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Ist die Schilddrüse schuld an der Gewichtszunahme?
Die Hashimoto-Thyreoiditis und andere Schilddrüsenerkrankungen führen unter anderem zu einer lähmenden Müdigkeit bis hin zu starker Erschöpfung und unerklärlicher Gewichtszunahme, gegen die keine Diät wirkt. Schilddrüsenhormone als Medikament helfen oft nicht weiter. Die Autoimmunerkrankung an der Wurzel zu packen ist die einzige Chance, dauerhaft abzunehmen und wieder zu Kräften und guter Stimmung zu kommen. Wie das gelingt, zeigt Ihnen die Ärztin für Ernährungs- und Funktionelle Medizin, Dr. Simone Koch, die selbst seit vielen Jahren betroffen ist.
Das 10-Wochen-Programm, das die Wende bringt
Der Weg zum Wohlfühlgewicht - und das ohne Jojo-Effekt!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 284
Veröffentlichungsjahr: 2022
Dr. med. Simone Koch
1. Auflage 2022
40 Abbildungen
während ich diese Zeilen schreibe, haben wir Frühjahr 2021 und Deutschland befindet sich noch immer im Lockdown. Die angeordnete Bewegungsarmut hat bei so vielen Menschen zu einer Gewichtszunahme geführt, dass es sogar bereits Bücher gibt mit Titeln wie: »Weg mit den Corona-Kilos!« Die Neigung unseres Körpers, zu viel Energie in Form von Fett zu speichern, ist ein gesellschaftliches und medizinisches Massenphänomen. Besonders Menschen mit Schilddrüsenerkrankungen aller Art haben Probleme mit dem Körpergewicht. Oft liest man sogar, es sei schlicht und ergreifend nicht möglich, mit einer Schilddrüsenerkrankung Gewicht zu verlieren, und dies dann auch zu halten.
Ich selbst und viele meiner Patienten konnten glücklicherweise das Gegenteil beweisen. Es zeigt aber, dass zweifelsohne noch viel Informationsbedarf auf diesem Gebiet besteht. Viele, die aufgrund einer Erkrankung der Schilddrüse an Gewicht zugelegt haben, hoffen, schnell und problemlos wieder zu ihrem Ausgangsgewicht zurückzukehren, sobald ihre Schilddrüsenhormone mit Medikamenten gut ergänzt werden. Wie ich später noch genau erläutern werde, ist dies jedoch leider fast nie der Fall.
Mit diesem Buch möchte ich darlegen, warum Gewicht und Stoffwechsel von viel mehr Faktoren beeinflusst werden, als nur von der Schilddrüse, und wieso chronisch entzündliche Erkrankungen wie die Hashimoto-Thyreoiditis (im Folgenden der Einfachkeit wegen Hashimoto genannt) fast alle diese Faktoren wiederum beeinflusst. Das in diesem Buch vorgestellte Programm basiert auf der Grundlage von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Es soll ermöglichen, auch bei einer Schilddrüsenerkrankung Gewicht zu verlieren und dieses vor allem zu halten. Dabei muss niemand Job und Leben aufgeben, um seine Zeit fortan nur noch beim Sport und in der Küche zu verbringen.
Ich bin diesen Weg selbst gegangen und weiß, dass er steil und steinig ist. Aber wie bei einem Aufstieg in den Alpen kann er trotzdem Freude bedeuten und einem am Ende mit einem überwältigenden Ausblick belohnen. Ich wünsche dir dabei ganz viel Neugierde, Erkenntnisse und Freude.
Deine Simone
Titelei
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Meine Gewichts- und Diätgeschichte
Vom Mädchen zur Frau
Verrückte Ansätze zur Gewichtskontrolle
Von Trenddiät zu Trenddiät
Der Weg zur Stabilität
Welche Gründe gibt es für Übergewicht?
Gewichtsprobleme aufgrund der Schilddrüse
Was ist der Ruheumsatz?
Produktion und Weg der Schilddrüsenhormone
Umwandlung der Schilddrüsenhormone
Schilddrüse und Stoffwechsel
T2: das stoffwechselaktive Schilddrüsenhormon
Adrenalin, Noradrenalin und Schilddrüse
Übergewicht und Schilddrüsenfunktion
Gründe für hormonelle Dysbalancen bei Übergewicht
Übergewicht, stille Entzündung und Schilddrüse
Was noch an der Gewichtsregulation beteiligt ist
Adiponectin
Leptin
Ghrelin
Glucagon
Glucagon-like Peptide 1
Protein YY
Myokine
Interleukin 6
Stille Entzündung und Insulinresistenz
Insulinresistenz der Fettzellen
Insulinresistenz der Leber
Insulinresistenz des Gehirns
Diagnose der Insulinresistenz
Insulinresistenz und Schilddrüse
Warum Gewichtsverlust dick machen kann
Der Mythos der immerwährenden Fettzelle
Macht Gewichtsverlust dicker?
Hungrige Gene
Hormonelle Anpassungen
Die Energiefalle
Das hungrige Mikrobiom
Entzündung durch Fettverlust
Man soll die Feste feiern, wie sie fallen!
Die Rolle der Nahrungsmittel
Nahrungstrigger aufspüren
Unverträglichkeiten und Körpergewicht
Allergie
Eliminationsdiäten
Herzfrequenzvariabilitätsmessung zur Diagnose von Unverträglichkeiten
Fasten: die Urmutter der Eliminationsdiäten
Fasten: totale Elimination
Vorteile des Fastens
Fasten und Schilddrüse
Fasten und Nebennierenrinde
Unzureichende Verdauung und Nährstoffmangel
Magensäuremangel
Verdauungsenzyme
Ausgleich häufiger Nährstoffmängel
Candida, Parasiten und Fehlbesiedlungen
Aufbau einer Eliminationsdiät
Nachtschattengewächse
Nüsse, Samen und Saaten
Eier
Getreide
Pseudogetreide
Milchprodukte
Zucker und Stärke
Histamin
FODMAPs
Oxalsäurehaltige Lebensmittel
Große Portionen
Flüssige Kalorien
Alkohol
Kontinuierliche Blutzuckermessung
Diätmythen und Stolpersteine
Hungerstoffwechsel und Stoffwechseldiäten
Selbstangaben gleich Falschangaben?
