig vollzieht. Und es ist eine Einladung, den größten Staat auf der Arabischen Halbinsel(1) selbst zu erkunden.

Karte von Saudi-Arabien

Was man zur Geographie und zur Geopolitik wissen muss

Der Großraum

Saudi-Arabien nimmt zwei Drittel der Arabischen Halbinsel(2) ein, der Rest entfällt auf die Staaten Bahrain(1), Jemen(1), Katar(1), Kuwait(1), Oman(1) und die Vereinigten Arabischen Emirate(1) (VAE). Auf der mit 3,24 Millionen Quadratkilometern größten Halbinsel der Erde lebten 2021 rund 87 Millionen Menschen. Geographisch wird sie zu Südwestasien(1) gezählt, geologisch gehört sie zur afrikanischen(1) Kontinentalmasse, denn vor etwa 30 Millionen Jahren begann sich der Arabisch-Nubische Schild zu teilen, und der Grabenbruch des Roten Meers(2) entstand.[1]

Im Westen, Süden und Osten ist die Arabische Halbinsel(3) von Golfen, Randmeeren oder Meerengen des Indischen Ozean(1)s umgeben: dem Golf von Akaba(1), dem Roten Meer(3), der Meerenge Bab el-Mandab, dem Golf von Aden(1), dem Arabischen Meer(1), dem Golf von Oman(1), der Meerenge Straße von Hormus(1) und dem Persischen Golf(3) (das ist die historisch gebräuchliche geographische Bezeichnung, in Saudi-Arabien verwendet man freilich die in den 1960er-Jahren aufgekommene Alternative »Arabischer Golf«.

Nach Norden ist die geographische Grenze nicht klar markiert. Die Arabische Halbinsel(4) endet in der Syrischen(1) Wüste (badia), die freilich über weite Teile keine Wüste, sondern eine Trockensteppe ist. Sie erstreckt sich bis zum fruchtbaren Zweistromland von Euphrat(1) und Tigris(1) (Syrien, Irak(1)), dem vulkanischen Hügelgebiet des syrischen Hauran und den regenreichen Gebirgen im Hinterland des Mittelmeers (ostjordanisches(1) Bergland, Golanhöhen, Antilibanon(1)- und Alawiten-Gebirge). In politischer Hinsicht ist die Definition einfacher: Die Nordgrenzen von Kuwait(2) und Saudi-Arabien gelten als Abschluss der Arabischen Halbinsel.

Bis zu 400 000 Jahre zurück datierte Werkzeuge von aus Afrika(2) zugewanderten Hominiden wurden in ehemaligen Seen im Norden Saudi-Arabiens an den Fundstellen Khall Amaischan 4 (KAM-4) und Dschubba gefunden. Vor 120 000 Jahren waren die Randgebirge der Arabischen Halbinsel(5) bewaldet, im Innern gab es Grassteppen, Flüsse und Seen. In einem prähistorischen Süßwassersee in der heutigen Nefud(2)-Wüste wurden Fußabdrücke von Menschen, Kamelen, Pferden und sogar Flusspferden und Elefanten gefunden.

Im Laufe der nächsten Jahrtausende gab es Perioden mit höherer Feuchtigkeit wie auch harsche Trockenzeiten. So war die Arabische Halbinsel(6) im »dunklen Jahrtausend«, einer anhaltenden Dürreperiode, die vor ca. 5900 Jahren begann und vor ca. 5300 Jahren endete, weitgehend unbewohnbar.

Als die Niederschläge zunehmend weniger wurden und sich Wüsten und Halbwüsten ausbreiteten, wanderten die sesshaften Bewohner des Inlandes an die regenbegünstigten bzw. grundwasserreichen Küstenstreifen bzw. in die Oasen mit Wasserquellen. Die Nomaden zogen weiterhin durch die Wüste und betrieben extensive Viehhaltung.

Die Arabische Halbinsel(7) gliedert sich in fünf Landschaften:

das rund 1000 Meter hohe zentrale Plateau (Nedschd(2)) in Saudi-Arabien mit extensiven Weideflächen und dem rund 1300 Meter langen Tuwaik-Rücken;

Wüsten wie die teils sandige, teils steinige Nefud(3) (Saudi-Arabien) und die steinige Dibdiba (Saudi-Arabien, Kuwait(3)) im Norden, die schmale sandige bzw. grasbesetzte ad-Dahna(1) in der Mitte (Saudi-Arabien) und die sandige Rub al-Chali(2) im Süden (Saudi-Arabien, Jemen(2), Oman(2), VAE);

küstennahe, im Jemen bis zu 3665 Meter hohe, schroffe Berge wie das Midian(1)-, Hedschas(2)- und Asir-Gebirge(2) (Saudi-Arabien) und das Haras-Gebirge(1) (Jemen(3)) im Westen, das Hadramaut(1)-Gebirge (Jemen) und das Dhofar(1)-Gebirge (Oman(3)) im Süden bzw. Südosten sowie das Hadschar-Gebirge(1) (VAE, Oman) im Osten;

das 20 bis 40 Kilometer breite, sumpfige Küstenland (Tihama) mit Korallenriffen am Roten Meer(4) (Saudi-Arabien, Jemen(4));

küstennahe Oasen im Osten, wie z. B. al-Buraimi (geteilt zwischen VAE und Oman(4)), al-Hasa(1)(2) und al-Katif(1) (Saudi-Arabien), sowie das sandige bzw. sumpfige Küstenland am Persischen Golf(4) und die dahinterliegende Kalksteinsteppe Summan.

Vorgelagert sind Inseln. Die wichtigsten sind Sanafir(1) und Tiran(1) im Roten Meer(5) am Eingang des Golfs von Akaba(1) (Saudi-Arabien), Perim(1) in der Meeresstraße Bab el-Mandab (Jemen(5)), Sokotra(1) im Indischen Ozean (3625 Quadratkilometer groß; Jemen), Masirah(1) und die Kuria-Muria-Inseln im Arabischen Meer (Oman(5)), Bahrain(2), al-Muharraq(1) und Sitra(1) (Bahrain), Abu-Musa und die Tunb(1)-Inseln (beide seit 1971 iranisch(2) verwaltet, aber von den VAE beansprucht), Abu Dhabi(1), Delm(1), Saadijat(1), Sir Abu Nuaira(1) und Jas (VAE) sowie Bubijan(1) und Failaka(1) (Kuwait(4)) im Persischen Golf(5). Bahrain ist ein aus 33 Inseln bestehender Staat.

Drei Wüstentypen kommen vor: die Fels- und Steinwüste (hamada), die Schotter- und Kieswüste (serir) und die Sandwüste (erg). Dort befinden sich salzhaltige Rohböden ohne Humus, die kein Wasser halten und kaum Vegetation hervorbringen können. Nur in windgeschützten Mulden und Senken gedeihen Wüstenpflanzen. Sand, Kies und Steine werden vom Wind sowie in der Regenzeit von Flussläufen weitertransportiert. Durch zu intensive Nutzung von Boden, Vegetation und Wasser können sich Wüsten ausbreiten. Darunter leiden insbesondere der Oman(6) und die VAE.

Die ca. 700 000 Quadratkilometer große Rub al-Chali(3) (»das leere Viertel«) ist die größte Sandwüste der Erde, mehr als zwei Drittel ihrer Fläche sind von bis zu 300 Meter hohen Sanddünen bedeckt. Die Temperaturen können hier innerhalb eines Tages zwischen dem Gefrierpunkt und 60 Grad Celsius schwanken.

In der Nähe der Küste gedeihen mitunter Laubwald und Zederngehölze. In den Bergen findet man Büsche und Tamarisken. Überwiegend stößt der Besucher auf Dornsträucher, Kakteen und Steppengräser, die auf den salzhaltigen Böden wachsen.

Früher war die Fauna viel reichhaltiger; heute muss man sich mit Springmäusen, Wüstenfüchsen und Wüstenhasen begnügen. In den Bergen jagen Geier, Falken, Adler und Bussarde. Ein arabisches Wahrzeichen ist die stattliche Oryx-Antilope mit ihren langen, gebogenen Hörnern. Das Hadramaut(2)-Gebirge im Südjemen(1) ist für seine Steinböcke und Wildkatzen berühmt. In der Rub al-Chali(4) kommen Strauße vor, im Südwesten der Halbinsel arabische Trappen.

Die Arabische Halbinsel(8) ist Bestandteil der tropisch/subtropischen Trockengebiete, die etwa 21 Prozent der Erdoberfläche einnehmen. Niederschlag kann zu unterschiedlichen Jahreszeiten fallen, er reicht aber lediglich für spärliche Vegetation.

Heute ist das Klima subtropisch, trocken und heiß. Hierfür sind die Nordostpassatwinde verantwortlich. Hinzu kommt der Regenschatteneffekt der höheren Gebirge: Die Feuchtigkeit wird nur auf der Küstenseite abgeregnet. In den Sommermonaten von Juli bis September schwanken die Temperaturen zwischen 45 bis 55 Grad Celsius am Tag und sinken in der Nacht auf ca. 30 Grad ab. In höheren Lagen können diese Schwankungen sogar bis zu 40 Grad betragen.

