Schattengalaxis - Am Rande des Untergangs - Daniel Isberner - E-Book

Schattengalaxis - Am Rande des Untergangs E-Book

Daniel Isberner

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Beschreibung

Drei Romane in einem! "Am Rande des Untergangs" vereint den ersten Zyklus der packenden Schattengalaxis-Saga in einem mitreißenden Sammelband. --- Das Jahr 2270 – Unter der Führung der Terranischen Republik hat sich die Menschheit über die ein Dutzend Kolonien in der Galaxis ausgebreitet. Mittlerweile ist die einstige Heimat der Menschheit, die Erde, heruntergewirtschaftet und halb zerstört. Als sich die Republik doch noch dazu zwingt, ein gewagtes Terraformingprojekt zur Rettung der Erde anzustoßen, kommt es zur Katastrophe. Der Kontakt zur Erde brach ab und ein Schatten breitete sich über die Galaxis aus, der nach und nach die Kolonien verschlang, bis nur noch eine übrig war. Das Rateri-Protektorat. Auf sich alleine gestellt kämpft die letzte Kolonie um ihr Überleben gegen den geheimnisvollen Feind, ohne zu wissen, dass Verschwörer bereits unter ihnen sind. Mit Feinden von außen und innen auf dem Vormarsch sind die letzten Tage der Menschheit angebrochen. Wenn es einer kleinen Gruppe von Menschen nicht doch noch gelingt, die letzte Kolonie vor dem Schatten zu bewahren.

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Daniel Isberner

Schattengalaxis - Am Rande des Untergangs

Drei Romane. Ein Preis!

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Schattengalaxis I – Die letzten Tage: Das Universum

Vor 200 Jahren baute die Menschheit ihre erste Kolonie auf einem fremden Planeten. Biosphären ermöglichten ihr so ein Leben auf dem Mars.

Um die lange Reisezeit zwischen den zwei Planeten zu reduzieren entwickelte die Menschheit vor 154 Jahren ein Sprungtor, das es ermöglichte weite Strecken in Nullzeit zurückzulegen. Mit den Jahren wurde die Technologie besser und besser, bis es vor einem Jahrhundert schließlich möglich wurde, ein Sprungtor für Reisen über Lichtjahre zu nutzen.

Getrieben vom Verfall der Erde und der Schwierigkeit, wachsende Bevölkerungsmengen unter den Biosphären auf dem Mars unterzubringen, wurden bewohnbare Planeten in anderen Sonnensystemen gesucht – und gefunden. Innerhalb weniger Jahre hatte sich die Terranische Republik auf über ein Dutzend Sonnensysteme verteilt.

Während die Kolonien wuchsen und gediehen, schritt der Verfall der Erde unaufhaltsam voran. Das ökologische Desaster war nicht mehr abzuwenden.

Da man die Wiege der Menschheit nicht für immer verlieren wollte, beschloss die Regierung, dass man alle verfügbaren Mittel in die Erforschung von Terraforming stecken würde. Unter strenger Geheimhaltung fand man eine Möglichkeit, die Erde in wenigen Tagen komplett zu restaurieren. Zumindest dachte man das.

Das Terraforming lief gut an. Die Erde wurde evakuiert und man startete am 14. März 2225 den Prozess. In den ersten Stunden waren die Wissenschaftler euphorisch. Es lief besser als erwartet und man wähnte sich auf einem guten Weg – doch nach sieben Stunden änderte sich alles.

Die Kommunikation mit den Satelliten und Beobachterstationen in der Erdumlaufbahn riss ab. Bevor der Mars ein Team durch das Sprungtor schicken konnte, brach auch die Verbindung zu ihm ab. Die Kolonien waren abgeschnitten vom Heimatsystem.

Versuche, das System über Sprungtore zu erreichen scheiterten; entweder konnte gar keine Verbindung hergestellt werden oder das Tor explodierte durch eine massive Überladung.

In den nächsten Wochen, Monaten und Jahren wurden mehr und mehr Systeme von dem eingehüllt, was man allgemein „den Schatten“ nannte.

Im Jahr 2270 war nur noch das Rateri-System übrig – und seine letzten Tage waren angebrochen.

Schattengalaxis I – Die letzten Tage: Kapitel 1

25. Februar 2270

 

Kriegsschiff Hagner – Im Orbit von Rateri I

 

„Nein, nein, nein. Was zur Hölle habt ihr angestellt?“

„Wir haben…“

„Ihr habt was? Scheiße habt ihr gebaut!“

„Aber…“

„Kein ‚Aber‘. Aber hilft niemandem, wenn das gesamte Schiff explodiert, sobald jemand die Hauptbewaffnung abfeuert. Und genau das passiert, wenn ihr das Kühlsystem an die Hauptstromversorgung anschließt.“

Zetoras konnte es nicht fassen. Ihm war klar, dass man auch den letzten Trottel in den militärischen Aufbaudienst gesteckt hatte, um die Aufrüstung in Rekordzeit voranbringen zu können, aber warum mussten sie ausgerechnet alle bei ihm in der Crew landen?

Er baute seine vollen zwei Meter zehn vor den Arbeitern auf und sah sie wütend an. Durchtrainiert, mit militärisch kurzem Haarschnitt versetzte sie das in genug Angst, dass sie ihre Arbeit schnell fortsetzten und sich hüten würden, den Fehler zu wiederholen.

Immer noch rasend, stapfte er davon. Die Hagner, benannt nach dem letzten Präsidenten der Erde, Peter Hagner, sollte das Flaggschiff der Raumflotte des Rateri Protektorats werden, aber wenn es so weiterging, würde das Schiff niemals fertig werden. Und was dann?

Wir wissen ja noch nicht mal, ob es überhaupt ein militärisches Problem ist. Alle Aufklärungsmissionen sind verschollen und Teleskopaufnahmen brauchen noch Jahrhunderte, bis sie etwas Brauchbares liefern. Irgendwie habe ich meine Zweifel, dass wir noch so lange haben.

Wenn es sich um eine irgendwie geartete, sich ausbreitende Naturkatastrophe handelte, würde ihnen all ihre militärische Macht nichts helfen.

In seinem Büro angekommen nahm Zetoras sich die Unterlagen der Hagner vor und leitete damit sein tägliches Feierabendritual ein. Erst würde er sich die Baupläne des 500 Meter langen Kriegsschiffs ansehen, dann die Fortschrittsberichte, danach den Terminplan und schlussendlich würde er ausrechnen, wie viele Wochen sie hinter dem Terminplan lagen.

Mittlerweile lagen sie neun Wochen zurück, bei einer veranschlagten Gesamtbauzeit von fünfzehn Wochen war es ein Wunder, dass noch niemand eingeschritten war. Vermutlich war einfach kein Personal da, das seins ersetzen könnte – alle waren zu anderen Arbeiten eingeteilt.

Wir haben das das Problem mit der Arbeitslosigkeit gelöst. Hurra für uns…

Wenn das Problem mit der Kühlung und Energieversorgung gelöst wurde, würden sie morgen den ersten echten Waffentest durchführen können. Dann fehlten nur noch der Sprungantrieb und das Schildsystem und die Hagner wäre einsatzbereit.

Frustriert schlug er sein Notizbuch zu und legte sein Gesicht zwischen seine Hände. Vermutlich war er einer der letzten Menschen, der noch immer auf Papier schrieb, aber er mochte das Gefühl von etwas Greifbarem zwischen den Fingern einfach lieber als das kalte und tote Plastik von elektronischen Geräten.

Nachdem er ein paar Minuten so gesessen hatte, stand er auf und verließ sein Büro. Der Weg zum Sprungraum war nicht weit, aber auf dem Weg kam er an dutzenden von Stellen vorbei, an denen die Verkabelung noch offen lag - und jeden Tag schienen es mehr zu werden, statt weniger.

Nicht zum ersten Mal nahm er sich vor, den Weg am nächsten Tag mit geschlossenen Augen zurückzulegen – und nicht zum ersten Mal würde er das am nächsten Tag vergessen haben.

Im Sprungraum befanden sich zwei Sprungtore, ein kleines Tor für Personensprünge und ein großes, das sie für den Transport von Baumaterial nutzen konnten. Auf Planeten gab es selten eine solche Trennung, doch selbst auf einem Kriegsschiff von den Ausmaßen der Hagner mit ihrem Reaktor gab es nicht unbegrenzt Energie. Man sparte also, wo man konnte, vor allem, wenn der Reaktor sich noch im experimentellen Stadium befand.

Nach einer kurzen Entscheidungsphase entschied Zetoras, dass er den Abend in seiner Lieblingsbar ausklingen lassen würde und gab die Glückliche Ente als Ziel ein. Theoretisch konnte man auch ohne Empfangstor an einen Ort springen, aber ohne eins bestand die Gefahr eines Fehlsprungs von wenigen Zentimetern bis zu mehreren Kilometern (Millionen von Kilometern, wenn es zu Raumschiffen kam), und er hatte wenig Lust plötzlich in Rateri Is Kern aufzutauchen.

Eine Sauna voller hübscher nackter Frauen, das wäre doch mal ein Fehlsprung, aber so viel Glück habe ich nicht…

Mit einem Seufzen trat Zetoras durch das Tor.

 

Für einen Moment hatte er das Gefühl, dass er Eins mit dem gesamten Universum wäre, ein Gefühl von unendlicher Gemeinsamkeit. Hätte jemand ihn nach einer Formel für endlose Energie gefragt, er hätte sie gewusst. Er wusste, was der Schatten war, wusste, wie sie gegen ihn triumphieren könnten… Doch so schnell, wie es gekommen war, so schnell war das Gefühl vorbei, das Wissen verloren und er war allein im Sprungraum der Glücklichen Ente. Alles, was ihm geblieben war, war der leise Nachhall des Gefühls Eins zu sein.