Die Geschichte von »Wunderdiäten« und ihrem Nichterfolg
Warum Sport viel weniger verbraucht, als man denkt
Abnehmen erleichtern, nicht den Geldbeutel
Wirkungsweise von Diätmitteln
Abnehmen und Schlaf
Angebliche Stoffwechsel-Booster
Chili, Grüntee, Kurkuma, Ingwer und Co.
L-Carnitin
Coenzym Q10
Forskolin
Appetithemmer und Magenberuhiger
Bittermelone
Kaffee und andere Koffeinbomben
Binder und Füller und das Geschäft mit »Badeschwamm«
Nikotin: eine kritische Übersicht
Der Sport, die Kälte und das Glück
Sport und Muskelmasse
Energieverbrauch von Muskelmasse versus anderem Gewebe
Immerwährender Verbrauch der Masse
Ausdauersport und Stoffwechsel
Kälte beschleunigt den Verbrauch
Kältetherapie und kalte Thermogenese
Glücklich durch Kälte
Psyche und Glück
Glück ist manchmal eine Entscheidung
Stimmung und Stoffwechsel
Weitere stressreduzierende Maßnahmen
Meditation
Atemübungen
Achtsamkeit
Ein kritischer Blick auf Beziehungen
Praxis- und Rezeptteil
Der Praxisteil beginnt
Dauer des Programms
Sport
Ausdauersport
Kraftsport
Plateauphasen
Entgiftungsstörungen
Nährstoffmangel
Wassereinlagerungen in den Fettzellen
Erhaltungsphase
Fettgewebe beruhigen
Antientzündliche Ernährung
Tiefenmassage
Lokale Kälte
Darmpflege
Tipps für die vegane Lebensmittelauswahl
Vegane Proteinzufuhr
Hülsenfrüchte verträglicher machen
Das Ernährungsprogramm
Fastenphase
Alternierendes Fasten
Scheinfasten
Wasserfasten
Vorbereitungsphase
Grapefruit
Resistente Stärke
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Phase 4
Phase 5
Ein Wort zum Schluss
Rezepte
Verwendete und weiterführende Literatur
Empfehlungen von Dr. Simone Koch
Autorenvorstellung
Sachverzeichnis
Impressum
Impressum
Es mag Frauen geben, deren Gewicht immer recht konstant war, und die sich zeit ihres Lebens keine Gedanken über die Kiloanzeige auf ihrer Waage machen. Da aber Schilddrüsenerkrankungen fast immer auch mit Gewichtsproblemen in die eine oder andere Richtung einhergehen, bin ich sicher, dass viele meiner Leser Ähnliches erlebt haben wie ich. Meine Ernährungs-, Gewichts- und Diätgeschichte ist auf jeden Fall eine Reise mit vielen Aufs und Abs, Sackgassen und Irrwegen. Mit ihr will ich dir zeigen, dass es total okay ist, wenn man sich mal verläuft, solange man weiterläuft. Meine Geschichte soll dir helfen, manche Irrwege zu vermeiden, die ich gegangen bin.
Als kleines Mädchen war ich dünn. Etwas zu früh geboren, fehlte mir der klassische Babyspeck, der auch später nicht dazu kam. Meine Schwester, die als kleines Kind eher »proper« war, nannte mich Bohne, was mich nicht das geringste bisschen störte. Ich probierte verschiedene Sportarten aus, wurde aber mit keiner richtig warm. Vielleicht auch, weil ich immer meine kleine Schwester mitnehmen musste, die nach kürzester Zeit keine Lust mehr hatte. Trotzdem bekam ich genug Bewegung, da ich üblicherweise den ganzen Tag draußen war und ihn mit Fahrradfahren, Rollschuhfahren, Ballspielen oder Schlittschuhfahren verbrachte.
Als ich 10 oder 11 war, begann mein Körper sich langsam zu verändern, und wie bei Mädchen völlig natürlich, etwas Fett zuzulegen. Vor der Pubertät haben Jungen und Mädchen einen etwa gleich hohen Körperfettanteil, danach ist er bei Frauen durchschnittlich doppelt so hoch. Dies liegt am Östrogen und seinen Auswirkungen auf die Körperkomposition. Der höhere Körperfettanteil ist nicht nur völlig normal, sondern sorgt auch dafür, dass Frauen für eine mögliche Schwangerschaft und Stillzeit entsprechende Energiereserven haben. In der längsten Zeit der Menschheitsgeschichte wartete die nächste Mahlzeit nicht in fünf Metern Entfernung im Kühlschrank. Dennoch fühlte mein Vater sich bemüßigt, mir bei jeder Gelegenheit zu sagen, ich solle bloß nicht so fett werden wie meine Oma väterlicherseits.
Etwa zeitgleich verließ mein Vater unsere Familie. Mein kindliches Gehirn kam auf die Idee, ich müsse wieder so sein wie vorher, um ihm zu gefallen und um ihn zurückzubringen. Als ziemliches Papa-Kind habe ich, bis ich Mitte 20 war, versucht, für meinen Vater schlank zu sein. So begann ich meine ersten Diäten.
