Schöner grüner Schein - Derrick Jensen - E-Book

Schöner grüner Schein E-Book

Derrick Jensen

0,0
27,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In diesem Buch legen Jensen und seine Mitautoren haarklein dar, dass all die »Lösungen« schöner Schein sind und weit davon entfernt, in eine grüne Zukunft zu führen. Je länger wir vor dieser Wahrheit davonlaufen, desto schmerzhafter wird das Erwachen sein. Die Autoren dieses Buches fordern nichts anderes, als dass wir unsere Lebensweise grundlegend revidieren und uns auf die einzig wirkliche grüne Energie besinnen: Das Blattgrün der Pflanzen, die Sonnenlicht in Energie und in Nahrung verwandeln. Dieses Grün hat uns über die Jahrhunderttausende unseres Menschseins am Leben erhalten.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 724

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Stimmen zum Buch

»Schöner grüner Schein« entlarvt die Heuchelei und den Bankrott der führenden Umweltschutzorganisationen und ihrer prominentesten Sprecher. Den bekannten Umweltschützern geht es nicht darum, die Wahrheit zu sagen oder gar rationale Lösungen für den drohenden Ökozid aufzuzeigen, sondern sie geben sich einer verlogenen und selbstsüchtigen Täuschung hin, die zwar Trost spendet, aber mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Sie weigern sich, das Offensichtliche festzustellen: Wir können uns nicht weiter in hedonistischem Konsum und industrieller Expansion suhlen und dabei als Spezies überleben.

Die Umweltdebatte, so argumentieren Derrick Jensen und seine Mitautoren, ist durch Hybris und den kindischen Wunsch der Industrienationen, das Unhaltbare aufrechtzuerhalten, fehlgeleitet worden. Alle umweltpolitischen Debatten müssen damit beginnen, nicht die Wünsche der menschlichen Spezies in den Mittelpunkt zu stellen und zu schützen, sondern die Unantastbarkeit der Erde selbst.

Wir weigern uns, die richtigen Fragen zu stellen, weil diese Fragen die nackte Wahrheit ans Licht bringen: Wir können nicht so weiterleben wie bisher. Dies wäre selbstmörderische Torheit. »Sag mir, wie du suchst, und ich sage dir, was du suchst«, sagte der deutsche Philosoph Ludwig Wittgenstein. Das ist die Stärke von »Schöner grüner Schein«: Es stellt die Fragen, die zu stellen sich die meisten weigern, und in diesem Hinterfragen, diesem Suchen werden tiefe Wahrheiten aufgedeckt, die wir zu unserem eigenen Schaden ignorieren.

Chris Hedges, Pulitzerpreisträger,Journalist und Autor von America: The Farewell Tour

»Schöner grüner Schein« legt in erschütternden und manchmal abscheulichen Details die einfache Tatsache dar, dass die Aufrechterhaltung des Wachstums der technisch-industriellen Zivilisation durch den Ersatz fossiler Brennstoffe durch Solarpanele, Windturbinen, Wasserkraft, Elektroautos und was auch immer für andere grüne Maschinen, die wir konstruieren mögen, immer noch die fortgesetzte Vergewaltigung von Mutter Erde und die Vergiftung ihres Wassers, ihrer Luft, ihres Bodens, ihrer Tierwelt und ihrer menschlichen Bevölkerung voraussetzt. Die Autoren sagen es uns unmissverständlich: Grünes Wachstum ist ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, und es gibt keine Zukunft für die Menschheit, wenn wir nicht erkennen, dass unbegrenztes Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum auf einem endlichen Planeten den ökologischen Selbstmord bedeutet. Umweltgruppen, die sich unbekümmert weigern, das industrielle Wachstumsparadigma in Frage zu stellen, sollten sich vor diesem Buch fürchten, denn es entlarvt ihre Heucheleien und Unwahrheiten auf vernichtende Weise. Ich vermute, dass sie am liebsten sofort alle Exemplare dieses Buches verbrennen würden.

Christopher Ketcham, Autor von This Land: How Cowboys,Capitalism, and Corruption Are Ruining the American West

»Schöner grüner Schein« ist ein Meisterwerk. Die Autoren entlarven viele der Irrtümer des Mainstream-Umweltschutzes und der Wirtschaft. Ihre Hauptthese ist, dass vieles von dem, was heute als Umweltschutz gilt, in erster Linie auf die Aufrechterhaltung eines nicht nachhaltigen Lebensstils ausgerichtet ist. Die meisten sogenannten »nachhaltigen« Praktiken sind bloß ein langsamerer Weg, die Ökosysteme der Erde zu zerstören. Seit Jahren fordere ich, dass die Gesellschaft eine vollständige Bilanz der tatsächlichen Kosten unseres Lebensstils erstellen muss.

Dieses Buch zeigt auf, was in unserem mangelhaften Buchhaltungssystem alles fehlt und welche Kosten tatsächlich anfallen. Ich dachte, ich wüsste viel über die Umweltauswirkungen der Konsumgesellschaft, aber Jensen und seine Co-Autoren haben mir gezeigt, dass ich, wie viele Menschen, diese Kosten nur oberflächlich wahrgenommen habe.

»Schöner grüner Schein« ist ein inspirierender Wegweiser, der uns hilft, über unsere Umweltkrise zu reflektieren. Es ist ein überzeugendes Plädoyer für das, was die Gesellschaft tun muss, um ihren derzeitigen, nicht nachhaltigen Weg neu zu evaluieren. Es ist zu hoffen, dass »Schöner grüner Schein« zu einem durchdachteren, einfühlsameren und letztlich produktiveren Umweltaktivismus führen wird.

George Wuerthner,Ökologe, Wildland-Aktivist, Fotograf und Autor von 38 Büchern,darunter Wildfire: Ein Jahrhundert gescheiterter Forstpolitik

»Schöner grüner Schein« ist das Buch, auf das wir alle gewartet haben. Jensen und seine Co-Autoren räumen mit dem Mythos auf, dass wir uns irgendwie aus dem Schlamassel herauswinden können, den wir durch den Einsatz »erneuerbarer« Energien anrichten, um die Lüge aufrechtzuerhalten, dass endloses Wachstum möglich sei, ohne den Planeten und die Lebensgrundlagen, die er bietet, weiter zu zerstören. Möge »Schöner grüner Schein« der erste Schritt auf dem Weg in eine andere Zukunft sein – eine Zukunft, in der wir uns nicht weiter von künftigen Generationen etwas borgen, um ihnen einen unbewohnbaren Planeten zu hinterlassen.

Thomas Linzey, Senior Counsel des Center ForDemocratic And Environmental Rights und Mitbegründer desCommunity Environmental Legal Defense Fund

Es gibt heute unbedingt viele gute Gründe, das weibliche Geschlecht wieder besser sichtbar zu machen. Dies ist seit mehr als 40 Jahren auch Anliegen unseres Verlages. Ob dies durch Gendern erreicht wird, darf man jedoch hinterfragen, immerhin geht es um unsere Muttersprache. Sicher ist, dass der grammatische Genus nichts über das Geschlecht (Sexus) aussagt. Deswegen halten wir uns als Verlag beim Gendern bewusst zurück. Ausführliche Begründung dazu unter www.neue-erde.de/derdiedas

Derrick Jensen, Lierre Keith, Max Wilbert

SCHÖNER

GRÜNER

SCHEIN

Warum »grüne« Technologienderselbe Irrweg in Grün sind

Aus dem amerikanischen Englisch von

Andreas Lentz

Bücher haben feste Preise.