Die Wände um ihn herum waren mit Hologrammen von diversen Bands und Filmen gefüllt, manche schon Jahrzehnte alt. Die Tür zum Raum öffnete sich und Sakera Goras kam herein.

„Willkommen in der Glücklich...“, sie stockte in ihrer Begrüßungsformel und ihr Gesicht nahm überraschte Züge an, „Zetoras? Was machst du denn hier? Ich habe erst morgen wieder mit dir gerechnet.“

Hastig zupfte sie an ihrem engen und wenig verhüllenden Oberteil und versuchte ihre hüftlangen braunen Haare in Ordnung zu bringen, bevor sie beschämt zu Boden schaute.

„Hi Sakera.“, Zetoras tat so, als hätte er ihr nervöses Verhalten nicht bemerkt, „Wie läuft der Abend?“

Seit er die Bar vor vier Monaten zum ersten Mal betreten hatte, spielten die beiden ein Spiel von flirten und beschämt zu Boden schauen, wobei keiner einen Schritt auf den Anderen zu machte.

„Es geht. Es ist nicht leer, aber wir haben auch nicht so viel zu tun, dass ich mir nicht ein paar Minuten für meinen Lieblingsgast nehmen könnte.“

„Befürchtest du nicht, dass dein Chef dich rauswirft, wenn du zu viel Zeit mit einem einzigen Gast verbringst?“

„Ich frage sie, Moment. Sakera darf ich zu viel Zeit mit Zetoras verbringen“ Ihre Miene wurde ernst, als sie ihren Kopf nach links drehte:

„Hm Ausnahmsweise… Aber lass es nicht zur Gewohnheit werden.“

Zetoras musste lachen.

„Du hast den besten Chef, den man sich vorstellen kann.“

„Ich weiß – und du glaubst gar nicht, was für ein gutes Trojanisches Pferd sie mixen kann.“

Lächelnd hakte sie sich bei Zetoras ein und führte ihn zu ihrem privaten Tisch in einer abgeschiedenen Ecke der Bar. Sie ließen sich auf dem schwarzen Ledersofa nieder, das hinter dem Tisch stand und blieben ein paar Minuten eng aneinandergeschmiegt sitzen, bevor Sakera aufstand und hinter die Theke ging, um die Drinks für sie beide zu mixen.

Mit zwei Trojanischen Pferden in der Hand kam sie zurück zum Tisch. Zetoras nahm einen Schluck und lehnte sich entspannt zurück.

„Verrätst du mir heute, was ich hier trinke?“

Sie lachte und streckte ihm ihre Zunge entgegen.

„Keine Chance.“

„Irgendwann krieg ich das schon aus dir raus.“

„Und dann kommst du nie wieder, weil du dir den Drink zu Hause selbst mixen kannst. Ich verliere doch nicht meinen Lieblingskunden.“

„Mach dir da mal keine Sorgen. Zu Hause müsste ich den Drink selber mischen und auch noch bezahlen.“

„Ach, du bist wegen der kostenlosen Getränke hier. Wenn das so ist…“

Ruckartig stand sie auf und drehte sich um, um zu gehen. Lachend griff Zetoras nach ihrem Arm und zog sie auf seinen Schoß.

„Danke.“

„Wofür?“

„Dass du mich nach so einem langen und stressigen Tag zum Lachen bringst.“

„Immer wieder gern. Und nutzt du jetzt endlich die Chance mich zu küssen oder muss ich noch ein paar Monate warten?“

Ohne weitere Worte küsste er sie und der restliche Abend flog nur so dahin.

 

 

Neu Berlin – Rateri II

 

Mit einem Sprung rettete sich Ranai hinter die Kasse, bevor ein Schwall an Kugeln dort einschlug, wo sie eine Sekunde zuvor noch gestanden hatte. Die Kassiererin hatte weniger Glück, eine Kugel traf sie am Kopf und sie fiel zu Boden.

Sie konnte nicht sehen, was die restlichen Kunden und Kassierer taten, konnte aber zumindest keine Schmerzensschreie hören.

Wütend zog Ranai ihre Pistole und gab ein paar kurze Feuerstöße in Richtung der Gruppe Maskierter ab, die den Supermarkt überfallen hatten.

Seit dem Schatten waren Unruhen in der Bevölkerung an der Tagesordnung. Zuerst hatte sich das nur durch Proteste bemerkbar gemacht, aber je mehr Systeme vom Schatten umhüllt wurden, desto schlimmer wurden die Ausschreitungen. Und seit Rateri das letzte verbliebene System war, verging kein Tag ohne zumindest zwei bewaffnete Überfälle auf Banken oder Lebensmittelhändler.

Und das an meinem freien Tag…

In ihrem Kopf spulte sie eine kurze Buchstaben-und-Zahlen-Kombination ab.

Ausgelöst von der Aktivierungssequenz fuhren die Implantate in ihrem Gehirn hoch und im nächsten Moment konnte sie die Überwachungskameras im Geschäft abfragen.

Aus dem Augenwinkel hatte sie zwei Maskierte den Laden betreten sehen, jetzt konnte sie sehen, dass die Zahl sich auf drei Männer im Eingangsbereich und zwei Frauen an den Kassen erhöht hatte. Während die Männer relativ wahllos um sich feuerten, leerten die Frauen die Kassen aus.

Noch war niemand an ihrer Kasse angekommen, aber es war nur eine Frage der Zeit, wenn es ihr nicht gelang, die Männer auszuschalten. Eine weitere Sequenz aktivierte die Implantate in ihren Muskeln und sie synchronisierte sie mit den Informationen, die die Kameras lieferten, um sie als Zielhilfe zu nutzen.

Ohne den Rest ihres Körpers zu bewegen schwang sie den Arm mit der Pistole über die Kasse und gab drei Schüsse auf den ersten der Männer ab. Alle drei trafen ihn direkt in die Brust – ohne Schaden anzurichten.

Die Kamerabilder in ihrem Kopf zeigten ihr kein Flimmern an den Stellen an denen die Kugeln eingeschlagen waren, was bedeutete, dass der Mann unter seiner Jacke zwar Panzerung, aber kein Personenschild trug.

Amateure…

Erneut schwang sie die Waffe über die Kasse, gab eine kurze Salve ab, worauf sie sich sofort wieder vollständig hinter der Kasse zurückzog. Alle drei Männer sackten mit einem Loch zwischen ihren Augen tot zu Boden.

Die Frauen stockten und griffen nach ihren Waffen, doch bevor die Waffen ihre Holster auch nur halb verlassen hatten, sackten sie genauso tot zu Boden, wie ihre Begleiter.

 

Als die ersten Polizisten in den Laden stürmten, saß sie auf der Kasse und aß genüsslich ein Eis, während sie mit der anderen Hand ihren Dienstausweis hochhielt.

Mit militärisch harter Stimme begrüßte sie die Polizisten: „Kapitän Tasos, Rateri Streitkräfte. Fünf Angreifer, alle tot. Ein ziviler Verlust in der Eröffnungssalve der Angreifer. Sechs Zivilisten stehen unter Schock.“

Mit einer flüssigen Bewegung sprang sie von der Kasse und ging auf den Eingang zu. Einer der Polizisten hob seine Hand.

„Ich kann Sie nicht einfach so gehen lassen. Das ist ein Tatort.“

„Paragraph 5, Absatz 2 des Notfallgesetzes zur Rettung der Menschheit. Ich kann gehen, wann und wohin ich will.“

Der Uniformierte unternahm keine weiteren Anstalten sie aufzuhalten, sondern drehte sich von ihr weg. Aber nicht schnell genug, als dass ihr die Wut auf seinem Gesicht entgangen wäre.

Draußen angekommen, sendete sie einen Löschbefehl über die Implantate an die Kameras im Geschäft und schaltete nach erfolgreicher Löschung die Implantate ab. Mit einem Seufzen steckte sie den gefälschten Dienstausweis weg.

Ein weiteres verbranntes Alias. Seit dem Ausbruch des Schattens hatte der Geheimdienst alle Hände voll zu tun, neue Identitäten für sie und die restlichen Agenten zu erschaffen. Mit nicht mal einem halben Dutzend Agenten auf Rateri I und II, war das keine allzu große Schwierigkeit. Aber wenn man bedachte, dass das Bisschen logistisches Personal, das ihnen geblieben war, die Aufgaben sämtlicher Abteilungen eines vollausgestatten Geheimdienstes erledigen musste, hatten sie trotzdem weitaus mehr zu tun als normal war.

Aber die Umstände waren nicht normal. Und würden es vermutlich auch nie wieder werden.

Der Zusammenbruch der Kommunikation mit der Erde hatte den Geheimdienst ins Chaos gestürzt. Sämtliche Versuche wieder Ordnung herzustellen, waren gescheitert als der Schatten anfing sich über die umliegenden Systeme auszubreiten und die Terranische Republik in ihre Einzelteile zerbrach.

Was oder wer auch immer für den Schatten verantwortlich war, konnte von den einzelnen Reichen nicht aufgehalten werden. Der Geheimdienst hatte versucht weiterhin als geschlossene Gruppe zu agieren, aber die Versuche waren gescheitert. Die Verordnung zur Rettung der Menschheit war der finale Sargnagel gewesen.

Aus unerfindlichen Gründen war die neugegründete Regierung des Rateri Protektorats der Meinung ein Gesetz, das die Kommunikation mit Systemen nahe am Schatten verbietet, wäre die Lösung. Stattdessen hatte es nur dafür gesorgt, dass die Informationen, die die anderen Reiche gesammelt hatten, nur schwer ihren Weg nach Rateri fanden. Wenn es irgendeinen Durchbruch gegeben hatte, der ihnen vielleicht allen das Leben gerettet hätte, dann war er unweigerlich verloren.

