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Jetzt das eBook zum Einführungspreis sichern! Die Queen of Dark Romance ist zurück: J. T. Geissinger mit Band 3 der Queens and Monsters-Reihe! Er ist ein Mythos. Ein Geist. Eine Legende. Ein so gefürchteter Bratva-Auftragsmörder, dass einige sich nicht einmal trauen, seinen Namen auszusprechen. Er kommt, um Vergeltung für den Tod seines Bruders zu suchen, aber was Malek Antonov stattdessen findet, ist sie. Riley Keller. Eine freche Lektorin, von der er denkt, sie sei jemand anderes. Jemand, der nichts mit dem Mann zu tun hat, der seinen Bruder getötet hat. Nur, dass das nicht stimmt. Als Malek Rileys wahre Identität herausfindet, entscheidet er, dass sie die perfekte Entschädigung für seinen Verlust ist. Plötzlich ist Riley ein kleiner Vogel in einem Käfig, und ihre einzige Möglichkeit, zu überleben, besteht darin, Freundschaft mit dem Monster zu schließen, das sie gefangen genommen hat. Nur dass Freundschaft kein Teil seines Plans ist … Dich erwarten diese Tropes: - Enemies to Lovers - Grumpy meets Sunshine - Anti Hero gets the Girl - Slow Burn Romance - Morally Grey Characters - He Falls First and Harder Tauche ein in J. T. Geissingers Mafia Dark Romance-Reihe »Queens and Monsters« - Ruthless Creatures - Carnal Urges - Savage Hearts - Brutal Vows Alle Bände sind auch unabhängig voneinander als Standalones lesbar! Für alle Fans von Dark Romance sowie D. C. Odesza, J. S. Wonda und Alessia Gold
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Seitenzahl: 542
Veröffentlichungsjahr: 2025
J. T. Geissinger
Roman
Aus dem amerikanischen Englisch von Isabelle Toppe
Knaur eBooks
Er ist ein Mythos. Ein Geist. Eine Legende. Ein so gefürchteter Bratva-Auftragsmörder, dass einige sich nicht einmal trauen, seinen Namen auszusprechen. Er kommt, um Vergeltung für den Tod seines Bruders zu suchen, aber was Malek Antonov stattdessen findet, ist sie. Riley Keller.
Eine freche Lektorin, von der er denkt, sie sei jemand anderes. Jemand, der nichts mit dem Mann zu tun hat, der seinen Bruder getötet hat. Nur, dass das nicht stimmt.
Als Malek Rileys wahre Identität herausfindet, entscheidet er, dass sie die perfekte Entschädigung für seinen Verlust ist. Plötzlich ist Riley ein kleiner Vogel in einem Käfig, und ihre einzige Möglichkeit zu überleben, besteht darin, Freundschaft mit dem Monster zu schließen, das sie gefangen genommen hat. Nur dass Freundschaft kein Teil seines Plans ist …
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Hinweis
Widmung
Zitat
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
39. Kapitel
40. Kapitel
41. Kapitel
42. Kapitel
43. Kapitel
44. Kapitel
45. Kapitel
46. Kapitel
47. Kapitel
48. Kapitel
49. Kapitel
Epilog
Bonuskapitel
Playlist
Dank
Liste sensibler Inhalte / Content Notes
Bei manchen Menschen lösen bestimmte Themen ungewollte Reaktionen aus. Deshalb findet ihr am Ende des Buches eine Liste mit sensiblen Inhalten.
Für Jay, meinen Grund für alles.
Und ist entsetzlich wild, obschon so klein.
– William Shakespeare
Riley
Als mein Telefon klingelt, bin ich gerade dabei, das Manuskript zu überarbeiten, mit dem ich zu spät dran bin, also ignoriere ich das Läuten und lasse den AB rangehen.
Anrufbeantworter und Festnetz sind oldschool, ich weiß, aber ich besitze kein Handy. Ich hasse den Gedanken, dass jede meiner Bewegungen getrackt werden kann. Und dieses Siri-Ding ist meiner Meinung nach unglaublich gruselig.
Ein Telefon, das schlauer ist als ich? Nein danke.
Nachdem meine Ansage vom Band die Anrufenden darüber informiert hat, dass ich mich aktuell in einer anderen Astralebene befinde und dass sie eine Nachricht hinterlassen sollen – die ich beantworten werde, wenn ich in meinen Körper zurückgekehrt bin –, ertönt ein Piepton. Darauf folgt ein schweres Seufzen.
»Riley. Ich bin’s, deine Schwester.«
Quer durch den Raum werfe ich dem AB auf der Kommode einen schockierten Blick zu. »Schwester?« Ich überlege einen Moment. »Nope. Ziemlich sicher habe ich nichts dergleichen.«
Sloanes Stimme wird rechthaberisch. »Ich weiß, dass du das hörst, weil du die einzige Person auf der ganzen Welt bist, die noch einen Anrufbeantworter besitzt. Und zudem nie das Haus verlässt. Jetzt nimm schon ab.«
Es ist erstaunlich, dass sie denkt, Befehle und Beleidigungen in meine Richtung zu bellen würde funktionieren. Als würde sie mich nicht kennen.
Oh, halt. Jetzt fällt’s mir wieder ein! Sie kennt mich nicht. Was absolut nicht mein Fehler ist. Aber typisch Sloane, aus dem Nichts anzurufen und so zu tun, als würde ich ihr Geld schulden.
Angewidert schüttle ich den Kopf, wende mich wieder dem Bildschirm meines Computers zu und mache mich an die Arbeit.
»Riley, ernsthaft! Es ist wichtig. Ich muss mit dir reden.« Eine lange Pause entsteht. »Bitte.« Ihre Stimme bricht.
Meine Finger erstarren über der Tastatur.
Bitte? Sloane sagt nicht bitte. Ich hätte nicht gedacht, dass sie das Wort überhaupt kennt. In der Regel ist bitte kein Bestandteil des Vokabulars einer Diva.
Irgendwas stimmt ganz und gar nicht.
»O shit«, sage ich panisch. »Dad.«
Ich eile zum Telefon rüber und reiße den Hörer an mein Ohr. »Was ist passiert?«, rufe ich. »Was ist los? Ist was mit Dad? In welchem Krankenhaus ist er? Wie schlimm ist es?«
»Meine Güte, meinst du nicht, dass du überreagierst?«
An ihrem Ton kann ich erkennen, dass unserem Vater nichts fehlt. Für eine halbe Sekunde bin ich erleichtert, dann angepisst.
Ich habe gerade keine Zeit für ihren Mist.
»Es tut mir leid, die Nummer, die Sie gewählt haben, ist nicht vergeben. Bitte legen Sie auf und versuchen Sie es erneut.«
»Ah, Sarkasmus! Die letzte Ausflucht der Humorlosen.«
»Apropos humorlos, ich bin nicht in der Stimmung für einen geistigen Wettstreit mit einer unbewaffneten Gegnerin. Ruf mich wieder an, wenn du dein Hirn gefunden hast.«
»Warum bestehst du so darauf, vorzugeben, dass ich kein Genie bin?«
»Ein schlauer Affe ist nicht das Gleiche wie ein Genie.«
»Nur weil du deinen Abschlussan einem Ivy-League-College mit summa cum laude gemacht hast, heißt das nicht, dass du schlauer bist als ich.«
»Und das von einer Person, die mich mal gefragt hat, wie viele Viertel in einem Dollar sind.«
»Wenn du so clever bist, dann sag mir noch mal, warum du eine freiberufliche Lektorin ohne Krankenversicherung, sichere Auftragslage oder Ersparnisse für die Rente bist?«
»Wow. Direkt zum Thema Geld. Es muss praktisch sein, keine Seele zu haben. Macht es so viel leichter, mit all den armen Männern umzugehen, die du weich kaust und dann ausspuckst, was?«
Für eine Weile herrscht eine angespannte Stille zwischen uns, bis Sloane sich schließlich räuspert und das Wort ergreift. »Tatsächlich rufe ich deswegen an.«
»Wegen Geld?«
»Wegen Männern. Einem im Besonderen.«
Ich warte auf eine Erklärung. »Spielen wir erst 20 Questions, oder sagst du mir, wovon zur Hölle du sprichst?«
Sloane atmet tief ein. Und wieder aus. Dann sagt sie mit einem Tonfall, als würde sie sich beinahe selbst nicht glauben: »Ich werde heiraten.«
Ich blinzle heftig, doch vergebens – es hilft mir nicht, klarer zu sehen. »Sorry, ich dachte, ich hätte gerade gehört, dass du heiraten wirst.«
»Das hast du, und das werde ich.«
Ich stoße ein ungläubiges Lachen aus. »Du? Die, die sich einmal durch die Betten der ganzen Stadt vögelt. Heiraten?«
»Ja.«
»Unmöglich«, sage ich matt.
Unerwarteterweise lacht sie. »Ja, oder? Aber es ist wahr. Glaub mir. Ich werde den wundervollsten Mann der Welt heiraten.«
Ihr Seufzen ist sanft, zufrieden und verdammt lächerlich.
»Bist du gerade high?«
»Nope.«
»Werde ich gerade verarscht?«
»Nope.«
Ich wühle in meinem Kopf nach irgendeiner anderen Erklärung für diese bizarre Wendung der Ereignisse, kann aber nichts finden. Außer …
»Hält dir gerade jemand eine Waffe an den Kopf und zwingt dich, das zu sagen? Wurdest du entführt oder so?«
Sie bricht in lautes Gelächter aus.
»Warum ist das so lustig?«
Sie lacht und lacht, bis sie wieder seufzt. Ich stelle sie mir vor, wie sie sich am anderen Ende der Leitung Freudentränen vom Gesicht wischt.