1. Auflage 2023

Derrick Jensen, Lierre Keith, Max Wilbert

Schöner grüner Schein

Der Titel des englischen Originals lautet Bright Green Lies:

How the Environmental Movement Lost Its Way and What We Can Do About It

© 2021 by Derrick Jensen, Lierre Keith, and Max Wilbert

Die Originalausgabe erschien 2021 im Monkfish Buchverlag 22 East Market

Street, Suite 304, Rhinebeck, NY 12572 monkfishpublishing.com

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne die Zustimmung des Herausgebers in irgendeiner Weise verwendet oder reproduziert werden, außer in kritischen Artikeln oder Rezensionen. Wenden Sie sich für Informationen an den Herausgeber.

Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Andreas Lentz

© für die deutsche Ausgabe Neue Erde GmbH 2023

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlag:

Fotos: engel.ac (Windturbine); Joakim Berglund (Windturbinenfundament); Mr. Tempter (Kohlemine); alle shutterstock.com

Gestaltung: Dragon Design, GB

Lektorat, jeweils in Teilen: Alice Deubzer, Boris Wu, Rolf Thormann, Rudolf Langer und Dr. Ursula Ruppert

eISBN 978-3-89060-394-0

ISBN 978-3-89060-838-9

Neue Erde GmbH

Cecilienstr. 29·66111 Saarbrücken

Deutschland·Planet Erde

www.neue-erde.de

Eine Sache ist richtig, wenn sie dazu beiträgt,die Integrität, Stabilität und Schönheit der biotischenGemeinschaft zu erhalten. Sie ist falsch, wenn siein eine andere Richtung weist.

Aldo Leopold, Landethik

INHALT

Vorwort zur deutschen Ausgabevon Boris Wu

Vorwort

Prologvon Lierre Keith

Das Spektrum des Umweltschutzes

Kapitel 1: Das Problem

Landwirtschaft und Zivilisation als Krieg gegen die Lebenswelt; die Bedeutung des Bodens; Maschinen als die neuen Sklaven

Kapitel 2: Lösungen für die falschen Variablen

Die Umweltbewegung hat die Natur vergessen; sind wir bereit unsere Lebensweise infrage zu stellen?

Kapitel 3: Die Solarlüge: Teil 1

Subventionierung der Solarindustrie; Solarstrom liefert nur winzige Mengen Strom; die Probleme mit der Biomasse; Stromverbrauch ist nicht Energieverbrauch; Spiel mit falschen Zahlen bei den »Erneuerbaren«; Ressourcenverbrauch durch Solarpanele

Kapitel 4: Die Solarlüge: Teil 2

Arten der Solarstromerzeugung; Umweltprobleme und Treibhausgasemission bei der Herstellung von Solarpanelen; Solarpanele als Sondermüll

Kapitel 5: Die Windlüge

Landschaftsverbrauch; industrielle Infrastruktur und Ressourcenverbrauch für Windstrom; Stahl- und Kupfergewinnung als Naturzerstörer; Seltene Erde; Lebensraumzerstörung; Massenmord an Vögeln und Fledermäusen; Klimaveränderungen durch Windräder

Kapitel 6: Die Lüge der grünen Energiespeicherung

Ineffizienz der Batterien; Schäden durch Lithiumabbau; Irrweg Elektromobilität; Blei-Säure-Batterien; Gefahren durch Blei; Kondensatoren und Giftstoffe; Wasserstoff und Brennstoffzellen; Pumpspeicherkraftwerke; Ineffizienz der Speichertechnologien; die Frage der Energiedichte; Speicherung in Form von Druckluft

Kapitel 7: Effizienz

Grüne Energie vermindern nicht die Emissionen; Efffizienz führt stets zu mehr und nicht zu weniger Verbrauch; das Jevons-Paradoxon; wissenschaftliches Management; Glühbirnen, Energiesparlampen und LED; neue Energiequellen verdrängen nicht die alten, sondern steigern den Verbrauch; Kohlenstoffsteuer

Kapitel 8: Recycling

Aluminium; Kupfer; Zink; Kunststoff; Glas; Stahl; Papier; Elektroschrott; Solarmodule: Umweltkosten all dieser Recyclingindustrien; der Minderbedarf an neuen Rohstoffen ist sehr gering

Kapitel 9: Die Lüge von der grünen Stadt

Städte als Umweltvernichter; die kompakte Stadt; Stadt beutet das Umland aus; Entlarvung der Elemente der »grünen« Stadt; Verschwinden der Lachse; vertikale Landwirtschaft; Auslagerung der Schäden; Abwasser und Wasserverschmutzung; Straßen und ihr Zerstörungswerk; Artensterben; Asphalt ist Gift; Probleme der Eisenbahn; Menschen brauchen keine Städte

Kapitel 10: Die Lüge vom grünen Netz

Stromleitungen; was ein Stromnetz wirklich ist; Netzbetrieb erfordert gleichmäßige Energiezufuhr; Schwankungen der »grünen« Stromerzeugung

Kapitel 11: Die Wasserkraftlüge

Dämme und Stauseen; Treibhausgasemissionen; Vertreibung und Überflutungen; Verhinderung der Tierwanderungen; Sprengstoff; Artensterben; Fischbrütereien

Kapitel 12: Weitere Lügen

Geothermie; Aluminiumhütten auf Island; Kohlenstoffabscheidung; Gezeitenkraftwerk; Geoengineering; Monsun; Leitfaden zur Bewertung von Technologien

Kapitel 13: Weitere Scheinlösungen

Fossil Free-Kampagne

Kapitel 14: Wirkliche Lösungen

Aufgabe der industriellen Zivilisation; Zerstörung stoppen; Renaturierung und Regeneration erlauben; CO2-Reduktion auf 0%; Stopp der Subventionen für den Raubbau; Stopp aller extraktivistischen Aktivitäten; Böden wieder herstellen; alle Dämme rückbauen; Ausstieg aus der Monokultur-Landwirtschaft; Artenvielfalt ermitteln und bewahren; alle Mittel für Infrastrukturprojekte einfrieren; Beispiel Knepp Castle Estate; den Planeten heilen lassen

Kapitel 15: Zusammenfassung

Re-Indigenisierung; das Leben über die Annehmlichkeiten stellen

Nachwortvon Derrick Jensen

Endnoten

Weiterführende Literatur, Filme, Organisationen

Über die Autoren

Zum Weiterlesen

Weitere Bücher von Neue Erde

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Das Wort für Welt ist Wald. Lange bevor es Menschen gab, in den geologischen Zeitaltern, die wir heute als Karbon und Perm bezeichnen, dominierten riesige dichte Sumpfwälder aus Urfarnen, Kalamiten, Siegel- und Schuppenbäumen die Landmasse unseres Planeten. Die hohe Konzentration an Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre bot ideale Wachstumsbedingungen für Pflanzen und führte zu einer Überproduktion von Biomasse, die sich in den sumpfigen Böden der Urwälder anhäufte. Im Laufe der Jahrmillionen wurden Teile dieser Sümpfe regelmäßig von Flüssen überflutet und dadurch von Sedimenten aus Ton und Sand überdeckt. Diese zyklischen Sedimentationsbedingungen komprimierten und entwässerten die Sumpfböden. Vor allem im Zeitalter des Oberkarbons (im Deutschen auch als »(Stein-)Kohlezeitalter« bezeichnet), wurde das organische Ausgangsmaterial unter Luftabschluss, hohem Druck und Hitze verdichtet und dadurch schließlich in Steinkohle umgewandelt.