Ich las schon damals unglaublich viel und gern. Eines der Bücher handelte von einem magersüchtigen Mädchen, das ein ähnliches Verhältnis zu ihrem Vater hatte wie ich. Hier wurde sehr detailliert beschrieben, mit welchen Maßnahmen das Mädchen versuchte, ihr Gewicht zu reduzieren – und ich hielt mich einfach an die Beschreibungen. Im Wesentlichen aß ich einfach nichts mehr. Das Schulbrot, das meine Mutter mir jeden Tag liebevoll belegte, landete im Müll, und mittags behauptete ich, keinen Hunger zu haben. So wurde aus der völlig normalen Heranwachsenden ein Mädchen, »auf deren Rippen man Klavier spielen könnte«, wie mal meine Oma besorgt anmerkte. Nachdem ich mich aber meist krank und schwach fühlte und ich dieses Gefühl nicht mochte, nahm ich das Essen glücklicherweise recht bald wieder auf. Mir war zu jedem Zeitpunkt genau klar, wie ich aussah, meine Körperwahrnehmung war niemals gestört. Magersucht ist eine schwerwiegende psychische Erkrankung und keine Entscheidung, die man für sich trifft, auch wenn mein Verhältnis zum Essen fortan seine Leichtigkeit verloren hatte.
Meinem Magen-Darm-Trakt ging es in dieser Phase des wenig Essens sehr gut. Davor hatte ich mein ganzes Leben an regelmäßigen Bauchkrämpfen und einem Wechsel von Verstopfung und Durchfall gelitten. Retrospektiv gesehen weiß ich, dass diese plötzliche Besserung am Verzicht auf Brot lag – ich war der Meinung, es würde besonders dick machen.
Nach dieser ersten Episode wechselten sich Phasen in meinem Leben ab, in denen ich »normal« aß, was in meiner Familie vor allem einen hohen Konsum an Brot bedeutete, und Phasen, in denen ich sehr, sehr wenig aß, um mein Gewicht zu stabilisieren. So schwankte mein Gewicht stabil um einen Mittelwert. Sobald ich wie alle anderen aß, nahm ich schnell an Gewicht zu, vor allem mein Gesicht sah im Handumdrehen aus wie ein Mond.
Wenn ich nicht aß, fühlte ich mich gut. Da meine Eltern große Fastenanhänger waren, hatte ich Zugriff auf entsprechende Literatur. So begann ich mit 14 meine erste Fastenkur mit allem Drum und Dran. Es ging mir damit so großartig, dass es zu einer regelmäßigen Gewohnheit wurde. Nur das mit dem Fastenbrechen hatte ich so gar nicht drauf. Regelmäßig brach ich das Fasten mit Kuchen oder Ähnlichem, wonach es mir entsprechend schlecht ging. Ich wusste einfach nicht, warum es mir schlecht ging, wenn ich aß, und warum ich mich dann so schwer, müde und aufgedunsen fühlte. Also fastete ich ungefähr einmal im Monat eine Woche lang. Meine alleinerziehende, berufstätige Mutter ließ mich gewähren. Schließlich war ich normalgewichtig schlank und schon damals stur und durchsetzungsfähig. Erst später wurde mir klar, dass ich meine unerkannte Zöliakie mit den Fastenphasen im Zaum hielt. Natürlich kam es immer, wenn ich aß, zu einem Hochkochen der Entzündung in meinem Körper.
Mit dieser etwas unkonventionellen Technik sorgte ich dafür, dass ich schlank blieb. Mittlerweile spielte ich recht begeistert Handball und Basketball. Ich hatte viermal in der Woche Training und am Wochenende Spiele. Obwohl es seltsam ist, als junger sportlicher Mensch sofort drastisch zuzunehmen, sobald man normal isst, machte ich mir darüber keine Gedanken. Dank meiner unkonventionellen Methoden hatte ich ja immer eine normale Figur, sodass sich auch sonst niemand Gedanken machte.
Fastend Sport zu treiben, war aber zum Teil eine echte Herausforderung. Ich erinnere mich gut daran, wie ich einmal nach einem Basketballspiel auf dem Heimweg mit dem Fahrrad anhalten und mich auf den Gehweg legen musste, damit ich nicht ohnmächtig werde. Ab sofort versorgte ich meinen Körper nach dem Training mit Kalorien aus Fruchtsaft. Im Rückblick ist meine Geschichte bezeichnend dafür, wie lange eine Diagnosefindung dauern kann, wenn man nichts anderes als den krankhaften Zustand kennt und ihn daher auch nie hinterfragt.
Mein bis hierhin erfolgreiches Handling meiner Gewichtsprobleme nahm sein Ende, als ich mit 16 auf eine Segelfreizeit fuhr. Wir schipperten zwei Wochen auf einem kleinen Schiff durch die dänische Karibik, mit entsprechend wenig Bewegung. Unsere Verpflegung bestand zu einem großen Teil aus Kuchen, dänischem Splittergebäck sowie Marabou-Schokolade, denn unsere Betreuerin war selbst stark übergewichtig und hatte mit gesunder Ernährung nichts am Hut. Einen Spiegel und eine Waage gab es nicht und so achtete ich einfach mal zwei Wochen auf gar nichts. Da ich fast die ganze Zeit einen Badeanzug und lockere Kleidung darüber trug, fiel mir auch an der Kleidung erst mal nichts auf. Dass ich immer träger wurde, schob ich auf Urlaub und Entspannung. Das konnte doch nicht so schlimm sein… War es aber leider doch. Als meine Mutter mich zwei Wochen später am Hafen von Eckernförde abholte, erkannte sie mich zunächst nicht wieder. Ich hatte so stark zugenommen und so viel Wasser eingelagert, dass mir meine gesamte Garderobe nicht mehr passte.
Vermutlich hatte die Überdosis an hochgradig verarbeitetem Weizenmehl in Kombination mit Zucker eine massive Entzündung meines Darms und dann auch meines ganzen Körpers verursacht – und damit vielleicht den ersten Schub meiner Schilddrüsenerkrankung. Von nun an wurde die Kontrolle des Gewichts für mich zu einem Krieg, den ich scheinbar nicht mehr gewinnen konnte.