»Ich erzähl dir später mehr. Das Wesentliche ist: Ich werde heiraten, und ich will, dass du ihn kennenlernst. Die Hochzeit wird ziemlich spontan sein, kein großes Event oder so. Das genaue Datum weiß ich noch nicht, aber es könnte jeden Tag so weit sein, deshalb möchten wir, dass du uns so bald wie möglich besuchen kommst.«
Uns besuchen?
Sie wird nicht nur heiraten, offensichtlich wohnt sie schon mit dem Typen zusammen. Ich öffne den Mund, um zu antworten, bringe aber keinen Ton heraus.
»Ich weiß«, sagt sie kleinlaut. »Es kommt unerwartet.«
»Danke, dass du den Anstand hast, zu erkennen, wie verrückt das ist.«
»Es ist verrückt, ich weiß. Aus allen möglichen Gründen. Aber …« Sie räuspert sich erneut. »Du bist meine Schwester. Ich möchte, dass du den Mann kennenlernst, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen werde.«
»Bitte bleiben Sie in der Leitung. Ich bin gleich wieder für Sie da, wenn der Herzinfarkt, den ich gerade habe, vorüber ist.«
»Sei nicht gemein.«
Oh, darauf könnte ich einiges antworten. Mannomann, was ich darauf antworten könnte! Aber ich wähle den erwachseneren Weg und stelle die naheliegendste Frage. »Was ist mit Nat?«
»Was soll mit ihr sein?«
»Warum rufst du nicht sie wegen dem Typen an?«
»Sie hat ihn bereits kennengelernt.«
Etwas an ihrem Tonfall ist seltsam und macht mich argwöhnisch. »Und sie weiß, dass du ihn heiraten wirst?«
»Ja.«
»Und was denkt sie über das Ganze?«
»Wahrscheinlich das Gleiche wie du.« Ihre Stimme bekommt einen scharfen Unterton. »Außer, dass sie sich für mich freut.«
Ach du scheiße, dieses Gespräch ist das reinste Minenfeld. Ich kann froh sein, wenn ich es überlebe und alle meine Gliedmaßen behalte.
Ich versuche, meinen Ton zu mäßigen. »Es ist nicht so, dass ich mich nichtfür dich freue, Sloane. Ich stehe nur unter Schock. Und bin verwirrt, um ehrlich zu sein.«
»Weil ich endlich sesshaft werde?«
»Nein. Oder doch, aber nicht nur deswegen.«
»Weswegen dann?«
»Dass du mich anrufst. Dass du mir davon erzählst. Dass du mich einlädst, dich zu besuchen. Denn bisher standen wir uns ja nicht gerade nah.«
»Ich weiß«, sagt sie leise. »Ich glaube, das ist wahrscheinlich mein Fehler. Und ich fände es wirklich schön, wenn wir das klären könnten.« Nach einer langen Pause fügt sie hinzu: »Was machst du gerade?«
»Flach am Boden liegen, an die Decke starren und mir wünschen, ich hätte letztes Jahr auf dem Burning Man nicht so viel Ecstasy genommen.«
»Du hast kein Drogen-Flashback«, sagt sie trocken.
»Ich bitte um Verständnis, dass ich das anders sehe.«
Sie verliert das letzte winzige bisschen Geduld, das sie offenbar noch hat. »Du kommst uns besuchen«, faucht sie. »Es ist alles vorbereitet. Wir schicken dir einen Jet, und zwar …«
»Wie bitte? Einen Jet?«
»… und zwar Freitagabend.«
Abrupt setze ich mich auf. Der Raum beginnt, sich zu drehen. Mit dem ganzen Ehe-Nonsens hat sie mein Hirn ausgekugelt. »Warte, meinst du diesen Freitag? Also in drei Tagen?«
»Ja.«
»Sloane, ich habe einen Job! Ich kann nicht einfach losdüsen nach … Wohin würde ich mit diesem Jet, den du schickst, denn fliegen?«
Sie zögert. »Das kann ich dir nicht sagen.«
»Verstehe«, sage ich trocken. »Das erklärt einiges.«
»Hör auf, so verflucht anstrengend zu sein, Riley, und sag, dass du kommen wirst! Ich versuche, eine gute Schwester zu sein! Ich will, dass wir uns wieder annähern. Ich weiß, dass es schwer war nach Moms Tod und wir nie wirklich … du weißt schon …«
»Freundinnen ist das Wort, dass du suchst«, sage ich bitter.
Sie zieht scharf die Luft ein. »Okay, stimmt. Aber das würde ich gerne ändern. Bitte gib mir eine Chance.«
Es folgt ein weiteres »Bitte«.
Völlig durcheinander lege ich mich wieder hin. Wer auch immer dieser Kerl ist, den sie heiratet, er muss es wirklich draufhaben, um die weltgrößte Schlampe in so einen Softie zu verwandeln.
Spontan beschließe ich, dass ich ihn kennenlernen muss. Ich wette, er rührt Valium in ihren Morgenkaffee, dieses teuflische Genie! Und ihren Nachmittagswein verfeinert er mit Xanax!
Himmel, warum ist mir das nicht eingefallen?
»Okay, Sloane, ich bin dabei. Bis Freitag dann.«
Sie quietscht vor Aufregung. Ich halte den Hörer von meinem Ohr weg und starre ihn an.
Ich habe keine Ahnung, was passiert sein könnte, außer dass Aliens ganz offensichtlich meine Schwester entführt und sie durch einen wahnsinnigen Ehefrauen-Roboter ersetzt haben.
Dieser Trip wird interessant.
Freitagabend sitze ich im VIP-Wartebereich am Privatjet-Terminal des San Francisco International Airport und sehe mich um. Voller Ehrfurcht, aber ich versuche, es mir nicht anmerken zu lassen.
Bis jetzt habe ich zwei Celebritys gesichtet, habe an der Bar ebenso viele Wodka-O aufs Haus getrunken, Blinis mit Kaviar und Crème fraîche von einer lächelnden Lounge-Hostess entgegengenommen und eine Ganzkörpermassage von dem lächerlich großen Ledersessel erhalten, in dem ich sitze.
Auf Knopfdruck fängt er an, überall zu vibrieren.
Noch ein Wodka-O mehr, und ich laufe Gefahr, das Ding zu reiten.
Eine Limousine hat mich bei meinem Apartment abgeholt. Als ich am separaten Privatjet-Terminal am Flughafen angekommen bin, wurde ich von einem ansehnlichen jungen Mann umgehend in die VIP-Lounge geführt. Es gab keine Transportsicherheitsbehörde, keine Schlange vor der Sicherheitskontrolle und kein Schuheausziehen. Mein Gepäck wurde für den Flug eingecheckt, ohne dass ich irgendwas anderes dafür tun musste, als einer netten Dame am Schalter meinen Namen zu nennen.
Geld hat mich nie beeindruckt, aber ich fange an zu glauben, dass ich damit falschlag.
Der hübsche junge Mann kommt wieder und weist mich mit einem umwerfenden Lächeln darauf hin, dass mein Flugzeug bereitsteht. Er zeigt zu einer glänzenden weißen Maschine, die draußen in der Mitte der asphaltierten Landebahn langsam in ihre Halteposition rollt.
»Bitte folgen Sie mir.«
Ich trotte hinter ihm her, als wir das Gebäude verlassen und auf den Jet zugehen, und frage mich, ob sie mich aus dem verdammten Ding schmeißen werden, weil ich Flipflops und Jogginghose trage.
Wenn sie es tun, dann auch egal. Das Leben ist zu kurz, um unbequeme Hosen zu tragen.
Das Innere des Flugzeugs ist schicker als jedes Hotel, in dem ich je war. Ich mache es mir in einem Sitz aus butterweichem Leder bequem und schüttle meine Flipflops ab.
Eine strahlende Flugbegleiterin kommt auf mich zu und beugt sich über meinen Sitz. »Guten Abend!«
»Hi.«
»Mein Name ist Andrea. Ich kümmere mich heute um Sie.«
Diese Andrea ist wirklich attraktiv. Wenn ich ein Kerl wäre, würde ich bereits darüber nachdenken, wie sie sich »um mich kümmern« könnte.
Der Gedanke ist erschreckend. Zehn Sekunden in einem Privatjet, und ich bin bereits korrumpiert. Wie gut, dass ich keinen Schwanz habe. Ich würde damit sonst wahrscheinlich schon vor dem Start im Gesicht dieser armen Frau herumwedeln.
»Ähm … danke schön?«
Sie lächelt angesichts meiner fragenden Miene. »Erstes Mal, dass Sie in einem Privatjet fliegen?«
»Mhm.«
»Sie werden es genießen. Falls Sie irgendetwas brauchen, lassen Sie es mich wissen. Wir haben eine voll bestückte Bar und eine große Auswahl an Essen und Snacks. Möchten Sie eine Decke?« Als ich zögere, fügt sie hinzu: »Die sind aus Kaschmir.«
Ich schnaube. »Nur Kaschmir? Ich hatte auf Baby-Alpaka gehofft.«
»Wir haben auch Vikunja, wenn Sie das bevorzugen«, sagt sie, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Was ist Vikunja?«
»Ein Lama-artiges Tier aus Peru. Sie sehen ein bisschen wie Kamele aus, sind aber süßer. Ihre Wolle ist die weichste und teuerste auf der Welt.«
Sie meint das ernst. Die Lady bescheißt mich wirklich nicht.
Für einen Augenblick starre ich sie nur mit offenem Mund an, dann lächle ich. »Wissen Sie was? Ich werde einfach das gute alte Kaschmir nehmen, danke.«
Sie erwidert das Lächeln auf eine Weise, als hätte ich gerade ihre ganze Woche gerettet. »Natürlich! Etwas zu essen oder zu trinken, bevor wir abfliegen?«
Ach, zur Hölle. Ich bin im Urlaub.