Das andere Wort für Welt ist Wasser. Neben den Urwäldern prägten nährstoffreiche Schelf- und Binnenmeere die urzeitliche Landschaft. Wasser ist buchstäblich die Quelle allen Lebens, und auch diejenigen von uns, die letztendlich im Laufe der Evolution die Meere verließen und lernten, an Land zu leben, tragen sie immer noch im Blut. Unser Blutplasma enthält Salz und Ionen in einem Verhältnis, welches dem der Ozeane bemerkenswert ähnlich ist.

Unsere heilige Mutter Erde brachte in ihrer unendlichen Liebe zu allem Leben eine schier unendliche Vielfalt an diesem hervor. Die urzeitlichen Schelfmeere waren reich an Leben, wobei Meereskleinstlebewesen wie Algen den mit Abstand größten Teil der maritimen Biomasse bildeten. In den tieferen Zonen lagerten sich die abgestorbenen Algen zusammen mit Tonpartikeln auf dem Meeresboden ab. Die sauerstoffarmen Bedingungen verhinderten die vollständige Zersetzung der Algenbiomasse und führten zur Entstehung von Faulschlämmen. So bildeten sich mächtige Sedimentfolgen mit einem hohen Anteil an organischem Material, welche über die Jahrmillionen hinweg zu dem Energieträger wurden, der die Industrialisierung der Zivilisation möglich machte: Erdöl.

Letztendlich hat unser Planet nur eine einzige Energiequelle, nämlich die Sonne. Alle fossilen Energieträger sind Jahrmillionen alte, in fossiler Biomasse gespeicherte solare Energie.

Unterdes erschuf unsere heilige Mutter Erde in ihrer unendlichen Liebe eine weitere, schier unendliche Vielfalt an Leben. Auf die Dinosaurier folgten Vögel, Säugetiere und schließlich die Spezies, die sich heutzutage ganz unbescheiden als Homo sapiens sapiens, als Weisesten der Weisen bezeichnet. Wie weise es ist, den Planeten, auf dem man lebt, zu zerstören, muss allerdings hinterfragt werden.

Die längste Zeit ihrer Existenz lebten die steinzeitlichen Menschen, die nur in der Vorstellungswelt der Zivilisierten primitiv waren, im Einklang mit den ökologischen Gesetzmäßigkeiten, bis einige Kulturen einen funktionalen Fehler begingen: Sie kultivierten einjährige Gräser mit nahrhaften Samen in großflächiger Monokultur-Landwirtschaft. Der Überschuss an leicht speicher- und handelbaren Kohlehydraten aus Getreidemonokulturen führte zu einem nie dagewesenen Bevölkerungswachstum und ermöglichte den Bau von Stadtstaaten mit stehenden Heeren, patriarchalen Herrschaftskulten, monotheistischen Religionen, Sklaverei und einer endlosen Welle von Gewalt, Krieg, Kolonialismus und Umweltzerstörung, kurz: die Form von Kultur, die wir Zivilisation nennen. Der Klimawandel ist kein aktuelles Phänomen. Die Abholzung von Urwäldern, das Trockenlegen der Moore für die Landwirtschaft, Bergbau, den Bau von Kriegsschiffen und anderer Kriegsmaschinerie hatte bereits in der Antike messbare Auswirkungen auf das Weltklima, wie wir aus atmosphärischen Daten aus Gasen wissen, die im nicht mehr so ewigen Eis der Antarktis und Grönland gespeichert sind.

Im Wesentlichen – und das Wesentliche ist unser Umgang mit dem Planeten und unseren Mitgeschöpfen – gab und gibt es nur zwei menschliche Kulturen: Indigene und Zivilisierte. Während Indigene im Einklang mit den biologischen Gesetzmäßigkeiten leben, sind endlose Expansion, Kolonialismus und die Übernutzung von Ressourcen die Kennzeichen einer jeden Zivilisation, die letztendlich zu ihrem Kollaps führen. Zivilisationen haben schon immer indigene Völker verdrängt oder vernichtet. Nachdem die dominante westliche Zivilisation sich über ganz Europa ausgedehnt hatte und nach 1492 auf dem amerikanischen Doppelkontinent den größten Genozid an indigenen Völkern in der Menschheitsgeschichte beging, machte sie in ihrem endlosen Hunger nach Ressourcen einen zweiten funktionalen und fundamentalen Fehler: Sie begann, die fossilen Energieträger Steinkohle und Erdöl zu nutzen und steigerte damit ihre Zerstörungskraft bis ins Äußerste. Industrielle Zivilisation ist Zivilisation auf Steroiden, und ihre Steroide sind fossile Brennstoffe.

Rachel Carsons Buch »Silent Spring« (Der stumme Frühling) von 1962 markierte den Beginn der modernen Umweltbewegung. Während indigene Völker schon immer für die Erhaltung der Natur und damit ihrer Lebensgrundlagen kämpften, begannen nun auch in der westlichen Welt Menschen, sich zu versammeln und zu versuchen, wilde Orte und wilde Lebewesen vor der Zerstörung durch unsere Zivilisation zu schützen.

Der Klimawandel rückte erst in den 1990er Jahren ins öffentliche Bewusstsein, denn Wissenschaftler wie James Hansen begannen erst in den späten 1980er Jahren zu verstehen, dass das Verbrennen von Jahrmillionen gespeicherter fossiler Sonnenenergie sowie die Freisetzung des darin festgesetzten Kohlenstoffdioxids innerhalb eines einzigen Jahrhunderts das Klima unseres Planeten gewaltig durcheinanderbringen wird.

Aufgrund der die dagewesenen Übernutzung unseres Planeten im industriellen Maßstab haben wir westlichen Menschen heutzutage mehr Ressourcen und Energie zur Verfügung als jede menschliche Generation zuvor. Die westliche Wohlstandsverwahrlosung führte dazu, dass sich die Umweltbewegung zu einem stark verengten öffentlichen Diskurs verführen ließ, der sich allein auf die globale Erwärmung und unrealistische technokratische Utopien fokussiert, und in dem das umfassendste, dramatischste und schnellste Artensterben aller Zeiten, dessen Zeugen wir gerade sind, keine Rolle mehr spielt. Die globale Erwärmung beginnt ja gerade erst, uns ernsthaft zu beeinflussen. Die Umweltzerstörung, die Ausrottung allen nichtmenschlichen Lebens, kurz gesagt der Fakt, dass Zivilisationen und insbesondere die industrielle Zivilisation inhärent zerstörerisch sind, ihre Ressourcen übernutzen und damit per Definition niemals nachhaltig sein können und unweigerlich kollabieren werden, sowie die daraus resultierende Tatsache, dass wir unsere Lebensweise radikal ändern müssten, sind im öffentlichen Diskurs ein Tabuthema.

Der funktionale Denkfehler im Glaubenssystems um die sogenannten erneuerbaren Energien ist, dass die fossilen Energieträger Steinkohle und Erdöl Energie erzeugen. Dabei sind sie nichts anderes als Energiespeicher, also buchstäblich Speicher für Millionen Jahre alte Solarenergie. Diese »natürlichen Akkus« haben eine höhere Energiedichte als alle von Menschen entwickelten Energiespeicher. Diesel speichert 46-mal mehr Energie pro Kilogramm als der modernste Lithium-Ionen-Akku. Daher sind fossile Energien unglaublich praktisch: Sie sind einfach zu transportieren, für unendliche Zeit speicherbar und können jederzeit bei Bedarf verbrannt werden. Auf diesen Eigenschaften ist die gesamte Stromnetz-Infrastruktur aufgebaut, wobei der Begriff »Netz« in mehr als einer Hinsicht ungenau ist. Erstens ist es eher ein Netzwerk als ein Netz. Zweitens handelt es sich nicht um ein einziges Netz, sondern um Hunderte von Netzen auf der ganzen Welt, von denen jedes eine bestimmte Region mit Strom versorgt. Das gesamte Netzwerk funktioniert im Grunde wie ein großer Kreislauf, der an den Kraftwerken beginnt und endet. Teilstromkreise führen zu einzelnen Haushalten, Unternehmen, Fabriken, Serverfarmen, Krankenhäusern und so weiter. Zwischen den Regionen fließt der Strom zwar immer noch, aber er wird sorgfältig reguliert.