In den Bergen ist das Klima gemäßigter: So erreicht die auf 1680 Metern Höhe gelegene saudische Stadt Ta’if im Hedschas(3)-Gebirge maximale Sommertemperaturen von 25 Grad. Sie ist dann ein beliebter Rückzugsort für die Bewohner von Dschidda(1) und Mekka(1). An der Küste können dichter Nebel und Nieselregen auftreten.

In den für europäische(2) Besucher angenehmen Wintermonaten herrschen Temperaturen zwischen 22 und 30 Grad, nachts kann es bis auf 5 Grad abkühlen. Auf den Gipfeln des omanischen(7) Hadschar-Gebirges(2) mag zum Jahreswechsel sogar Schnee fallen.

In den meisten Gebieten der Arabischen Halbinsel(9) fallen jährliche Niederschläge von weniger als 250 Millimeter, im Norden und Südosten sogar von weniger als 100. Dies ermöglicht nur Weidewirtschaft. Heute gibt es allerdings kaum noch Nomaden und Halbnomaden. Politische Grenzen durchschneiden ihre Weideräume, und die Regierungen haben sie mit Landzuteilung und Dienstleistungen dazu gebracht, sesshaft zu werden.

Die Arabische Halbinsel(10) beherbergt kaum Seen oder permanente Flüsse. Die meisten Gebiete werden von kurzlebigen Wasserläufen, den sogenannten wadis, entwässert, die nur während der Regenzeit in den Sommermonaten Wasser führen. Urplötzlich können sie zu breiten Strömen werden, Menschen töten und ganze Dörfer mit sich fortreißen.

Unter einem Großteil der Halbinsel existieren fossile Grundwasservorkommen. Wo dieses Wasser an die Erdoberfläche tritt, haben sich natürliche Oasen gebildet. Viele Städte, wie z. B. die saudische Hauptstadt Riad(1), gehen auf Oasensiedlungen zurück.

Artesische Brunnen, Quellen und niedriges, durch den Wasserkreislauf entstandenes Grundwasser, ermöglichen Oasenlandwirtschaft. Traditionell wird das Grundwasser mittels hand- bzw. tierbetriebener Brunnen an die Oberfläche gebracht, auch Flaschenzüge wurden schon früh eingesetzt. Heute sind Brunnen mit Motorantrieb üblich.

Das Wasser wird über bis zu 25 Kilometer lange Kanäle (afladsch) unter Ausnutzung des Gefälles von den Quellen zu den Dörfern und Städten geleitet und dort verteilt. Die aini-afladsch werden direkt von Quellen gespeist, die ghaili-afladsch beziehen ihr Wasser aus einem zeitweise wasserführenden Flussbett (wadi), und die iddi-afladsch gründen im Grundwasser von Brunnen oder in der unteren Schicht eines Gebirges und leiten es bis zu 20 Meter tief unterirdisch in Tunneln mit minimalem Gefälle. Heute sind noch etwa 3000 bis 4500 solcher Bewässerungssysteme mit einer Gesamtlänge von weit über 1000 Kilometern in Gebrauch.

Die Wirtschaft

Weniger als zwei Prozent der Fläche der Arabischen Halbinsel(11) sind für Acker- und Gemüsebau nutzbar. Erschlossen sind vor allem die niederschlagsreichen Hänge im Südwesten (Asir(3), Jemen(6)), Küstengebiete mit Grundwasservorkommen im Süden und Osten sowie wasserreiche Oasen im Innern der Halbinsel.

Die Nomaden betrieben extensive Viehzucht, je nach Jahreszeit nutzten sie unterschiedliche Weiden für ihre Kamele, Ziegen, Schafe und Esel. Für die Beduinen war das dhalul (einhöckrige Kamel) der treueste Begleiter, es war Transportmittel, lieferte Fleisch, Milch, Leder und Fell, der Kot diente als Heizmaterial. Auch bei großer Hitze kann es 30 bis 50 Kilometer pro Tag zurücklegen und bis zu 180 Liter Wasser aufnehmen. Heute ist die Kamelzucht in der Regel Liebhaberei. Ein besonders edles dhalul für Rennen oder Wettbewerbe kann Hunderttausende US-Dollar kosten.

Eine Form intensiver Viehwirtschaft ist die al-Safi-Milchfarm in der Rub-al-Chali-Wüste, rund 100 Kilometer von der saudischen Hauptstadt Riad(2) entfernt. Der größte Milchviehbetrieb der Welt erfordert massiven Wasser- und Stromeinsatz. An die 50 000 Milchkühe zuzüglich Jungtieren werden hier in klimatisierten Ställen gehalten. Die jährliche Milchproduktion liegt bei über 170 Millionen Litern. Auch die Weiterverarbeitung der Milch erfolgt im Unternehmen. Das Wasser, das vor allem für die automatische Sprinkleranlage benötigt wird, wird über 2000 Meter tiefe Grundwasserbrunnen zugeführt und recycelt. Gras, Luzerne und Heu werden vor Ort mit künstlicher Bewässerung angebaut.

Die Oasenlandwirtschaft nutzt in der Regel den Stockwerkbau: Auf der unteren Ebene werden Weizen, Gerste, Hirse, Reis, Gemüse und Futterpflanzen angebaut, in der Mitte niedrige Feigen- und Granatäpfel, und das obere Stockwerk bilden die salzverträglichen Dattelpalmen, deren Wurzeln bis ins niedrige Grundwasser reichen. Auch Öl- und Aprikosenbäume werden kultiviert. Mehrere Ernten pro Jahr sind möglich. Die Oasenwirtschaft bildet ein in sich geschlossenes Wirtschafts- und Sozialsystem.

Ein bekanntes Beispiel ist die 100 Kilometer von der Küste des Persischen Golfs(6) entfernte saudische Oase al-Hasa(3)(4) mit mehr als 2,5 Millionen Palmen. Ursprünglich trat das Wasser aus etwa 30 artesischen Brunnen selbsttätig an die Erdoberfläche. Der Grundwasserspiegel ist jedoch in den letzten Jahrzehnten aufgrund intensiver Wassernutzung stark gesunken. Heute wird das kostbare Nass aus immer tieferen Brunnen nach oben gepumpt. In den 1960er- und 1970er-Jahren begann man, moderne Kanäle mit einer Länge von etwa 1500 Kilometern zu bauen. Heute wird auch Mikro- bzw. Tropfbewässerung eingesetzt. Drainage mittels Entwässerungsgräben ist essenziell, ansonsten versalzen die Böden.

Die Arabische Halbinsel(12) produziert mehr Datteln als jede andere Region. Sie sind nicht nur eine Delikatesse, sondern auch ein Grundnahrungsmittel. In Saudi-Arabien werden sage und schreibe 31 Millionen Dattelbäume kultiviert. Das Land produziert jährlich rund 1,5 Millionen Tonnen Datteln und führte 2019 als weltweit zweitgrößter Exporteur nach Tunesien(1) 184 000 Tonnen aus. Die Früchte sind das einzige nennenswerte landwirtschaftliche Ausfuhrprodukt des Königreichs.

Ab den 1980er-Jahren suchte man braune Wüste in grünes Agrarland zu verwandeln. Fossiles Grundwasser wurde aus Hunderten Metern Tiefe hochgepumpt. Wer mit dem Flugzeug unterwegs war, sah Tausende grüner Kreise in der Steppe: riesige künstlich bewässerte Weizenfelder. Ende der 1980er-Jahre stieg Saudi-Arabien sogar zum zehntgrößten Weizenexporteur weltweit auf.

Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts entfielen 88 Prozent des Wasserverbrauchs auf die Landwirtschaft, bei der selbst bei moderner Sprühbewässerung Verluste von bis zu 50 Prozent in Kauf genommen werden müssen. In Spitzenzeiten pumpte Saudi-Arabien 8,7 Milliarden Kubikmeter Wasser (2005) jährlich aus dem Boden. Auf diese Weise leerte das Land in nur einer Generation den Aquifer, der Zehntausende Jahre gebraucht hatte, um sich zu füllen. Der Grundwasserspiegel sank massiv, und viele Brunnen versiegten. Es drohte ein Kollaps der Wasserversorgung. Nun setzte ein Umdenken ein. 2009 wurden alle Subventionen für den Getreideanbau gestrichen, und seit 2016 deckt Saudi-Arabien seinen gesamten Weizenbedarf mit Importen. Trotz dieser Maßnahmen überstieg in diesem Jahr das in Saudi-Arabien entnommene Frischwasser die sich erneuernden Wasserresourcen noch um 943 Prozent. Übertroffen wurde das Land darin nur noch von Kuwait(5) und den VAE.

Die traditionsreiche Küstenfischerei wird heute mit motorisierten Fangflotten betrieben. Früher waren Perlentaucherei und Perlenhandel am Persischen Golf(7) ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, Beduinen zogen dorthin, um einige Monate lang Geld zu verdienen. In den 1930er-Jahren beendete der von Japan(1) ausgehende Siegeszug der Zuchtperlen diese Wirtschaftsform abrupt.

Der Handel ist ein traditioneller Wirtschaftszweig in Küstenstädten wie Dschidda(2) und al-Katif(2). Aus Indien(1) übernahmen die Golfaraber die dhau mit ihren großen trapezförmigen Segeln. Einträglicher Seehandel wurde schon früh mit Mesopotamien(1), Indien und Ostafrika(1) betrieben.