»Haben Sie Champagner?«
»Selbstverständlich. Bevorzugen Sie Dom Perignon, Cristal, Taittinger oder Krug?« Sie wartet auf meine Entscheidung, als hätte ich irgendeine Ahnung. »Mister O’Donnell bevorzugt den Krug Clos d’Ambonnay«, schlägt sie dann vor.
Ich ziehe die Augenbrauen zusammen. »Wer ist Mister O’Donnell?«
»Der Besitzer dieses Flugzeugs.«
Ah! Mein zukünftiger Schwager. Ein Ire, so wie es klingt. Ein augenscheinlich wirklich reicher Ire. Er ist wahrscheinlich neunzig Jahre alt und hat Demenz und keine Zähne.
Fürs Geld macht meine Schwester echt alles.
Ich sage der Flugbegleiterin, dass ich den Krug nehme, dann frage ich sie, wohin auf der Welt wir fliegen.
»Ich habe wirklich keine Ahnung«, sagt sie leichthin und mit unverstellter Miene.
Dann dreht sie sich um und geht, als wäre das alles absolut normal.
Neun Stunden später habe ich zwei Flaschen Champagner geleert, drei Bruce-Willis-Filme sowie eine Doku über berühmte Drummer geschaut und ein Nickerchen unbestimmter Länge gemacht. Jetzt lümmle ich schräg in meinem Sitz und sabbere mein Sweatshirt voll. Da kehrt Andrea zurück, um mich freudig darüber zu informieren, dass wir bald landen.
»Lassen Sie mich raten. Sie wissen immer noch nicht, wo wir sind.«
»Selbst wenn ich es wüsste, Miss Keller, könnte ich es Ihnen nicht sagen.«
Ihre Antwort ist freundlich, aber ihr Gesichtsausdruck besagt unzweifelhaft, dass ihr Job in Gefahr wäre, wenn sie es riskierte, etwas auszuplaudern.
Oder vielleicht etwas Wichtigeres als ihr Job … Etwas wie ihr Leben.
Aber vielleicht sprechen hier auch nur die zwei Flaschen Champagner aus mir.
Als sie den Gang hinunter verschwindet, schiebe ich die Fensterblende nach oben und spähe hinaus. Über uns blauer Himmel. Unter uns sanfte grüne Hügel. In einiger Entfernung schimmert ein langer Streifen blaues Wasser in der Nachmittagssonne.
Das ist ein Ozean. Der Atlantik? Der Pazifik? Vielleicht der Golf von Mexiko?
Das Flugzeug setzt zur Landung an. Es scheint, dass wir eine Insel vor der Küste ansteuern.
Während ich den Boden näher kommen sehe, habe ich eine dunkle, kraftvolle Vorahnung, dass es, wo auch immer es hingeht, keinen Weg zurück gibt.
Später werde ich mich an das Gefühl erinnern und bewundern, wie treffend es war.
Kage
Der Mann, der vor meinem Schreibtisch steht, ist groß, klobig und still. Komplett in Schwarz gekleidet, inklusive eines schweren wollenen, mit Perlschnüren aus Regentropfen bedeckten Mantels, starrt er mich mit einem emotionslosen Blick an, der irgendwie vermittelt, dass er zu extremer Gewalt fähig ist.
Vielleicht denke ich das aber auch nur wegen seines Rufs. Das ist das erste Mal, dass wir uns treffen, aber in der Bratva ist der Mann eine Legende.
Fast so legendär wie ich.
»Setz dich, Malek«, sage ich auf Russisch und deute auf den Stuhl neben ihm. Ablehnend schüttelt er den Kopf, was mich wütend macht. »Das war kein Vorschlag.«
Seine grünen Augen funkeln. Ein Muskel zuckt an seinem Kiefer. Kurz ballt er seine großen Hände zu Fäusten, dann streckt er die Finger wieder aus, als ob er etwas zerschmettern will. Schnell hat er seine Wut jedoch wieder unter Kontrolle und setzt sich.
Offensichtlich mag er es genauso wenig wie ich, Befehle zu erhalten.
Eine Weile starren wir uns stumm an. Die Uhr an der Wand tickt unheilvoll wie der Countdown vor einer Explosion.
Keine höfliche Begrüßung. Kein netter Small Talk. Keine Anstrengung, sich miteinander vertraut zu machen. Er sitzt lediglich da und wartet, geduldig und stumm wie eine Sphinx.
Ich ahne, dass wir ewig so weitermachen könnten, deshalb fange ich an. »Mein herzliches Beileid zu deinem Verlust. Dein Bruder war ein guter Mann.«
»Ich will nicht dein Mitgefühl«, antwortet er auf Englisch. »Ich will, dass du mir sagst, wo ich den Mann finden kann, der Mikhail umgebracht hat.«
Ich bin überrascht, dass er nicht die Spur eines Akzents hat. Seine Stimme ist leise und ruhig, ebenso emotionslos wie seine Augen. Einzig das Pulsieren an der Seite seines Halses beweist, dass er ein Mensch ist.
Noch überraschter bin ich, dass er es wagt, mit solch völliger Missachtung zu mir zu sprechen.
Nur wenige sind so dumm.
Meine Stimme ist so kalt wie mein Blick. »Wenn du die Erlaubnis willst, in meinem Territorium zu agieren, dann rate ich dir, mir Respekt zu zollen.«
»Ich brauche deine Erlaubnis nicht. Ich zolle niemandem Respekt, bevor er nicht verdient wurde. Und ich bin nur hier, weil man mir gesagt hat, dass du derjenige mit der Information bist, die ich brauche. Wenn das nicht stimmt, dann verschwende nicht meine Zeit und sag es.«
Zornig knirsche ich mit den Zähnen und betrachte ihn.
Normalerweise würde ich einen Mann für diese Art von Respektlosigkeit erschießen. Aber ich habe schon zu viele Feinde. Das Letzte, was ich brauche, ist eine Bratva-Armee aus Moskau, die in Manhattan einfällt mit der Absicht, meinen Kopf von meinem Körper zu trennen, weil ich den berüchtigten Hangman, den Henker, beerdigt habe, der für ihren König arbeitet.
Nicht, dass sie es schaffen würden. Nicht mal dieses massive bärtige Arschloch, das mir gegenübersitzt, ist mir gewachsen. Wenn ich mich dazu entscheiden würde, ihn zu töten, hätte er keine Chance.
Hinzu kommt: Wenn er Declan O’Donnell – Kopf der irischen Mafia und ein Mann, den ich sehr gerne tot sehen würde – ausschaltet, täte er mir damit einen Gefallen.
Aber trotzdem.
Mein Haus, meine Regeln.
Und Regel Nummer eins ist, mir Respekt zu erweisen oder auf dem Teppich auszubluten, Motherfucker.
Meine Stimme ist bedrohlich leise. »Die Iren haben meine Eltern und meine beiden Schwestern umgebracht. Wenn ich also sage, dass ich weiß, wie du dich fühlst, dann erzähl ich keinen Scheiß. Aber wenn du dich weiterhin wie eine Pussy ohne Manieren verhältst, werde ich dich in tausend blutigen Einzelteilen nach Moskau zurückschicken«, sage ich und halte seinen Blick.
Es folgt ein kurzer Moment der Stille. »Du weißt, was passiert, wenn du das tust.«
»Ja. Frag mich, wie sehr mir das am Arsch vorbeigeht.«
Er mustert mein Gesicht, wägt seine Worte ab. Ein Hauch Wärme taucht in seinen Augen auf, erstirbt aber sogleich wieder, wird von Dunkelheit verdrängt.
Er nickt ernst. »Verzeihung. Mikhail war mein einziger Bruder. Die einzige Familie, die ich noch hatte.« Er dreht den Kopf, sieht aus dem Fenster in die regnerische Nacht und schluckt. Als er mich wieder ansieht, presst er die Zähne aufeinander und hat einen mörderischen Blick drauf. »Alles, was mir jetzt noch bleibt, ist Rache«, sagt er heiser.
Es ist ziemlich eindeutig: Malek wird Declan O’Donnell wünschen lassen, dass er nie geboren worden wäre.
Aufgemuntert durch diesen Gedanken lächle ich. »Entschuldigung angenommen. Lass uns trinken.«
Aus der untersten Schublade meines Schreibtisches hole ich eine Flasche Wodka und zwei Gläser hervor. Ich gieße beide voll und reiche Malek eines. Er nimmt es und nickt zum Dank.
Ich erhebe mein Glas. »Za zdorovie.«
Er kippt den Wodka in sich rein, leert das Glas in einem einzigen Zug. Dann stellt er es auf den Rand meines Schreibtisches und lehnt sich in seinem Stuhl zurück, die tätowierten Hände auf seine massiven Oberschenkel gelegt.
»Also … der irische Bastard. Wo ist er?«
»Ich werde dir seine letzte bekannte Adresse geben, aber von dort hat er sich in Luft aufgelöst. Im Moment ist er ein Phantom.«
Ich offenbare nicht, dass mein Kontakt beim FBI auch keine Ahnung hat, wohin Declan verschwunden ist. Oder dass ich Declans früheren Boss, Diego, in einem meiner Lagerhäuser nahe den Docks als Geisel halte.
Nicht nötig, jede Karte zu zeigen, die ich auf der Hand habe.
Dieser verbohrte Hund Diego hat sich bislang sowieso geweigert, irgendeine brauchbare Information rauszurücken. Aber wenn jemand etwas aus ihm herausbekommt, dann bin ich das.
Ich will verdammt sein, wenn ich meinen Gefangenen diesem arroganten dahergelaufenen Schnösel übergebe.
»Kein Problem«, sagt Malek. »Gib mir einfach, was immer du hast. Ich werde ihn finden.«
Das bezweifle ich nicht. Er sieht aus, als würde er jede Stadt auf dieser Erde niederbrennen, wenn das notwendig wäre, um Declan aufzuspüren. Es gibt niemanden, der zielstrebiger ist, als ein Mann, der auf Blutrache aus ist.