Die Windräder, Solaranlagen und Wasserkraftwerke, die wir unter dem schwammigen Begriff »erneuerbare Energien« zusammenfassen, sind ja keine Energien oder Energieträger im eigentlichen Sinne, sondern Technologien, die unter bestimmten Bedingungen das Sonnenlicht oder die Bewegungsenergie von Wind und Wasser in Elektrizität umwandeln können. Die im öffentlichen Diskurs verwendeten Begrifflichkeiten wie »Energiewende«, »erneuerbare Energien« oder »grüne Energie« suggerieren, dass wir von einer Form der Energie auf eine andere Form umschalten. Hier liegt der Denkfehler, denn was wir eigentlich versuchen ist, fossile Energiespeicher durch moderne Technologien zur Stromerzeugung zu ersetzen.

Eines der zahlreichen Probleme hierbei ist, dass diese zusätzlich erzeugte elektrische Energie, abhängig von der jeweiligen Stärke des Sonnenlichts, dem herrschenden Wind oder der Strömung, sehr stark schwankt. Schätzungen zufolge kann das moderne Stromnetz nur bis zu 35 Prozent Elektrizität aus Windkraft und 12 Prozent Elektrizität aus Photovoltaik verkraften, somit insgesamt etwa 47 Prozent, also knapp die Hälfte sogenannter erneuerbare Energie, da solche Schwankungen noch durch konventionelle Kohle- und Gaskraftwerke ausgeglichen werden können. Starke Stromschwankungen sind mit einem funktionierenden industriellen Stromnetz nicht vereinbar. Die meisten Haushaltsgeräte kommen mit einer Spannungsschwankung von 5 bis 10 Prozent gut zurecht, aber moderne Fabriken, Serverfarmen und auch Krankenhäuser mit ihren hochkomplexen Gerätschaften und Maschinen benötigen präzise stabile Ströme.

Es ist sehr schwierig bis unmöglich, die intermittierenden, stark schwankenden Stromflüsse aus Tausenden von Windkraft- und Solaranlagen zu einer zuverlässigen Netzspannung zu kombinieren, weil es keine Pufferspeicher im Netzmaßstab gibt. (Derzeit dienen die konventionellen Kohle- und Gaskraftwerke quasi als Puffer, da die Stromerzeugung hier je nach Bedarf schnell hoch- oder heruntergefahren werden kann.) Fakt ist, dass das Netz eben nicht für die sogenannten erneuerbaren Energien gebaut wurde, sondern für fossile Energieträger.

Doch ganz abgesehen davon, selbst wenn geniale Wissenschaftler und Ingenieure es schaffen würden, das Stromnetz komplett auf Solar, Wind und Wasserkraft umzustellen, bleibt da immer noch das kleine Problem, dass unsere Zivilisation den Planeten zerstört. Die Hoffnung auf Rettung unserer Zivilisation durch moderne Technologien, die in Wirklichkeit dem Planeten nicht helfen, sondern selbst in vielerlei Hinsicht zerstörerisch sind, ist eben nur schöner grüner Schein. Auf einem zerstörten Planeten kann man nicht leben, und es ist höchste Zeit für einen ernsthaften und radikalen Diskurs, der die hochgradig gestörte Beziehung unserer Kultur zu unserer heiligen Mutter Erde, die uns alle in ihrer unendlichen Liebe hervorgebracht hat und die unsere einzige Heimat ist, in der notwendigen Tiefe thematisiert.

Diesen Diskurs wollen wir mit diesem Buch anregen.

Boris WuPermakulturfarmer, Umweltaktivist undMitglied der Organisation Deep Green Resistance

VORWORT

Dieses Buch nahm 2010 Gestalt an, als Derrick Jensen gebeten wurde, mit einem sogenannten »hellgrünen« Umweltschützer zu diskutieren. Aus der hellgrünen Perspektive sind die nichtnachhaltigen Aspekte unserer heutigen Lebensweise – einschließlich der Großstädte – keine funktionalen Probleme, sondern lassen sich vielmehr durch leicht verfügbare Technologien und Verfahren lösen: Photovoltaik, Windkraftanlagen, Recycling und dergleichen.

Als der grüne Befürworter in der Debatte behauptete, dass Städte tatsächlich nachhaltig sein könnten, antwortete Derrick mit mehreren Fragen: »Woher bekommen Sie die Lebensmittel, die Energie, das Wasser? Wohin gehen die menschlichen Abfälle? Waren Städte nicht schon immer darauf angewiesen, Land einzunehmen und dieses Land seiner Ressourcen zu berauben?«

Nachhaltigkeit kann als eine Lebensweise definiert werden, die keine Einfuhr von Ressourcen erfordert. Wenn eine Stadt also die Einfuhr von Ressourcen erfordert, bedeutet dies, dass die Stadt die umgebende Landschaft eben dieser Ressource beraubt hat. Es ist ganz natürlich, dass eine wachsende Stadt eine immer größere Umgebung ausnimmt. Tatsächlich haben die Städte über die letzten 6.000 Jahre ganze Landstriche entblößt. Vor mehr als 2.000 Jahren schrieb der chinesische Philosoph Mencius: »Es gab eine Zeit, in der die Wälder des Niu-Berges schön waren. Aber kann der Berg noch als schön angesehen werden, seit er in der Nähe einer großen Stadt liegt und die Holzfäller die Bäume gefällt haben?«

»Ich sage nicht, dass die Menschen ihren ökologischen Fußabdruck nicht verkleinern sollten oder dass Städte weniger nachhaltig sind als Vorstädte«, so Derrick. »Ich sage nur, dass wir ehrlich mit uns selbst sein und erkennen müssen, dass man ohne Bergbauinfrastruktur kein elektrisches System haben kann, weil man Kupfer oder andere Metalle für die Verkabelung braucht.«

So wie eine moderne Stadt ohne Stromnetz nicht denkbar ist, so ist auch Elektrizität ohne die Gewinnung von Metallen zu seiner Herstellung undenkbar. »Man darf einzelne Technologien nicht aus dem Zusammenhang reißen«, sagte Derrick, denn jedes System, jedes Objekt ist davon abhängig, dass Menschen der Erde Ressourcen entnehmen. Um seinen Standpunkt zu verdeutlichen, nahm er seine Brille ab und hielt sie als Beispiel hoch. »Sie besteht aus Plastik, für das Öl und Transportinfrastrukturen benötigt werden, und aus Metall, für das Bergbau, Öl und Transportinfrastrukturen erforderlich sind«, erklärte er. »Sie hat Brillengläser, und die moderne Glasherstellung erfordert Energie und Transportinfrastruktur. Die Minen, aus denen die Materialien für meine Lesebrille kommen, müssen irgendwo liegen, und die Energie für die Herstellung muss auch irgendwoher kommen.