Nun war ich nicht mehr schlank, sondern pummelig. Vor allem mein Gesicht sah so aus, als sei ich noch mal 10 Kilo schwerer als tatsächlich. Ich war todunglücklich, aber zurück in mein altes Essen/Fasten-Regime fand ich nicht mehr. Irgendwie hatte ich es auch satt. Es konnte doch nicht sein, dass ich ständig nichts essen durfte. Außerdem zog ich mit 16 von zu Hause aus und zu meiner besten Freundin nach Krefeld. Meine Mutter konnte mir kein Auslandsjahr finanzieren, also einigten wir uns auf diese Möglichkeit für mich, etwas Neues zu sehen und selbstständig zu werden.
In Krefeld lernte ich meinen ersten Freund kennen, der mich so mochte, wie ich war. Die billige vegetarische Ernährung unserer Freundesgruppe, im Wesentlichen bestehend aus Tomaten-Käse-Baguette, half meinem Gewicht auch nicht gerade. Ich stabilisierte mich im oberen Normbereich und beließ es vorerst dabei. In Krefeld war ich sehr beliebt, mein Freund war überaus attraktiv und ich glücklich und zufrieden. Warum also etwas ändern? In dieser Zeit begann ich, regelmäßig am Nachmittag einzuschlafen, wenn ich ein Buch las, und hatte insgesamt viel von meiner Agilität eingebüßt. Ich schob es darauf, dass ich keinen Sport mehr machte und ignorierte es. Erst als ich wieder nach Hause zurückgekehrt war und mich von meinem Freund getrennt hatte, wollte ich es noch mal wissen.
Mittlerweile erwachsen tat ich das, was ich immer tue, wenn ich etwas angehen will: Ich las. Und zwar Literatur zu so ziemlich jeder Trenddiät, die angepriesen wurde. Ob Kohlsuppendiät, Almased oder Dr. Ritters Körner-Kur – ich probierte alles durch. Bei Letzterer sah ich nach einer Woche aus wie ein Streuselkuchen. Im Nachhinein weiß ich: Die Dermatitis herpetiformis Duhring ist eine Form der Zöliakie, die sich an der Haut zeigt. Bei mir kam sie zum Tragen, als ich plötzlich nur noch Getreide aß. Doch ich wertete den Vorfall als »Entgiftungssymptome« und blieb weiter ohne Diagnose.
In dieser Phase wechselte mein Gewicht ständig zwischen extrem schlank und oberem Normgewicht. Stabilität hatte ich immer noch keine. Dies änderte sich erst, als ich für mein Medizinstudium von zu Hause auszog. Endlich war ich die eigene Herrin über meinen Speiseplan! Instinktiv strich ich Brot von Selbigem und aß fast nie in der Mensa – fühlte ich mich danach doch meist todmüde. Gleichzeitig begann ich, jeden Morgen zu laufen und exzessiv Sport im Fitnessstudio zu treiben. Ich duschte ausschließlich im Fitnessstudio, das ich fast jeden Tag besuchte. So war meine Dusche zu Hause meist staubig und ich freute mich über Wasserrückzahlungen.
Nach drei Monaten Studium kehrte ich an Weihnachten superschlank nach Hause zurück. Allerdings häuften sich die Phasen von Müdigkeit und Erschöpfung. Zahlreiche meiner Aufzeichnungen aus den Vorlesungen hatten senkrechte Striche nach unten, weil ich immer wieder beim Schreiben einschlief. In den Semesterferien wurde ich meist krank und fühlte mich durchgängig aufgedunsen und dick. Dies schob ich auf die fehlende sportliche Aktivität in den Ferien. Denn während des Semesters verbrachte ich Stunden über Stunden im Fitnessstudio auf dem Stepper. Meine Bücher vor mir ausgebreitet, lernte ich sogar auf dem Stepper, oft zwei bis drei Stunden am Tag.
Heute würde ich meinem jüngeren Ich raten, diesen Wahnsinn sein zu lassen. Doch damals war ich noch nicht so weit. Um das noch mal festzuhalten: Ich aß niemals viel. Fressanfälle oder Ähnliches habe ich nie gekannt. Doch sobald ich weniger Sport trieb, vor allem in intensiven Prüfungsphasen, nahm ich sofort zu. Danach quälte ich meinen Körper wieder mit Diäten wie der Strunz-Diät, Saftfasten und schließlich Veganismus.
Unter Letzterem war ich endlich für ein Jahr dauerhaft schlank. Ich hatte sogar Probleme, nicht zu dünn zu werden. Dafür hatte ich immer Durchfall und wurde müder und schlapper. Zum Schluss gingen mir die Haare büschelweise und schließlich auch die Fingernägel aus. Als ich, wie so oft, zum Blutspenden ging, schlug der Transfusionsmediziner bei einem Hämoglobinwert von 5,6 mmol/l die Hände über dem Kopf zusammen und riet mir, dringend ein Steak zu kaufen. Für meine Probleme machte er den Fleischverzicht verantwortlich. Ich befolgte seinen Ratschlag und tatsächlich ging es mir bald deutlich besser. Heute weiß ich, dass nicht der Veganismus schuld an meinem Elend war, vielmehr wurde es von meinem erhöhten Konsum an Hülsenfrüchten und Pseudogetreide, auf die ich eine starke autoimmune Kreuzreaktion zum Gluten habe, verursacht. Da ich damals zu wenig über all diese Zusammenhänge wusste, gelang es mir immer noch nicht, eine Diagnose zu finden.
Nach dem Medizinstudium hatte ich als junge Ärztin so viel Arbeit, dass dies allein wohl ausreichte, mein Gewicht stabil zu halten. Obwohl man auf den Stationen unglaublich viel läuft, war mein erster Gang nach der Arbeit immer der ins Fitnessstudio – wusste ich doch, dass ich sofort zunahm, wenn ich mich etwas weniger bewegte. Auf Fortbildungen nutzte ich die Mittagspause zum Training. Wenn ich gerade nicht arbeitete, war ich zu Tode erschöpft.
