Schläft ein Lied - Sepp Mall - E-Book

Schläft ein Lied E-Book

Sepp Mall

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Beschreibung

Was bleibt von den Landschaften eines Lebens? Von den Bildern aus der Kindheit? Von den Eindrücken einer ursprünglichen Welt mit all ihren Schönheiten und Unbarmherzigkeiten? Ein Bild nach dem anderen nimmt Sepp Mall in den Blick - ein langsames Gehen, in dem sich die Gedichte zu einem poetischen Panorama aneinanderreihen. Unaufgeregt, präzise und immer wieder überraschend spürt er dabei den Wörtern nach, ihrem Klang, ihrer Atmosphäre, ihrem Geschmack, ihren Andeutungen und Verweisen. In der Mischung aus längeren, erzählerischen Gedichten und kurzen, verknappten Versen folgt Sepp Mall einer Wellenbewegung zwischen Narration und Poesie. Sanft lässt er das Prinzip der Aufzählung zum Tragen kommen, wechselt mühelos die Tonlagen und zeigt, wie vielfältig die sprachlichen Felder sind, auf denen er sich bewegt.

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Seitenzahl: 33

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Sepp Mall

Schläft ein Lied

Gedichte

für H.

Landschaftn Vergangenheitshaufen

Wiederbelebung der Tiere

Unsre Väter / hinterm Haus warn jung

Und ein kurzer Schlag hinter die Ohren

genügt

Sie lachtn laut / stießn den Rauch

durch die Nase

und spannten die blutnassn Felle

auf Rahmen aus Holz

Zusammen pfiffn wir Melodien unverschämt

(Marina Marina Ramona)

Mama kam / in den Garten

Und schrie / als Sterne in ihren Körper schlugn

Und sie braustn davon / himmel-

wärts auf ihren Lambrettas

Wir legtn unsre Wangen an flauschiges Fell

(Hasenherz spürst du das Pulsen)

und trockneten die Tränen

: auf Kissen / blütenweiß

Frühe Landschaften

Gemeinsam stapften wir weit

durch Stubnkammern

(über dankbare Teppichbödn)

und im Halbdunkel der Kleiderschränke / immer noch

das eingemottete Begehrn

Auf fernen Hügeln stehn

versprechen uns die Nazarener-

szenen

Sorglos im frischen Sonntagsgewand

Und diese Frau dreht sich um

zwischen Bügelbrett und Blätterwald

Und prostet uns zu

(tröstender Eierlikör in zittriger Hand)

: Mutter / sagst du

Du bist doch lange kalt

Disperato erotico stomp

(remember Lucio D.)

I.

Mein erstes Bett sei ein Strohsack gewesn

Ich lag da kaum der Mutter entwöhnt

Mein letztes / wer weiß

Vielleicht wirds ein Seesack sein

Oder ein Brett aus weichem Fichtnholz / Föhrn

Das einen leichter trägt

Ein Strohsack aus knisterndem Hafer / von den Äckern

hoch überm Meer

Und wenn ich mich umdrehte nachts

Klangs wie das Rauschen des Sensenblatts

(ein lichtes / windiges Rascheln)

das durch das Dickicht der Halme fährt

: Im Traumbild siehst du den Schnitter vorwärts-

ziehn / spürst wie

jeder Stängel sich wehrt und trotzdem

fällt / so als wär die Vergeblichkeit

: ihm eingeschriebn

Mein erstes Bett kam aus den Dreschmaschinen

im staubigen Stadel

Kroch unter Hustn und Spuckn zur Welt

Und Goldgelb hat mit Gold nichts gemein

: außer ein paar Buch-

stabn und einer Ahnung von Farbe vielleicht

Aus diesem Stroh wuchs ich heraus

(aus keinem anderen)

Das pikste und stach / aber weitab nach Himmel roch

Und leerer Felder Ein-

samkeit

Ich sprang über die Kartoffelfeuer im Herbst

: spähte / den verwegnen Raben nach

die ihre Kreise zogn über Wälder und Gärtn

und über den Rauch in den Äckern

in welchem Glutfunken glommen / und eine erste

Ahnung von Schnee

Hast du eine Ahnung / wie es am Morgen

in Schlafsälen riecht

(von Institutn und Knabenseminarn)

Mit dreißig Bettn und scharfen Befehlen

Und redn wir nicht von den Wünschn

die jeder schwitzend mit sich trug

(den Sehnsüchten nach weiter Ferne / einem größeren

Leben

Nach einem richtigen Bologna-Trikot

blau gestreift und rot

Oder auch nur: nach einem Strohsack zu Hause)

Die Bessren von uns trugen gekaufte Pyjamas / aus

weichem Frottee und Jerseytragekomfort

Aber auch in ihren Matratzen / schliefen die heißn

Tränen

von Elfjährigen / oder zwölf

Ihre verwischten Wünsche

: Aber doch warn es richtige Matratzen

Die auf der Unterfederung schaukelten / wie

Boote im unendlichn Meer

Wir waren allesamt Heldn / auf dem staubign

Bolzplatz oder unter der Schiefertafel

kannten wir keinen Schmerz

Zu Hause aber / hielt man den Atem an

wenn Vater saß und seinen Namen schrieb

Auf diesen Zeugnissen / Formularn

: am Küchentisch / hinter den rasch

beiseite geschobnen Töpfen

Wenn er seine Buchstaben / hin-

stellte

In dieses leer gebliebne Feld (diese fremdn

Ackerfurchen)

Wo wir das Bleistiftkreuzchen gemalt: hier

Mach lieber Gott / beteten wir leise für uns

Und irgendwann war doch / der erste

Buchstabe gesetzt

Dieses A / das etwas schief aus der Wäsche lugt

aber es stand: auf zwei Beinen

Wacklig zwar / aber am richtign Ort

Und schließlich fanden sich alle / zusamm

(wie sichs gehört)

eine Truppe / die sich verloren und wieder gefundn

Hielten sich fest aneinander

an diesen drehendn

Schnörkeln und Schlingen

Krallten sich in die Erde / wie Halme

im reißenden Sturm: und wir

atmeten aus

Und abends im Bett (allein mit uns selbst)

In dieser Schwebe zwischen Wachn und Schlaf

Plötzlich wie Sicherheit / traum-

wandlerisch

: Dass es der Alkohol war / der seinen Weg

sich bahnte

über Vaters Kehle und Hand

bis in die Tintenpatrone (in die Spitze der Feder)

und die Buchstaben torkln ließ / taumeln

: wer sonst

Und mit diesem Wissen hinab in den Traum