Handelsmetropole Nr.  1 ist heute Dubai(1) in den VAE, mit 3,3 Millionen Einwohnern Hauptstadt des gleichnamigen Emirats. Ihr Hafen Dschebel Ali ist der neuntgrößte Containerhafen der Welt. 2018 wurden hier 15 Millionen 20-Fuß-Container umgeschlagen. 2016 besuchten 15 Millionen internationale Touristen die pulsierende Metropole, die auch beliebtes Ziel von Kreuzfahrtschiffen ist. Weitere bedeutende Häfen sind Abu Dhabi(2) (VAE), Manama(1) (Bahrain(3)), Kuwait(6)-Schuwaikh (Kuwait), Maskat(1) und Salalah(1) (Oman(8)), Mukallah, Aden(1) und Hodeida(1) (Jemen(7)) sowie Ras al-Chair, Dammam(1), Dschidda(3) und Dschanbu(1) (Saudi-Arabien).

Von den Küstenregionen verlaufen Handelswege durch die Arabische Halbinsel(13). Im 10. Jahrhundert v. Chr. entstand die »Weihrauchstraße« von Dhofar(2) (heute Oman(9)) über Sanaa(1) (Jemen(8)), Mekka(2) und Medina(1) (Saudi-Arabien), Petra(1) (Jordanien(1)) nach Gasa(1) (Palästina(1)) und Ägypten(1) bzw. nach Damaskus(1) (Syrien(2)). Gehandelt wurden Produkte wie Weihrauch und Myrrhe aus dem Oman sowie Importprodukte wie Textilien, Gewürze und Edelsteine aus Indien(2). In Ost-West-Richtung verlief ein bedeutender Handelsweg zwischen Manama(2) bzw. al-Katif(3) und Dschidda(4). Eine wichtige Einnahmequelle der Beduinen waren Führung und Schutz von Karawanen. In den Städten im Inneren der Halbinsel tauschten sie Kamele, Ziegen, Schafe, Fleisch, Milch, Fett, Wolle und Felle gegen Getreide, Obst, Datteln, Salz, Kleider und Waffen.

Auch heute sind diese alten Handelswege noch von Bedeutung, aber statt Kamelen fahren Lastkraftwagen auf Teerstraßen. 1961 bzw. 1965 wurde in Saudi-Arabien der heute dreispurige Highway 40 zwischen Dammam(2), Riad(3), Mekka(3) und Dschidda(5) fertiggestellt. Mit dem Arab Mashreq International Road Network wurde 2003 ein internationales Straßennetzwerk im Nahen(1) und Mittleren(1) Osten etabliert. Saudi-Arabien verfügt heute über ein gut ausgebautes Straßennetz von über 220 000 Kilometern, wovon an die 50 000 befestigt sind. Unfälle sind leider häufig, die Zahl der Verkehrstoten ist etwa sechs Mal so hoch wie in Deutschland(2).

Die im Osmanischen Reich von 1902 bis 1908 für den Pilgerverkehr angelegte Hedschasbahn in 1050 Millimeter Schmalspur führte von Damaskus(2) über Amman(1) nach Medina(2). Mekka(4) hatte sie 1914 noch nicht erreicht. Die Bahn wurde im Ersten Weltkrieg zerstört. Teilstücke werden noch in Syrien(3) und Jordanien(2) betrieben. In Medina und Mada’in Saleh(1) erwarten den Besucher sehenswerte Museen der Hedschasbahn.

1951 wurde die für lange Zeit einzige Eisenbahnstrecke auf der Arabischen Halbinsel(14) von Dammam(3) nach Riad(4) in Normalspur (1435 Millimeter) eröffnet. 2020 betrieb man ein Netz von 1380 Kilometern im Zentrum, Norden und Osten, das die Saudi Railways Organization (SRO) derzeit erweitert: Die Ost-West-Achse von Dammam nach Riad wird nach Dschidda(6) verlängert (»Saudi Land Bridge«) sowie eine nördliche Linie von Riad über Buraida(1) und Ha’il nach Jordanien(3) (mit Abzweigungen al-Sabirah – Dschubail(1) an den Persischen Golf(8) sowie zum Phosphatabbaugebiet von Hasm al-Dschalamid) gebaut werden. Der zugehörige Abschnitt Riad – al-Kasim wurde im Februar 2017 eröffnet. Seit 2018 wird die elektrische Hochgeschwindigkeitslinie »Haramain Express« Mekka(5) – Dschidda – Medina(3) (449,2 Kilometer) betrieben. Bei der mit dem saudischen Netz verknüpften Küstenbahn am Persischen Golf von Kuwait(7) bis in die VAE handelt es sich um ein Projekt des Golfkooperationsrats (GKR).

Wichtigste Handelshäfen sind Dschidda(7), Dschanbu(2), Diba und Dschisan am Roten Meer(6) sowie Dammam(4) und al-Dschubail(2) am Persischen Golf(9).

Seit den 1930er-Jahren ergänzen Flugzeuge die Kamele, Automobile und Lastkraftwagen. Internationale Drehkreuze sind Dubai(2) (viertgrößter Flughafen weltweit mit rund 86 Millionen Passagieren 2019) und Abu Dhabi(3) (VAE), Riad(5), Dammam(5) und Dschidda(8) (Saudi-Arabien), Kuwait-Stadt(8) (Kuwait), Manama(3) (Bahrain(4)), Doha(1) (Katar(2)) und Maskat(2) (Oman(10)). Die staatliche Fluglinie Saudia (Saudi Arabian Airlines) wurde 1945 mit einer zweimotorigen DC-3 (Dakota) gegründet, die US-Präsident Franklin D. Roosevelt(1) König Abd al-Asis(2) geschenkt hatte. 2021 war sie hinter Emirates (259 Flugzeuge) und Qatar Airways (231) die drittgrößte Gesellschaft im Mittleren(2) Osten: Sie verfügte über 144 Großraumflugzeuge und flog rund 120 Ziele an. Die Hälfte des Passagieraufkommens entfällt auf Mekka(6)-Pilger.

Bekannt ist die Arabische Halbinsel(15) für ihre immensen Erdölvorkommen. Vor 65 bis 200 Millionen Jahren wurde der Faulschlamm aus abgestorbenen Tieren und Pflanzen in Kohlenwasserstoff verwandelt.

Andere Weltregionen gingen bei der Energieproduktion voran. In den USA setzte die Erdölgewinnung in den 1860er-Jahren, im Russischen(2) Reich (Kaspisches Meer) in den 1870er-Jahren ein. Dort gab es um die Jahrhundertwende die allseits bewunderten »Ölbarone« – von »Ölscheichs« sprach noch niemand.

1909 startete die Ölförderung in Südpersien, 1909 in Ägypten(2) und 1928 im Irak(2). Erst danach wurden die Ressourcen auf der Arabischen Halbinsel(16) erschlossen. Den Anfang machte Bahrain(5), das ab 1934 Öl exportierte. In Saudi-Arabien wurde nach jahrelanger Suche endlich am 3. März 1938 die erste Ölquelle entdeckt, und am 1. Mai 1939 verließ der erste Öltanker den neue Verladeterminal Ras Tanura im Persischen Golf(10). Kuwait(9) begann 1946, Öl zu exportieren, Katar(3) 1949, Abu Dhabi(4) 1963, der Oman(11) 1967, Dubai(3) 1969, als letzter Staat der Jemen(9) 1988.

Von Bedeutung sind heute die 1982 in Betrieb genommene Ost-West-»Petroline« von Abkaik(1) im Osten nach Dschanbu(3) im Westen Saudi-Arabiens sowie die 2012 eröffnete VAE-Pipeline von Habschan(1) (Abu Dhabi(5)) durch Wüstengebiet und das Hadschar-Gebirge(3) nach Fudschaira(1) am Golf von Oman(2). Beide Ölleitungen umgehen die Meerenge Straße von Hormus(2).

Gemäß dem British Petroleum Statistical Review of World Energy 2021 verfügt der Mittlere(3) Osten über 48,3 Prozent der weltweit nachgewiesenen Erdölreserven. Nach Venezuela (17,5 Prozent) steht Saudi-Arabien (17,2 Prozent) an zweiter Stelle. Erdöl ist nicht nur ein Energieträger, sondern wird auch in der Pharma- und Kunststoffindustrie als Rohstoff verwendet.[2]

Erdgas findet sich häufig oberhalb von Erdölvorkommen. Laut dem British Petroleum Statistical Review of World Energy 2021 befinden sich im Mittleren(4) Osten 40,3 Prozent der nachgewiesenen Reserven weltweit. Nach Russland(3) (19,9 Prozent) stehen Iran(3) (17,1) und Katar(4) (13,1) auf dem 2. und 3. Platz.[3]

Früher wurde das Erdgas in der Nähe von Erdölvorkommen häufig ungenutzt abgefackelt, heute wird es als Energieträger genutzt. Nur noch kleine Fackeln sind in der Nähe der Ölförderanlagen zu sehen, wo nicht nutzbare Bestandteile abgefackelt werden. Aramco errichtete ab 1975 in Saudi-Arabien ein Gassammel- und Gasverarbeitungssystem. Zunächst erschloss man das mit dem Öl assoziierte Gas, später auch ölunabhängige Gasfelder. Erdgas ist in Saudi-Arabien bisher ausschließlich ein Energieträger für den heimischen Energieverbrauch und ersetzt dort Öl. Derzeit wird noch ein Viertel der Ölproduktion für den heimischen Bedarf eingesetzt. Parallel zur Ölpipeline nahm Saudi-Arabien 1982 die 1193 Kilometer lange Erdgasleitung von Schedgum am Persischen Golf(11) nach Dschanbu(4) am Roten Meer(7) in Betrieb.