Nach meinem ersten Kind kam ich endlich zur Diagnose der postpartalen Thyreoiditis, eine Form der autoimmunen Schilddrüsenerkrankung, die nach einer Geburt auftritt. Sie war wahrscheinlich auch schon vor der Geburt seit über einem Jahrzehnt da gewesen. Es war die Hochzeit des Paleo-Trends und ich ernährte mich nun paleo, um meine Autoimmunerkrankung bestmöglich in den Griff zu bekommen. Den genauen Verlauf meiner Hashimoto-Erkrankung kann man in meinem Buch »Autoimmunhilfe« nachlesen. Ich stellte mich auf Schilddrüsenhormone ein und begann mit einer glutenfreien Ernährung. Nach dem ersten Kind hatte ich schnell wieder Normalgewicht und war bald glücklich schwanger mit Nummer 2. In dieser Zeit hatte ich unglaublich viel Stress, unterrichtete 12–28 Sportkurse die Woche und arbeitete Teilzeit als Gynäkologin. Auch elf Monate nach dem zweiten Kind war ich wieder rank und schlank.
Als wir wegen eines Hausumbaus plötzlich in eine Notunterkunft mussten und der Stress sich massiv potenzierte, ging plötzlich gar nichts mehr. Wahrscheinlich ausgelöst durch die massive Überlastung, entwickelte ich einen schweren Schub. Zwar arbeitete ich ohne eine einzige Krankschreibung durch, aber ansonsten war ich nur noch zu Tode erschöpft, lethargisch und verzweifelt. Innerhalb von drei Monaten nahm ich unter einer »sauberen« Paleo-Ernährung 30 Kilo zu. Nichts, was ich tat, schien irgendetwas daran ändern zu können. Ich begann, mich in jeder freien Minute mit meiner Erkrankung auseinanderzusetzen. Ich las alles, probierte alles und kämpfte mich Schritt für Schritt zurück zum Wohlbefinden. Nur mein Gewicht wollte sich einfach nicht verändern. Irgendwie hatte ich auch resigniert. Dann war ich nun eben eine »Pummelhummel«, wie ich mich selbst nannte. Ich verschenkte meine alte Kleidung und versuchte, mich mit den Gegebenheiten abzufinden.
Noch immer war ich sehr viel krank. Wiederholte fiebrige Infekte und vor allem ein starkes Aufflackern verschiedener Herpesviren machten mir massiv zu schaffen. Da ich den mehrfachen Belastungen nicht mehr gewachsen war, suchten wir uns ein Aupair-Mädchen. Um ihr den Einstieg zu erleichtern, begleitete ich sie ins Fitnessstudio. Durch den Sport konnte ich wieder Energie zurückgewinnen. Nachdem ich durch eine schwere Mandelentzündung innerhalb kurzer Zeit sieben Kilo verloren hatte, wollte ich es wissen. Konnte ich trotz allem wieder zu der körperlichen Verfassung kommen, mit der ich mich fit und stark fühlte?
Ich begann meine Recherchen rund um das Thema Gewichtsabnahme bei Schilddrüsenerkrankungen. Ein Programm zur Gewichtsabnahme entstand und vor allem ein Plan, um das Gewicht ohne große Einschränkungen zu halten. Im Rahmen der Diagnostik, die ich endlich für mich selbst veranlasste, fanden sich diverse Mängel und endlich, endlich, die Diagnose der Zöliakie. Diese half mir, ein für alle Mal auf Gluten und diverse Kreuzallergene zu verzichten. Innerhalb von zwölf Wochen verlor ich unter Einhaltung meines Plans 27 Kilo und in der Folge noch mal vier. Zeitgleich legte ich, durch Bioimpedanzmessungen belegt, stark an Muskelmasse zu. Ich war so schlank wie nie zuvor in meinem Leben und fühlte mich fitter und jünger als mit 16.
In den letzten fünf Jahren konnte ich dieses Gewicht mit minimalen Schwankungen um zwei bis vier Kilo halten, ebenso wie das positive Körpergefühl – und zwar ohne krankhaft exzessiven Ausdauersport und mit viel Genuss bei der Ernährung. Da eine ganze Reihe von Lebensmitteln zu Entzündungen in meinem Darm und in Folge zu einer Verschlechterung meiner Schilddrüse und meines Gesamtbefindens führen, esse ich zwar sehr eingeschränkt. Doch die Einschränkungen sind es wert, denn ich fühle mich jeden Tag energetisch, fit und jung. Der Gewichtsverlust war für mich das letzte Zünglein an der Waage hin zu vollständigem Wohlbefinden und guter Gesundheit. Meinen schlanken und nun meist entzündungsfreien Körper kann meine verkleinerte Schilddrüse gut versorgen, sodass ich die vorher notwendigen Hormongaben absetzen konnte.
Ich habe erlebt, wie es ist, wenn der eigene Körper einen vollständig im Stich lässt. Gerade deshalb ist es so wichtig, immer wachsam zu bleiben, auf mich zu achten und voll bei mir zu sein. Jetzt beginne ich jeden Tag in Dankbarkeit für mein wiedererlangtes Wohlbefinden. Eines ist klar: Nur wenn man gut für sich selbst sorgt, kann man auch für andere sorgen. Diese wichtige Botschaft vergessen gerade Frauen und Mütter allzu häufig. Heute weiß ich und sehe es am prächtigen Gedeihen meiner wundervollen Kinder, dass Selbstfürsorge und Fürsorge für andere sich nicht ausschließen müssen.
