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Schatten im Verborgenen lädt Sie ein, durch die Düsternis alter Herrenhäuser und über die unheimlichen Flure von Nervenheilanstalten zu wandeln. Hier entfalten sich Geschichten voller Mystik und Magie, in denen Hexen ihre Rache planen, trügerische Himmelskörper ihr Unwesen treiben und zauberhafte Pflanzen nicht immer sind, was sie zu sein scheinen.
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Seitenzahl: 154
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Wo Nebelschwaden wie schwere Schleier über dem Moor lagen und die Bäume ihre Äste wie knorrige Finger in den Himmel reckten, lebten die Schattenwesen. Diese geheimnisvollen Kreaturen waren nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Dunkelheit und Angst geformt. Die Naturgeister dagegen, die das Moor seit Jahrhunderten schützten, waren fröhliche und lichtvolle Wesen. Sie sorgten dafür, dass die Pflanzen blühten, die Tiere gedeihen konnten und das Wasser rein blieb.
Die Schattenwesen hassten diese Harmonie. Sie wollten das Gleichgewicht stören und die Welt in ewige Dunkelheit hüllen. So schlichen sie durch das Moor, verborgen in den tiefsten Furchen und unter dem dichten Schilf, immer auf der Suche nach einer Gelegenheit, ihre finsteren Pläne zu verwirklichen.
Eines nebligen Abends versammelten sich die Schattenwesen am Ufer eines stillen Teiches. Ihre Augen glühten rot im Dunkeln, während sie leise tuschelten und ihre finsteren Pläne schmiedeten. „Wir werden die Geister in eine Falle locken“, flüsterte Nyx, ihr Anführer. „Wenn wir sie in den Sumpf ziehen, können sie nicht mehr leuchten und wir werden die Herrschaft über dieses Land übernehmen.“
Sie begannen mit ihren Vorbereitungen und beschworen die Magie der Dunkelheit herauf. Aus dem Nichts formten sie hypnotische Illusionen, die wie Glühwürmchen durch das Moor tanzten und das Herz eines jeden Betrachters erweichen konnten.
Die Illusionen schimmerten in sanften Farben – ein zartes Blau, das an den klaren Nachthimmel erinnerte, ein warmes Gelb, wie die ersten Sonnenstrahlen am Morgen, und ein geheimnisvolles Violett, das die Neugier weckte. Sie flogen in sanften Bögen und wirbelten spielerisch umher. Es schien, als würden sie von einer unsichtbaren Melodie geleitet - eine Melodie aus dem tiefsten Inneren des Moores, voller Versprechen und Geheimnisse. Die Naturgeister konnten nicht widerstehen, ihre Neugier war geweckt.
Als die Geister näher kamen, schwebten die Lichter verführerisch vor ihnen her und führten sie tiefer ins Moor hinein. Die Luft wurde kühler und feuchter, der Nebel verdichtete sich um sie herum und schien die Welt außerhalb des Moores zu verschlucken. Die Geister fühlten sich geborgen in dieser mystischen Atmosphäre und ahnten nichts von der Gefahr, die auf sie lauerte.
Einige von ihnen versuchten sogar zu tanzen. Mit leichten und eleganten Bewegungen folgten sie den Illusionen. Doch je weiter sie gingen, desto mehr verloren sie das Gefühl für Raum und Zeit. Die Lichter schienen sich immer weiter zu entfernen, wie ein nicht greifbarer Traum. Wer versuchte, zurückzukehren, wurde von einem neuen Licht angezogen, das ihn noch tiefer ins Verderben führte.
Die Schattenwesen beobachteten alles mit hämischem Grinsen. Sie wussten genau: Je mehr die Naturgeister in diese Illusion verstrickt wurden, desto schwächer würde ihr eigenes Licht werden. Die Illusionen tanzten weiter durch das Moor – ein Spiel aus Licht und Schatten – während sich das Schicksal der Naturgeister unaufhaltsam näherte. Schließlich kamen sie an einem alten Baumstumpf an, der von moosbedecktem Holz umgeben war. Die Schattenwesen warteten in ihrem Versteck geduldig darauf, dass ihre Beute näher kam. Plötzlich umschloss ein kalter Wind den Ort und die Lichter erloschen.
„Jetzt!“, rief Nyx mit einer Stimme voller Groll. Ein Kampf zwischen Licht und Dunkelheit entbrannte. Die Schattenwesen sprangen hervor und umzingelten die Naturgeister. Aus ihren erhobenen Händen wehten unzählige schwarze Fäden, die sich auf die Gegner herabsenkten und sie ins Dunkel hüllten. Die Geister versuchten verzweifelt zu entkommen, aber je mehr sie sich wehrten, desto stärker hüllten die schwarzen Fäden sie ein.