Rateri war die letzte Bastion der Menschheit und ihr Ende schien unaufhaltsam.

 

Im Geheimdiensthauptquartier knallte Ranai ihren gefälschten Militärausweis auf den Tisch ihres Chefs.

„Kapitän Tasos ist verbrannt. Oder wird es bald sein.“

„Ranai, schön dich zu sehen.“ Phlin Dormin hatte einen zuckersüßen Tonfall aufgelegt. „Ich dachte, du hättest heute frei gehabt?“

„Ja. Mein erster freier Tag seit Monaten und natürlich wird das Geschäft überfallen, als ich mir etwas zu essen und zu trinken für meinen Filmabend hole. An meinem einen freien Tag.“

„Und was denkst du, das ich für dich tun kann?“

„Ich weiß, du hast Polzer auf die Köpfe hinter den Überfällen angesetzt. Er ist seit Wochen an ihnen dran und hat nichts. Lass mich ihm helfen oder zieh ihn ab und lass mich allein ran, wenn du nicht zwei Leute an der gleichen Sache arbeiten lassen willst. Aber lass mich der Organisation auf den Grund gehen.“

„Ich überlege es mir und rede dann mit Polzer.“

„Danke.“

„Das war kein Ja.“

„Ach komm, wir wissen es beide besser.“

Mit einem Zwinkern verließ sie das Büro und setzte sich an einen der Computer. Ihr freier Abend war eh ruiniert, da konnte sie sich auch um Papierkram kümmern.

Schattengalaxis I – Die letzten Tage: Kapitel 2

26. Februar 2270

 

Kriegsschiff Hagner – Im Orbit von Rateri I

 

Die Brücke der Hagner war für Zetoras immer wieder faszinierend. Sie war im Kern des Schiffs untergebracht, um sie bei Beschuss zu schützen. Sie war oval geformt und die Wände wurden von Computermonitoren geziert, auf denen die Daten der verschiedenen Systeme des Schiffs zu lesen waren. Die Mitte des Raumes wurde von einem Holoprojektor eingenommen, der den Bereich um das Schiff in einer detaillierten 3D Darstellung zeigte und die fehlenden Fenster in der Schiffsmitte mehr als ausglich.

Heute war die Hälfte der Monitore schwarz, weil die Geräte, die von ihnen gesteuert wurden noch nicht an das Schiffssystem angeschlossen waren. Aber der Holoprojektor strahlte in all seinem Glanz.

Zetoras saß im Kapitänssessel davor und studierte die Projektion. Das Schiff war von einem Gerüst eingerahmt und er konnte sehen, dass dort gearbeitet wurde. Ein Dröhnen ging durch das Schiff und die Verbindungen zwischen Gerüst und Schiff zogen sich zurück.

Er öffnete eine Sprechverbindung.

„Sehr verehrte Passagiere, ich begrüße Sie auf dem Kreuzfahrtschiff Hagner. In Kürze werden wir unsere Jungfernfahrt starten und ein paar Gesteinsbrocken streicheln…“

Die verwirrten und schockierten Blicke der Techniker auf der Brücke ließen ihn stocken. Mit einem Kopfschütteln wurde sein Tonfall ernster.

„Nachdem wir den humorigen Teil jetzt hinter uns haben, möchte ich die gesamte Besatzung daran erinnern, was wir heute tun. Sobald die Verbindungen zum Dock vollständig gelöst sind, werden wir uns auf einen zweistündigen Rundflug begeben, um das Antriebssystem zu testen. Wenn wir damit fertig sind, wird das Waffensystem getestet. Hierzu wurden auf der Rückseite des Mondes einige Ziele präpariert, die wir der Reihe nach unter Feuer nehmen werden.“

„Ich weiß, einige von euch hatten gehofft, dass wir heute ebenfalls das Schild- und Sprungsystem testen würden, aber da beide Systeme noch nicht vollständig eingebaut sind, wird dieser Test ausfallen müssen.“

„Dennoch denke ich, dass wir heute viel Spaß haben werden und wünsche uns allen viel Erfolg. Die Menschheit verlässt sich auf uns, lasst sie uns nicht enttäuschen.“

Er schloss die Verbindung und schaute zum Piloten.

„James, bring uns aus dem Dock.“

„Nichts lieber als das, Kapitän.“ Im letzten Wort schwang Ehrerbietung mit. Da sie zusammen gedient hatten, war James der einzige an Bord, der wusste, dass Zetoras beim Militär gewesen war, bevor er sich vor zwanzig Jahren in das zivile Leben zurückgezogen hatte.

Um das Schiff herum begann das Hologramm sich zu verschieben. Die Hagner blieb immer im Zentrum, aber das Dock war nun deutlich hinter Ihr zurückgefallen und fiel weiter zurück.

Zum ersten Mal konnte Zetoras die Hagner in all ihrem Glanz sehen, ohne das Gerüst. Raumschiffe wurden normalerweise länglich und schmal gebaut, damit sie keine riesigen Sprungtore benötigten. Aber die Hagner war anders. Sie hatte einen eigenen Sprungantrieb und war daher nicht auf Sprungtore angewiesen. Ihr Rumpf war zwar immer noch länglich, aber deutlich breiter als normal war. Hinzu kamen zwei Flügelstrukturen am Heck, die leicht nach vorne liefen, etwas Abstand vom Schiff hielten und es dadurch nochmal breiter machten. An ihnen befand sich die Sekundärbewaffnung, während das Hauptwaffensystem unter der „Nase“ angebracht war.

„James, dreh das Schiff neunzig Grad nach Links und dreißig Grad aufwärts. Dann beginn mit Ausweichmuster Alpha auf mein Zeichen.“

Er öffnete erneut die Sprechverbindung zum gesamten Schiff.

„Wer noch nicht angeschnallt auf einem Stuhl sitzt sollte das schleunigst ändern. Wir beginnen in wenigen Sekunden mit einem Stresstest des Antriebssystems und der Fliehkraftdämpfer. Zehn – Neun – Acht – Sieben – Sechs – Fünf – Vier – Drei – Zwei – Eins – Ausweichmuster Alpha, jetzt!“

Das Hologramm begann sich wild hin und her zu bewegen, aber Zetoras spürte nicht mehr als ein leichtes Druckgefühl im Magen. Die Dämpfer verrichteten ihre Arbeit.

„Statusbericht?“

Die Techniker an den Monitoren begannen wild durcheinander zu reden. Für einen Moment hatte er vergessen, dass er es hier, mit wenigen Ausnahmen, nicht mit erfahrenem militärischem Personal, sondern mit Leuten von der Straße zu tun hatte, die in den militärischen Aufbaudienst gezwungen worden waren.

„Stopp! Der Reihe nach im Uhrzeigersinn, beginnend mit… dir.“ Zetoras zeigte wahllos auf eine Frau zu seiner Linken.

„Lebenserhaltungssystem im grünen Bereich.“

Sein Finger wanderte weiter.

„Antriebssystem im grünen Bereich.“

Und weiter.

„Keine Störungen im Kühlsystem.“

Und weiter und weiter.

Mit Ausnahme der Dämpfer fünfzehn und siebenundzwanzig arbeiteten alle Systeme einwandfrei. Zetoras notierte sich auf seinem Block, dass die beiden Dämpfer später überprüft werden müssten, sah hier aber kein ernsthaftes Problem. Die Dämpfungssysteme waren extrem anfällig und Störungen waren auf allen Schiffen an der Tagesordnung. Aus gutem Grund verfügte die Hagner über zweihundert Dämpfer, obwohl sie lediglich siebenunddreißig brauchte, um selbst die plötzlichsten Bewegungen zu kompensieren.

„Ausweichmuster Beta, auf mein Signal.“

Die nächsten zwei Stunden verbrachten sie mit immer weiteren Tests des Antriebs- und Dämpfersystems. Es fielen sieben weitere Dämpfer aus, alle anderen Systeme arbeiteten weit über Zetoras‘ Erwartungen.

„James, es wird Zeit für den Waffentest.“

„Auf dem Weg.“

Erneut öffnete Zetoras die schiffweite Verbindung.

„Wir sind im Anflug auf den Mond. Alles bereitmachen für Waffentests. Überprüft eure Systeme und wenn alles bereit ist, gebt eine kurze Statusmeldung.“

Während der Anflugzeit trafen die Berichte der verschiedenen Teams ein, nur das Hauptwaffenteam hatte sich nicht gemeldet. Während James die Hagner in der Umlaufbahn des Mondes zum Stillstand brachte, musste Zetoras sich zurückhalten, nicht die Beherrschung zu verlieren.

Als er zu Schichtbeginn an Bord gekommen war, hatte er das Hauptwaffensystem noch selbst überprüft. Wenn jetzt etwas nicht stimmte, musste irgendjemand daran herumgespielt haben.

„Hauptwaffensystem, was ist euer Status?“

Keine Antwort.

Wütend schlug er auf die Kontrollkonsole des Holoprojektors und stand auf.

„James, du hast die Brücke.“

„Jawohl, Sir.“

Da die Fahrstühle noch nicht funktionsfähig waren, rannte Zetoras zur Steuerkonsole des Hauptwaffensystems. Was auch immer los war, er hatte das Gefühl, dass es besser war, wenn er sich der Sache selbst annahm – und in seiner Zeit beim Militär hatte er gelernt, sich auf sein Gefühl zu verlassen. Am Ziel angekommen blieb er erschrocken stehen.