Wir diskutieren ein paar weitere Details, die bei seiner Suche hilfreich sein könnten, bevor ich ein Thema anspreche, von dem ich weiß, dass es heikel sein wird.
»Er ist in Begleitung einer Frau. Sie darf auf keinen Fall zu Schaden kommen.« Aufmerksam beobachte ich seine Reaktion. Er sagt nichts, aber in seinem Schweigen spüre ich den Widerstand. »Das ist nicht verhandelbar. Sollte sie auch nur den geringsten Kratzer abbekommen, bist du tot.«
Er zieht die Brauen zusammen. »Seit wann kümmern den Reaper, den berüchtigten Sensenmann, denn Kollateralschäden?«
Ich zögere, weil ich genau weiß, wie fatal das, was ich sagen werde, klingt. »Sie gehört zur Familie.«
Während einer erdrückenden halben Minute der Stille lässt er die Information sacken. »Familie«, wiederholt er dann langsam.
»Es ist kompliziert.«
»Entkompliziere es für mich.«
Ich ignoriere den Drang, die Glock aus der obersten Schreibtischschublade zu ziehen und ein schönes fettes Loch in seinen Schädel zu pusten. Stattdessen schenke ich uns noch einen Wodka ein. »Meine und Declans Frau sind dicke miteinander.«
Ungläubig zieht er eine seiner dunklen Augenbrauen hoch.
Am liebsten würde ich ihm diese Augenbraue in einem Stück abreißen und ihm in den Hals stopfen. Scheiße, Mann, dieser Pisser ist echt nervig.
»Sie sind Sandkastenfreundinnen. Aus einer Zeit, die ganz offensichtlich vor unserer aktuellen Situation liegt«, erkläre ich mit zusammengebissenen Zähnen.
Malek trinkt seinen Wodka, bevor er antwortet. »Wie ungünstig.«
»Du hast ja keine Ahnung.«
»Was, wenn es wie ein Unfall aussieht?«
»Wenn die Frau des Iren nicht steinalt wird – aus welchen Gründen auch immer –, werde ich dafür zur Verantwortung gezogen.«
Wir starren einander an.
»Von deiner Frau«, sagt er dann.
»Ja.«
Er schweigt kurz. »Sie wird drüber hinwegkommen.«
Mein Lächeln ist düster. »Du kennst Natalie nicht.«
Er beginnt, verwirrt auszusehen. »Also bist nicht du, sondern sie der Kopf dieser Familie?«
Ihm bleiben nur noch zehn Sekunden Lebenszeit, und die Uhr läuft.
»Ich schließe daraus, dass du nicht verheiratet bist«, sage ich bissig.
Er zieht eine Grimasse. »Natürlich nicht.«
»In einer Beziehung?«
»Soll das ein Witz sein?«
»Dann kannst du es unmöglich verstehen.«
Er schaut sich im Zimmer um, als suche er jemand Vernünftigeren, mit dem er reden kann.
»Du musst es nicht verstehen, Malek. Du musst dich nur an den Auftrag halten.«
»Es klang mehr wie ein Befehl.«
Ich lächle grimmig. »Nenn es, wie du willst. Die Folge von Ungehorsam wird die gleiche sein: Tod. Ich werde ihn langsam und schmerzhaft gestalten.«
Die Stille zwischen uns ist bis zum Äußersten gespannt.
»Es ist lange her, dass mir jemand gedroht hat«, sagt er schließlich.
»Das glaube ich. Es ist nichts Persönliches.«
»Natürlich ist es was Persönliches!«
»Wie ich schon gesagt habe: Du kannst das nicht verstehen. Leg dir eine Verlobte zu, und es wird dir klarer werden.«
Ich muss zugeben, der ungläubige Ausdruck auf seinem Gesicht ist abartig befriedigend.
Er braucht einen Moment, um seine Gedanken zu sortieren. Während er sich mit einer Hand über seinen dunklen Bart streicht, betrachtet er mich mit berechnendem Blick. Höchstwahrscheinlich wägt er ab, wie er mich am liebsten killen würde, aber ich warte einfach, bis er sich entschieden hat, welche Richtung dieses Gespräch nehmen soll.
»Eine Verlobte also. Ich schätze, dass Glückwünsche angebracht sind.«
Mehr als diese Art von Eingeständnis, dass er keinen Angriff auf mein Leben vorhat und auch Sloane verschonen wird, wenn er Declan tötet, werde ich wohl nicht bekommen, also lächle ich. »Danke. Du bist natürlich zur Hochzeit eingeladen.«
Er sieht aus, als würde er sich lieber lebendig grillen und an wilde Hunde verfüttern lassen, aber endlich zeigt er mir gegenüber ein paar Manieren. »Es wäre mir eine Ehre«, sagt er feierlich.
Wir stoßen mit einem weiteren Glas Wodka darauf an. Anschließend sprechen wir noch kurz, und ich gebe ihm ein Foto von Declan und eines von Sloane. Er steckt beide in seine Manteltasche. Dann steht er plötzlich auf und teilt mir mit, dass er fortmüsse.
Ohne ein Abschiedswort dreht er sich um und geht zur Tür.
»Malek!«
Die Hand schon auf dem Türknauf, hält er inne und sieht zu mir zurück.
»Schade auch keiner anderen Frau, während du unterwegs bist.«
Er sieht mich auf diese stumme, nervtötende Art an, die bewirkt, dass ich zur nächstbesten Machete greifen und sie ihm in den Hals rammen will, nur um eine Reaktion von ihm zu bekommen.
»Töte einfach keine verdammten Frauen, die vielleicht in der Nähe sind, wenn du deinen Job erledigst, in Ordnung?«
»Was macht das für einen Unterschied?«
»Dann kann ich nachts besser schlafen.«
»Aus diesem Grund sollten Männer in unserem Business allein bleiben, Kazimir. Frauen machen einen weich«, sagt er mit Verachtung in der Stimme.
Bevor ich ihn erschießen kann, ist er verschwunden.
Auf dem Schreibtisch klingelt mein Handy. Das Display sagt mir, dass es Sergey ist, ein verlässliches Mitglied meiner Truppe. Ich gehe ran und warte darauf, dass er spricht. Als er es tut, ist seine Stimme angespannt.
»Wir haben hier ein Problem.«
»Nämlich?«
»Ein Feuer.« Er macht eine bedeutungsschwere Pause. »Im Lagerhaus.«
Er meint das Lagerhaus, in dem ich Diego gefangen halte. »Wie schlimm ist es?«
»Keine Ahnung. Ich hab gerade den Anruf der Gebäudesicherheit bekommen. Ich bin auf dem Weg. Die Feuerwehr ist schon ausgerückt.«
»Du musst zuerst dort sein und ihn rausholen. Ich will ihn lebend, verstanden?«
»Da«, antwortet er auf Russisch.
»Ruf mich an, wenn du ihn hast.«
Sergey murmelt zustimmend und legt auf, während ich bereits über die tausend Arten nachgrüble, wie diese Sache schiefgehen könnte.
Und darüber, ob Malek vielleicht recht hatte, als er meinte, dass Frauen uns weich machen.
Mein altes Ich hätte Diego schon vor Wochen eine Kugel in den Kopf verpasst. Mein altes Ich hätte auch keine Gewissensbisse gehabt, wenn einer meiner Feinde in einem Feuer gestorben wäre. Mein altes Ich – die Person, die ich war, bevor ich Natalie kennengelernt habe – hätte den Gedanken an einen vor Höllenqualen schreienden Diego, der bei lebendigem Leib verbrennt, höchst amüsant gefunden.
Aber mein neues Ich? Nicht so richtig.
»Mist, Mist, Mist«, murmle ich. »Als Nächstes komme ich noch selbst angerannt und versuche, Diego zu retten.«
Bei der Vorstellung lache ich leise, gieße mir einen weiteren Wodka ein und trinke ihn in einem Zug.
Dann schnappe ich mir meine Schlüssel und eile zum Lagerhaus, wobei ich dieses schreckliche neue Gewissen verfluche, das in mir heranreift, seit ich mich verliebt habe.
Riley
Als sich die Kabinentür öffnet, blinzle ich gegen das helle Licht an. Wir sind an einem weiteren Flughafen, verglichen mit dem in San Francisco ist dieser hier jedoch winzig klein. Es gibt ein paar Nebengebäude und eine Handvoll andere Privatflugzeuge, aber nur eine Hauptlandebahn und keine Linienmaschinen.
Wo auch immer wir hier sind, es ist klein und exklusiv.
Und es herrscht eine höllische Luftfeuchtigkeit. Mein Haar habe ich zu einem Pferdeschwanz gebunden, aber ich kann bereits spüren, wie es sich lockt.
Ein glänzender schwarzer Range Rover mit getönten Scheiben und funkelnden Felgen wartet an der Landebahn. Der Fahrer steigt aus, als er mich oben an der Flugzeugtreppe erblickt. Er trägt einen schwarzen Anzug, der im Bereich seines Schritts so eng sitzt, dass es beinahe pornografisch ist.
Obwohl … Wenn ich so ein heißes Paket zwischen meinen Beinen hätte, würde ich meine Anzüge auch maßschneidern lassen, um damit anzugeben. Holla die Waldfee, dieser Kerl ist gut bestückt!
Ich lächle und versuche, Augenkontakt zu halten und nicht auf seine Kronjuwelen zu gaffen, während ich diesem gut ausgestatteten Vertreter der Männlichkeit entgegengehe und meine Hand ausstrecke. »Hi, ich bin Riley.«
Der Hottie schüttelt meine Hand mit solchem Ernst, als wären wir beide Weltpolitiker auf einem UN-Diplomatentreffen, das entscheidend für die Rettung der Menschheit ist. Er hat dunkelblondes Haar, umwerfende haselnussbraune Augen, ein Spinnennetztattoo an der Seite seines Halses und einen so prächtigen Kiefer, dass man einfach nur dahinschmelzen möchte.