Plötzlich erwachte die alte Eiche am Rand des Moores zum Leben. Es war Elowen, der älteste Naturgeist des Moores. Ihre Wurzeln gruben sich tief in die Erde und sie war mit dem Puls des Moores verbunden. Mit einer majestätischen Geste streckte sie ihre knorrigen Äste gen Himmel, als wollte sie den Sternen ihre Entschlossenheit zeigen.
„Kommt zu mir!“, rief Elowen. Ihre knarrende Stimme hallte über das Moor. Der Ruf war ein kraftvolles Echo der Natur selbst, ein Ruf voller Hoffnung und Stärke, der selbst die weit entfernten Geister anlockte. Langsam erschienen sie aus ihren Verstecken. Einige hatten leuchtende Flügel wie Schmetterlinge, während andere eine menschliche Gestalt annahmen, umgeben von einem Glanz aus Funken und Farben. Gemeinsam versammelten sie sich am Fuß der Eiche.
„Wir müssen zusammenstehen!“, rief Elowen weiter und ihre Stimme wurde noch stärker. „Die Dunkelheit kann uns nicht besiegen, wenn wir vereint sind!“ Die Geister nickten zustimmend. In ihren Augen spiegelten sich Entschlossenheit und Mut. Elowen hob ihre Äste höher und begann einen alten Zauber zu weben – einen Zauber, der seit Jahrhunderten am Grund des Moores verwurzelt war. Die anderen Geister schlossen sich ihr an. Ihre Energien flossen zusammen wie ein reißender Strom. Ein glühendes Licht sammelte sich zwischen ihnen – es pulsierte und wuchs mit jeder Sekunde, während sie ihre Kräfte vereinten. Die Dunkelheit begann zu schwinden. Das unheimliche Gefühl der Bedrohung wich einer Atmosphäre von Zuversicht.
„Jetzt!“, rief Elowen mit aller Kraft. Hell und unaufhaltsam brach der gebündelte Lichtstrahl durch den dichten Nebel, durchschnitt die Dunkelheit wie ein scharfer Dolch und traf direkt auf die Schattenwesen. Diese schrien vor Schmerz und Wut. Ihre Formen begannen zu verwehen wie Schleier im Wind. Die verführerischen Illusionen verschwanden in einem Hauch von Nichts. Unter Aufbietung ihrer letzten Kräfte zogen sich die Schatten zurück in die tiefsten Winkel des Moores, wo selbst das hellste Licht nicht hinreichte.
Pflanzen blühten auf, Tiere erhoben sich aus ihrem Versteck und auch das Wasser des Teiches begann zu glitzern wie tausend Diamanten im Sonnenlicht. Das Moor erwachte zum Leben. Elowen fühlte eine unerschütterliche Einheit gegen das Böse. Mit einem mächtigen Ruf erhob sie sich über das Geschehen: „Licht kann niemals ganz erlöschen!“
Doch tief in ihrem Inneren wusste sie: Das Gleichgewicht zwischen Licht und Dunkelheit war fragil. Es würde immer einen neuen Versuch geben, das Moor zu übernehmen. Und so blieben die Geister auch künftig wachsam – bereit für den nächsten Angriff der Schattenwesen in dem Moor voller Geheimnisse.
(Anmerkung: Elowen ist ein keltischer Name und bedeutet „Eiche“.)
In einem beschaulichen, etwas abgelegenen Dörfchen wuchs ein seltsames Löwenmäulchen. Über diese Pflanze erzählte man viele Geschichten – von ihrer Schönheit und ihrem verführerischen Duft, aber auch von den dunklen Geheimnissen, die sie barg. Die Dorfbewohner mieden den Ort, an dem das Löwenmäulchen blühte, aus Angst vor der Hexe, die einst in einem alten, verlassenen Haus lebte.
Eines stürmischen Tages beschloss ein neugieriger junger Mann namens Lukas, das geheimnisvolle Löwenmäulchen zu finden. Er hatte gehört, dass es in der Nähe des verfallenen Hauses wuchs und war von einer unstillbaren Neugier getrieben. Trotz der eindringlichen Warnungen der Dorfbewohner machte er sich auf den Weg. Der Wald war dicht und unheimlich. Die Bäume schienen zu tuscheln und der Wind trug ein Gefühl des Unheils mit sich.