Nachdem ich viele Jahre einen Kampf gegen den eigenen Körper geführt habe, habe ich jetzt meinen Weg zum Wohlbefinden gefunden. Ich hoffe, dich auf diesen Weg mitnehmen zu können – denn das Leben kann so schön sein! Und wenn nicht jetzt, wann dann?
Manchmal ist man ratlos, wenn man doch vermeintlich leicht gegessen hat, dabei trotzdem nicht abnimmt – Übergewicht entsteht eben aus einem Puzzle von Faktoren.
Falls die Waage trotz Sport und gesunder Ernährung immer mehr Kilos anzeigt, kann auch eine Fehlfunktion der Schilddrüse dafür verantwortlich sein.
Für das ständige Auf und Ab meines Gewichts und die Neigung zur schnellen Gewichtszunahme gab es gewiss verschiedene Gründe. Einer war ziemlich sicher eine seit vielen Jahren unerkannte Schilddrüsenunterfunktion.
Unsere Schilddrüse ist so etwas wie der Meister und Dirigent unseres Stoffwechsels. Zwar können auch andere hormonproduzierende Organe, wie die Nebenniere und die Nebennierenrinde sowie das Gehirn, den Stoffwechsel beeinflussen, doch kein Organ tut dies so effizient und fein abgestimmt wie die Schilddrüse. Darüber hinaus haben die Hormone der Schilddrüse Einfluss auf alle anderen Stoffwechselgeber. In der Unterfunktion ist die Stoffwechselrate reduziert. Diese Reduktion erklärt aber weder die zum Teil erheblichen Gewichtszunahmen im akuten Hashimoto-Schub noch die Tatsache, dass oft sämtliche Bemühungen um Gewichtsreduktion erfolglos bleiben, selbst bei guter Einstellung der Schilddrüsenhormone.
Es gibt also genug Gründe, sich genauer mit dem Stoffwechsel und der Biochemie der Fettzellen sowie dem Einfluss von Schilddrüse und chronisch entzündlichen Prozessen auseinanderzusetzen.
Da saß ich also auf diesem Fahrradergometer, nur bekleidet mit einem weniger schönen BH und einer Leggins, einer Klammer auf der Nase und einem Schlauch im Mund und strampelte, als ob mein Leben davon abhinge. Wenn ich gewusst hätte, dass ich diesen Test nahezu unbekleidet absolvieren musste, hätte ich eine andere Wahl bei meiner Unterwäsche getroffen.
Der Schweiß lief in Bächen an meinem Körper herunter. Ich hatte das Gefühl, jeden Moment ohnmächtig zu werden, so gering erschien mir die Sauerstoffaufnahme über das dünne Mundstück. Aber wie sage ich immer zu meinen Patienten: »Messen ist besser als Raten.« Zeit, mal herauszufinden, wie gut die Bereitstellung von Energie bei mir funktioniert und was mein Körper so verbraucht. Trotzdem war ich unendlich erleichtert, als die Arztassistentin sagte: »Vielen Dank, das reicht jetzt. Gute Leistung für Ihr Alter.« Klitschnass und mit wackligen Beinen stieg ich vom Fahrrad, trotzdem war ich ein bisschen stolz auf mich.
Das Verfahren, dem ich mich hier unterzogen habe, nennt man »Indirekte Kalorimetrie« – in diesem Fall verbunden mit einer Leistungskalorimetrie. Hierbei wird über den Verbrauch von Sauerstoff und den Ausstoß von CO2 möglichst genau die erzeugte Energie und damit der Energiebedarf errechnet. Dies kann man in Ruhe tun oder unter verschiedenen Belastungsgraden. Damit das funktioniert, muss sowohl die Luftzufuhr als auch die Ausatemluft vollständig reguliert sein. Deshalb werden das Mundstück und die Nasenklammer angebracht. So soll der individuelle Ruhe-, Grund- und Leistungsumsatz möglichst genau bestimmt werden.
Die metabolische Ruherate oder auch der Ruheumsatz ist die Menge an Energie, die der Körper verbraucht, wenn keinerlei zusätzliche Belastung stattfindet – auch keine Verdauung von Nahrung und keine Energie zur Aufrechthaltung des Körpers beim Stehen. Der Grundumsatz bezieht die Muskelarbeit des Grundmuskeltonus mit ein. Er kann mithilfe verschiedener Formeln berechnet werden, wofür es diverse Rechner im Internet gibt. Auch ein Fitnesstracker, in den man nur seine Körpergröße und sein Gewicht eingibt, arbeitet mit diesen Rechenformeln. Allerdings sind diese Formeln problematisch. Sie beruhen auf dem statistischen Mittel, die Realität für den Einzelnen kann ganz anders aussehen. Das gilt insbesondere für Menschen mit einer Schilddrüsenerkrankung, bei denen der Stoffwechsel durch eine chronisch stille Entzündung im Rahmen einer Autoimmunerkrankung reduziert ist. Zudem werden für diese Berechnungen die durchschnittliche Verteilung von Fett- zu Muskel- und sonstigen Gewebeanteilen herangezogen. Ein Mensch mit wenig Muskeln wird einen deutlich geringeren Grundumsatz haben als jemand mit einem hohen Muskelmasseanteil.
In einer Studie von 2020 wurde bei brasilianischen Kampfsportlern eines Olympiateams der errechnete Grundumsatz mit dem durch indirekte Kalorimetrie gemessenen verglichen. Es ergaben sich mit Ausnahme einer einzigen Probandin so erhebliche Abweichungen, dass der errechnete Wert völlig unbrauchbar war. Etwas verbessern lässt sich der berechnete Wert durch die Einbeziehung von Daten des Körperfett- und Muskelmasseanteils. Aber auch hier bleibt die Errechnung anhand statistischer Daten ungenau.