Saudi-Arabien verfügt über einen Weltanteil von 3,2 Prozent bei den nachgewiesenen Erdgasreserven, die aber schwer zu fördern sind. Kronprinz Muhammad bin Salman(5) setzt auf die Erschließung des Dschafurah-Gasfelds (200 Billionen Kubikfuß), wo ab 2024 Schiefergas durch Fracking gewonnen werden soll. Es ist das größte Schiefergasprojekt außerhalb der USA. Obwohl die bisherigen Annahmen nicht dafür sprechen, hofft der Kronprinz, dass Saudi-Arabien mittelfristig zu einem Gasexporteur werden könnte.

Lange Zeit konnte das Erdgas nur in verdichteter Form über Pipelines transportiert werden. Dank Verflüssigung in Terminals, Transport über spezielle Tankschiffe und Regasifizierung am Bestimmungsort kann Erdgas heute weltweit gehandelt werden. Durch Abkühlung auf −161 bis −164 Grad Celsius wird Erdgas in Terminals verflüssigt. Liquified Natural Gas (LNG) weist nur etwa ein Sechshundertstel des Volumens von gasförmigem Erdgas auf. Grundsätzlich geht man davon aus, dass sich ab einer Kundenentfernung von 2500 Kilometer Erdgasverflüssigung rentiert. Saudi-Arabien will gegebenenfalls am Roten Meer einen LNG-Terminal anlegen, der dem Import dient. Das erdgasreiche Katar(5) nahm 1996 seinen ersten LNG-Terminal Ras Laffan in Betrieb und ist seit 2006 der weltweit größte LNG-Exporteur.

Pragmatische Herrscher wie König Abd al-Asis(3) ibn Abd ar-Rahman ibn Faisal Al Saud ‒ bei uns besser bekannt unter der nicht korrekten Kurzbezeichnung »Ibn Saud« ‒ erkannten, dass Erdölexport es ermöglicht, die Lebensqualität der wachsenden Bevölkerung zu verbessern. Es bildete sich eine Rentenökonomie heraus. Erträge aus Erdölexporten und Lizenzen wurden vor allem für Konsumgüter, Nahrungsmittel und Waffen abgeschöpft.

In den 1970er-Jahren begann in Saudi-Arabien der Bau von petrochemischen Industrien, Raffinerien, Werften, Aluminiumschmelzen, Textil- und Nahrungsmittelfabriken sowie touristischen Einrichtungen. Ein Dienstleistungs- und Finanzsektor wurde aufgebaut. Die angestrebte Diversifizierung der Wirtschaft blieb jedoch in Ansätzen stecken: In den VAE hatten Erdölexporte 2011 einen Anteil an den Gesamtwarenexporten von 64,6 Prozent, in Katar(6) waren es 72,8, im Oman(12) 81,2 und in Saudi-Arabien gar 87,5.[4]

Bis heute haben staatliche Unternehmen auf der Arabischen Halbinsel(17) einen Anteil von 50 Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Fast 70 Prozent der angestellten saudischen Einwohner arbeiten im Staatsdienst. Mit sicheren Arbeitsplätzen, guten Gehältern, kostenfreien Dienstleistungen und Subventionen auf Bedarfsgüter wird politische Loyalität erkauft. Steuern waren bis vor Kurzem unbekannt. Die Energie exportierenden Staaten rekrutieren in hoher Zahl ausländische Arbeitskräfte, deren Anteil von rund 30 Prozent (Saudi-Arabien) bis zu 86 Prozent (Katar(7)) reicht.

Auf Betreiben von Muhammad bin Salman(6) verkündete Saudi-Arabien 2016 die von McKinsey ausgearbeitete Entwicklungsstrategie »Saudi Vision 2030« für die Zeit nach dem Öl. Sie setzt auf Erneuerbare Energien, Kernkraft, Privatisierung von Staatsunternehmen und den Ausbau von Industrie und Dienstleistungen.

Die Energiewende ist weltweit eingeläutet, doch werden noch auf absehbare Zeit fossile Energieträger benötigt werden. Der British Petroleum Energy Outlook 2020 geht davon aus, dass die Weltbevölkerung zwischen 2020 und 2050 um 2 Milliarden auf 9,6 Milliarden zunehmen wird, das globale Bruttoinlandsprodukt (Kaufkraftparität) weiterhin kontinuierlich um ca. 2,6 Prozent pro Jahr und der primäre Energiebedarf trotz Einsparungen im Net-Zero-Szenario und im Rapid-Transition-Szenario um 10 Prozent, im Business-as-Usual-Szenario um 25 Prozent. Der Anteil fossiler Brennstoffe am Weltenergiebedarf wird sich gegenüber 84,4 Prozent 2018 bis 2050 stark verringern. Im Net-Zero-Szenario wird er auf 21,6 Prozent, im Rapid-Transition-Szenario auf 39,5 Prozent, im Business-as-Usual-Szenario auf 66,5 Prozent fallen. Innerhalb der fossilen Brennstoffe wird sich der Energiemix ändern. Kohle wird in allen drei Szenarien abnehmen, besonders stark in den ersten beiden. In allen drei Szenarien wird Öl von Erdgas überholt werden. Verantwortlich für diese Entwicklung sind Umweltaspekte (Erdgas ist umweltfreundlicher als Öl), die Erschließung großer Schiefergasreserven insbesondere in den USA und die stark gesunkenen Kosten für den Schiffstransport von Flüssiggas (LNG).[5]

Erneuerbare Energien haben auf der Arabischen Halbinsel(18) großes Potenzial (siehe S. 345f.). Wind- und Sonnenenergie sowie Wasserstoff können für die heimische Versorgung eingesetzt werden, der mit kostengünstigem Solarstrom aus entsalztem Meerwasser produzierte Wasserstoff auch für den Export.

Die politische Gliederung

Der bei Weitem größte Staat der Arabischen Halbinsel(19) ist Saudi-Arabien mit einer Fläche von 2,15 Millionen Quadratkilometern und einer Einwohnerzahl von 35,8 Millionen Menschen (2022). Politisch, ökonomisch und militärisch dominiert das Königreich die Halbinsel, so auch die in Riad(6) sitzende Regionalorganisation GKR, dem alle Monarchien (aber nicht die Republik Jemen(10)) angehören.

Da andere Sprachen ausgestorben sind, ist Arabisch in allen Staaten Amtssprache. Als zweite Sprache ist Englisch verbreitet, weil die Staaten entweder Protektorate oder Kolonien Großbritanniens(1) waren oder sich, im Fall Saudi-Arabiens, politisch und wirtschaftlich an Großbritannien und die USA angelehnt haben. Der arabische Sprach- und Kulturraum ist freilich viel größer als die Arabische Halbinsel(20) und erstreckt sich bis nach Marokko(1) und Mauretanien(1).

Der islamische Glaube und die islamische Kultur prägen die Arabische Halbinsel(21). In allen Staaten ist der Islam die offizielle Religion. Die Wurzeln dieser Weltreligion liegen im saudischen Mekka(7) und Medina(4). Größtenteils folgen die Menschen auf der Arabischen Halbinsel der sunnitischen Richtung, in Saudi-Arabien und Katar(8) ist die puristische wahhabitische Auslegung Staatsreligion. In Bahrain(6) bekennt sich die Mehrheit der Bevölkerung zur schiitischen Richtung, in Kuwait(10) und in Saudi-Arabien leben starke schiitische Minderheiten. Im Oman(13) folgt die Mehrheit einer dritten islamischen Richtung: dem besonders frommen, aber zugleich toleranten Ibaditentum. Autochthone christliche und jüdische Gemeinden sind mit Ausnahme einer kleinen christlichen Gemeinschaft in Bahrain nicht mehr existent.[6]

Bevölkerung

Die rund 87 Millionen Einwohner der Arabischen Halbinsel(22) konzentrieren sich in den Küstengebieten und den rasch wachsenden Millionenstädten, was den naturgeographischen bzw. klimatischen Verhältnissen geschuldet ist.

Die gemeinsame Sprache, die tradierten Werte und Gebräuche der Stammesgesellschaft, islamische Rituale und Vorschriften sowie mündlich weitergegebene Geschichten und Gedichte erzeugen kulturelle Homogenität. Im Wettbewerb dazu steht seit Mitte des 20. Jahrhunderts der Einfluss der westlichen Kultur.

