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Klaus-Rainer Martin

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Beschreibung

Was waren die Beweggründe dafür, dass meine Eltern Nationalsozialisten waren? Jetzt, über 75 Jahre nach dem Zusammenbruch der Naziherrschaft, über 50 Jahre nach dem Tod meines Vaters und über 25 Jahre nach dem Tod meiner Mutter bewegte mich, nachdem ich mit 65 Jahren Rentner wurde, diese Frage mehr, als in all den Jahren davor. Es war für meine Brüder und mich unvorstellbar, uns unsere Eltern anders vorzustellen, als wie wir sie nach dem Zusammenbruch der Nazi-Herrschaft erlebten, kinder- und tierlieb, sensibel und neuen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen.

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Klaus-Rainer Martin

Meine Eltern waren Nationalsozialisten

aus Überzeugung oder nur Mitläufer?

Dieser Beitrag ist meiner ältesten Enkeltochter Annika gewidmet, welche als Lehrerin in einer deutschen Schule in Santiago de Chile tätig ist.BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Meine Eltern waren Nationalsozialisten

- aus Überzeugung oder nur Mitläufer?

 

Was waren die Beweggründe dafür, dass meine Eltern Nationalsozialisten waren? Jetzt, über 75 Jahre nach dem Zusammenbruch der Naziherrschaft, über 50 Jahre nach dem Tod meines Vaters und über 25 Jahre nach dem Tod meiner Mutter bewegt mich, nachdem ich mit 65 Jahren Rentner wurde, diese Frage mehr, als in all den Jahren davor. Als Kind und Jugendlicher habe ich meine Eltern geliebt und sie auch als sehr liebevolle und fürsorgliche Eltern erlebt. Mehr noch, ihre Ablehnung des kommunistischen Staates DDR deckten sich mit meiner Ablehnung, wenngleich ihre Ablehnung vorrangig politisch begründet war, während der Grund meiner Ablehnung darin bestand, dass die Marxisten als Atheisten den christlichen Glauben ablehnten und der damalige Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht die Junge Gemeinde sogar als einen verlängerten Arm des US-Geheimdienstes bezeichnete und überwachen ließ.

 

Dabei setzten wir uns in den fünfziger Jahren in der Jungen Gemeinde, einem Angebot junger Christen in der evangelischen Kirche in der DDR, ohne organisatorischen Überbau und ohne feste Strukturen, sehr intensiv mit dem Nationalsozialismus auseinander. Den Sozialismus und die humanistischen Ziele der DDR-Verfassung hielten wir für richtig und bedauerten sehr, uns nicht am Aufbau eines demokratischen Staates als Antwort auf die Nazi-Diktatur beteiligen zu dürfen.

 

Wie aufgeschlossen und tolerant wir bereits damals waren, mag in jener Geschichte deutlich werden, welche wir uns in den fünfziger Jahren erzählten: Zwei Mönche in einem Kloster bewegte sehr die Frage, wie wohl Gott aussieht. Auf diese Frage erhielten sie trotz intensivstem Bibelstudiums über Jahre keine schlüssige Antwort. Schließlich verabredeten sie, dass derjenige von ihnen, der als erster stirbt, dem anderen im Traum erscheint und ihm berichtet, wie Gott aussieht. Als einer der beiden Mönche auf dem Sterbebett lag, erinnerte ihn der andere an das Versprechen. Und tatsächlich erschien der Verstorbene dem anderen Mönch im Traum. Er sagte zu ihm nur folgende drei Worte und verschwand wieder: „Sie ist schwarz“.

 

Dabei bin ich mir im Klaren, dass es sich um keine vorgezogene Diskussion um Feminismus und Rassismus handelte, sondern dass es nur darum ging, festzustellen, dass Gott ganz anders ist, als wir ihn uns vorstellen. Trotzdem: wir konnten ihn uns auch anders, als männlich und hellhäutig vorstellen.

 

Unsere Toleranz mag wohl auch der Grund dafür gewesen sein, unsere Eltern nicht intensiver nach ihrer nationalsozialistischen Gesinnung und ihrem damaligen Verhalten zu befragen, sondern davon auszugehen, dass sie sich in die Irre haben führen lassen. Es war uns einfach nicht vorstellbar, dass Menschen bewusst nationalsozialistisch dachten und handelten. Wir glaubten, die damalige unsichere Zeit mit Inflation und Arbeitslosigkeit war der Grund dafür, einem Führer zu folgen, der allen Arbeit und Wohlstand versprach und dabei Unmenschlichkeiten wie Antisemitismus oder Bücherverbrennung in Kauf nahmen.