Am genauesten messen lässt sich die metabolische Rate mithilfe einer direkten Kalorimetrie. Hier hat man eine hermetisch dichte Kammer, der keinerlei Luft zugeführt werden darf, auch keine Atemluft. Alternativ wird ein komplett mit Wasser einer fixen Temperatur gefülltes Becken genutzt. Über die Veränderung der Temperatur durch den sich in der Kammer oder dem Becken befindlichen Organismus kann die pro Zeiteinheit verbrauchte Energie genau dargestellt werden. Da dies technisch allerdings hoch kompliziert ist, behilft man sich meistens mit einer indirekten Kalorimetrie, wie ich sie oben beschrieben habe. Auch hier erreicht man nur eine Näherung an den tatsächlichen Wert, allerdings einen viel genaueren als bei der reinen Berechnung durch eine Formel. Problematisch ist, dass man nur eine Momentaufnahme bekommt, die verfälscht sein kann – zum Beispiel durch den Zykluszeitpunkt, eine schlechte Nacht oder einen aktuellen Erkrankungsschub. Bei Fieber etwa erhöht sich der Grundumsatz um durchschnittlich 14 Prozent je Grad Temperaturanstieg. Das ist einer der Gründe, warum man bei Infektionen so rapide an Gewicht verlieren kann.
Wie viel Energie wir in Ruhe verbrauchen, hängt von folgenden Faktoren ab:
Hautoberfläche
Alter
Geschlecht
Körperkomposition
Für uns Betroffene entscheidend: Schilddrüsenfunktion bzw. Funktion anderer stoffwechselregulierender Hormone wie Adrenalin, Noradrenalin und Progesteron.
Skelettmuskulatur und Gehirn teilen sich bereits die Hälfte der Energie. Unter Hungerbedingungen kann der Skelettmuskel verzichten, das Gehirn ist jedoch so essenziell auf ein Viertel der bereitgestellten Energie des Körpers angewiesen, dass es diese auch unter extremen Hungerbedingungen zur Verfügung gestellt bekommt. Funktioniert die Energiebereitstellung nicht optimal, macht daher das Gehirn als erstes Organ durch Funktionsverlust auf sich aufmerksam. Konzentrationsstörungen, Wortfindungsstörungen und zentrale Erschöpfung sind die Folge. Wenn man wissen will, wie hoch der eigene Grundumsatz nun wirklich ist, und auch erreichte Verbesserungen genauestens nachvollziehen möchte, sollte man sich einer indirekten Kalorimetrie unterziehen. Diese führen meist Sportmediziner durch. Preislich liegt sie zwischen 50 und 100 Euro.
Wer sich dieses Geld sparen möchte oder in seiner Umgebung keine Anbieter findet, kann seinen Gesamtumsatz auch anders bestimmen. Hierzu isst man über mehrere Wochen exakt das Gleiche und tut das Gleiche. Währenddessen beobachtet man den Gewichtsverlauf. Nimmt man zu, reduziert man die Menge an Nahrung, nimmt man ab, erhöht man sie. Dies wird durchgeführt, bis man ein stabiles Gewicht erreicht hat. Bodybuilder bedienen sich dieser Methode seit vielen Jahrzehnten. Logischerweise ist sie jedoch stark fehleranfällig, da sie weder Veränderungen des Hormonhaushalts noch den abweichenden Energiegehalt an sich identischer Lebensmittel berücksichtigt. Den Ruheumsatz zu bestimmen ist übrigens noch schwerer, da man hierfür mehrere Tage im Bett bleiben müsste.
Vor dem Start einer Gewichtsreduktion sollte man sich einer indirekten Kalorimetrie unterziehen, damit die Pläne bei starken Einschränkungen entsprechend angepasst werden können. Denn nichts ist frustrierender, als sich streng an etwas zu halten, das dann nicht funktioniert. Und bei einer Schilddrüsenerkrankung ist die Chance eines Scheiterns aufgrund des zum Teil eingeschränkten Grundumsatzes tendenziell höher. Zudem kann die indirekte Kalorimetrie einen auch vor dem Selbstbetrug bewahren: Wenn die Stoffwechselrate völlig normal ist, kann man sich nämlich nicht mehr so einfach einreden, gescheiterte Versuche zur Gewichtsabnahme würden an einer verminderten Stoffwechselrate liegen.
Die Hormone der Schilddrüsen haben Einfluss auf jede einzelne Zelle unseres Körpers. Jede Zelle hat Schilddrüsenhormonrezeptoren. Viele andere Hormone können nur produziert werden, wenn ausreichend Thyronin (T3) vorhanden ist.
Zunächst zu den Schilddrüsenhormonen selbst. Für ein besseres Verständnis ihrer Funktion und eventueller Schwachstellen schauen wir uns die Produktion, den Transport und schließlich auch den Abbau der Schilddrüsenhormone vollständig an.
Also mach es dir bequem. Wir beginnen die Geschichte mit der Produktion von T4 in der Schilddrüse und betrachten, was dann damit in unserem Körper passiert.
Zunächst dockt das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH) an den entsprechenden Rezeptoren der Schilddrüse an und motiviert diese, mit der Produktion von Schilddrüsenhormonen zu beginnen. TSH, oder auch Thyreotropin, ist ein Hormon der Hirnanhangsdrüse. Ob Thyreotropin abgesondert und zur Schilddrüse geschickt wird, entscheidet der Chef, die Hypothalamus genannte Region in unserem Gehirn. Befindet der Hypothalamus, dass die Schilddrüse ein bisschen mehr arbeiten sollte, kurbelt er den Produktionsprozess an. Zunächst aber macht er sich im übertragenen Sinne ein Bild von der Gesamtsituation im Körper und beurteilt die Arbeit der Schilddrüse. Er misst nach, wie viele Schilddrüsenhormone nach einem kompletten Durchlauf durch den Körper noch am Hypothalamus ankommen. Daraus wird abgeleitet, ob die Produktion an Schilddrüsenhormonen gedrosselt oder erhöht werden soll. Die Info gibt er dann in Form von TRH (Thyreotropin Releasing Hormon) an die Hypophyse weiter – quasi die Abteilungsleiterin der Abteilung »endokrine Drüsen«. Sie sorgt dafür, dass die Anweisungen des Chefs umgesetzt werden. Für die Schilddrüse erfolgen die Befehle in Form von TSH.