Genetische Studien ergaben, dass die Menschen in Dubai(4) und dem Oman(14) mit Menschen im Nahen(2) Osten, im Iran(4) und in Indien(3) verwandt sind. Dies spricht für eine seit Jahrtausenden intensive Migration entlang des Persischen Golfs(12) und des Golfs von Aden(2) und über den Indischen Ozean(2) hinweg. Hingegen ist das Erbgut der Menschen in Saudi-Arabien und im Jemen(11) vergleichsweise homogen, was für eine lang dauernde Isolation insbesondere der Nomadenstämme im Inneren der Halbinsel spricht.

Die Bevölkerung wächst schnell. Ursachen sind die Kindern zugetane Stammeskultur, der geburtenfreundliche Islam, eine unzureichende Familienplanung sowie die großzügigen Sozialleistungen des Staats.[7]

Das hohe Bevölkerungswachstum ist ein potenzielles Entwicklungshemmnis. Bereits die Ernährung der Einwohner und ihre Versorgung mit Wasser ist in dem Trockenraum eine Herausforderung. In Saudi-Arabien hat sich die Bevölkerung zwischen 1984 und 2002 mehr als verdoppelt, doch hielt das Wachstum der Wirtschaft damit nicht stand. Infolge niedriger Ölpreise sank das Pro-Kopf-Einkommen in diesem Zeitraum um mehr als die Hälfte.

Der Öl- und Gasboom hat ein starkes städtisches Wachstum ausgelöst. Die größten Städte sind Riad(7) (Saudi-Arabien) mit 7,7 Millionen Einwohnern, Dschidda(9) (Saudi-Arabien) mit 4,6, Kuwait-Stadt(11) (Kuwait) mit 4,1, Sanaa(2) (Jemen(12)) mit 3,9 und Dubai(5) (VAE) mit 3,3. Der Entwicklungssprung verlief rasant; so hatte Dubai um 1960 gerade einmal 34 000 Einwohner, und traditionelle Lehmhäuser bestimmten das Bild. Heute dominieren Wolkenkratzer aus Beton und Glas die Skyline, gipfelnd im von 2004 bis 2010 erbauten »Burdsch Chalifa« mit einer Höhe von 828 Metern. Energieaufwendige Klimaanlagen haben die traditionellen Windtürme ersetzt, bei denen vertikal geführte Lüftungskanäle einen auf Wärmeströmung beruhenden Kamineffekt nutzten.

Herausforderung Wasser- und Nahrungsmittelsicherheit

Bevölkerungszunahme, Verstädterung und die negativen Folgen der Klimaerwärmung werden die Konkurrenz um Wasser und Nahrung noch verschärfen. Diese Güter befriedigen nicht nur Grundbedürfnisse, sondern bilden auch die Voraussetzung für menschliche Entwicklung. So sind Fortschritte bei Gesundheit und Bildung von Wasser- und Ernährungssicherheit abhängig. Wenn es nicht gelingt, den Zugang zu diesen Naturressourcen zu gewährleisten, kann die soziale und politische Stabilität einzelner Staaten wie auch von Regionen erschüttert werden.[8]

Die ariden bzw. hyperariden Golfstaaten mit in der Regel zwischen 50 und 100 Millimetern jährlicher Niederschlagsmenge müssen unter schwierigen natürlichen Bedingungen Wasser- und Ernährungssicherheit garantieren. Zwischen beiden Naturressourcen besteht ein enger Zusammenhang, denn das bei Weitem meiste Wasser wird für die Nahrungsmittelherstellung verbraucht.

Der Mangel wird dadurch verschärft, dass die Bevölkerung und ihr Lebensstandard stark zugenommen haben und die Industrialisierung fortgeschritten ist. Der Wasserverbrauch pro Kopf ist auf der Arabischen Halbinsel(23) höher als im Weltdurchschnitt.

In der Vergangenheit erfolgte eine intensive Nutzung von fossilem (nicht erneuerbarem) Grundwasser. In Saudi-Arabien gingen dabei die Vorräte massiv zurück. Die von der University of California in Irvine analysierte NASA-Satellitenmission GRACE (Gravity Recovery and Climate Experiment; 2003–2013) ergab, dass das Aquifersystem der Arabischen Halbinsel(24) das weltweit am stärksten überlastete ist.

Alternativen sind die Anlage von Dämmen zum »Water Harvesting« (Auffangen von Regenwasser), Wasserwiederaufbereitung (insbesondere für die Landwirtschaft) und Meerwasserentsalzung (vor allem für Haushalt und Industrie) – in den VAE entfielen 2013 auf letztere Methode bereits 40 Prozent der Wasserproduktion. Neuerdings wird damit auch Gemüse und Obst angebaut. Freilich ist Meerwasserentsalzung kosten- und energieintensiv.

Da um 2050 geschätzte 120 statt derzeit 87 Millionen Menschen auf der Arabischen Halbinsel(25) leben werden, müssen strategische Maßnahmen für Wassersicherheit eingeleitet werden. Empfohlen wird, auf eine dauernd steigende Wassernachfrage nicht mit Angebotserweiterung zu reagieren, sondern die Nachfrage zu reduzieren. Dies soll geschehen durch Aufklärung mit dem Ziel eines sparsameren Wasserverbrauchs, die landesweite Einführung kostendeckender und tendenziell verbrauchssenkender Gebühren sowie Wasserreduzierung bei der landwirtschaftlichen Bewässerung mit Hilfe verbesserter Technologien. Auch müssen Verluste von derzeit bis zu 40 Prozent in Leitungssystemen reduziert werden.

Die Wasserwiederaufbereitung kann ausgeweitet und durch neue Technologien optimiert werden. Aufbereitetes Wasser sollte nicht nur der Landwirtschaft, sondern vermehrt auch Haushalten und der Industrie zugeführt werden. Eine Alternative im Sinne des Konzepts »Virtuelle Wassernutzung« ist die Auslagerung von Agrarproduktion in wasserreichere Regionen im Ausland. Wasserimporte sind ein weiteres Instrument der Bedarfsdeckung. Beide Vorgehensweisen beinhalten jedoch Abhängigkeiten und Beschaffungsrisiken.

Meerwasserentsalzung ist »die strategische Option« der Golfstaaten. Allerdings müssen Maßnahmen im Hinblick auf eine deutliche Kostensenkung und zur Minimierung von Umweltbelastungen eingeleitet werden. So müssen verstärkt energiesparende Entsalzungstechniken (wie Umkehrosmose) zum Einsatz kommen. Darüber hinaus muss in belastbare Wasserdatensysteme investiert werden sowie in die Erforschung neuer Technologien. In diesem Zusammenhang ist auf die Züchtung salzwasserverträglicher Nutzpflanzen zu verweisen.

Wie kann Ernährungssicherheit erreicht werden vor dem Hintergrund eines bis ca. zum Jahr 2100 andauernden Bevölkerungswachstums, Verstädterung, Einkommenszunahme, sich verändernder Essgewohnheiten (z. B. Fleischkonsum mit intensivem Getreideeinsatz bei der Produktion), der Folgen der Klimaerwärmung, der Verknappung landwirtschaftlicher Anbauflächen (nicht zuletzt infolge der Produktion von Biotreibstoffen), stagnierender Agrarinvestitionen, unzureichender Produktivitätszuwächse und volatiler Märkte?

Das Konzept landwirtschaftlicher Selbstversorgung ist in den Golfstaaten nicht möglich. In ungeeigneten Gegenden darf keine Landwirtschaft mehr stattfinden, allenfalls kleinflächiger Anbau von z. B. Gemüse. Der Nahrungsmittelbedarf muss zu einem erheblichen Teil durch Importe gedeckt werden.

Die auf dem Weltmarkt vorherrschenden Preisschwankungen lassen sich mit Verbrauchersubventionen allenfalls überdecken. Ziel muss sein, die Nahrungsmittelmärkte durch verbindliche internationale Regelungen (nicht nur Richtlinien) offenzuhalten. Handelsbarrieren müssen eliminiert und Versorgungsrisiken wie spekulatives Horten oder Exportverbote unterbunden werden. Auch ist darauf hinzuarbeiten, dass nationale Subventionen für die Produktion von Biotreibstoffen abgeschafft werden.

Den GKR-Staaten wird nahegelegt, eine gemeinsame Strategie zum Erreichen von Nahrungsmittelsicherheit zu beschließen und im Rahmen der WTO auf bindende Regelungen des Nahrungsmittelmarktes hinzuarbeiten. Durch geschickte Nutzung von Finanzinstrumenten wie Forwards und Swaps kann die Abhängigkeit von volatilen internationalen Märkten verringert werden. Langfristig abgeschlossene Verträge können Nahrungsmittelimporte zu günstigen Preisen sichern. Elektronische Informationsplattformen ermöglichen es, Handelsvorteile zu erkennen.

Nahrungsmittelsicherung kann auch durch Verlagerung der Produktion ins Ausland erfolgen. So gewährt etwa die »König-Abdullah-Initiative für landwirtschaftliche saudische Investitionen im Ausland« saudischen Firmen seit 2008 diplomatische Hilfe und günstige Kredite, um Nahrungsmittelunternehmen und Agrarland aufzukaufen, von den Ufern des Senegal-Flusses bis zu den Regenwäldern Indonesiens. Es ist dabei freilich darauf zu achten, dass Nachhaltigkeit erreicht wird und keine sozialen oder politischen Spannungen ausgelöst werden (z. B. durch Landenteignung, Umsiedlungen, Fernhaltung von Nomaden, Wasserentzug). Wegen solcher Fehlentwicklungen wird diese Form der Nahrungsmittelsicherung international auch kritisch bewertet (»Land Grabbing«).