Wir müssen aufhören, uns von der Erzählung leiten zu lassen, dass wir alles haben können«, schloss Derrick, »dass wir eine industrielle Kultur haben können und auch wilde Natur, dass wir eine Erdölwirtschaft haben können und es trotzdem noch Eisbären gibt.«

Der Hellgrüne antwortete mit dem häufigsten Argument und Glaubensbekenntnis seiner Bewegung: dass jedes System, das wir derzeit nutzen und das nicht nachhaltig ist, von Menschen entworfen wurde und daher umgestaltet werden kann. »Es ist durchaus möglich«, argumentierte der Hellgrüne, »einen umweltfreundlichen, geschlossenen, kohlenstoffneutralen Weg zur Hervorbringung von Wohlstand einzuschlagen, den die meisten Menschen als vernünftig akzeptieren würden.«

»Aber wo«, fragte Derrick, »gibt es ein Beispiel für ein System, das so umgestaltet werden könnte, dass es nachhaltig ist?«

»Sie erwähnten den Bergbau«, antwortete der Hellgrüne. »Es ist in der Tat möglich, Mineralien und Metalle zurückzugewinnen, Dinge so zu konstruieren, dass sie zerlegbar sind, so dass die Mineralien leicht aus den Gegenständen zurückgewonnen werden können, wenn sie nicht mehr von Nutzen sind, und diese Elemente in Teile für neue Dinge zu verwandeln. Wir wissen, dass es zumindest theoretisch möglich ist, eine absolut abfallfreie Wirtschaft zu haben, und wir wissen, dass es praktisch schon jetzt möglich ist, eine Wirtschaft zu haben, die nahezu abfallfrei ist.«

Klingt toll, oder? Das einzige Problem – und das ist bei allen hellgrünen Argumenten der Fall – ist, dass diese Idee nicht mit der physischen Realität übereinstimmt. Wie wir in diesem Buch nachweisen, erfordert der Prozess des Recyclings von Materialien selbst eine Infrastruktur, die sowohl für die Umwelt als auch für die Menschen schädlich ist. Der Recyclingprozess verursacht nicht nur häufig mehr Abfall und Umweltverschmutzung, sondern führt oft dazu, dass die lokale Bevölkerung und die Arbeiter gesundheitsgefährdenden Giftstoffen ausgesetzt sind und letztere Sklavenarbeit verrichten.

Aber die hellgrüne Umweltbewegung hat in den letzten 20 Jahren so viel Zuspruch gefunden, dass sie den Mainstream-Umweltschutz praktisch übernommen hat. Das liegt daran, dass die Träger der hellgrünen Bewegung den Menschen erzählen, was sie hören wollen, nämlich dass man alles haben kann: die industrielle Zivilisation und zugleich einen Planeten. Oder anders ausgedrückt, man muss seinen Lebensstil überhaupt nicht ändern; man kann einen Planeten haben und ihn zugleich verbrauchen.

Aber wir können nicht alles haben. Und wenn wir wollen, dass unser Planet überlebt, müssen wir unseren Lebensstil ändern – und zwar radikal. Hellgrüner Umweltschutz und andere Formen der Verleugnung unserer Situation richten großen Schaden an, weil wir Zeit, die wir nicht haben, mit »Lösungen« für Nachhaltigkeit verschwenden, die nicht funktionieren können.

Dieses Buch beschäftigt sich mit einigen der Unwahrheiten, die von den Hellgrünen verbreitet werden. Wir entlarven viele dieser Lügen und analysieren, warum sie Lügen sind, und wir erklären die Tricks, mit denen die Hellgrünen diese Lügen aufrechterhalten – möglicherweise nicht nur uns, sondern auch sich selbst gegenüber. Wir hoffen, dass unsere Leser, nachdem wir diese Lügen aufgedeckt haben, das Gelesene nutzen können, um weitere hellgrüne Behauptungen zu entlarven.

Wir wollen damit nicht sagen, dass Innovation nie hilfreich ist. Wir sagen auch nicht, dass wir nicht recyceln sollten oder dass einige Produktionsformen nicht nachhaltiger sind als andere oder dass Städte nicht nachhaltiger gestaltet werden können.

Wir wollen damit nur sagen, dass wir weder uns selbst noch einander belügen sollten. Besonders wenn die ganze Welt auf dem Spiel steht, sollten wir die Wahrheit sagen. Wir meinen, dass diese hellgrünen Lösungen Lügen sind, Lügen, die uns erlauben, eine nicht nachhaltige Lebensweise fortzuführen und dabei so zu tun, als würden wir den Planeten nicht umbringen.

PROLOG

Lierre Keith

Uns droht tödliche Gefahr. Wie alle Tiere brauchen wir ein Zuhause: eine Decke aus Luft, eine Wiege aus Erde und eine ungeheure Vielfalt von Lebewesen, die beides bereitstellen. Wir können keinen Sauerstoff erzeugen, aber andere können es – vom winzigen Plankton bis zu den hoch aufragenden Mammutbäumen. Wir können keinen Mutterboden aufbauen, aber der allmähliche Kreislauf von Bakterien, Bisons und Süßgräsern tut es.

Aber all diese Lebewesen bluten aus, Art für Art, wie Noah und die Arche im Rückwärtsgang, während der Kohlenstoff anschwillt und die Feuer weiter wüten. Unsere fünf Jahrzehnte des Umweltaktivismus haben dies nicht aufgehalten. Sie haben es nicht einmal verlangsamt. In diesen fünf Jahrzehnten haben die Menschen 60 Prozent der Tiere auf der Erde getötet. Und das ist nur eine miserable Zahl unter so vielen anderen.

Das ist das Grauen, das die Leser zu einem Buch wie diesem bringt, mit einer Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung. Aber wir haben keine guten Nachrichten für Sie. Um es unverblümt zu sagen: Mit der Umweltbewegung ist etwas fürchterlich schiefgelaufen.

Einst waren wir die Leute, die wilde Kreaturen und wilde Orte verteidigen wollten. Wir liebten unsere Verwandten, wir liebten unsere Heimat und wir kämpften für unsere Liebsten. Gemeinsam bildeten wir eine Bewegung zum Schutz unseres Planeten. Auf dem Weg dorthin suchten viele von uns nach den Gründen: Warum haben die Menschen das angerichtet? Was könnte die Ursache für den mutwilligen Sadismus sein, der die Welt verwüstet? War es unsere Natur oder waren nur ein paar Menschen Schuld daran? Diese Analyse ist natürlich von entscheidender Bedeutung. Ohne eine richtige Diagnose ist eine korrekte Behandlung unmöglich. In diesem Buch werden die besten Antworten dargelegt, die wir, die Autoren, gefunden haben.

Wir haben dieses Buch geschrieben, weil etwas mit unserer Bewegung geschehen ist. Die Lebewesen und Lebensräume, die einst im Mittelpunkt unseres Interesses standen, sind verschwunden. An ihrer Stelle steht nun genau das System, welches sie zerstört. Das Ziel hat sich gewandelt: Wir wollen unsere Lebensweise retten, nicht für den lebendigen Planeten kämpfen; wir stellen uns hinter die »Maschinen, die Maschinen machen, die Maschinen machen«, die verschlingen, was von unserer Heimat übrig ist.

Engagierte Aktivisten haben die Dringlichkeit der Klimaveränderungen in das breite Bewusstsein gerückt, und das ist ein großer Gewinn, da die Gletscher schmelzen und die Tundra brennt. Aber sie lösen das Problem mit der falschen Variablen. Unsere Lebensweise muss nicht gerettet werden. Der Planet muss vor unserer Lebensweise gerettet werden.