Alle drei Mitglieder des Teams lagen tot am Boden, ihre Kehlen aufgeschlitzt, während sich unter ihnen drei Blutlachen bildeten, die dabei waren, sich zu einer einzigen zu vereinen.

„Was zur Hölle…?“

Weiter kam er nicht, bevor ihn etwas mit voller Wucht in den Nacken traf.

 

 

Neu Berlin – Rateri II

 

„Guten Morgen Polzer“

„Ranai… wie froh ich bin, dich zu sehen.“, die Stimme des kleinen, Glatzköpfigen Mannes triefte vor Sarkasmus.

„Oh ja, man sieht es dir förmlich an. Was haben wir über die Hintermänner der Unruhen?“

„Wir? Du meinst, was habe ich. Das ist meine Operation und deine Einmischung…“

„Erspar mir dein angekratztes Ego. Du bist seit Wochen an der Gruppe dran, ohne nennenswerte Ergebnisse. Andernfalls hätte ich etwas gehört. Freu dich lieber, dass Phlin dich nicht komplett vom Fall abgezogen, sondern mich nur zu deiner Unterstützung abgestellt hat.“

„Und das war auch ganz bestimmt seine Idee… Was hast du ihm gegeben, damit er dich deine Finger in meine Operation stecken lässt? Wir wissen alle, dass da etwas zwischen euch läuft. Musstest du ihm seine Eier…?“

Bevor er den Satz vollenden konnte, hatte Ranai ihm ihre Faust an die Schläfe gejagt. Benommen sackte Polzer zu Boden.

„Hör mir ganz genau zu, du kleiner Wicht.“, das Feuer in ihrer Stimme konnte ganze Wälder zu Asche verbrennen, „Ich kriege meine Aufträge, weil ich die Beste bin. Niemand hat jemals oder wird jemals irgendwelche sexuellen Gefälligkeiten bekommen, um mich voranzubringen. Nur weil du deinen Job nicht auf die Reihe bekommst, heißt das nicht, dass alle anderen genauso inkompetent sind wie du.“

Das Feuer wich aus ihrer Stimme.

„Also, fangen wir nochmal von vorne an. Was haben wir über die Hintermänner?“

Polzer rappelte sich vom Boden auf, wagte es aber nicht, Ranai anzusehen.

„Es scheint sich um eine Gruppe reicher Personen zu handeln, die in der Krise Angst um ihren Reichtum haben. Sie haben große Teile ihres Vermögens mit den restlichen Kolonien verloren und wollen jetzt sichern, was auch immer sie können. Da Geld in ihren Augen eine unsichere Anlage ist, sind sie dazu übergegangen Lebensmittel und andere Verbrauchsgüter zu horten.“

„Und weil die Verteilung durch die Krise streng überwacht wird, nutzen sie Unruhestifter und andre Verbrecher, um an die Sachen heranzukommen.“

„Korrekt. Wenn du deinen Uplink einschaltest, kann ich dir die Dossiers überspielen.“

Zur Ausnahme folgte Ranai seinen Anweisungen und Polzer überspielte ihr die Dokumente.

Bei seinen Verdächtigen handelte es sich um fünf Familien, jedoch hatte er keine wirklichen Angaben, wer aus den Familien tatsächlich involviert war, oder ob überhaupt alle Familien etwas damit zu tun hatten. Er wusste nur, dass irgendjemand von ihnen seine Finger im Spiel hatte.

„Das ist alles?“

„Alles? Weißt du, wie schwer es ist, etwas über diese Leute zu erfahren? Sie haben sich komplett abgeschottet. Kaum einer verlässt noch sein Anwesen, niemand kommt sie besuchen und das Gelände ist von Störsendern umringt, die es unmöglich machen, einfach ins Gebäude zu springen. Wir haben nicht mehr die Möglichkeiten, die wir mit dem gesamten Geheimdienstapparat hatten.“

„Das mag sein, aber wir haben noch immer unseren Verstand. Es gibt immer einen Weg. Man muss nur…“, sie stockte.

Während ihrer Unterhaltung war sie die Dokumente durchgegangen und hatte entdeckt, dass der Sohn der Matursi-Familie heute seinen 18. Geburtstag feierte. Und wie man es von verwöhnten Jungs zu ihrem 18. gewohnt war, hatte er sich eine Stripperin bestellt.

„Felix Matursi wird heute 18. Am Abend kommt eine Stripperin vorbei.“

„Ja, und?“

Schockiert schaute sie ihn an.

„Willst du mich verarschen? Du hättest längst den Platz der Stripperin einnehmen sollen.“

„Aber ja, weil ich auch so sehr als attraktive Frau Anfang 20 durchgehe.“

„Du nicht, aber ich. Hättest du Phlin Bescheid gegeben, hätte er mich schon lange auf den Fall angesetzt. Jetzt müssen wir das kurzfristig hinbekommen und improvisieren.“

In ihrem Kopf formte sich bereits ein Plan. Die Stripperin würde plötzlich krank werden oder einen Unfall erleiden, womit es ihr unmöglich werden würde den Auftrag auszuführen. Aber sie hätte eine Freundin, die den Job für sie übernehmen könnte. Ranai würde diese Freundin sein.

 

 

Kriegsschiff Hagner – Im Orbit des Mondes von Rateri I

 

Der Schlag in den Nacken schickte Zetoras auf die Knie. Doch noch bevor ein weiter Schlag folgen und ihn womöglich ausschalten konnte, rollte er zur Seite weg. Eine schnelle Drehung brachte ihn herum und wieder auf die Beine.

Sein Angreifer war ein unauffälliger Mann in den Dreißigern mit kurzem schwarzem Haar, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Er kannte zwar nicht jedes Besatzungsmitglied auf dem Schiff beim Namen, aber wenn er ein Gesicht sah, wusste er, ob er es schon einmal gesehen hatte – und der Mann war eindeutig nicht Teil seiner Besatzung.

In seiner Hand tauchte ein Messer auf.

Ich habe ihn überrascht, sonst hätte ich gleich das Messer abbekommen.

Der Mann sprang vorwärts und schwang das Messer von rechts nach links. Zetoras blockte den Angriff mit dem linken Arm und seine rechte Faust hämmerte er dem Angreifer seitlich auf den Bauch, an die Stelle an der sich die Milz befand.

Die Schmerzen waren dem Mann deutlich anzusehen, aber er ließ sich nicht davon abbringen, weiter anzugreifen. Stattdessen stach er erneut mit dem Messer zu, während er versuchte seine linke Seite zu schützen. Ein Fehler.

Zetoras griff nach dem Arm mit dem Messer und riss das Ellenbogengelenk mit einer ruckartigen Bewegung nach unten auf sein hochkommendes Bein. Ein Knacken signalisierte, dass das Gelenk gebrochen war, gefolgt von einem Schmerzensschrei. Das Messer fiel klirrend zu Boden und der Angreifer sank auf seine Knie. Zetoras gab ihm keine Zeit sich zu sammeln und trat ihm an die Schläfe. Der Mann sank ohnmächtig in sich zusammen.

Er ging zur Sprechanlage an der Wand.

„Zetoras an Sicherheitspersonal. Ich brauche ein Team im Kontrollraum des Hauptwaffensystems. Sofort!“

Er lehnte sich an die Wand und rutschte an ihr herunter. Der kurze Kampf und das Massaker hatten alte Erinnerungen in ihm hochgespült. Mit seinem Austritt aus dem Militär hatte er gedacht, dass er solche Bilder nie wieder sehen müsste – und jetzt das. Er atmete tief durch und versuchte die Gesichter der Toten zu verdrängen, was ihm nur langsam gelang.

Warum? Wer würde versuchen, den Test des neuen Waffensystems zu behindern? Die ganze Hoffnung zum Überleben der Menschheit hing an der Hagner und der Technologie die ihn ihr steckte. Wenn die Hagner versagte, bedeutete das das Ende ihrer Spezies. Wer würde das wollen?

 

Eins musste man dem Sicherheitspersonal lassen: Sie waren schnell. Nur bei der Zugangskontrolle zum Schiff schienen sie zu versagen. Zetoras fragte sich, ob es nicht besser gewesen wäre, langsames Sicherheitspersonal anzustellen, das dafür die Zugänge zur Hagner überwachte.

Als die vier Männer den Raum betraten, konnte er ihnen den Schock von den Gesichtern ablesen. Keiner war auf das Massaker vorbereitet, das sie hier erwartete.

„Steckt den Kerl in eine Zelle und fordert einen Verhörspezialisten von Rateri I an.“

Die Männer salutierten. „Jawohl, Sir.“

„Oh und bringt mir sämtliche Aufzeichnungen des Schiffseingangs der letzten drei Tage in mein Büro. Ich will wissen, wen von euch ich vor das Waffensystem schnalle, wenn wir alles überprüft haben und bereit sind es abzufeuern.“

„Ja-jawohl, Sir.“

 

Zetoras wartete im Sprungraum auf den Verhörspezialisten. Auf ihre Anfrage hatte man ihnen mitgeteilt, dass in zwanzig Minuten jemand durch das Tor kommen würde. Als der Countdown auf seiner Uhr bei 0 ankam, materialisierte sich eine Frau im Tor, die er auf Mitte 50 schätzte. Ihr pechschwarzes Haar war zu einem Knoten zusammengebunden und sie steckte in einem Anzug, der den strengen Look noch verschärfte.

Sie salutierte. „Lieutenant Steiner. Erbitte Erlaubnis an Bord kommen zu dürfen, Sir.“

„Erlaubnis erteilt, Lieutenant.“

„Danke, Sir. Ich bin hier, um den Gefangenen zu verhören. Ich soll Ihnen ebenfalls mitteilen, dass die Admiralität es unter den gegebenen Umständen für angebracht hält, die Hagner unter militärisches Kommando zu stellen.“

Zetoras verdrehte die Augen, er hatte so etwas erwartet, aber fand trotzdem, dass es unsinnig war.