Eingeleitet sind Maßnahmen zur Schaffung einer strategischen regionalen Nahrungsmittelreserve und eines regionalen Fonds für den Fall von Versorgungsschwierigkeiten und extremen Preisschwankungen.

Preisanstiege bei Grundnahrungsmitteln treffen vor allem einkommensschwache Bürger, die bis zu 75 Prozent ihres Einkommens für Nahrung ausgeben müssen. Auch Staaten mit vergleichsweise hohem Durchschnittseinkommen müssen soziale Auffangnetze schaffen. Am unteren Ende der sozialen Skala befinden sich die bedun (Staatenlose, meist frühere Saudis, die in Nachbarländer migriert und wieder zurückgekehrt sind). Rund drei Millionen Einwohner Saudi-Arabiens befinden sich unter der Armutsgrenze – entgegen dem im Ausland vorherrschenden Bild vom »reichen Saudi«. In saudischen Städten liegen neben glitzernden Palästen Slums und Zeltsiedlungen. Hungern muss zwar niemand, denn Grundnahrungsmittel wie Brot, Reis und Huhn werden vom Staat bezuschusst, und es existieren viele Wohltätigkeitseinrichtungen. Doch an die 40 Prozent der Bevölkerung leben eher in bescheidenen Verhältnissen. Um 2010 konnten sich 60 Prozent der Saudis kein eigenes Haus leisten, denn Grund und Boden ist weitgehend im Eigentum des Staats, von reichen Prinzen und ihren Günstlingen. Der Gegensatz zwischen Arm und Reich ist groß, die Mittelschicht noch dünn.[9]

Hohe geostrategische Bedeutung

Entlang der Arabischen Halbinsel(26), gelegen im Schnittpunkt von Vorderasien(1), Zentralasien(1), Südasien(1) und Nordostafrika(1), verlaufen Welthandelsrouten: die Seewege vom Mittelmeer über den Suezkanal, den Golf von Suez, das Rote Meer(8) und den Golf von Aden(2) in den Indischen Ozean(3) sowie vom Persischen Golf(13) über den Golf von Oman(3) und das Arabische Meer in den Indischen Ozean bzw. den Golf von Aden(3) und das Rote Meer. Meerengen können von Anrainerstaaten gesperrt werden, um politischen Druck auszuüben: der Suezkanal, die Straße von Tiran(2) am Eingang zum Golf von Akaba(2), das Bab el-Mandab zwischen Dschibuti(1)/Eritrea(1) und dem Jemen(13) und die Straße von Hormus(3) zwischen dem Iran(5) und dem Oman(15).[10]

In der Antike wetteiferten am Roten Meer(9) und Persischen Golf(14) das Ägyptische(3) und das Babylonische Reich miteinander, später das Römische und das Persische Reich. Im 17. und 18. Jahrhundert stritten das Osmanische und das Persische Reich um die Vorherrschaft, im 19. Jahrhundert Großbritannien(2) und Russland(4). Von 1918 bis 1945 beherrschte Großbritannien diesen Raum, nach 1945 stiegen die USA zur Vormacht auf. Heute rivalisieren hier die globalen Mächte USA, Russland und China(2) um Einfluss, ebenso die Regionalmächte Iran(6), Saudi-Arabien, Katar(9), die VAE und die Türkei. Durch den Suezkanal verlaufen heute 12 Prozent des Weltseehandels sowie jeweils 9 Prozent der weltweiten Öl- und LNG-Transporte. Pro Jahr werden ca. 18 000 Tanker, Containerschiffe, Stückgutfrachter etc. gezählt. Die Alternativroute über das Kap der Guten Hoffnung bedeutet zwischen Dubai(6) und London einen Umweg von 8900 Kilometern.

Die Meerenge von Tiran(3) am Eingang zum Golf von Akaba(2) ist 13 Kilometer breit. An dieser Stelle plant Saudi-Arabien heute eine 32 Kilometer lange Straßen- und Eisenbahnbrücke über die Insel Tiran nach Ras Nasrani(1) (Ägypten(4)). Auf saudischer Seite entsteht die 26 500 Quadratkilometer große ökonomische Entwicklungszone NEOM (Neo-Mustakbal, d. h. »Neue Zukunft«).

Die Kontrolle über die 27 Kilometer breite Engstelle Bab el-Mandab (»Tor der Tränen«) ist eine Priorität saudischer Außenpolitik. Im Jemen(14) führt das Königreich auch deshalb Krieg, um eine eventuelle iranische(7) Präsenz am Roten Meer(10) zu verhindern. Der saudische Bin-Laden-Konzern plant den Bau einer Brücke vom Jemen über die Insel Perim(2) nach Dschibuti(2). Auf beiden Seiten des Meeres soll die Zwillingsstadt al-Nur (»das Licht«) angelegt werden.

Durch die an ihrer engsten Stelle 38 Kilometer breite Meeresstraße von Hormus(4) verläuft die wichtigste Ölhandelsroute der Welt vom Persischen Golf(15) in den Golf von Oman(4). Durch sie werden 30 Prozent des weltweit auf dem Seeweg gehandelten Öls verschifft, davon gehen rund 80 Prozent nach Süd-, Südost- und Ostasien. Außerdem passieren diese Wasserstraße ein Viertel der LNG-Transporte. Eine Sperrung der Straße von Hormus z. B. seitens des Iran(8) wäre sowohl für die arabischen Exporteure als auch für die Weltenergieversorgung fatal. Der Iran würde mit dieser Maßnahme freilich auch seine eigenen Exporte schädigen.

Externe Mächte haben auf und gegenüber der Arabischen Halbinsel(27) Militärbasen errichtet: die USA (Bahrain(7), Dschibuti(3), Irak(3), Katar(10), Kuwait(12), VAE), die Volksrepublik China(3) (Dschibuti), Frankreich (Dschibuti, VAE), Großbritannien(3) (Bahrain, Katar, Oman, VAE), Italien (Dschibuti), Japan(2) (Dschibuti) und Russland(5) (Syrien(4)). Regionale Mächte haben nachgezogen und ihrerseits Stützpunkte im Ausland aufgebaut: Iran(9) (Irak, Syrien), Saudi-Arabien (Dschibuti; im Bau), Türkei (Irak, Katar, Somalia(1)), VAE (Jemen(15)).

Das chinesische(4) Großprojekt »One Belt One Road« (OBOR, auch »Neue Seidenstraße« genannt) bezieht die Arabische Halbinsel(28) ein. So mündet der vom chinesischen Kaschgar(1) kommende »China Pakistan Economic Corridor« (CPEC) in die pakistanische Hafenstadt Gwadar(1) am Arabischen Meer(2). Von dort läuft die OBOR ergänzende »Maritime Silk Road« (MSR) über das Rote Meer(11) und den Suezkanal ins Mittelmeer, mit einer Abzweigung nach Ostafrika(2).

China(5) ist inzwischen größter Investor im Nahen(3) und Mittleren(5) Osten mit 177 Milliarden US-Dollar (2019); davon entfielen 70 Milliarden auf die Golfstaaten. 17 Staaten sind Bestandteil der MSR-Initiative, Beijing(1) gewährte der Großregion 23 Milliarden US-Dollar Anleihen und Hilfe. Der Schwerpunkt der ökonomischen Kooperation liegt auf Infrastruktur, Handel und Finanzen, ergänzt durch Hightech-Anwendungen wie Atomenergie, Erneuerbare Energien und Satellitentechnik. Intensiviert hat sich auch die militärische Zusammenarbeit. Selbstbewusst wirbt Beijing für sein Entwicklungsmodell einer schnell wachsenden Wirtschaft unter autoritärer Führung.[11]

China(6) bezieht rund 40 Prozent seiner Ölimporte aus dem Mittleren(6) Osten. Toplieferanten waren 2019 Saudi-Arabien (Nr. 1; 16,5 Prozent aller chinesischen Ölimporte), der Irak(4) (Nr. 3), der Oman(16) (Nr. 6), Kuwait(13) (Nr. 7), der Iran(10) (Nr. 8) und die VAE (Nr. 9). Beijings strategische Interessen sind die langfristige Gewährleistung von Öl- und Erdgasimporten und die Sicherung der Haupthandelsrouten. Hierzu wurde 2017 der erste auswärtige Marinestützpunkt Chinas in Dschibuti(4) gegenüber vom Bab el-Mandab eröffnet. Bis zu 10 000 Mann können hier stationiert werden.[12]

2020 bezog die EU 52,4 Prozent ihrer Ölimporte von außerhalb der Gemeinschaft aus Russland(6), den USA, Kasachstan(1) und Norwegen(1). Auf Saudi-Arabien entfielen nur 6,4 Prozent. Bei den EU-Gasimporten von Staaten außerhalb der EU rangierten Algerien(1) (12,1 Prozent) und Katar(11) (4,9) hinter Russland (42) und Norwegen (21,3).[13]

Dank der Produktion von Schieferöl, Tight Oil, Tiefseeöl und Schiefergas werden die USA Zug um Zug unabhängig von Importen. 2017 wurden sie zu einem Nettoexporteur von Gas und 2020 erstmals seit 1949 wieder von Öl. Dennoch hat der Persische Golf weiterhin große strategische Bedeutung für die USA:

Erstens bestimmt diese Weltregion noch auf unbestimmte Zeit die Höhe des Öl- und Gaspreises.