Es gibt einen Namen für die Mitglieder dieser aufstrebenden Bewegung: hellgrüne Umweltschützer (Bright Green Environmentalists). Sie glauben, dass Technologie und Design die industrielle Zivilisation nachhaltig machen können. Der Mechanismus, der die Entwicklung dieser neuen Technologien vorantreibt, ist das Konsumverhalten. Daher betrachten die »Hellgrünen« den Konsum als eine »entscheidende grüne Praxis«.1 Tatsächlich haben sie »sich dem Konsumismus verschrieben« als dem Weg zum Wohlstand für alle.2 Natürlich ist der Wohlstand, den wir durch Konsum erreichen, zeitlich streng limitiert, da der Planet endlich ist. Daher besteht der einzige Weg, um das hellgrüne Narrativ aufrechtzuerhalten, darin, jedes Bewusstsein für die Lebewesen und Gemeinschaften, die »konsumiert« werden, auszulöschen. Sie sind einfach nicht wichtig. Was zählt, ist Technologie. Akzeptieren Sie die Technologie als unseren Retter, versprechen die Hellgrünen, und unsere derzeitige Lebensweise ist für alle und für immer möglich. Da die ausgelöschten Arten aus dem Bewusstsein verschwunden sind, besteht das einzige Problem, das die Hellgrünen noch lösen müssen, darin, wie sie die glänzenden neuen Maschinen mit Energie versorgen.

Es spielt keine Rolle, wie der Zaubertrick vollführt wurde. Selbst die vom Aussterben bedrohten Arten wurden aus der Betrachtung eliminiert. Mal sieht man sie, mal nicht: von der Florida-Eibe (deren Heimat ein einziger 24-Kilometer-Abschnitt ist, der nun durch die Biomasseproduktion bedroht ist) bis zur schottischen Wildkatze (deren Rest von trostlosen 35 Exemplaren durch eine geplante Windkraftanlage gefährdet ist). Als ob die Menschen irgendwie auf einem Planeten überleben könnten, der seiner Arten beraubt wurde und zu einem toten Felsen ausgeblutet ist. Einst kämpften wir für die Lebenden. Jetzt sollen wir für ihren Tod kämpfen, während Windturbinen die Berge und Solaranlagen die Wüsten erobern.

»Möge die Wahrheit deine Rüstung sein«, forderte Marcus Aurelius. Die Wahrheiten in diesem Buch sind hart, aber Sie werden sie brauchen, um Ihre Geliebte zu verteidigen. Die erste Wahrheit ist, dass unsere derzeitige Lebensweise ein industrielles Energieniveau erfordert. Das ist nötig, um die Umwandlung von lebenden Gemeinschaften in tote Waren voranzutreiben. Diese Umwandlung ist das Problem, um es mit den Worten der australischen Atomkraft-Gegnerin Dr. Helen Caldicott zu sagen, »wenn man diesen Planeten liebt«. Die Aufgabe, die vor uns liegt, ist nicht, diese Umwandlung weiter voranzutreiben. Es geht um die Frage, wie wir sie stoppen können.

Die zweite Wahrheit ist, dass fossile Brennstoffe – vor allem Erdöl – praktisch unersetzlich sind. Die vorgeschlagenen Alternativen – wie Solar-, Wind- und Wasserkraft sowie Biomasse – werden niemals ausreichen, um eine industrielle Wirtschaft zu versorgen.

Drittens sind diese Technologien an sich schon Angriffe auf die lebende Welt. Von Anfang bis Ende erfordern sie Verwüstungen im industriellen Maßstab: Tagebau, Abholzung, Bodenvergiftung, die nur auf einer geologischen Zeitskala nicht von Dauer ist, dazu Ausrottung und Aussterben gefährdeter Arten und, ach ja: Sie brauchen fossile Brennstoffe. Diese Technologien werden die Erde nicht retten. Sie werden ihren Untergang nur beschleunigen. Und schließlich gibt es echte Lösungen. Einfach ausgedrückt, müssen wir lediglich damit aufhören, den Planeten zu zerstören, und das natürliche Leben zurückkehren lassen. Überall gibt es Menschen, die genau das tun, und die Natur reagiert darauf, manchmal auf wundersame Weise. Die Verwundeten werden geheilt, die Vermissten tauchen wieder auf, und die Vertriebenen kehren zurück. Es ist noch nicht zu spät.

Ich sitze auf meiner Wiese und suche nach Hoffnung. Schwaden von Purpurnadelgras (Purple Needlegrass, Nassella pulchra), still und stetig, schwellen an mit Samen: 66 Millionen Jahre Evolution, die sich auf ein weiteres Jahr vorbereiten. Ich musste nur die Gräser nachwachsen lassen, und es folgte eine Kaskade von Leben. Das hohe Gras schuf ein Zuhause für Kaninchen. Die Kaninchen brachten die Füchse. Und jetzt durchdringt der Schrei eines jungen Falken den Himmel, wild und drängend. Ich kenne diesen Schrei, und doch kenne ich ihn nicht. Ich, und doch nicht ich. Die Liebe und die schmerzende Ferne. Ich bin mir sicher, dass das Leben leben will. Die Falkeneltern werden die Jungen füttern, sie unterrichten und sie ziehen lassen. Es wird die Reihe an sie kommen, dann an ihre Kinder und an ihre.

Alle Besucher, die hierherkommen, sagen immer das gleiche: »Ich habe noch nie so viele Libellen gesehen.« Sie sagen es mit Verwunderung, fast mit Ehrfurcht und immer mit Freude. Und darin liegt auch meine Hoffnung. Trotz allem lieben die Menschen diesen Planeten und alle unsere Verwandten. Sie können sich dem nicht entziehen. Diese Liebe ist ein Teil von uns, so gewiss wie unser Blut und unsere Knochen.

Irgendwo in der Nähe gibt es Berglöwen. Ich habe gehört, wie ein Weibchen nach einem Partner rief, ihr Bedürfnis war heftig und unbedingt. Hier, in den letzten Resten der Wildnis, versucht das Leben weiterzuleben. Wie könnte ich weniger tun? Es ist keine Zeit für Verzweiflung. Die Berglöwen und die Libellen, die flüggen Falken und die Samen des Purpurnadelgrases brauchen uns jetzt.

Wir müssen unsere Bewegung zurückgewinnen und unsere Geliebte verteidigen. Wie können wir weniger tun? Und wie können wir verlieren, wenn wir das ganze Leben auf unserer Seite haben?

DAS SPEKTRUM DES UMWELTSCHUTZES

Tiefgrün

Sowohl der lebende Planet als auch die nichtmenschliche Lebewesen haben das Recht zu existieren. Das menschliche Wohlergehen hängt von einer gesunden Ökologie ab. Um den Planeten zu retten, müssen die Menschen innerhalb der Grenzen der natürlichen Welt leben; daher müssen auf sozialer, kultureller, wirtschaftlicher, politischer und persönlicher Ebene drastische Veränderungen stattfinden.

Lifestylisten

Der Mensch ist von der Natur abhängig, und die Technologie wird die Umweltprobleme wahrscheinlich nicht lösen, aber politisches Engagement ist entweder unmöglich oder unnötig. Das Beste, was wir tun können, ist, uns in Eigenverantwortung zu üben, bescheidener zu leben und andere persönliche Lösungen zu finden. Der Rückzug wird die Welt verändern.

Hellgrüne

Es gibt ernsthafte Umweltprobleme, aber grüne Technologie und grünes Design sowie ethisches Konsumverhalten werden es möglich machen, den modernen, energieintensiven Lebensstil auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Die Einstellung dieser Grünen läuft darauf hinaus: »Es geht weniger um die Natur und mehr um uns.«

Vernünftige Nutzer, Umweltmanager

Es gibt zwar ökologische Probleme, aber die meisten davon sind nicht so schlimm und können durch ein angemessenes Management gelöst werden. Natürliche Ressourcen sollten in erster Linie geschützt werden, um ihre weitere Extrahierung und das menschliche Wohlergehen zu ermöglichen.