Außerdem hat er eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit dem Marvel-Comichelden Thor, dem nordischen Gott des Donners.
»Hallo, Riley. Es freut mich, dich kennenzulernen.«
Okay, die Welt ist wirklich ungerecht, denn Thor ist nicht nur ein Eisprung auslösender Sexgott, er hat noch dazu einen irischen Akzent, der hot as fuck ist.
Ich wette, Sloane heiratet den O’Donnell-Typen wegen des Geldes, hat aber nebenbei was mit dem Thor-Kerl laufen.
Ein guter Plan, auch wenn ich es hasse, das zuzugeben.
»Freut mich ebenfalls. Wie heißt du?«
»Spider.«
Ich verziehe das Gesicht. »Spider? Nein, deine Mutter hat dich nicht so genannt. Wie ist dein richtiger Name?«
Eine Sekunde des Schweigens entsteht, in der es so aussieht, als versuche er, nicht zu lächeln. »Homer.«
»Echt? Das ist so cool! Ich habe noch nie jemanden getroffen, der nach einem antiken griechischen Poeten benannt ist.«
Er senkt den Kopf und mustert mein Gesicht mit solch einer Intensität, dass es mich aus der Fassung bringt.
»Hab ich was Falsches gesagt?«
»Nein.«
»Warum schaust du mich dann so an?«
»Deine Schwester hat genau das Gleiche über meinen Namen gesagt, als wir uns kennengelernt haben. Fast wortwörtlich.«
»Oh. Ähm, merkwürdig.«
»Aye.«
O mein Gott, Iren sagen tatsächlich »Aye«. Das ist so heiß! Hör auf, auf seinen Schritt zu starren.
»Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich es trotzdem bevorzugen, dass du mich Spider nennst. Die meisten Jungs kennen meinen richtigen Namen nicht.«
Die Erwähnung der »Jungs« lässt mich aufhorchen. Wenn es dort, wo wir hinfahren, noch mehr Spiders gibt, dann ziehe ich meinen Urlaub unendlich in die Länge.
Ich grinse ihn an. »Na klar. Du kannst dich auf mich verlassen, ich lass nichts durchsickern. Ich bin gut darin, Geheimnisse zu wahren.«
Er wirft mir einen nicht zu deutenden Blick zu, dann dreht er sich um, um meine Tasche entgegenzunehmen, die ein Flughafenmitarbeiter zu uns herüberträgt. Spider wirft die Tasche in den Kofferraum des SUVs, öffnet die hintere Tür für mich und wartet, dass ich einsteige. Dann schlägt er sie zu und setzt sich hinters Steuer.
Wir fahren so schwungvoll an, dass ich in den Sitz gedrückt werde.
»Befinden wir uns auf einer Verfolgungsjagd, von der ich nichts weiß?«
»Nein. Warum?«
Der SUV brettert mit quietschenden Reifen um eine Kurve. Jetzt werde ich zur Seite geworfen und schlage mir beinahe den Kopf am Fenster an.
»Ach, nur so. Ein Schädelbruch war eigentlich nicht Teil meines Reiseplans.«
Er wirft mir im Rückspiegel einen Blick zu und runzelt die Stirn. Dann nimmt er eine weitere Kurve so schnell, dass ich mich am Türgriff festklammern muss, um nicht durch das Rückfenster zu brechen und wie eine Rakete in den Weltraum katapultiert zu werden.
»Junge, würdest du mal runterkommen? Ich werde hier hinten hin und her geworfen wie ein Beachvolleyball beim Electric Daisy Carnival!«
An seinem Gesichtsausdruck kann ich erkennen, dass er die Anspielung nicht versteht. Aber er verringert die Geschwindigkeit und fährt jetzt wenigstens keine tausend km/h mehr, also versteht er vermutlich den Grundgedanken, dass ich keine bin, die auf aggressives Geschwindigkeitsgeprahle steht.
»Danke. Puh …«
Wir fahren eine Weile, ohne zu reden.
Ich widerstehe dem Drang, ihn mit Fragen zu löchern, vor allem, weil ich Angst habe, sein irischer Akzent könnte bewirken, dass mein Höschen sich in Luft auflöst.
Doch nachdem Spider mir im Rückspiegel ungefähr vierhundert neugierige Blicke zugeworfen hat, seufze ich schwer und richte meine Brille. »Ich weiß, meine Schwester und ich sehen uns nicht ähnlich.«
»Aber ihr habt den gleichen Biss.«
»Biss?«
»Frechheit. Selbstbewusstsein.«
»Moment! Niemand auf der Welt hat Sloanes Selbstbewusstsein.«
Er gluckst. »Außer vielleicht ihr Mann.«
Ich wollte eigentlich keine Fragen stellen, aber meine Neugier siegt. »Du meinst ihren Verlobten? Den reichen, älteren Mister O’Donnell?«
Er blickt grimmig drein. »Zweiundvierzig ist nicht sonderlich alt, Mädchen.«
Er hat recht. Auch wenn er ein gutes Stück älter ist als Sloane, zweiundvierzig ist kein Alter.
Aber wichtiger: »Mädchen« genannt zu werden, ist mein neuer Lieblings-Kink.
Ich lehne mich nach vorne an den Beifahrersitz und bewundere Spiders schönes Profil. Nach einem Moment wirft er mir einen fragenden Blick zu.
»Sorry, ich versuche nur gerade, mir vorzustellen, wie es sein muss, durch die Welt zu gehen und so auszusehen.«
»Wie auszusehen?«
»Du weißt schon.« Ich wedle mit der Hand, um seine Attraktivität zu umfassen. »Na, so.«
»Ich versteh nicht, was du meinst.«
Lustigerweise scheint er es ernst zu meinen. Seine Miene spiegelt ehrliche Verwirrung wider. Aber wie ist das möglich? Wenn ich umwerfend wäre, würde ich es sicher wissen.
So wie Sloane es von sich weiß.
Mir kommt in den Sinn, dass Spider vielleicht nicht die hellste Kerze auf der Torte ist. Eventuell braucht er etwas mehr Erklärung.
»Was ich meine, ist, dass du sehr ansehnlich bist.«
Erstaunt stelle ich fest, wie seine Wangen hochrot anlaufen.
Er verneint stammelnd, ohne dass seine Worte irgendwie Sinn ergeben, richtet seine Krawatte und starrt geradeaus durch die Windschutzscheibe, wobei er komisch blinzelt.
Ooooh, er ist verlegen! Umwerfend, gut bestückt und verlegen!
Ich will nichts lieber, als auf seinen Schoß zu krabbeln, aber stattdessen lächle ich nur. »Du musst ziemlich beliebt sein bei den Frauen, Spider.«
Noch mehr Gestammel. Schließlich kann er sich genug sammeln, um steif zu sagen: »Für eine Beziehung habe ich keine Zeit.«
Darüber muss ich lachen. »Erwischt! An deiner Stelle wäre ich auch ein Player. Warum all die Kekse in der Dose behalten, wenn du sie überall in der Stadt verteilen und jede glücklich machen kannst?«
»Bist ja vollkommen durchgedreht«, sagt er unwirsch.
»Ach komm, sei nicht böse. Das war ein Kompliment.«
»Fühlt sich aber nicht so an.«
»Würdest du es bevorzugen, wenn ich sage, dass du unattraktiv und abstoßend bist? Kein Problem, ich kann auch gerne deine charmante Wahnvorstellung unterstützen, dass du nicht außerordentlich gut aussehend bist. Das ist zu süß.«
Jetzt ist sein ganzes Gesicht rot. Knallrot, vom Rand seines gestärkten weißen Kragens bis zu den Spitzen seiner Ohren.
Dieser Typ ist unfassbar anziehend.
Ich lasse mich gegen die Rückenlehne fallen und seufze schwer. »Okay, genug davon. Wie wär’s, wenn du mir sagst, wo wir sind?«
»Bermuda.«
Mir fallen beinahe die Augen aus dem Kopf. Bermuda? Kein Wunder, dass die Luft so feucht ist.
»Nur übergangsweise«, sagt er, als er meinen Gesichtsausdruck bemerkt. »Wir waren vorher auf Martha’s Vineyard, aber da gab’s … äh …« Er zieht eine seltsame Grimasse. »Das soll deine Schwester dir erklären.«
Hm. Der Plot wird immer interessanter.
»Wurdet ihr durch den Ansturm von Sloanes Bewunderern, die euch die Tür eingerannt haben, von Martha’s Vineyard vertrieben? Ich wette, es ist schwer für ihren Verlobten, damit umzugehen, dass jeder Kerl vor ihr auf die Knie geht.«
Er schweigt kurz. »Neid steht dir nicht«, erwidert er dann leise.
Das nimmt mir den Wind aus den Segeln. Ich sehe aus dem Fenster auf die vorbeiziehende Landschaft, und meine Wangen brennen vor Scham.
Eine Weile fahren wir ohne ein Wort, bis ich widerwillig gestehe: »Wann immer sie zugegen ist, blicken die Leute durch mich hindurch, als wäre ich Luft.«
»Dann sind sie beschissene Deppen.«
Er ist nett zu mir, weil ich ihm so überschwänglich Komplimente gemacht habe.
Aber egal. Ich nehme, was ich kriegen kann.
»Danke, Spider. Du bist nicht nur sehr heiß, sondern auch sehr lieb«, sage ich mit einem Lächeln.
Seine Ohren verfärben sich in ein dunkles Purpurrot.