Zweitens sind die USA (wie auch Russland(7)) mit ihrer Explorations-, Betriebs-, Wartungs- und Zulieferindustrie bestrebt, lukrative Aufträge im Energiesektor am Persischen Golf(16) zu gewinnen.

Drittens haben die USA ein strategisches Interesse daran, dass die US-Verbündeten Australien(1), Japan(3), Philippinen(1), Südkorea(1) und Taiwan(1) zuverlässig mit Öl und Gas vom Golf versorgt werden.

Viertens gründet die US-amerikanische globale Dominanz auf ihrer Seemacht. Mit ihrer weltweit dislozierten Flotte beherrschen sie die Seewege.

Russland(8) sucht im arabischen Raum Verbündete zu gewinnen, Stützpunkte zu errichten, Getreide, Waffen und Nukleartechnik zu exportieren sowie Aufträge für seine Energie- und Rüstungsindustrie einzuwerben.

Zwischen Saudi-Arabien und der Islamischen Republik Iran(11) besteht eine doppelte geopolitische Rivalität: Die beiden Staaten konkurrieren erstens um die Vormachtstellung am Persischen Golf(17), zweitens um die Führung der islamischen Welt. Ideologische und religiöse Faktoren (expansiver saudischer Wahhabismus vs. expansiver iranischer Islamismus, sunnitischer vs. schiitischer Islam) tragen zur Verschärfung des Konflikts bei, bilden aber nicht seinen Kern. Sie werden von beiden Staaten auch zur Durchsetzung außenpolitischer Ziele sowie zur innenpolitischen Herrschaftslegitimation instrumentalisiert.

Saudi-Arabien präferiert einen nicht zu starken, von sunnitischen Kräften (mit)regierten Irak(5). Dessen Zerfall in einen kurdischen, einen sunnitischen und einen schiitischen Staat wäre aus saudischer Sicht eine Katastrophe, denn das Königreich hätte dann am Persischen Golf(18) einen weiteren schiitischen Nachbarstaat.

Die Destabilisierung der dritten Regionalmacht Irak(6) nach dem Sturz Saddam Husseins (2003) und die unter US-Präsident Barack H. Obama(1) eingeleitete Reduzierung des US-Engagements am Persischen Golf(19) stärkten den Iran(12). Saudi-Arabien und andere Golfmonarchien sehen sich bedroht, unterstellen der militärisch stärksten Regionalmacht Iran expansive Absichten und betreiben eine internationale Kampagne gegen die Islamische Republik. Der verdeckte Krieg zwischen Israel und den Golfmonarchien einerseits und dem Iran andererseits wird mit hybriden Mitteln wie Sabotage, Terroranschlägen, Cyberattacken und Desinformation ausgetragen.

Der Persische Golf ist auch deshalb von geostrategischer Relevanz, weil hier das Risiko der Proliferation von Massenvernichtungswaffen und ballistischen Raketen besteht. Der Iran(13) sieht sich von vier Atommächten umringt (Israel, Pakistan, Russland(9) und seegestützt die USA). Das Land hat den Nichtverbreitungsvertrag unterschrieben, unterstützt die Errichtung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen(4) und Mittleren(7) Osten und dementiert bis heute, ein militärisches Nuklearprogramm zu verfolgen. Dieser Verdacht besteht seit 2002, nachdem bekannt wurde, dass der Iran der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) Anlagen seines zivilen Nuklearprogramms verheimlicht hatte. Allerdings kamen 16 US-Geheimdienste 2007 gemeinsam zum Ergebnis, das Land habe ein mögliches militärisches Atomprogramm mit großer Wahrscheinlichkeit 2003 beendet.[14]

Für den Fall einer nuklearen Aufrüstung des Iran(14) hat Riad(8) angedeutet, sich ebenfalls Atomwaffen zuzulegen. Es könnte zu einem nuklearen Rüstungswettlauf kommen, denn auch der türkische Staatspräsident Erdoğan(1) forderte 2019 für sein Land das Recht auf Atomwaffen, um im Konzert der Großmächte mitspielen zu können. Beide Staaten müssten hierfür allerdings den Nichtverbreitungsvertrag aufkündigen – eine hohe Hürde.

Durch den von China(7), Deutschland(3), Frankreich, Großbritannien(4), Russland(10), den USA und dem Iran(15) am 14. Juli 2015 unterzeichneten und vom UN-Sicherheitsrat unterstützten Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) wurde das iranische Atomprogramm bis 2025 einer strengen internationalen Kontrolle unterstellt. Als Gegenleistung sollten die gegen den Iran gerichteten Sanktionen Zug um Zug aufgehoben werden.[15] Doch hat US-Präsident Donald J. Trump(1), mit unverhohlener Zustimmung Israels und Saudi-Arabiens, den JCPOA im Mai 2018 einseitig aufgekündigt, es droht also ein Scheitern des Plans.

Unter dem neuen US-Präsidenten Joseph R. Biden(1) könnte es zur Rückkehr der USA in den JCPOA kommen, vielleicht sogar zu einem erweiterten sicherheitspolitischen Arrangement in der Region. Die USA als weiterhin stärkste Macht am Persischen Golf(20) wären in der Lage, einen stabilen Ausgleich zu vermitteln, der den arabischen Golfstaaten hinreichende Sicherheitsgarantien bietet und gleichzeitig berechtigte Sicherheitsinteressen des Iran(16) respektiert. Voraussetzung für das Gelingen wäre, dass sich auf allen Seiten die pragmatischen Kräfte durchsetzen und weitere Akteure wie China(8) und Russland(11) eine konstruktive Haltung einnehmen.

Die Geschichte der Arabischen Halbinsel(29) bis zum Aufstieg der Dynastie Saud

Möglicherweise sind schon in sehr früher Zeit Menschen von Afrika(3) auf die Arabische Halbinsel(30) gewandert. In der heutigen Nefud(4)-Wüste (Saudi-Arabien) fand man 120 000 Jahre alte Fußabdrücke von Menschen und Tieren im Bett eines prähistorischen Sees. Damals war das Rote Meer(12) seicht, und Süd- und Ostarabien waren grün und fruchtbar. Dort herrschte ein feuchtes Klima, es gab Wild zum Jagen und für die Werkzeugherstellung geeignete Steine.[1]

Vor rund 10 000 Jahren nahmen die Niederschläge auf der Arabischen Halbinsel(31) stark zu, es entstanden Seen und eine dichte Vegetation. Al-Magar im südwestlichen Nedschd(3) war um 9000 v. Chr. eine der ersten steinzeitlichen Siedlungskulturen mit Ackerbau und domestizierten Nutztieren einschließlich Pferden. In der Oase Dschubbah nordwestlich von Ha’il wurde Vieh gezüchtet, in den umliegenden Höhlen sind zahlreiche jungsteinzeitliche Felsgravuren erhalten. Die um 5500 v. Chr. entstandenen Darstellungen zeigen Menschen und ihre Tätigkeiten, Jagdszenen mit Tieren sowie Inschriften.

Allmählich reduzierten Klimaveränderungen die Niederschlagsmenge und führten zur Aufgabe der Ansiedlungen im Innern der Arabischen Halbinsel(32). Entlang der Küste entwickelten sich Herdenhaltung, Fischerei und Seehandel.

Die Araber erscheinen erst recht spät. Erstmals berichtete der assyrische(1) König Salmanassar(1)III. (reg. 858–824 v. Chr.) von Kriegszügen gegen Kamele reitende »aribi«. Das semitische Wort stammt möglicherweise aus dem Hebräischen und bedeutet »Wüstenmenschen«. Ihre Heimat war nördlich und südlich der Nefud(5)-Wüste, wo sie als bedu (Nichtsesshafte) lebten. Sie stammten aus dem Jemen(16) und waren ursprünglich sesshafte Ackerbauern gewesen. Aufgrund zunehmenden Bevölkerungsdrucks waren Teile von ihnen gezwungen gewesen, nach Norden und Osten zu ziehen und in den Steppen, Halbwüsten und Wadis als nomadisierende Kamel- und Schafzüchter zu leben. Später gingen benachbarte Völker wie die Minäer, Sabäer und Nabatäer in den Arabern auf. Es entstand eine überregionale arabische Sprache und Kultur.[2]

Die »Nordaraber« (adnan) werden als arabisierte Nachkommen von Ismael und Ibrahim (Abraham) angesehen, während sich die »Südaraber« (kahtan) mit entsprechendem Stolz als die ursprünglichen Araber verstehen und sich auf Joktan, einen Nachkommen des Propheten Noah, zurückführen. Eine lange zurückreichende Genealogie und die Berufung auf eine möglichst »reine« Abstammung sind der Stolz eines Stammes. Im Zuge der jahrhundertelangen Wanderbewegungen zogen freilich später auch südarabische Stämme nach Norden, es kam zu mannigfaltigen Vermischungen bzw. Abspaltungen.