„Willkommen zurück beim Militär, Kapitän Kasrer.“

Er starrte den Lieutenant aus großen Augen an, ohne ein Wort hervorzubringen.

 

 

Neu Berlin – Rateri II

 

Jahrhunderte der Raumfahrt, die Entdeckung einer Möglichkeit Lichtjahre in Nullzeit zurückzulegen und noch immer lassen Männer halbnackte Frauen aus einer Torte springen. Was haben wir uns doch entwickelt…

In eben einer solchen Torte steckte Ranai und bereitete sich darauf vor, aus ihr herauszuspringen. Verhüllt, wenn man hier noch von verhüllen sprechen konnte, war sie lediglich mit einem silberfarbenen Bikini, der nicht aus mehr als dünnen Fäden bestand.

Sie hatte kein Problem damit, wenn es ihrer Mission diente schlief sie auch mit ihrem Ziel, egal welchen Fetisch es hatte, aber trotzdem fragte sie sich immer wieder, ob Männer die letzten paar Tausend Jahre nicht die Evolution verschlafen hatten. Sie waren so einfach zu manipulieren.

Sie spürte, wie der Wagen auf dem die Torte stand in Bewegung gesetzt wurde. Ein Stopp verriet ihr, dass sie sich vor dem Raum befand, in dem die Party stattfand. Die Tür wurde geöffnet und sie konnte eine Gruppe junger Männer „Happy Birthday“ singen hören, dann setzte sich der Wagen wieder in Bewegung. Als sie hörte, wie die Tür sich schloss, sprang sie aus der Torte.

Sie war umringt von fünfzehn jungen Männern, die sie auf 16 bis 23 Jahre schätzte. Sie starrten sie begierig an. Unbeeindruckt fing sie an anzüglich zu tanzen, während sich unter ihr ein Podest hochschob und sie aus der Torte beförderte.

Oben angekommen, hob sie ihre Arme über den Kopf, drehte sich langsam im Kreis und ließ unauffällig einen daumennagelgroßen Glasbehälter fallen. Um sie herum wurden die Jugendlichen immer betrunkener – sie tanzte unbeirrt weiter.

Nach und nach fingen sie an einzuschlafen, bis alle auf ihren Stühlen, dem Boden oder aufeinander schliefen. Das Gas im Glasbehälter hatte seine Wirkung getan und die Gäste ausgeschaltet, während ihre Implantate sie vor dem Effekt schützten.

Am nächsten Morgen würden sämtliche Partygäste einen massiven Kater haben und sich an nichts erinnern. Was sie sicher als eine großartige Party werten würden.

Männer…

Sie streifte den Bikini ab und griff in die Torte, um ihren Tarnanzug herauszuholen. Der Anzug machte sie nicht wirklich unsichtbar, aber wenn sie still vor einer Wand stand, war sie mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen. Elektronische Überwachungseinrichtungen, wie Lichtschranken oder andere Arten von Sensoren wurden komplett getäuscht. Und während das Gebäude von außen von Kameras förmlich umringt war, wusste sie von Aufzeichnungen der Polizei aus Hausdurchsuchungen wegen Insiderhandels, dass sich im Haus keine Kameras befanden – und auch keine andersartigen Überwachungseinrichtungen. Die Matursis wollten nicht, dass jemand in ihr System einbrechen und Aufnahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeiten stehlen – oder dass die Polizei Beweise für ihren Insiderhandel finden - konnte.

Sie aktivierte die Audioverbindung ihrer Implantate.

„Polzer, ich bin drin.“

Polzer saß in einem der Kontrollräume im Geheimdiensthauptquartier, aber seine Stimme in ihrem Kopf war glasklar.

„Verstanden. Blaupausen, die die Polizei bei der Hausdurchsuchung erstellt hat sind… hochgeladen. Ich habe den Weg zum Büro eingezeichnet, du solltest es also ohne Probleme finden.“

Sie verbiss sich einen sarkastischen Kommentar und setzte sich in Bewegung. Durch die Tür raus nach links, vorbei an einem Brunnen, der in der Mitte einer Halle vor sich hinplätscherte, und durch eine von Miniaturpalmen eingerahmte Tür. Unterwegs verteilte sie ein paar Wanzen und schickte weitere mithilfe von Fingernagelgroßen Robotern aus, sich selbst einen Platz im Haus zu suchen.

Das Büro war leer und sie trat ein. Die Einrichtung war Antik. Ein schwerer Holzschreibtisch stand nahe der hinteren Wand, die rechte Seite war von Regalen mit echten Büchern geziert und links konnte sie Gemälde und Fotos von Künstlern sehen, die von ihren Implantaten auf das siebzehnte bis zweiundzwanzigste Jahrhundert datiert wurden. Das Fenster war von einem schwarzen, lichtundurchlässigen Vorhang verdeckt.

„Okay, ich bin im Büro.“

„Gut, wenn er seit der Hausdurchsuchung nichts geändert hat, befindet sich der Computer innerhalb des Schreibtischs. Du musst die Rückwand entfernen.“

„Verstanden.“

Mit ihren Fingern klopfte sie die Rückwand des Schreibtischs ab, bis sie einen hohlen Ton vernahm. Sie sah sich nach einer Öffnung um, in die sie ihre Finger stecken konnte, um die Verkleidung herauszunehmen, aber ohne Erfolg. Auch Druck brachte kein Ergebnis.

„Sagt der Bericht der Polizei irgendwas dazu, wie sie die Verkleidung entfernt haben?“

Polzer brauchte einen Moment, bis er antwortete.

Du hast bisher nicht einen Gedanken daran verschwendet den Polizeibericht auf die Information zu durchsuchen? Verdammt, wie dämlich bist du?

Trotz dieser Gedanken, blieb sie ruhig und sagte nichts. Polzer anzuschnauzen würde ihr auch nicht weiterhelfen und sie hatte keine Zeit für einen Streit.

„Nein, hier steht nichts. Gib deinen Videouplink frei, ich will mir das einmal ansehen.“

Sie gab den Uplink frei und lief den Schreibtisch einmal komplett ringsherum ab, kroch unter ihn und achtete darauf wirklich jeden Winkel einmal genau anzusehen. Polzer würde sich aus den gesendeten Bildern ein 3D-Model basteln und sich das dann genauer und vergrößert ansehen, während ein Computer ebenfalls alles absuchte. Zumindest ging Ranai davon aus, dass er das tun würde, es war immerhin die Standard Vorgehensweise.

Als er sich wieder meldete, war ihm deutlich anzuhören, wie stolz er auf sich war.

„Unterhalb des Schreibtischs in der linken hinteren Ecke ist eine kleine Stelle, die du drücken können solltest. Das sollte die Verkleidung öffnen.“

Zu viele „sollte“ für Ranais Geschmack, aber sie versuchte es trotzdem. Zu ihrer Überraschung hatte Polzer Recht. Sie hörte ein klacken und als sie wieder um den Schreibtisch herum war, war die Verkleidung offen.

Sie zog den kleinen Computer heraus und öffnete ihn mithilfe des Werkzeugs, das sie für diese Aufgabe im Tarnanzug verstaut hatte. Die Daten zu kopieren würde ihr nicht helfen. Als die Polizei das versucht hatte, hatte eine Sicherheitsvorkehrung sämtliche Daten gelöscht. Stattdessen klemmte sie eine Wanze direkt an den Hauptprozessor, die auf die Art das Passwort mitschneiden und dann nach und nach sämtliche Daten auf dem Gerät an einen Server des Geheimdiensts schicken würde.

Als sie alles wieder ordentlich verbaut hatte, ging sie zurück zur Party. Dort angekommen zog sie den Tarnanzug wieder aus und verstaute ihn in der Torte. Als nächstes mussten der Alkohol und die Drogen dran glauben. Es war noch viel zu viel übrig, um den Kater und die Gedächtnislücken zu erklären, unter denen die Jugendlichen am nächsten Morgen leiden würden. Sie kippte alles in die Toilette und spülte mehrmals nach, damit keine Rückstände übrigblieben. Dann legte sie ihren Bikini auf das Gesicht des Geburtstagskindes und sich selbst unter den Arm eines der Gäste. Sollten sie sich am nächsten Morgen doch um sie streiten. Auf dem Weg zurück zum Partyraum hatte sie ihren Videouplink wieder deaktiviert. Sie hatte kein Problem damit, wenn sie jemand anderes nackt sah, aber sie gönnte Polzer diesen Anblick nicht.

Zufrieden mit ihrer Arbeit schlief sie ein.

 

 

Kriegsschiff Hagner – Im Orbit von Rateri I

 

Zetoras saß in seinem Büro und verfasste den Bericht über den vergangenen Tag.

Kurz nach Lieutenant Steiner war ein militärisches Sicherheitsteam eingetroffen und hatte das zivile Personal ersetzt. Sie hatten ebenfalls ein Team mitgebracht, das das gesamte Schiff nach Sabotage oder anderen Veränderungen abgesucht, jedoch nichts gefunden hatte.

Entweder war der Angreifer, der bislang weder seinen Namen noch sonst eine Auskunft gegeben hatte, noch nicht dazu gekommen, das Waffensystem zu sabotieren als Zetoras eingetroffen war oder Sabotage war nicht das Ziel gewesen.

Aber wenn nicht Sabotage, was war es dann?