Cornucopianer (»Füllhornisten«)

Die Erde besteht aus Ressourcen, die im wesentlichen unendlich sind. Ökologische Probleme sind zweitrangig. Technologie und das Wirtschaftssystem – ob freier Marktkapitalismus oder Sozialismus – werden alle ökologischen Probleme lösen.

Technokraten, Transhumanisten

Der Mensch sollte die Biologie überwinden, indem er stark in die Technologie investiert. Auch der Möglichkeit des Aussterbens der Menschheit können wir entgehen, indem wir den Planeten Erde verlassen, und wir sollten letztlich kybernetische Verbesserungen und das Hochladen des menschlichen Bewusstseins in Maschinen anstreben, um den Tod zu besiegen.

Kapitel 1

DAS PROBLEM

Kann die Demokratie in irgendeiner Form überleben, wenn unsere autoritäre Technik ihre Macht mit Hilfe ihrer neuen Formen der Massenkontrolle, ihrer Palette von Beruhigungs- und Schlafmitteln und Aphrodisiaka konsolidiert? Diese Frage ist absurd: Das Leben selbst wird nicht überleben, es sei denn, es wird durch das mechanistische Kollektiv geschleust.

Lewis Mumford1

Es bleibt so wenig Zeit und noch weniger Hoffnung, hier inmitten des Ruins, am Ende der Welt. Jeder Lebensraum liegt in Fetzen. Das grüne Fleisch der Wälder ist zu trostlosem Sand zerfallen. Das Wort Wasser ist bedeutungslos geworden; der Athabascan River ist nunmehr eine Giftpfütze, die aus der offenen Wunde der Teersande von Alberta sickert. Wenn Vögel über ihn hinwegfliegen, fallen sie tot vom Gift vom Himmel. Keiner glaubt uns, wenn wir das sagen, aber es ist wahr. Die Appalachen werden in Stücke gesprengt, ihr dichtes Leben aus Laubwäldern, einschließlich ihrer menschlichen Gemeinschaften, wird auf ein Entsorgungsproblem reduziert, das »Abraum« genannt wird; ein Wort, das Hasstirade genannt werden sollte: Lebewesen sind keine Objekte, die man in Gullys wirft, sondern Berglorbeer, Walddrosselküken, jemandes Enkelkinder. Wenn es nach Auschwitz keine Poesie mehr gibt, dann gibt es nach dem Abbau von Bergkuppen auch keine Grammatik mehr.

Wie oben, so unten. Die Korallenriffe zerbröckeln unter dem Säureangriff des Kohlenstoffs. Und die Graslandschaften der Welt wurden mit Stahlmessern, die durch fossile Brennstoffe gespeist werden, buchstäblich in Streifen geschnitten. Der Hunger dieser Klingen wäre endlos, wäre da nicht die Tatsache, dass der Planet eine begrenzte Kugel ist: Es gibt keine Kontinente mehr zu essen. Jedes Jahr verbraucht die durchschnittliche amerikanische Farm das Energieäquivalent von drei bis vier Tonnen TNT pro Hektar. Und Öl verbrennt sich leicht, wenn erst einmal jede Möglichkeit zur Selbstversorgung von Gesellschaften zerstört ist. Sogar ihre Erinnerung ist verschwunden, metaphrastisch geworden, etwas zwischen Vorgeschichte und Märchen.

Alles, was übrigbleibt, ist Kohlenstoff, der sich zu einem Albtraum aufbaut, aus dem uns die Morgendämmerung nicht mehr retten kann. Aus dem Klimawandel ist ein Klimachaos geworden, das sich zu einem geflüsterten Klima-Holocaust entwickelt hat. Zumindest flüstern die Menschen. Und die Tiere? Während der Dürre 2011 in Texas ließen Rehe ihre Kitze im Stich, weil sie keine Milch mehr hatten. Das ist kein flüsternder Kummer. Für Lebewesen wie Labrador-Enten, Javanische Nashörner und Xerces-Bläulinge ist es das lange Schweigen des Aussterbens.

Wir haben eine Menge Zahlen. Sie halten uns bei Verstand und bieten eine Art Galgenstrick gegen den unnachgiebigen Sadismus der Macht: Wir wissen, dass die Welt ums Leben gebracht wird, auch wenn die Masse es leugnet. Die Zahlen sind real. Die Zahlen lügen nicht. Die Arten werden immer weniger, ihr Aussterben beschleunigt sich, und alle ihre Namen sind andere Worte für Verwandte: Bisons, Wölfe, Schwarzfußiltisse.

Vor mir (Lierre) liegt der Text eines Vortrags, den ich gehalten habe. Die Originalfassung enthält diesen Satz: »Weitere 120 Arten sind heute ausgestorben.« Die 120 ist durchgestrichen, und darüber steht 150. Aber auch die 150 ist durchgestrichen, und darüber steht 180. Die 180 wiederum hat der 200 Platz gemacht. Ich betrachte diese Entwicklung mit einer kranken Art von Ehrfurcht. Wie kann meine kleine, saubere Handschrift diesen Horror aushalten? Die Zahlen werden immer mehr, ich habe keinen Platz mehr am Rand, und dem Leben läuft die Zeit davon.

Vor 12.000 Jahren begann der Krieg gegen die Erde. In neun Gegenden2 begannen die Menschen, die Welt zu zerstören, indem sie Landwirtschaft betrieben. Verstehen Sie, was Landwirtschaft ist: Grob gesagt, man nimmt ein Stück Land, räumt alles Lebendige ab – bis hin zu den Bakterien – und bepflanzt es dann für die menschliche Nutzung. Es gibt kein Vertun: Landwirtschaft ist biotische Säuberung.

Das ist keine Landwirtschaft an einem schlechten Tag oder eine schlecht gemachte Landwirtschaft. Das ist, was Landwirtschaft tatsächlich ist: die Ausrottung von Lebensgemeinschaften für eine Monokultur von Menschen. An dem Tag, an dem dies begann, lebten vielleicht fünf Millionen Menschen auf der Erde, und heute sind es inzwischen acht Milliarden.

Das Ende ist in den Anfang geschrieben. Der Geologe David R. Montgomery weist darauf hin, dass Agrargesellschaften »800 bis 2.000 Jahre überdauern … bis der Boden ausgelaugt ist.«3 Fossile Brennstoffe haben sowohl die Ausrottung als auch die Monokultur enorm beschleunigt – die menschliche Bevölkerung hat sich mit dem durch die Grüne Revolution geschaffenen Überfluss vervierfacht –, aber das kann nur vorübergehend sein. Endliche Mengen haben die unangenehme Angewohnheit, zur Neige zu gehen.