Dann biegen wir auf einen langen Privatweg ein, und ich werde durch die Größe des Eisentors abgelenkt. Es ist riesig und öffnet sich langsam und mit einem Quietschen, um uns durchzulassen. Links und rechts ist das Tor eingerahmt von hohen Steinmauern und einem dichten Hain, der den Blick auf das, was dahinterliegt, verdeckt.
Als ich die Sicherheitskameras entdecke, die oben auf den Mauern angebracht sind, und die bewaffneten Wachen, die zwischen den Bäumen hervorspähen, ziehe ich die Stirn kraus.
»Spider?«
»Aye, Mädchen?«
»Ist der Verlobte meiner Schwester berühmt?«
Seine Mundwinkel zucken. »So was in der Art.«
»Sei nicht so kryptisch. Ich werde nervös, wenn Menschen kryptisch sind.«
»Mister O’Donnell ist … ein mächtiger Mann.«
Sein Zögern macht mich noch hibbeliger. »Wie, ›mächtig‹? Ist er ein Politiker oder so?«
Er schnaubt. »Politiker wünschen sich, sie hätten seine Macht.«
»O Gott. Das klingt erschreckend. Ist er ein Oberbösewicht?«
»So weit würde ich nicht gehen.« Sein Lächeln ist schmal und geheimnisvoll.
»Also ist er einer von den Guten?«
Er zuckt mit den Schultern. »Kommt drauf an, wen du fragst.«
»Dein Ernst? Du bringst mich noch um!«
Anscheinend findet er meine aufkeimende Panik witzig, denn er beginnt zu glucksen. »Ist nicht an mir, dir mehr zu sagen, Mädchen. Aber keine Sorge. Du wirst hier in Sicherheit sein.«
Wir fahren an einem Typen mit einem schwarzen Maschinengewehr vorbei. Er kauert im Gebüsch und beobachtet uns mit zusammengekniffenen Augen. Als wir ihn passiert haben, hebt er eine Hand an den Mund und spricht in etwas, das aussieht wie seine Armbanduhr, aber wohl offensichtlich ein Funkgerät ist.
Wie ein Spion. Oder wie der Scherge eines Oberbösewichts.
»O ja, ich fühl mich schon jetzt total sicher«, sage ich trocken. Dann schnappe ich nach Luft. »Wow. Ist das unser Hotel? Das ist ja riesig!«
Als Spider mir nur mit einem weiteren Kichern antwortet, kapiere ich.
»Heilige Scheiße! Ist das sein Haus?«
»Genau.«
Ich starre auf das weitläufige Steinhaus oben auf dem Hügel. Ich habe schon kleinere Schlösser gesehen. »Das ist ein Haus? Für eine Person?«
»Mit Sloane zwei.«
Ich werfe ihm einen beleidigten Blick zu. »Du machst dich über mich lustig.«
»Würde ich nie tun.«
Er versucht, Unschuld vorzuheucheln, scheitert aber komplett. Ich gebe ihm einen Knuff gegen die Schulter.
»Aua! Kein Grund, gewalttätig zu werden, Mädel! Bist ja schlimmer als ’ne wild gewordene Maus!«
Jetzt lacht er nur noch mehr, der Mistkerl. »Ich steck dir gleich eine wild gewordene Maus in den Hintern, Mister«, murmle ich.
Seine Schultern beben, er hat die Lippen aufeinandergepresst, seine Augen leuchten, und ich bin kurz davor, ihm richtig eine zu verpassen.
Was ich dann aber doch nicht tue, denn ich entdecke Sloane, die aus dem gewaltigen hölzernen Eingangsportal des Hauses tritt. Ihr folgt ein Mann, bei dessen Anblick mir die Kinnlade runterfällt.
Groß, breitschultrig, lässig wie Mick Jagger und mit nachtschwarzen Haaren, kobaltblauen Augen und dem durchtriebenen, anmaßenden Grinsen eines Piratenkönigs.
Der Mann ist so schön, dass sicherlich sogar der Teufel eifersüchtig ist.
»Das ist ihr Verlobter?«, presse ich hervor.
Spider klingt stolz, als er antwortet. »Aye. The one and only Declan O’Donnell.«
Declan O’Donnell.
Himmel, selbst sein Name ist attraktiv. Dagegen sieht mein letzter fester Freund wie Shrek aus.
Sobald dieser Urlaub vorbei ist, nehme ich einen Direktflug nach Irland.
Als der SUV zum Stehen kommt, öffnet Declan mir die hintere Tür, noch bevor der Motor aus ist. Ich springe hinaus und bin augenblicklich überwältigt von seiner Größe. Ich muss den Kopf in den Nacken legen, um zu ihm aufzusehen. Das macht seine Schönheit nur noch eindrucksvoller.
»Riley«, sagt er. »Endlich lernen wir uns kennen. Deine Schwester hat mir schon so viel über dich erzählt.«
Seine Stimme ist tief, sein Lächeln strahlend, und mein Östrogenlevel schießt in die Höhe. Und um mein Hirn komplett ins Synapsenchaos zu stürzen, zieht er mich in eine feste Umarmung und hebt mich dabei von den Füßen.
Ich frage mich, ob es meiner Schwester wohl etwas ausmacht, wenn ich ihren Verlobten von jetzt an Daddy nenne.
Als Declan mich wieder absetzt, sehe ich Sloane an. Sie steht ein paar Schritte entfernt und beobachtet uns mit einem zögerlichen Lächeln.
»Hey, Smalls«, sagt sie leise.
Wie immer sieht sie unglaublich aus. Perfekte Haare, perfektes Gesicht, perfekter Körper. Meine umwerfende ältere Schwester, die furchtlose Löwin, die Flirt-Meisterin, die Männerseelen verspeist.
Das Leben war immer einfach für sie. Selbst in ihrer »peinlichen« Emo-Teenagerphase war sie die Sonne, um die alle anderen gekreist sind. Sie war niemals nicht atemberaubend.
Anders als ich, die wie einer der fliegenden Affen aus dem Zauberer von Oz aussieht. Zumindest, wenn es nach ihr geht.
»Hey, Hollywood«, sage ich. »Danke für die Einladung. Dein Mann ist eine Kröte und dieses Haus eine Mülltonne.«
»Warte, bis du dein Schlafzimmer siehst.«
»Lass mich raten, du hast mich auf dem Dachboden bei den Geistern einquartiert?«
»Nein, wir haben den Keller für dich reserviert, damit du die Geister nicht erschreckst.«
»Wie aufmerksam von dir, Bitch.«
»Kein Ding, Troll.«
Wir lächeln uns an. Ich spüre, dass Declan von unserem Dialog verstört ist, was mich vermuten lässt, dass er keine Schwester hat.
Doch dann entgleitet mir jeder Gedanken an seine Geschwister oder das Fehlen derselben, weil er mich unvermittelt hochhebt und über seine Schulter wirft.
Er wirft mich über seine Schulter!
Ich schreie vor Vergnügen auf und beginne, wie eine Wahnsinnige zu gackern.
Eine kopfstehende Sloane verschränkt die Arme vor der Brust und schüttelt missbilligend den Kopf. »Sie wird sich noch übergeben, Schatz.«
»Machst du Witze?«, rufe ich und starre auf Declans Hintern, der genau auf meiner Augenhöhe und einfach großartig ist. »Das ist fantastisch! Declan, du hast meine Erlaubnis, weiterzumachen!«
Declan lacht, Sloane verdreht die Augen, und ich strample vor lauter Glück mit den Beinen.
Wie gut, dass ich genug von meinen Lieblingssüßigkeiten für diesen Trip eingepackt habe, denn vielleicht bleibe ich für immer.
Mal
Ich will gerade den Abzug drücken und Declan eine Kugel in den Kopf schießen, als eine Frau aus dem Auto steigt. Dank der kristallklaren Vergrößerung des starken Zielfernrohrs am Maschinengewehr kann ich sie mit einem raschen Blick taxieren.
Jung und schmächtig. Straßenköterblondes Haar, das zu einem nachlässigen Pferdeschwanz gebunden ist. Weite graue Jogginghose und Flipflops. Brille und ein schlecht sitzendes Sweatshirt.
Etwas an ihrer Erscheinung lässt vermuten, dass sie obdachlos ist. Oder zumindest verwahrlost. Ihre Kleidung ist zerknittert, ihre Haare zottelig. Die Art, wie die Jogginghose auf ihrer Hüfte hängt, weist auf Unterernährung hin.
Vielleicht adoptiert Declan eine Geflüchtete.
Mit wachsender Irritation beobachte ich, wie er die lotterige Streunerin umarmt. Wenn sie nur aus dem Weg gehen würde, könnte ich hier vorankommen. Ich kauere jetzt schon seit Stunden in dem bröckelnden Kirchturm.
Schweiß läuft mir den Nacken hinab. Meine Oberschenkel beginnen zu krampfen. Die Luft stinkt nach Schimmel und Mäusedreck, was durch die drückende Hitze noch verstärkt wird.
Ich kann es nicht erwarten, zurück nach Moskau zu reisen. Zurück in die Kälte und Dunkelheit, weit weg von diesem tropischen Höllenschlund. Alles ist so hell hier. So bunt. So heiter. Ich hasse es.
Die Frau, die etwas abseits neben Declan und dem Neuankömmling steht, ist Sloane. Ich erkenne sie von dem Foto, das Kazimir mir gegeben hat. Sie ist groß, kurvig und beobachtet das neue Mädchen mit unverkennbarem Zögern.
Ich lasse von ihr ab und richte meine Aufmerksamkeit erneut auf Declan. Er setzt die Streunerin wieder auf die Füße, aber ich habe immer noch keine freie Schusslinie. Sie steht zu nah an ihm dran. Dann nimmt er sie hoch und …
Ich nehme mein Gesicht vom Zielfernrohr, blinzle kurz, um klar sehen zu können, dann linse ich wieder hindurch.