Die Frage ließ Zetoras nicht los. Er konnte nicht glauben, dass jemand einen offenbar professionellen (wie sonst war er in der Lage den Verhörmethoden von Lieutenant Steiner zu widerstehen?) Attentäter anheuerte, nur um ein paar unwichtige Techniker umbringen zu lassen. Nein, etwas Anderes ging hier vor, aber was?

Die Aufzeichnungen der Zugänge hatten aber zumindest gezeigt, wie der Angreifer ins Schiff gekommen war. Er hatte sich mithilfe eines Tarnanzugs langsam an den Eingang geschlichen und war dann während des Schichtwechsels durchgeschlüpft. Immerhin war weder das Sprungstörfeld durchbrochen worden, noch konnte er jemandem aus dem alten Sicherheitsteam Beihilfe vorwerfen – nur Inkompetenz.

Auf der Hagner hatte er sich dann in einer unfertigen Wand versteckt, bis er losgeschlagen hatte.

All das konnte Zetoras problemlos auf den Aufzeichnungen sehen, und wenn jemand die Kameras überwacht hätte, hätte derjenige das auch gesehen, aber Zetoras wusste aus Erfahrung, wie wenig Aufmerksamkeit derartigen Überwachungsbildern wirklich geschenkt wurde.

Nachdem keine Sabotage am Schiff festgestellt werden konnte, hatten sie den Test erfolgreich fortgesetzt. Die Feuerkraft des Waffensystems war atemberaubend und erste Auswertungen zeigten, dass sie sogar sieben Prozent über den im Vorfeld berechneten Werten lag.

Als er den Bericht fertig hatte, tippte er mit seinem Stift gegen seine Lippen und überlegte, ob er den frisch erhaltenen Rang zurückgeben sollte. Er wollte nicht wieder im Militärdienst stehen und hatte gute Gründe gehabt seinen Dienst vor fünf Jahren zu quittieren und die hatte er noch immer. Aber er bezweifelte, dass die Admiralität ihn so einfach gehen lassen würde. Nein, er war in seinem neuen Rang gefangen. Diesmal würde ihn niemand zurücktreten lassen, dessen war er sich sicher. Genauso, wie er sich sicher war, wem er diese Beförderung zu verdanken hatte.

Widerwillig digitalisierte er den Bericht und schickte ihn in die Zentrale, bevor er das Büro verließ und sich auf den Weg in die Glückliche Ente machte. Er hatte keine Lust, etwas zu trinken, aber Sakera würde ihn auf andere Gedanken bringen.

Schattengalaxis I – Die letzten Tage: Kapitel 3

27. Februar 2270

 

Neu Berlin – Rateri II

 

Seit siebenundachtzig Minuten lag Ranai nun schon wach, aber mit geschlossenen Augen unter dem Arm des Jugendlichen. Und keiner der Partygäste schien aufwachen zu wollen. Es war zum Verzweifeln. Sie war geduldig, aber sie hatte Besseres zu tun als den ganzen Morgen unter dem Arm irgendeines verwöhnten Bengels zu verbringen und fing an sich Gedanken zu machen, wie sie das Problem lösen könnte, ohne aufzufallen, als sie etwas krachen und jemanden einen Schmerzensschrei ausstoßen hörte, gefolgt von heftigem Fluchen.

Einer der Gäste, der auf einem Stuhl geschlafen hatte, musste aufgewacht und vom Stuhl gefallen sein.

Aufgeschreckt durch das Schreien und Fluchen fingen auch die anderen Schläfer an sich zu regen. Der Arm über ihr bewegte sich und griff an eine ihrer Brüste. Ihrer Rolle treu bleibend fing sie langsam an sich zu bewegen und dreht sich zu dem Jugendlichen um. Sie lächelte ihn an und schmiegte sich an ihn.

Mit verführerischer Stimme flüsterte sie ihm ins Ohr: „Wenn du noch eine Runde willst, weißt du ja, was es kostet.“

Er riss die Augen auf, nur um sie gleich darauf wieder zuzudrücken und sein Gesicht vor Schmerzen zu verziehen. Das Gas leistete seine Arbeit, was bedeute, dass sie sich keine Gedanken machen musste, dass das Angebot angenommen wurde. Selbst wenn er wollte, wäre er wohl nicht dazu in der Lage.

Langsam richtete sie sich auf, immer darauf achtend, dass sie zumindest annähernd so verkatert wirkte, wie die Partygäste um sie herum.

Als ein paar der Jugendlichen standen, erhob sie sich auch auf ihre Beine und wankte zum Geburtstagskind.

„Ich… brauche ein Taxi.“, sie griff sich an Kopf, „Mein Kopf fühlt sich an als wenn er explodiert.“

Felix winkte ab. „Jaja... Lass dich von meinem Butler zum Sprungraum bringen.“

„Oh nein…nicht nach der Nacht. Bitte. Ein Taxi.“, ein Sprung wäre schneller gegangen, aber wenn man getrunken hatte, war Springen wirklich keine gute Idee. Und sie musste schließlich in der Rolle bleiben.

„Okay. Mein Butler bringt dich zur Garage und mein Fahrer setzt dich ab, wo auch immer du hin willst.“

Er brüllte den Namen des Butlers und die restlichen Anwesenden zuckten zusammen. Zu laut.

 

Zwanzig Minuten später hatte der Fahrer sie an der Adresse abgesetzt, die sie mit Polzer als Treffpunkt ausgemacht hatte. Während der Fahrt hatte sie sich umgezogen und trug jetzt wieder normale Straßenkleidung. Das gewisse Nichts, das ihr Bikini war, hätte zu viel ungewollte Aufmerksamkeit erregt.

Sie ging auf ein Wohnhaus zu, während sie die abfahrende Limousine aus dem Augenwinkel beobachtete. Als sie um eine Ecke verschwunden war, schwenkte sie vom Wohnhaus auf ein Café um und ließ sich davor nieder. Das sommerliche Wetter lud dazu ein, unter freiem Himmel zu frühstücken.

Eine Karte wurde über den Tisch projiziert und mit ein paar Berührungen des Holos hatte sie ihr Frühstück zusammengestellt. Ein Brötchen mit Wurst, ein Croissant mit Manbeer-Marmelade (eine genetische Kreuzung aus Mangos und Erdbeeren), Rührei und Kaffee. Kurz darauf materialisierte sich ihr Frühstück auf einem kleinen Sprungtor, das in die Mitte des Tischs eingebaut war.

Das Brötchen war etwas trocken, aber die Croissants und der Kaffee waren mehr als gut. Sie machte sich eine innerliche Notiz, das Café wieder zu besuchen. Während des Frühstücks beobachtete sie die Straße. Durch den Siegeszug des Sprungtors zum Hauptreisemittel gingen nur noch wenige Menschen zu Fuß oder nutzten Fahrzeuge, weswegen die Straße fast menschenleer war. Aber ein paar Leute waren dennoch unterwegs.

Den Meisten konnte man ansehen, dass der Schatten und die Nahezu-Auslöschung der Menschheit sie mitgenommen hatte. Stress und Angst dominierten die Gesichter der Passanten. Einige Wenige schienen unberührt, aber bei genauem Hinsehen konnte man auch denen ansehen, dass sie ihre Angst nur unterdrückten. An den meisten Geschäften (und auch an dem Café in dem sie sich befand) prangte ein Schild, dass Sicherheitspersonal gesucht wurde, aber Ranai hegte ihre Zweifel, dass sich jemand auf die Stellen bewerben würde.

Zum einen machten die Unruhen die Arbeit im Sicherheitsdienst gefährlich, zum anderen waren die meisten Arbeitslosen in den militärischen Aufbaudienst gedrängt worden. Wer heute noch arbeitslos war hatte entweder genug Geld, um sich vom Dienst freizukaufen, war mehrfach vorbestraft, war krank oder zu alt. Keiner dieser vier Bewerbertypen eignete sich zum Sicherheitsdienst.

Nachdem sie ihren Kaffee ausgetrunken und ihr Frühstück aufgegessen hatte, ließ sie sich die Rechnung anzeigen und gab eines ihrer Spesenkonten ein, um sie zu begleichen.

Langsam fing sie an sich zu wundern, wo Polzer blieb. So inkompetent er auch war, er neigte zur absoluten Pünktlichkeit. War ihm etwas zugestoßen? Sie wollte ihn kontaktieren, aber es saßen zu viele Leute vor dem Café, um Kontakt über ihre Implantate aufzunehmen, die Technologie war streng geheim, und sie hatte kein Telefon dabei. Sie beschloss, noch ein paar Minuten zu warten und dann auf die Toilette zu gehen, um Polzer von dort zu kontaktieren.

Um nicht aufzufallen bestellte sie noch einen Kaffee und lehnte sich entspannt zurück. Trotz der Anspannung in ihrem Inneren genoss sie die Morgensonne auf ihrem Gesicht. Sie hatte viel zu selten die Gelegenheit dazu, einen entspannten Morgen an der Sonne zu verbringen, daher nutzte sie jede Chance, die sich ihr bot.

Als sie grade aufstehen wollte stand Polzer vor ihr.

„Entschuldige die Verspätung.“

Sie wollte sauer auf ihn sein, aber das Frühstück und die Sonne auf ihrem Gesicht machten es ihr unmöglich.

„Halb so wild. Ich vermute, du hast einen guten Grund. Frühstück? Die Croissants und die Marmelade sind gut.“

Er setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber.

„Gerne.“

Er reichte ihr ein Tablet.

„Nicht viel, aber ein paar Bilder und Dokumente konnten wir bereits sichern. Ich empfehle dir die neusten Einträge. Das kam rein, als ich los wollte. Daher die Verspätung.“

Die neueste Datei war eine Videoaufzeichnung aus dem Büro der Matursis. Sie nahm die Kopfhörer die Polzer ihr hinhielt und sah sich die Aufzeichnung an.