Ab dem 3. Jahrtausend v. Chr. existierten nördlich und westlich der Arabischen Halbinsel(33) die die Region dominierenden Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens(5). Die lebensfeindlichen Wüsten und Halbwüsten im Innern erschwerten es Angreifern lange Zeit, in sie einzudringen. Unter König Nebukadnezar II.(1) (reg. 605–561 v. Chr.) unterwarfen die Babylonier(1) dann sukzessive die Arabische Halbinsel. Der letzte babylonische König Nabonidus(1) (reg. 555–539 v. Chr.) verlegte gar seine Hauptstadt von Babylon nach Taima im Nordwesten der Halbinsel.

Frühe Staaten auf der Arabischen Halbinsel(34)

Im Jahrtausend vor Christi Geburt verliefen entlang der Küsten der Arabischen Halbinsel(35) wichtige Schifffahrtsstraßen und außerdem Karawanenwege zum Mittelmeerraum, so die legendäre »Weihrauchstraße« vom Oman(17) über den Jemen(17) und den Hedschas(4) nach Damaskus(3), Gasa(2) und Alexandria(1). Weihrauch und Myrrhe wurden für kultische Zwecke benötigt, waren aber auch geschätzte Heilmittel und Parfüme. Sorgsam verbargen die Araber Anbau und Produktion vor den Griechen und Römern.

Im Nordosten der Arabischen Halbinsel(36) bestand im Zeitraum zwischen 2300 und 1800 v. Chr. auf dem Gebiet des heutigen Oman(18) der bedeutende Handelsstaat Magan(1). Das Königreich exportierte auf Schiffen Kupfer, Dioritstein und Holz nach Mesopotamien(2) und in das Indus(1)-Tal.

Begünstigt durch Süßwasservorkommen entstand um 2050 v. Chr. auf den Inseln und dem Festland von Bahrain(8) das Königreich Dilmun(1), benannt nach der sumerischen Bezeichnung für »paradiesisches Land«. Die Bewohner sprachen eine semitische Sprache und kontrollierten den Seehandel von Mesopotamien(3) bis zum Indus(2)-Tal. Im Westen reichte Dilmun bis ins heutige Kuwait(14), im Osten umfasste es Katar(12), die saudische al-Hasa(5)(6)-Region und einen Zipfel Abu Dhabis(6). Im 8. Jahrhundert v. Chr. geriet es unter die Herrschaft der Assyrer.

Das Schwinden der ägyptischen(6) Vormacht ermöglichte im Süden der Arabischen Halbinsel(37) um 1000 v. Chr. die Bildung des bedeutenden Königreichs Saba(1) mit der Hauptstadt Marib(1). Große Landflächen am Rand der wasserlosen Wüste Rub al-Chali(5) konnten mit dem zwischen dem 6. und 4. Jahrhundert v. Chr. gebauten Marib-Staudamm(1) bewirtschaftet werden. Saba betrieb einen florierenden Seehandel mit Indien(4) und Ostafrika(3). Es kontrollierte die »Weihrauchstraße«, und in Äthiopien(1) und Eritrea(2) wurden Kolonien gegründet. Als Vasallenkönigreiche entstanden im Süden Kataban (8. Jahrhundert), im Osten Hadramaut(3) (8. Jahrhundert) und im Norden Ma’in (6. Jahrhundert). Wie Saba lagen sie auf dem Territorium des heutigen Jemen(18). Im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. konnten sich die Vasallenkönigreiche die Unabhängigkeit erkämpfen.

Ma’in weitete seinen Einfluss stark aus und kontrollierte die nördlich von ihm liegenden Gebiete Nadschran(1), Asir(4) und Hedschas(5) (die heutigen Westprovinzen Saudi-Arabiens). Der nördlichste Punkt war die in der Bibel als Station der Weihrauchstraße erwähnte Oasensiedlung Dedan (heute al-Ula). Händler betrieben Handel bis in die Ägäis. Zum Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. gelangte Ma’in unter katabanische, später wieder sabäische Herrschaft.

Ein aufstrebendes Volk im 1. Jahrtausend v. Chr. waren die indoeuropäischen Perser unter der Dynastie der Achämeniden (559–330). Im Jahr 539 eroberte König Kyros(1)II. der Große Babylon(2), sein Nachfolger 525 Ägypten(7). Um 500 reichte das Persische Reich von Makedonien, Thrakien und Libyen im Westen bis an den Indus-Fluss im Osten. Die Arabische Halbinsel blieb sich selbst überlassen.

333 v. Chr. schlug der makedonische König Alexander der Große(1) die Perser bei Issos in Kilikien und stieß bis zum Indus vor. Doch starb er 323 mit nur 32 Jahren. Makedonische Feldherren begründeten die Nachfolgedynastien der Seleukiden und Ptolemäer.

Den aus dem nordwestiranischen(17) Hochland stammenden Parthern gelang es, den Seleukiden nach und nach Gebiete zu entreißen und wieder ein Reich (247 v. Chr.–224 n. Chr.) zu begründen.

Ab Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. expandierten die Römer im Mittelmeerraum. Unter Kaiser Trajan(1) (reg. 98–117 n. Chr.) erreichte das Römische Reich seine größte Ausdehnung und umschloss das gesamte Mittelmeer.

Die Stadtkönigreiche Palmyra(1) und Nabataea und das südarabische Reich Himjar

Seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. bestand in Palmyra(2) in der Übergangsregion von der Syrischen(5) Wüste zur Arabischen Halbinsel(38) ein unabhängiges Stadtkönigtum. Die Palmyrer kontrollierten den Handel auf der »Seidenstraße«, die vom chinesischen(9) Kaschgar(2) bis nach Damaskus(4) und Alexandria(2) bzw. Aleppo(1), Antiochia(1) und Byzanz(1) verlief. 64 v. Chr. eroberten die Römer Palmyra, gestanden dem Stadtkönigtum aber eine weitreichende Autonomie zu.

Unter Gaius Aelius Gallus(1), dem römischen Präfekten von Ägypten(8), versuchten die Römer, die gesamte Arabische Halbinsel(39) unter ihre Kontrolle zu bringen. Mit 10 000 Legionären eroberte er zwischen 26 und 24 v. Chr. Mekka(8) und Jathrib(1)(5) (das spätere Medina) und belagerte Marib(2) im Jemen(19). Eine römische Flotte zerstörte die Hafenstadt Aden(4). Doch entwickelte sich die Expedition zum Fiasko. Hitze, Wassermangel, ausbleibender Nachschub, Krankheiten und Probleme der Pferde auf dem Sand erzwangen den Rückzug.

Die Römer untergliederten die Arabische Halbinsel(40) in drei Regionen: ihre Provinz »Arabia petraea« (das steinerne Arabien), »Arabia deserta« (das wüstenhafte Zentralarabien(1)) und »Arabia felix« (das glückliche, weil regenreiche Südarabien). Arabia petraea war die Bezeichnung für das wohlhabende Händlerreich der Nabatu (ca. 312 v. Chr.–106 n. Chr.), die die Römer »nabataei« (Nabatäer, d. h. Sesshafte) nannten. Sie sprachen eine dem Arabischen verwandte semitische Sprache. Ihre monumentalen Heiligtümer, Felsengräber und Häuser nahmen griechische und römische Stilformen auf. Die Hauptorte des Nabatäerreichs waren Petra(2) (al-Batra) im heutigen Jordanien(4), Bosra(1) (Busra) im heutigen Syrien(6) und Hegra(1) (Mada’in Saleh(2)) im heutigen Saudi-Arabien. Unter dem römischen Kaiser Trajan(2) wurde das Zwischenreich der Nabatäer 106 n. Chr. dem Römischen Reich einverleibt.

Himjar mit der auf 2800 Meter liegenden Hauptstadt Zafar wurde zum bedeutendsten spätantiken Königreich auf der Arabischen Halbinsel(41) (ca. 1. Jahrhundert v. Chr.–570 n. Chr.), es vereinte erstmals um 300 n. Chr. das gesamte Südarabien inklusive Saba(2), Kataban und Hadramaut(4) unter einem Herrscher, der nun den Titel eines »Königs von Saba« führte. Bemerkenswert war im 4. Jahrhundert der Übergang Himjars zum Monotheismus. Verehrt wurde Ilan, »der Herr des Himmels«. Zum Ende dieses Jahrhunderts konvertierte König Abu Karib Asad (reg. 390–420) zum Judentum. Die Legende sagt, dass sich der Herrscher dazu aus Dankbarkeit entschloss, da ihn zwei jüdische Gelehrte von einer schweren Krankheit geheilt hatten. Unter diesem König stieß das Reich Richtung Norden vor, wo König Abu Karib Asad die Stadt Jathrib(6) eroberte und zerstörte. Mit seinen Feldzügen suchte er den Byzantinern zuvorzukommen, die damals von Norden her die Arabische Halbinsel erobern und christianisieren wollten. 525 stießen die christlichen Aksumiter aus Nordostafrika(2) nach Himjar vor und setzten den letzten jüdischen König ab.

Persische Vasallenherrschaft