Ich habe mich nicht getäuscht.
Er hat die Streunerin über seine Schulter geworfen. Jetzt stolziert er zurück Richtung Haus, hält Sloanes Hand, während die andere Frau kopfüber auf seinem Rücken baumelt. Das Trio verschwindet im Inneren des Anwesens.
Ich setze mich auf die Fersen und denke nach.
Das Mädchen ist offensichtlich keine Geflüchtete. Vielleicht eine Hausangestellte? Anhand der unterkühlten Begrüßung, mit der Sloane sie empfangen hat, zu schließen, scheinen sie sich nicht zu kennen, also würde es Sinn ergeben. Irgendwie hatte es den Anschein, als wären sie sich eben zum ersten Mal begegnet.
Aber die Art, wie Declan sie umarmt hat, so offensichtlich überschwänglich …
Und sein vertrauter Umgang mit ihr, wie er sie sich über die Schulter geworfen hat, als ob sie sein Besitz wäre …
Ah.
Sie ist eine Nutte. Ein armes, benachteiligtes Ding, das sich an reiche, perverse Paare verkaufen muss, um Geld für Essen zu verdienen.
»Verfluchte Iren«, murmle ich angewidert.
Ich denke an meinen toten Bruder und die traurig dreinblickende Streunerin in der weiten Jogginghose, beide Opfer des bösen Mafiakönigs.
Vor Wut kochend, gehe ich wieder in Position und warte auf eine neue Gelegenheit zum Schuss. Dieser Bastard kann schließlich nicht ewig im Haus bleiben.
Riley
Das Innere des Anwesens/Schlosses/Palastes/Was-auch-immer ist sogar noch beeindruckender als das Äußere.
Alles ist aus Marmor, Kristall oder poliertem Mahagoni. Schwarzäugige griechische Statuen lauern in beleuchteten Wandnischen. Teurer Nippes dekoriert jede verfügbare Fläche. Vornehme Orientteppiche dämpfen unsere Schritte, während sich vor den bodentiefen Fenstern weiße Leinenvorhänge in der trägen Meeresbrise bauschen.
Ich starre all den Glamour an, jetzt wieder richtig herum, denn Declan hat mich abgesetzt, sobald wir durch die Tür waren.
Das habe ich ihm immer noch nicht verziehen.
Ich dackle hinter ihm und Sloane her, während sie mich zu dem Gästezimmer bringen, in dem ich wohnen werde.
Wahrscheinlich hat es einen eigenen Pool.
»Also, Declan. Was genau machst du beruflich?«
Er und Sloane wechseln einen Blick. »Internationale Beziehungen«, sagt er dann.
Draußen vor den Fenstern huschen zwei bewaffnete Kerle vorbei.
»Tatsache?« Das ist interessant. »Ich hab mal diesen Film mit Denzel Washington gesehen, in dem er allen erzählt, sein Job seien Internationale Beziehungen, während er in Wirklichkeit für die CIA arbeitet. Arbeitest du für die CIA?«
Er schnaubt. »Das würden die sich wünschen.«
»Für das FBI?«
Er hebt eine durchtrainierte Schulter. »Gelegentlich.«
»Hey, ich auch! Aber nur, wenn sie mir den Arm verdrehen. Ich bevorzuge es, für den MI5 zu arbeiten.«
»Sechs.«
»Wie bitte?«
»Der MI6 ist der Geheimdienst, der außerhalb des Vereinigten Königreichs agiert. MI5 nur im Inland.«
»Ach ja, natürlich. Das vergesse ich immer. Manchmal ist es schwer, mich an alle Geheimdienste zu erinnern, für die ich spioniere.«
»Erzähl mir mehr darüber.«
Ich muss grinsen. Ich liebe es, wenn die Leute auf meine dummen Spielchen einsteigen.
Am Ende eines langen Korridors bleiben wir vor einer verschlossenen Tür stehen. Declan lehnt sich an die Wand, verschränkt seine kräftigen Arme vor der Brust und lächelt mich an. Meine Eierstöcke seufzen vor Zufriedenheit.
»Ich lasse dich erst mal ankommen. Richte dich ein, dann habt ihr Mädels auch Gelegenheit, euch auf den neuesten Stand zu bringen. Wenn du irgendwas brauchst, dann greif einfach zum Telefon.«
»Ich hab gar kein Handy. Meine Philosophie ist, dass ich gegen Technologie bin, die mich überwachen kann.«
»Ich habe ja auch das Telefon neben deinem Bett gemeint.«
»Es ist ein Haustelefon«, erklärt Sloane, als ich eine Augenbraue hochziehe. »Wer auch immer abnimmt, sag einfach, was du willst, und sie bringen es.«
Mein Blick wandert zwischen den beiden hin und her. »Wer ist die Person, die rangehen wird?«
»Wer auch immer gerade Schicht hat«, sagt Declan.
»Du hast also auch Bedienstete, nicht nur eine Armee von Bodyguards? Bisschen wie bei Downtown Abbey, außer das mit den Waffen.«
Declan lacht leise. »Du bist deiner Schwester sehr ähnlich.«
»Sag ihr das bloß nicht, sonst löst sie die Verlobung. Apropos Verlobung, Sloane, warum trägst du keinen Ring?«
Declan dreht sich zu ihr um. »Gute Frage«, sagt er milde. »Ich kann es nicht erwarten, die Antwort zu erfahren.«
Sie verdreht die Augen. »Im Prinzip hab ich noch nicht Ja gesagt.«
Fast boxe ich ihr ins Gesicht.
»Was?«, platzt es aus mir heraus. »Bist du verrückt?« Wie eine Markensprecherin preise ich mit ausladenden Handbewegungen seine allumfassende Großartigkeit an. »Er hat dir einen Heiratsantrag gemacht, und du hast nicht Ja gesagt? Was stimmt nicht mit dir?«
»Amen«, fügt Declan, sein Lachen unterdrückend, hinzu.
»Und, Moment mal … Du wolltest, dass ich komme, weil deine Hochzeit jederzeit stattfinden könnte. Das hast du gesagt, oder etwa nicht? Deine Hochzeit mit deinem Verlobten, hast du doch gesagt.«
»Wir werden ganz bald heiraten. Wenn ich dann endlich Ja sage«, antwortet sie entnervt.
»Du tust so, als würde all das Sinn ergeben. Aber – Spoilerwarnung! – tut es nicht.«
»Ich frage sie jeden Tag, ob sie mich heiraten will«, unterbricht Declan mich mit kehliger Stimme. »Immer sagt sie: noch nicht. Aber eines schönen Tages wird sie zustimmen, und dann gehen wir geradewegs ins Standesamt und machen es offiziell.«
Er sieht sie mit brennenden, halb geschlossenen Augen an.
Wie sie es schafft, unter seinem glühenden Blick aufrecht stehen zu bleiben und nicht in eine Pfütze flammender Hormone zu zerfließen, geht über meinen Verstand.
»Du hältst ihn absichtlich hin?«, frage ich empört. »Das geht gar nicht.«
»Überhaupt nicht«, stimmt Declan mir zu und schüttelt den Kopf.
Sloane kaut auf der Innenseite ihrer Lippe herum und sieht zur Tür.
Dieses Zögern ist krass untypisch für sie. Sie hält normalerweise nicht inne, um nachzudenken, bevor sie antwortet. Das bereitet mir Sorgen. Die Sloane, die ich kenne, hätte nicht geschwiegen, sondern mir direkt eine ordentliche Ladung ihrer Meinung – inklusive Verachtung und was sonst noch alles dazu gehört, versteht sich – ins Gesicht gepfeffert.
Aber jetzt blickt sie nur auf ihre Füße. »Ich halte ihn nicht hin«, sagt sie leise. »Es ist nur gerade alles so perfekt zwischen uns. Es kann einfach nicht noch besser werden, als es eh schon ist. Das will ich nicht ruinieren.«
Declan sieht sie an, und da brennt so viel Verlangen und Hingabe in seinem Blick, dass ich mich für meine Anwesenheit schäme. Dann zieht er sie zu sich heran und gibt ihr einen leidenschaftlichen Kuss. Als er sich von ihr löst und sie ansieht, sind da nur glühende Hitze und Hunger in seinen Augen.
»Sag Ja, und ich schwöre dir, dass jeder Tag besser als der vorige sein wird, du verdammt dickköpfige Frau«, knurrt er. »Dir gehört mein Herz. Meine Seele. Mein Leben. Ich will, dass du auch meinen Namen trägst und meinen Ring, damit jeder, der dich sieht, weiß, dass du zu mir gehörst. Ich bin so stolz darauf, dein Mann zu sein, und ich will, dass die ganze verdammte Welt weiß, dass du mein bist.«
Sloane und ich sind beide geplättet und atemlos. Dieser Mann ist einfach nur … wow.
Mir wird schon noch ein eindrückliches Adjektiv einfallen, aber gerade bin ich schlichtweg sprachlos.
Wenn sie ihn nicht innerhalb von vierundzwanzig Stunden heiratet, ist sie für mich gestorben. Für immer.
Ich dränge mich an ihnen vorbei ins Zimmer, schließe die Tür hinter mir und beuge mich nah ans Holz. »Schön, dich kennenzulernen, Declan. Ruft mich, wenn es Abendessen gibt. Ich werde jetzt ein Nickerchen machen auf diesem Bett, das groß genug für zehn Leute ist. Wenn ich aufwache, erwarte ich, einen Ring an deinem Finger zu sehen, Sloane. Du Hornochse.«
Dann lege ich mich mit dem Gesicht nach unten aufs Bett und bemitleide mich selbst, dass ich nicht mal ein Viertel von der Schönheit oder dem Stil meiner Schwester besitze.
Beim Einschlafen fantasiere ich, dass ich eine wunderschöne Königin mit einem Harem voller vor Männlichkeit strotzender Iren bin.