Harald Matursi unterhielt sich mit einem anderen Mann, den die Gesichtserkennung als Karil Husegan identifizierte. Der CEO von Husegan Verteidigung. Dem einzigen Hersteller von schweren Waffen im Rateri-System. Und damit der Firma, die die Waffen für sämtliche Kriegsschiffe baute, die derzeit hergestellt und verwendet wurden. Mit einer Ausnahme: der Hagner. Ihr Atem stockte.

Die Pläne und Teile für die Waffen der Hagner kamen direkt aus dem Büro der Admiralität. Niemand wusste, wieso oder woher sie sie hatten, nicht einmal der Geheimdienst.

Matursi setzte sich auf seinen Stuhl hinter dem Schreibtisch und deutete Husegan an sich auf einem der anderen Stühle im Raum niederzulassen.

„Hatte dein Mann auf der Hagner gestern Erfolg?“

Husegan schaute auf seine Hände, die er in seinem Schoß gefaltet hatte.

„Ja… und nein. Er konnte das Technikerteam am Hauptwaffensystem erfolgreich eliminieren, aber dann wurde er vom Bauleiter unterbrochen und außer Gefecht gesetzt. Der Waffentest verlief danach erfolgreich.“

„Du hast mir versprochen, dein Mann könnte jeden Auftrag ausführen. Und dann lässt er sich von einem simplen Bauleiter aufhalten?“

„Das hat mich auch gewundert. Ich habe daher ein paar Quellen im Militär angezapft und konnte in Erfahrung bringen, dass es sich beim bisherigen Bauleiter um einen Mann namens Zetoras Kasrer handelt. Er hat bis vor zwanzig Jahren im Militär gedient, wurde, nach dem Vorfall auf der Hagner, wieder in den Dienst berufen und hat das Kommando über das Schiff übernommen.“

„Und?“

„Das ist leider alles. Sämtliche seiner Akten sind als streng geheim eingestuft und keiner meiner Kontakte war in der Lage, mir die unverschlüsselten Akten zukommen zu lassen. Selbst sein Geburtsdatum ist verschlüsselt.“

Das Gespräch ging noch weiter, aber Ranai pausierte die Aufnahme, um den Schock zu verarbeiten. Der wichtigste Lieferant des Militärs hatte versucht das neue Flaggschiff der Flotte zu sabotieren.

 

 

Sakeras Wohnung – Rateri I

 

Langsam schlug Zetoras die Augen auf und sah sich um. Er lag nackt im Bett mit Sakera, die sich an ihn gekuschelt hatte und noch immer schlief. Den letzten Morgen war er zu Hause allein in seinem eigenen Bett aufgewacht, aber diese Nacht war er mit rauf in Sakeras Wohnung gegangen. In der Nacht war das Zimmer dunkel gewesen, daher hatte er es nicht näher studieren können, aber jetzt fiel das Morgenlicht ins Zimmer.

Es war in einem sanften Gelbton gestrichen und an der Wand hingen Bilder, die er nicht kannte – zugegebenermaßen war Kunst auch nicht seine starke Seite. An der Wand gegenüber vom Bett war ein Holoprojektor angebracht und links stand ein Kleiderschrank, ansonsten war das Zimmer leer. Er konnte weder einen Wecker noch einen Nachttisch sehen, aber er vermutete, dass eine Barbesitzerin es auch nicht nötig hatte früh aufzustehen.

Er dagegen schon. Vorsichtig löste er sich von Sakera, um sie nicht aufzuwecken und ging zur Tür. An der Tür drehte er sich um und betrachtete für einen Moment ihren makellosen Körper bevor er aus dem Zimmer schlich und eine Uhr suchte. Ihre Kleidung lag über den Flur verteilt. Seine Hose lag nur einen Meter von der Schlafzimmertür entfernt und in ihr sollte, hoffentlich, sein Telefon sein. Er griff nach ihr, zog das Telefon aus der Gesäßtasche und legte seinen Finger auf das Display, um seinen Fingerabdruck und seine DNS scannen zu lassen. Der Bildschirm aktivierte sich und er stellte beruhigt fest, dass es erst acht Uhr war.

Da sein Dienst erst um zwölf Uhr begann, schlich er wieder ins Schlafzimmer zurück. Sakera saß aufrecht im Bett und musterte ihn.

„Ich hatte schon befürchtet, du würdest dich, ohne ein Wort, verziehen.“

Er lächelte: „Nein, keine Chance. Ich habe nur keine Uhr sehen können und musste sehen, wie viel Zeit ich noch habe, bevor ich wieder zur Hagner muss.“

„Und? Wie viel Zeit hast du?“

„Genug!“

Damit stürzte er sich auf sie und für die nächsten beiden Stunden war das Paar beschäftigt.

 

Während Sakera das Frühstück zubereitete saß Zetoras im Wohnzimmer und schaute Nachrichten. Bisher hatte er nichts über die versuchte Sabotage auf der Hagner finden können, was ihn beruhigte. Er hatte befürchtet, dass jemand die Geschichte leaken könnte, aber offenbar hatte das militärische Sicherheitspersonal bei den Arbeitern genug Angst vor den Konsequenzen verbreiten können. Die Tatsache, dass es sich unter dem derzeit herrschenden Militärrecht dabei um Hochverrat gehandelt hätte, der mit dem Erschießungskommando bestraft wurde, tat wohl sein Übriges.

Auch Sakera hatte er nicht verraten, was vorgefallen war. Dafür vertraute er ihr noch nicht genug und selbst wenn, war er sich nicht sicher, ob er ihr davon erzählt hätte.

Was sie jedoch wusste war, dass er jetzt wieder im Militär war und das Kommando über die Hagner hatte. Und ebenso wusste sie, dass er sich nicht sicher war, ob er das wollte. Aber wirklich etwas für ihn tun, konnte sie nicht.

Sakera kam mit einem Tablett auf dem ihr Frühstück befand ins Zimmer und stellte es vor ihn auf den Tisch.

Toast, Aufschnitt, Butter und Muosnusscreme dazu Tee und Saft. Schlicht, aber lecker.

„Und, was gibt es Neues in den Nachrichten?“

Sie setzte sich neben ihn auf die Couch und er zog sie an sich, bevor er antwortete.

„Nicht viel. Proteste auf Rateri II, friedlich. Dafür gab es heute Nacht hier einen Brandanschlag auf eine Bank. Jemand hat die Leiche eines Bankers vor das Regierungsgebäude geworfen.“

„Dass das ‚nicht viel‘ ist, ist einfach traurig.“

Er drückte sie fester an sich.

„Ich weiß. Und es wird schlimmer werden, bevor es besser wird.“

Sie griff nach der Fernbedienung, schaltete den Holoprojektor aus und klopfte ihm mit der flachen Hand auf den Oberschenkel.

„Zeit fürs Frühstück.“

„Okay.“

Bevor er sie losließ küsste er sie noch lang und zärtlich, dann machten sie sich ans Frühstück.

 

 

Kriegsschiff Hagner – Im Orbit von Rateri I

 

Das Gefühl, der Einheit mit dem gesamten Universum dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, dann befand sich Zetoras an Bord der Hagner. Das Gefühl das nicht verging, war dass er das erste Mal seit Jahren wieder glücklich war. Er hoffte, dass er es den Tag über behalten konnte, während er seine Zeit mit einem Job verbrachte, den er nicht haben wollte.

„Kapitän an Deck!“ donnerte die Wache als er aus dem Sprungtor trat.

Wie sehr ich das nicht vermisst habe…

Er verließ den Raum, ohne die Wache eines Blickes zu würdigen. Als er zwei Meter vom Sprungraum entfernt war, überlegte er es sich anders und drehte um.

„Für die Zukunft: Kein Mensch braucht die Ankündigung, dass ich den Raum betreten habe. Außerdem will ich die Schichtleitung und ihre Vertretung der einzelnen Wachschichten in zwei Stunden in meinem Büro sehen. Das gilt auch für die, die derzeit keinen Dienst haben.“

Die Wache salutierte. „Jawohl, Sir!“

Er rieb sich die Schläfen.

Ich muss dringend etwas gegen die Förmlichkeit tun, sonst platzt mir spätestens morgen der Schädel.

Auf dem Weg in sein Büro stellte er fest, dass die Nachtschicht ganze Arbeit geleistet hatte. Die meisten Wände waren verkleidet und nur noch an kritischen Stellen lagen die Kabel offen. Als er an den ersten Arbeitern vorbeikam, erklärte sich ihr plötzlicher Fleiß. Es waren nicht seine Arbeiter.

In seinem Büro wurde sein Verdacht von den Unterlagen auf seinem Computer bestätigt. Das Militär hatte beinahe sein komplettes Personal ausgetauscht. Offenbar hatte die versuchte Sabotage sie endlich wachgerüttelt.

 

 

Neu Berlin – Rateri II

 

„Was soll das heißen ‚wir können niemanden auf die Hagner einschleusen‘?“, Ranai war außer sich vor Wut.

„Das heißt genau das, was ich gesagt habe. Es geht nicht. Das Militär hat heute Nacht erst Neunundneunzig Prozent des Personals ausgewechselt.“, Phlin stützte seine Ellenbogen auf dem Schreibtisch ab und legte die Finger zusammen, „Wen auch immer wir einschleusen, er würde herausstechen, wie ein bunter Hund.“

Sie schlug mit der flachen Hand gegen die Wand.

„Wie sieht es mit Husegan aus?“

„Husegan stellt niemanden ein und unsere eingeschleusten Agenten waren alle in anderen Systemen, als sie gefallen sind. Wir haben niemanden.“ Seine Stimme klang ruhig und gelassen. Hätte sie ihn nicht so gut gekannt, wie sie ihn kannte, hätte sie Phlin niemals angemerkt, dass er verzweifelt war.