Als er tiefer in den Wald vordrang, spürte er eine seltsame Anwesenheit – als ob unsichtbare Augen ihn beobachteten. Schatten huschten zwischen den Bäumen umher und das Rascheln der Blätter klang wie ein warnendes Raunen. Doch Lukas ließ sich nicht beirren. Seine Entschlossenheit trieb ihn weiter.
Schließlich erreichte er das verfallene Haus. Es war von einer unheimlichen Aura umgeben. Moos überwucherte die Wände und zerbrochene Fenster gaben einen Blick auf das Dunkel im Inneren frei. Inmitten des Chaos fand er das Löwenmäulchen in voller Blüte. Seine leuchtende Farbe strahlte im schwachen Licht des Nachmittags und sein süßer Duft erfüllte die Luft mit einem betörenden Zauber.
Hingerissen von seiner Schönheit beugte sich Lukas hinunter, um es zu berühren. Doch als seine Finger über die zarten Blütenblätter strichen, spürte er einen stechenden Schmerz – wie ein kleiner Biss. Er zog seine Hand zurück und sah entsetzt, dass winzige Dornen aus dem Inneren der Blüte hervorgeschossen waren. Da begann das Löwenmäulchen zu pulsieren und eine unheimliche Energie durchzog die Luft.
Lukas fühlte sich schwach und benommen, die Welt um ihn herum verschwamm. In diesem Moment hörte er eine Stimme – tief und rau – die ihm zuflüsterte: „Du hast mich geweckt, junger Mann. Nun bist du Teil meines Spiels.“ Die Stimme gehörte der Hexe, deren Essenz in die Blüten eingearbeitet war.
Die Schemen in der Luft begannen zu tanzen und formten groteske Gestalten – Seelen gefangener Wanderer, deren verzweifeltes Rufen durch den Wald hallte. Lukas versuchte zu fliehen, doch die Pflanzenwurzeln schlängelten sich um seine Beine und hielten ihn fest. „Niemand verlässt diesen Ort ungestraft. Du wirst für immer hier bleiben – ein Teil meiner Sammlung“, lachte die Stimme hämisch.
Die Nacht brach herein, das Haus wurde von einem gespenstischen Licht erleuchtet. Auf einmal hörte Lukas hinter sich ein leises Weinen – es waren die Seelen derjenigen, die vor ihm gekommen waren. Ihre Gesichter waren verzerrt vor Angst und Verzweiflung. Sie flehten ihn an: „Hilf uns!“
Im Dorf machten sich die Leute Sorgen um Lukas’ Verschwinden. Als sie das verlassene Haus erreichten, fanden sie nur das Löwenmäulchen – blühend und schön wie eh und je. Doch auf den Blütenblättern entdeckten sie dunkelrote Tropfen, die wie Blut aussahen. Entsetzt schauten sie sich an, ihre Herzen pochten vor Angst.
Da ertönte ein grässliches Lachen aus dem Inneren des Hauses: „Ihr könnt ihn nicht retten. Er gehört jetzt mir!“ Die Dorfbewohner rannten panisch davon. Niemand wagte es jemals wieder, sich dem alten Haus oder gar der Pflanze zu nähern.
Von diesem Tag an blieb das Löwenmäulchen ein Symbol für Gefahr und Verführung. Und in stillen Nächten kann man manchmal Gemurmel hören: „Bleibe hier… bleibe hier…“ Doch wer genau hinhört, erkennt auch das leise Weinen verlorener Seelen.
Unter dem Einfluss von Speed und im Schutz der Dunkelheit arbeitete Konny an seinem neuesten Graffito-Meisterwerk. Auf der Fläche des alten Güterwagens, der auf einem alten Gleis am Waldrand abgestellt worden war, entstand eine kraftvolle Gestalt namens "Black Slaughter". Die Figur selbst hob sich in Schwarz und Blutrot deutlich von dem in allen Schattierungen grell besprühten Hintergrund ab. Konny konnte sich nicht sattsehen an dieser Figur. Das Schlachtermesser glänzte in der Hand, Blut tropfte von den Fingern. Das Speed zeigte noch immer seine Wirkung. Konny kicherte unentwegt vor sich hin. Den widerwärtigen Geruch aus dem Inneren des Waggons – verursacht durch vergammeltes Essen und eine tote Ratte, nahm er gar nicht wahr. Die Farben tanzten vor seinen Augen und die Dunkelheit umhüllte ihn wie ein Mantel. Er liebte seine Werke: Dark Anger, Shadow Fury und Nasty Bitch. Er hatte sie erschaffen – er, das Genie.