Die Sonne geht gerade unter, als ich die Augen wieder öffne. Sloane liegt neben dem Bett auf dem Boden, die langen Beine auf einem dick gepolsterten Chintzsessel gelagert. Sie spielt mit einer Haarsträhne und starrt an die Decke.
Ich stütze mich auf die Ellbogen und blicke auf sie herab. »Bäh, ich hasse es, dass du so gut aussiehst, selbst wenn du am Grübeln bist. Wenn ich mir tiefgründige Gedanken mache, sehe ich aus, als müsste ich kacken.«
Sie schließt die Augen und fängt an zu lachen.
»Du denkst, ich mache Witze, aber falsch gedacht. Es ist hundertprozentig wahr.«
»Oh, ich weiß«, sagt sie und setzt sich auf. Geschmeidig wie eine Katze verschränkt sie ihre Beine unter sich und lächelt mich an. »Ich erinnere mich an deine Grimassen. Du kommst nach Dad.«
»Er ist merkwürdig ausdrucksstark für jemanden vom Militär, oder? Man könnte denken, die Armee hätte es ihm ausgetrieben. Dieses ganze Marschieren und Befehlebefolgen und so würde mich definitiv abstumpfen lassen.«
»Declan war auch beim Militär, und er ist immer noch sehr ausdrucksstark.«
Sobald die Worte raus sind, tauchen oben auf ihren Wangen zwei blassrote Flecken auf. Ich kann erkennen, dass sie daran denkt, wie »ausdrucksstark« er genau ist. Jetzt denke ich auch daran und werde ebenfalls ganz wuschig.
»Igitt. Ich brauche kein Bild in meinem Kopf, wie meine große Schwester alle Arten von heißem Sex hat, nein danke. Aber – o mein Gott – Alter! Wo hast du den gefunden, und wie viele Brüder hat er? Ich will mindestens zwei von ihnen!«
»Er ist fantastisch, nicht wahr?«
Sie klimpert mit den Wimpern und seufzt wie eine Verrückte. Oder zumindest wie jemand anderes als sie, jemand Romantisches, eine süße Person mit idealisierten Vorstellungen von Liebe, aber nicht sie.
Ich schwinge meine Beine über den Bettrand, setze mich auf und sehe sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Du bist wirklich verliebt in ihn, stimmt’s?«
»Ja. Es ist furchtbar. Ich meine, es ist wunderbar, aber auch schrecklich, weil …«
»Du nicht mehr die Kontrolle hast.«
Sie nickt schaudernd. »Früher hat es nie dieses Risiko gegeben, was zu verlieren, das mir wirklich wichtig ist und mir was bedeutet. Früher war mir einfach alles egal, und ich habe mich um nichts anderes als mich selbst geschert. Jetzt liegt mir alles am Herzen. Ich bin ein großes sentimentales Knäuel der Zuneigung. Neulich habe ich geweint, einfach nur, weil ich mir den Sonnenuntergang angeschaut habe, verdammte Scheiße!«
Ich versuche, keine Genugtuung daraus zu ziehen, wie bestürzt sie über diese Veränderung ist, aber natürlich tue ich es trotzdem. Ich bin eine schreckliche Person.
»Egal.« Sie macht eine wegwerfende Bewegung, um diesen Teil unserer Unterhaltung zu beenden. »Wir müssen uns um deine Haare kümmern.«
»Was stimmt nicht mit meinen Haaren?«
»Sie sind abscheulich. Du siehst aus, als hättest du eine Wette verloren.«
»Oh, Gott sei Dank!«
»Was?«
»Für einen Moment dachte ich eben schon, du wärst von einem Bodysnatcher ausgetauscht worden.«
Jemand klopft sachte an die Tür.
»Herein!«, rufen Sloane und ich gleichzeitig.
Spider steckt den Kopf ins Zimmer. »Hallo. Ich hab dein Gepäck, Mädchen. Passt es gerade?«
Heiß, gut bestückt und höflich. Ich werde so was von einen Wissenschaftler finden, der ihn und Declan klont, um für mich den perfekten Mann zu erschaffen.
»Komm rein. Du kannst es einfach abstellen.«
Er tritt ein, trägt meine Tasche und die Chromosomen meiner zukünftigen Kinder und nickt Sloane zur Begrüßung zu. Dann stellt er das Gepäck neben der Kommode auf dem Boden ab und wendet sich zum Gehen.
»Warte«, sagt Sloane. »Wo ist der Rest?«
»Das war die einzige Tasche, Madam.«
Verärgert verzieht sie das Gesicht. »Hast du etwa vergessen, was ich zu dem ganzen Madam-Gedöns gesagt habe?«
Er sieht aus, als versuche er, sich ein Lächeln zu verkneifen. Jetzt, da ich weiß, dass er sie neckt, mag ich ihn umso mehr. Dazu braucht es Eier in der Hose, von denen ich bereits weiß, dass es ihm daran nicht mangelt.
Schließlich habe ich einen eindeutigen Beweis, der mir direkt ins Gesicht springen will.
»… Riley?«
»Was?« Ich reiße meinen Blick von der beträchtlichen Beule in Spiders Schritt los und sehe Sloane an. »Sorry, ich habe nicht gehört, was du gesagt hast.«
»Warum bloß?«, fragt sie trocken.
Ich verenge die Augen und telegrafiere einen mentalen Drohbrief, den sie erhält und herablassend belächelt. »Ich habe gefragt, wo der Rest deines Gepäcks ist.«
»Ich habe kein anderes Gepäck. Das ist alles.«
Ungläubig beäugt sie mein einsames Handgepäck, eine abgenutzte Reisetasche, die ich vor Jahren gekauft habe, bevor ich aufs College gegangen bin. »Du hast nur eine Tasche mitgebracht?«
»Du sagst das so, als hätte ich dich gerade darüber informiert, dass sie mit Körperteilen gefüllt ist.«
Sie ignoriert meinen Sarkasmus. »Wie kannst du mit nur einer Tasche reisen?«, hakt sie beharrlich nach. »Wo ist deine Schuhtasche? Deine Kosmetiktasche? Dein Kleiderbeutel für deine festliche Kleidung? Und überhaupt … all deine Kleidung?«
Sie lässt ihren Blick durch den Raum schweifen, als würde sie erwarten, dass sich ein Set Louis-Vuitton-Überseekoffer mit Monogramm materialisiert, welches vor lauter Nerzstolen und Ballkleidern überquillt.
»Es wird dein Hirn wahrscheinlich zum Explodieren bringen, wenn ich dir sage, dass da auch mein Laptop drin ist«, sage ich lächelnd.
Spider fängt meinen Blick auf und zwinkert mir zu. Dann geht er und schließt die Tür hinter sich.
Sloane springt auf, geht zur Tasche hinüber, bückt sich und zieht den Reißverschluss auf. Sie blickt auf den Tascheninhalt und wühlt kurz darin herum, dann richtet sie sich wieder auf und sieht mich an.
»Was sollen die ganzen Bonbondosen?«
»Ohne Twizzlers reise ich nirgendwohin. Und diese Sour Patch Kids mit Wassermelonengeschmack gibt’s auch nicht überall, und da ich nicht wusste, wohin es geht …« Ich zucke mit den Schultern. »Vorsicht ist besser als Nachsicht.«
Sie schließt die Augen, nimmt einen tiefen Atemzug, um sich zu sammeln, dann sieht sie mich wieder an. »Hast du irgendwelche anderen Kleidungsstücke dabei, die nicht grau sind oder aus Fleecestoff bestehen?«
»Äh, ja … meine Unterhosen.«
»Meine Güte, ich kann nicht glauben, dass wir verwandt sind.«
Sie ist so entsetzt, dass sie kurz davor ist, sich zu bekreuzigen. Oder vielleicht einen Priester zu rufen und mich mit einer Phiole Weihwasser zu übergießen. Das bringt mich zum Lachen.
»Ach, entspann dich, Beyoncé. Unter den Süßigkeiten sind noch mehr Sachen. Ich hab auch ein weißes T-Shirt und eine Jeansshorts mitgebracht«, sage ich, als sie hoffnungsvoll in die Tasche schaut.
Ihr Gesichtsausdruck deutet darauf hin, dass sie gerade die wiedergekäuten Überbleibsel ihres Mittagessens schmeckt. »Sieht ganz so aus, als müssten wir auch shoppen gehen, während du hier bist.«
»Warum ›auch‹?«
»Zusätzlich dazu, dass wir dieses verwilderte Stinktier auf deinem Kopf zähmen müssen.«
»Entschuldige mal, aber nicht jeder hält es für nötig, wie ein Laufstegmodel auszusehen.«
»Aber es muss doch einen glücklichen Mittelweg zwischen Laufstegmodel und Landstreicherin geben.«
»Wenn du Menschen meinst, die kein Zuhause haben, Cruella, dann lautet der korrekte Terminus ›obdachlos‹. ›Landstreicherin‹ ist super abwertend.«
»Du hast zu lange in San Francisco gelebt.«
»Können wir diese Diskussion, die sicherlich in ein politisches Schreiduell ausarten wird, für eine Sekunde außer Acht lassen, damit ich fragen kann, wann wir essen werden? Das Letzte, was ich hatte, war ein großer Batzen schleimige schwarze Fischeier mit etwas von einem geronnenen Milchprodukt auf einem Stück Brot, das die Größe eines Quarters hatte. Ich bin total ausgehungert. Ihr reichen Leute esst wie die Spatzen.«
Für einen Moment regt sie sich nicht, dann verbirgt sie das Gesicht in den Händen und bricht in Gelächter aus.
»Es freut mich, dass mein immenser Hunger dich amüsiert«, sage ich barsch.
»Ich hatte bloß vergessen, wie komisch du bist.«