„Ich meinte nicht die Firma. Ich meinte den Mann selbst.“

„Ein Attentat? Die Konsequenzen wären…“

„Keine Sorge, ich habe einen Plan.“

 

 

Kriegsschiff Hagner – Im Orbit von Rateri I

 

Die Besprechung mit den Wachschichtleitern hatte seine gute Laune getrübt. Sie waren alles andere als aufgeschlossen gewesen, als er ihnen mitgeteilt hatte, Jahrhunderte alte Protokolle der Seefahrt zu modernisieren. Sie hatten darin keine Modernisierung gesehen, sondern beinahe einen Eingriff in ihre Seele – oder zumindest war es Zetoras so erschienen. Schlussendlich hatte er keine Wahl gehabt als von der Tatsache Gebrauch zu machen, dass er der Kapitän der Hagner war. Und auf einem Schiff durfte sich niemand den Befehlen des Kapitäns widersetzen. Er musste zugeben, dass nicht alle alten Protokolle schlecht waren.

Die meisten der neuen Sicherheitsmaßnahmen, die er umsetzen wollte, hatten sie bereits von sich aus umgesetzt. Doppelkontrollpunkte am Eingang, wechselnde Patrouillenrouten und mehr Personal zur Überwachung der Sicherheitskameras. All das hatte Zetoras schon lange umsetzen wollen, aber ein Mangel an Personal hatte ihn daran gehindert.

Woran sie nicht von sich aus gedacht hatten, war die Abriegelung des Sprungraums. Das Störfeld wurde gemeinhin als undurchdringlich angesehen und die Sicherheitssysteme, die genutzt wurden um das Feld um den Sprungraum herum kurzfristig zu deaktivieren, galten als nicht knackbar.

Aber Zetoras wusste es aus eigener Erfahrung, besser. Sobald sich ein Empfangstor in einem Störfeld befand, konnte das Störfeld durchdrungen werden. Es war nicht einfach, aber es war möglich. Da diese Information als streng geheim galt, konnte er das natürlich nicht verraten, stattdessen hatte er etwas von gestohlenen Codes oder bestochenem Personal erzählt. Das hatte funktioniert.

Im Sprungraum befanden sich von jetzt an zwei schwer bewaffnete Männer und die Tür war versiegelt, bis einer der beiden sowie die Wache an der Überwachungsmonitoren ihren jeweiligen Sicherheitscode eingegeben hatten.

Und statt laut die Anwesenheit des Kapitäns in einen leeren Raum hineinzubrüllen, wurde seine und auch jede andere Ankunft, jetzt nur noch über eine Computereingabe bestätigt und automatisch in das Protokoll aufgenommen.

Sein Schädel würde nicht platzen.

Nachdem er all das in einem ordentlichen Bericht niedergeschrieben hatte, machte er sich auf den Weg, die Bautrupps zu begutachten.

 

Wie er bei Betreten des Schiffs bereits bemerkt hatte, hatten sie ganze Arbeit geleistet. Aufgaben, für die seine alte Crew Tage benötigt hätte, waren erledigt. Wenn sie in der Geschwindigkeit weiterarbeiten würden, dann wäre das Schiff spätestens übermorgen einsatzbereit. Wenn er die Arbeitspläne leicht modifizierte, konnte der nächste Testflug sogar schon am nächsten Tag stattfinden.

 

 

Hasenburg – Rateri II

 

Der Name der Stadt würde für Ranai nie Sinn machen. Warum nannte man die Hauptstadt eines Planeten freiwillig Hasenburg? Irgendjemand hatte ihr mal erklärt, dass bei der Gründung der Kolonie auf Rateri II eine Wette zwischen den beiden Entdeckern des Systems gelaufen war und einer der beiden als Wetteinsatz den Namen der Hauptstadt gesetzt hatte. Sie hatte jedoch ihre Zweifel am Wahrheitsgehalt der Geschichte. Sie konnte sich jedoch auch keinen intelligenteren Grund denken, einer Stadt einen derartigen Namen zu geben.

Sie lag auf dem Dach eines dreihundert Meter hohen Hochhauses und beobachtete Karil Husegan mithilfe der Zoomfunktion ihrer Implantate dabei, wie er mit seinen Kindern im Garten spielte. Wenn sie den Mann richtig einschätzte, würde er schnell das Interesse an dem Spiel verlieren. Sie hoffte nur, dass die Kinder dann ins Haus verschwinden würden und nicht er. Ihr ganzer Plan fußte darauf, dass sie ihn allein zu fassen bekam.

Nach zehn Minuten, die sich anfühlten wie Stunden, setzte Husegan sich erschöpft ins Gras und schickte seine Kinder ins Haus. Der Zeitpunkt war gekommen, ihren Plan in die Tat umzusetzen, wer weiß, wie lange sie hatte, bevor ihr Ziel aufstand und seinen Kindern ins Haus folgte. Mit einem Knopfdruck erhob sich eine Drohne aus ihrem Versteck nahe der Villa und schwebte hinein. Gleichzeitig sendete sie einen massiven elektromagnetischen Puls, der hoffentlich die Kameras lahmlegen würde.

Von Husegan unbemerkt senkte sich die Drohne nur einen Meter hinter ihm ins Gras. Lautlos schoben sich einzelne Teile aus ihr, die sich selbst zu einem Ring formten.

Ranai stand auf und trat durch das von ihr mitgebrachte Sprungtor auf dem Dach. Der Sprung war anders als üblicherweise, statt eines Gefühls von Einheit mit dem Universum, fühlte es sich an, als würde sie innerlich entzwei gerissen, als würden ihre Eingeweide sich erst verknoten und dann versuchen sich durch ihren Oberkörper Bahn zu brechen. Ihr Verstand kam zum Stillstand und für einen Moment war sie nicht mehr sie selbst, sondern eine leere, schmerzerfüllte Hülle.

Als sie aus dem Sprungtor hinter Husegan trat stöhnte sie vor Schmerz und konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten.

Aufgeschreckt von ihrem Stöhnen drehte Husegan seinen Kopf herum. Seine Augen füllten sich mit Panik als er die Agentin sah. Er öffnete in einem Versuch um Hilfe zu schreien den Mund, aber bevor er ein Wort herausbrachte hatte Ranai ihm eine Spritze mit einem Betäubungsmittel in den Hals gerammt.

Immer noch unter Schmerzen schmiss sie den bewusstlosen Mann durch das Sprungtor und folgte ihm.

Als sie diesmal an ihrem Zielort aus dem Tor trat war der Schock der Schmerzen zu groß und sie verlor das Bewusstsein.

In Husegans Garten baute sich die Drohne wieder zusammen und schwebte davon. Als kurz darauf die Wachen eintrafen war weder von ihrem Boss noch von der Drohne irgendeine Spur zu finden.

 

Wenige Minuten später wachte Ranai wieder auf. Vor ihren Augen hatte sich eine Tabelle mit Zahlen und ihren medizinischen Werten aufgebaut. Ihrer Programmierung folgend hatten die Implantate sie wieder aufgeweckt als die Zahlen halbwegs normale Werte erreicht hatten. Selbst wenn sie abgeschaltet gewesen wären, würden die Notfallprotokolle in ihnen sie für diese Aufgabe reaktivieren.

Als sie aufstand spürte sie trotzdem noch jeden ihrer Muskeln und ihr Kopf schmerzte. Die Drohne war in der Lage gewesen die Kameras zu stören, aber das Sprungstörfeld hätte einen deutlich stärkeren Puls benötigt. Also hatte sie sich zwei Infiltrationstore aus der Asservatenkammer im Hauptquartier geholt und ein Loch in das Störfeld geschlagen.

Phlin hatte sie gewarnt, dass der Sprung unangenehm werden würde, aber sie hätte niemals gedacht, dass es derart schlimm sein könnte.

Karil Husegan lag, noch immer bewusstlos, nur wenige Zentimeter neben ihr. Sie hoffte, dass es wirklich nur Bewusstlosigkeit und kein Koma war. Die Kombination von Betäubungsmittel und einem Sprung durch ein Störfeld konnte Nebenwirkungen haben. Aber unter den Schmerzen ihres eigenen Sprungs wäre sie nicht in der Lage gewesen, den deutlich größeren Mann schnell genug auszuschalten, um unbemerkt zu entkommen.

Sie rollte ihn auf eine Trage, band ihn fest und aktivierte den Hovermodus. Durch eine Tür gelangte sie vom Dach ins Treppenhaus und ging hinunter in den Raum den sie für ihre nächste Aufgabe präpariert hatte. Auf der Treppe nutzte sie das Geländer um sich abzustützen. Die Trage folgte automatisch einen Meter hinter ihr.

 

 

Kriegsschiff Hagner – Im Orbit von Rateri I

 

Nach seinem Rundgang durch das Schiff selbst ging Zetoras zur Brücke. Der Unterschied zur Technikercrew vom Vortag war offensichtlich. Statt der konstanten Gesprächskulisse, die einen Tag zuvor noch geherrscht hatte, war die Brücke vergleichsweise still. Hier und da wurde ein Gespräch geführt, aber leise. Und das war, bevor irgendjemand gemerkt hatte, dass er die Brücke betreten hatte. Eine Offizierin, die an einer Konsole nahe dem Eingang saß, bemerkte ihn als erste.

Zu Zetoras‘ Überraschung sprang sie nicht aus dem Stuhl, um zu salutieren, sondern drehte sich kurz in seine Richtung, salutierte knapp und widmete sich dann wieder ihrer Arbeit.