Die Uhr zeigte 23 Uhr 52. In seinem Rausch versunken, hatte er nicht bemerkt, wie sich Polizisten langsam angeschlichen hatten. Verdammtes Pack. Sie würden ihn nicht bekommen. „Ihr könnt mir nichts. Meine Figuren werden mich immer beschützen. Ich bin ihr Schöpfer.“
Unvermutet löste sich Black Slaughter aus den Farbklecksen. Im Schein der Taschenlampen kam der Unheimliche auf die Polizisten zu. Die zogen panisch ihre Waffen und eröffneten das Feuer. Aber die Kugeln prallten wirkungslos von der Riesengestalt ab. Konny lachte wie von Sinnen. Die Augen weit aufgerissen vor Grauen und zugleich vor Freude.
Als Black Slaughter neben Konny stand, fasste er diesen um seine Taille und hob ihn hoch. Dann drehte er sich um und stieg zurück in das Bild. Die Uhr schlug Mitternacht. Noch immer hielt Black Slaughter den Sprayer umklammert. In diesem unheimlichen Moment erstarrte Konny auf der Flanke des Waggons. Er wurde zu einem Teil des Graffitos, zweidimensional und bewegungsunfähig. Zwar konnte er alles sehen und verstehen, aber er war gefangen in seiner eigenen Schöpfung. Die Dunkelheit umhüllte ihn wie ein eisiger Mantel, während sich der Zug langsam in Bewegung setzte. Konny erkannte, dass er nun ein Teil dieser düsteren Welt war, gefangen zwischen Realität und Albtraum, verdammt, als Graffito durch die Lande zu fahren - immer in Angst vor dem Unbekannten. Black Slaughter war nicht nur sein Werk, sondern nun auch sein Gefängnis.
Da erreichte der Zug ganz unerwartet einen kleinen vergessenen Bahnhof. An der Haltestelle stand ein mysteriöser Passagier - eine alte Frau mit einem langen, schwarzen Mantel und einem Hut, der ihr Gesicht verbarg. Die Frau lächelte geheimnisvoll und murmelte: „Du hast deine Schöpfung unterschätzt, junger Mann.“ Ihre Stimme war wie ein sanfter Windhauch, der durch die Dunkelheit wehte. Konny spürte eine seltsame Verbindung zu ihr, als ob sie ihn kannte. „Was willst du von mir?“, fragte er verzweifelt, während Black Slaughter ihn weiterhin umklammert hielt, unbarmherzig und bedrohlich. „Du musst Black Slaughter besiegen“, sagte sie mit einem scharfen Blick. „Wenn du ihn überwindest, kannst du wieder Mensch werden.“
Konny sah zu Black Slaughter auf, dessen Augen nun vor Zorn glühten. Der Gedanke daran, gegen seine eigene Schöpfung zu kämpfen, erfüllte ihn mit Angst. Gleichzeitig spürte er einen Funken Mut in sich aufsteigen. „Wie soll ich das tun?“, fragte er die alte Frau. „Nutze deine Kreativität“, antwortete sie. „Deine Kunst hat Macht. Du musst etwas erschaffen, das stärker ist als Black Slaughter.“
In diesem Moment begann Konny zu verstehen. Er hatte immer geglaubt, dass seine Graffiti nur Bilder waren – doch jetzt erkannte er ihre wahre Kraft. Mit jedem Sprühstoß hatte er Emotionen und Geschichten erschaffen. Es war Zeit, diese Fähigkeiten zu nutzen. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf all die Schattierungen und Formen in seinem Kopf. Der Farbgeruch stieg ihm in die Nase. In seinem rechten Zeigefinger spürte er den Druck auf den Sprühkopf der Spraydose. Unversehens begann er zu malen – nicht auf einer Wand oder einem Waggon, sondern in der Luft um ihn herum. Strahlen aus Licht und lebhafte Farbenpracht formten sich zu einer neuen Figur: einer strahlenden Kriegerin mit leuchtenden Flügeln und einem Lächeln voller Hoffnung.
Black Slaughter brüllte vor Wut und griff an, doch die Kriegerin stellte sich ihm mutig entgegen. Ein epischer Kampf entbrannte zwischen Dunkelheit und Licht – zwischen dem Schöpfer und seiner Schöpfung. Konny fühlte sich lebendig wie nie zuvor. Jede Bewegung der Kriegerin war ein Ausdruck seiner eigenen Kreativität und seines Willens zur Freiheit. Schließlich gelang es ihr, Black Slaughter zurückzudrängen und ihn in einen Strudel aus Färbungen zu verwandeln.