In der Schilddrüse setzt TSH am TSH-Rezeptor an. Dieser ist die Angriffsstelle fürs Immunsystem beim Morbus Basedow. Die hier statt TSH andockenden Antikörper führen ebenfalls zu einer Stimulation der Schilddrüse und damit zur Produktion von Schilddrüsenhormonen. Normalerweise produziert die Schilddrüse allerdings nicht selbstständig Hormone. Außer, der Körper steht unter erheblichem Stress und die Stimulation erfolgt unter Umgehung von Hypothalamus und Hypophyse. Geschehen kann dies über bestimmte Hirnkerne, ausgelöst durch Katecholamine wie Adrenalin und Noradrenalin, und dies ist zum Beispiel bei akuter und extremer Kälte der Fall.
Damit die Schilddrüse wirklich Hormone herstellen kann, muss Jod in die Schilddrüsenfollikel aufgenommen werden. Dies passiert über den Natrium-Jodid-Symporter. Da auch dieser Opfer von autoimmunen Angriffen werden kann, reagieren manche von Hashimoto Betroffenen empfindlich auf Jod. Dennoch ist Jod unerlässlich für die Bildung von Schilddrüsenhormonen. Diese Form von Antikörper, die sich gegen den Natrium-Jodid-Symporter richtet, lässt sich leider außerhalb von Studien noch nicht nachweisen. Hypothetisch aber ist er einer der Gründe für unspezifische Symptome wie Gliederschmerzen am ganzen Körper bei Hashimoto – denn alle Zellen des Körpers besitzen ebenfalls diesen Symporter.
Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsenachse
Neben Jod wird noch eine zweite Zutat zur Schilddrüsenhormonproduktion in der Zelle benötigt: Tyrosin. Schilddrüsenhormone bestehen immer aus der Aminosäure Tyrosin, an die mehr oder weniger viele Jodatome angehängt werden. Um Tyrosin in die Zelle zu bekommen, bilden die Schilddrüsenfollikel das Thyreoglobulin (TG). Thyreoglobulin ist das Taxi, das Tyrosin in die Schilddrüsenfollikel transportiert. Auch die fertigen Schilddrüsenhormone T4 und T3 werden durch die Blutbahn zu ihrem Auftragsort chauffiert. Thyreoglobulin kann ebenfalls Opfer autoimmuner Angriffe werden. Die Schuldigen sind hier die Thyreoglobulin-Antikörper (TAK).
Nachdem das Tyrosin in der Zelle angekommen ist, hängt das Enzym Thyroxinperoxidase die Jodatome an. Es kann wahlweise ein oder zwei Atome anhängen, wodurch es T1, T2, T3 oder T4 herstellen kann. Der allergrößte Anteil an in der Schilddrüse produziertem Hormon ist jedoch Thyroxin (T4). Das Verhältnis von an Thyreoglobulin gebundenem T4 und T3 ist beim Menschen 15:1. Um optimal funktionieren zu können, braucht die Thyroxinperoxidase Eisen und Selen. Eisen ist für zwei wichtige Produktionsschritte nötig. Selen sorgt sozusagen für Kühlung und Abfallentsorgung: Bei der Produktion geht es aufgrund zellulären Stresses schon mal heiß her, Selen achtet darauf, dass kein Gewebe verletzt wird. Leider ist sowohl Selen-, Jod- als auch Eisenmangel in unseren Breiten ein großes Problem und bei fast jedem Schilddrüsenpatienten anfangs zu finden. Oft sind diese Mangelerscheinungen verantwortlich für eine unzureichende Produktion an Schilddrüsenhormonen.
Wenn du dich nun fragst, warum unser Körper eigentlich so schlecht darin ist, Jod und Selen zu speichern, obwohl diese Spurenelemente doch für einige essenzielle Funktionen unseres Körpers unabdingbar sind: Weil er diese die meiste Zeit unserer Evolutionsgeschichte nicht speichern musste. Vor der letzten Eiszeit waren die Böden noch extrem selen- und jodreich, sodass mit der Nahrung große Mengen dieser Nährstoffe aufgenommen wurden. Auch das Fleisch von Beutetieren enthielt deutlich mehr dieser Spurenelemente. Die selen- und jodreichen Erdschichten wurden mit den Moränen der letzten Eiszeit abgetragen. Deshalb enthalten unsere Nahrungsmittel heute viel weniger dieser Mikronährstoffe. Mit zunehmender Nährstoffarmut unserer Böden verschärft sich das Problem von Jahr zu Jahr.
Aber weiter zu der Produktionskette der Schilddrüsenhormone: Die nun fertigen Thyroxin-Moleküle diffundieren aus der Schilddrüsenzelle in den Blutkreislauf. Diffusion bedeutet: Ein Stoff passiert eine Membran ohne die Hilfe von Transportern von einem Ort niedrigerer Konzentration zu einem Ort höherer Konzentration. Das fertige Thyroxin wird mit den Thyreoglobulin-Taxis im ganzen Körper verteilt und in seiner Speicherform T4 in die Zellen transportiert, bis es benötigt wird. Erst dann wird es bei Bedarf in die aktive Form T3 konvertiert. 99 Prozent aller Schilddrüsenhormone sind »on the road« und an einen Transporter gebunden. Wer das Gefühl hat, seine Schilddrüsenhormone würden irgendwo im Nirwana verschwinden, sollte die Transporterproteine TG (Thyreoglobulin) und SHBG (steroidhormon-bindendes Globulin) kontrollieren lassen.