Als der letzte Hauch verschwand, fühlte Konny einen warmen Lichtstrahl um sich herum. Die alte Frau nickte ihm anerkennend zu. „Du hast es geschafft“, sagte sie sanft. Im nächsten Moment fand sich Konny wieder in der Realität – am Güterbahnhof stehend, umgeben von seinen leeren Spraydosen und dem verblassten Graffito von Black Slaughter hinter ihm. Er war frei! Das Adrenalin pulsierte in seinen Adern. Er hatte Black Slaughter besiegt und doch überkam ihn ein seltsames Gefühl der Unruhe.
Ein leises Zischen wehte durch die kalte Nachtluft. „Du kannst mich nicht einfach so loswerden, Konny…“ Es war eine vertraute Stimme – die von Black Slaughter. Konny drehte sich erschrocken um, doch da war niemand.
„Ich bin immer noch hier“, flüsterte die Stimme erneut, diesmal ganz nah. „Du hast mich nur in eine andere Form gebracht.“ Konny spürte einen Schauer über seinen Rücken laufen. Er versuchte zu fliehen, doch seine Füße schienen wie festgefroren auf dem Boden zu stehen. Plötzlich begann das Graffito von Black Slaughter auf dem Waggon zu pulsieren und lebendig zu werden. Die Farben wirbelten wild durcheinander und aus dem Bild trat eine dunkle Gestalt hervor – nicht mehr die imposante Figur, sondern etwas viel Unheimlicheres: eine groteske Version von Konny selbst.
„Du hast mir Leben eingehaucht“, grinste das Wesen mit Konnys fratzenhaft verzerrten Gesicht. „Jetzt sind wir eins.“ Konny wollte schreien, doch kein Laut kam über seine Lippen. Blitzartig überfiel ihn die Erinnerung an seine Teenagerzeit. Er war schwach und ängstlich gewesen, aber auch verschlagen. Seine Schulkameraden hatten ihn verachtet und ausgelacht. In seinen Träumen aber war er der King gewesen. Da konnte er tun und lassen, was er wollte. Er hatte sich in allen Details ausgemalt, wie er sich rächen würde. Immer hatte er dabei eine Maske getragen. Sie hatte so ausgesehen, wie die Fratze jetzt.
Das Wesen bewegte sich schnell auf ihn zu und umschloss ihn mit seinen kalten Händen. In diesem Moment spürte Konny einen eisigen Schmerz durch seinen Körper fahren. Es war, als würde sein eigenes Leben aus ihm herausgesogen. „Du bist nun Teil meiner Welt“, flüsterte seine verzerrte Version und ließ ihn in die Dunkelheit sinken. „Und ich werde deine Kunst für immer weitertragen.“
Die Nacht wurde still, während der Güterbahnhof wieder in den Schatten verschwand.
In den zwielichtigen Schatten eines vergessenen Gartens, wo das Licht der Sonne nur zögerlich durch das dichte Blätterdach drang, wuchs eine Pflanze von bizarrer Gestalt. Ihre tiefgrünen, glänzenden Blätter schienen im schwachen Licht zu flüstern, als ob sie Geheimnisse aus einer anderen Welt bewahrten. Doch in ihrem Inneren verbarg sich etwas Unerklärliches, das selbst die mutigsten Seelen in Angst und Schrecken versetzte. Man nannte sie die „Carnivora Tenebris“ – die fleischfressende Dunkelheit.
Die Legenden über diese Pflanze waren so alt wie die verwitterten Steine des Anwesens, das einst von einer wohlhabenden Familie bewohnt wurde. Die Dorfbewohner mieden den Garten, denn es hieß, dass die Carnivora Tenebris nicht nur nach Insekten gierte, sondern auch nach dem Blut der Lebenden. Viele hatten gewagt, sich ihr zu nähern, doch keiner war je zurückgekehrt. Ihre Namen wurden unter den Alten des Dorfes geflüstert wie ein Fluch.
Eines stürmischen Abends, als der Wind durch die Bäume heulte und der Regen wie Tränen vom Himmel fiel, wagte sich ein junger Mann namens Viktor in den verfluchten Garten. Von Neugier getrieben und dem Drang, das Unbekannte zu ergründen, schritt er voran. Sein Herz pochte wild in seiner Brust. Jeder Schritt schien ihn tiefer in einen Albtraum zu ziehen.