Der Name für diese Verringerung ist Drawdown, und die Landwirtschaft ist im wesentlichen ein langsames Ausbluten von Böden, Arten, Biomen und letztlich des Lebens selbst. Die Evolution der Wirbeltiere ist wegen des Mangels an Lebensraum zum Stillstand gekommen. Da der Lebensraum mit Gewalt genommen und behalten wird, verbraucht allein Iowa jedes Jahr das Energieäquivalent von 4.000 Nagasaki-Bomben. Die Landwirtschaft ist die ursprüngliche Politik der verbrannten Erde, weshalb der Permakulturwissenschaftler Toby Hemenway und der Umweltschriftsteller Richard Manning denselben Satz geschrieben haben: »Nachhaltige Landwirtschaft ist ein Oxymoron« (Zusammensetzung zweier sich widersprechender Begriffe). Um Manning ausführlich zu zitieren: »Kein Biologe oder sonst jemand könnte ein System von Vorschriften entwerfen, das die Landwirtschaft nachhaltig macht. Nachhaltige Landwirtschaft ist ein Oxymoron. Sie beruht größtenteils auf einem unnatürlichen System von einjährigen Gräsern, die in einer Monokultur angebaut werden, einem System, das die Natur nicht aufrechterhält oder auch nur als natürliches System anerkennt. Wir unterstützen sie mit Pflügen, Petrochemikalien, Zäunen und Subventionen, weil es keine andere Möglichkeit gibt, sie zu erhalten.«4

Die Landwirtschaft ist es, die das menschliche Muster namens Zivilisation hervorbringt. Zivilisation ist nicht dasselbe wie Kultur – alle Menschen schaffen Kultur. Eine Kultur ist im großen und ganzen die Gesamtheit der Bräuche, Traditionen und Werte, die einer Gruppe von Menschen eigen sind. Zivilisation ist das Wort für eine bestimmte Lebensform: Menschen, die in Städten leben. Die meisten Definitionen von Stadt verweisen auf Sesshaftigkeit, Bevölkerungsdichte und Arbeitsteilung als ihre hervorstechenden Merkmale. Seltener wird die Tatsache erwähnt, dass Menschen, wenn sie in so großer Zahl zusammenleben, Ressourcen importieren müssen: Stadtbewohner brauchen mehr, als das Land ihnen unmittelbar geben kann. Nahrung, Wasser und Energie müssen von woanders herkommen. Von diesem Punkt an spielt es keine Rolle mehr, welche schönen friedliebenden Werte die Menschen in ihren Herzen tragen. Diese Gesellschaftsform ist auf Imperialismus und Völkermord angewiesen, denn niemand wird sein Land, sein Wasser, seine Bäume freiwillig aufgeben. Aber da die Stadt ihr eigenes Land aufgebraucht hat, muss sie es sich woanders holen. Das sind die letzten 10.000 Jahre in ein paar Sätzen. Das Muster ist immer und immer wieder das gleiche. Es gibt ein aufgeblähtes Machtzentrum, das von eroberten Kolonien umgeben ist, aus denen es sich nimmt, was es will, bis es schließlich zusammenbricht.

Der gemeinsame Schrecken von Militarismus und Sklaverei beginnt in der Landwirtschaft. Landwirtschaftliche Gesellschaften werden militarisiert – und das immer – und zwar aus drei Gründen. Erstens schafft die Landwirtschaft einen Überschuss, und wenn dieser gelagert werden kann, kann er auch gestohlen werden. Also muss der Überschuss geschützt werden. Die Menschen, die das tun, werden Soldaten genannt.

Zweitens bedeutet diese Inanspruchnahme, dass die Landwirte mehr Land, mehr Boden und mehr Ressourcen brauchen werden. Sie brauchen eine ganze Klasse von Menschen, deren Aufgabe der Krieg ist, deren Aufgabe die gewaltsame Aneignung von Land und Ressourcen ist – die Landwirtschaft macht das möglich und unvermeidlich.

Drittens: Landwirtschaft ist Schwerstarbeit. Damit jemand Freizeit hat, braucht er Sklaven. Um das Jahr 1800, als das Zeitalter der fossilen Brennstoffe begann, lebten drei Viertel der Menschen auf diesem Planeten in Sklaverei, Zwangsarbeit oder Leibeigenschaft.5 Gewalt ist die einzige Möglichkeit, so viele Menschen zu versklaven und zu halten. Wir haben das weitgehend vergessen, weil wir inzwischen Maschinen einsetzen, die wiederum fossile Brennstoffe verbrauchen, um diese Arbeit für uns zu erledigen.

Die Symbiose von Technik und Kultur wird von dem Historiker, Soziologen und Technikphilosophen Lewis Mumford (1895–1990) als Technik bezeichnet. Ein soziales Milieu schafft spezifische Techniken, die ihrerseits die Kultur prägen. Mumford schreibt: »[Eine] neue Konfiguration von technischer Erfindung, wissenschaftlicher Beobachtung und zentralisierter politischer Kontrolle … brachte die eigentümliche Lebensform hervor, die wir heute ohne Übertreibung als Zivilisation bezeichnen können. Die neue autoritäre Technologie war nicht durch dörfliche Bräuche oder menschliche Gefühle begrenzt: Ihre gewaltigen Leistungen der mechanischen Organisation beruhten auf rücksichtslosem physischem Zwang, Zwangsarbeit und Sklaverei, die Maschinen hervorgebracht haben, die in der Lage waren, Tausende von Pferdestärken aufzubieten, Jahrhunderte bevor Pferde angeschirrt oder Räder erfunden wurden. Diese zentralisierte Technik … schuf komplexe menschliche Maschinen, die aus spezialisierten, standardisierten, austauschbaren und voneinander abhängigen Teilen bestehen – die Arbeitsarmee, die militärische Armee, die Bürokratie. Diese Arbeitsarmeen und militärischen Armeen hoben die Grenze menschlicher Leistungen an: die erste im Massenbau, die zweite in der Massenvernichtung, beide in einem bis dahin unvorstellbaren Ausmaß.«6

Technik ist alles andere als neutral oder passiv in ihren Auswirkungen: Pflugscharen erfordern Armeen von Sklaven, um sie zu bedienen, und Soldaten, um sie zu schützen. Die Technik, die die Zivilisation darstellt, hat von Anfang an Eroberungswaffen erfordert. »Der Ackerbau verbreitete sich durch Völkermord«, schreibt Richard Manning.7 Die Zerstörung des europäischen Cro-Magnon – der Kultur, die uns Lascaux hinterlassen hat – dauerte vielleicht 300 Jahre und wurde von Bauernsoldaten aus dem Nahen Osten ausgeführt. Das einzige, was zwischen den beiden Kulturen ausgetauscht wurde, war Gewalt. »Alle diese Artefakte sind Waffen«, schreibt der Archäologe T. Douglas Price zusammen mit seinen Kollegen, »und es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass sie ohne Gewalt ausgetauscht wurden.«8

Waffen sind Werkzeuge, die Zivilisationen hervorbringen, weil die Zivilisation selbst Krieg ist. Ihre grundlegendste materielle Aktivität ist Krieg gegen die lebende Welt, und wenn Leben zerstört wird, muss sich der Krieg ausbreiten. Die Ausbreitung ist nicht nur geographisch, obwohl dies sowohl unvermeidlich als auch katastrophal ist und biotische Gemeinschaften in ausgeweidete Kolonien und souveräne Menschen in Sklaven verwandelt. Die Zivilisation durchdringt auch die Kultur, denn die Waffen sind nicht nur eine Technik – kein Werkzeug ist das jemals. Technologien enthalten die transmutierende Kraft dieser Technik, die nahtlos eine Folge von sozialen Institutionen und entsprechenden Ideologien schafft. Diese Ideologien werden entweder autoritär oder demokratisch, hierarchisch oder egalitär sein. Techniken sind niemals neutral. Oder, wie der Pionier der Ökopsychologie Chellis Glendinning mit sparsamer Eloquenz schreibt: »Alle Techniken sind politisch.«9

Der Biologe David Ehrenfeld hat geschrieben, dass die Natur nicht nur komplexer ist, als wir denken, sondern auch komplexer, als wir denken können. Hier ein Beispiel: Ein Teelöffel Erde kann eine Milliarde Lebewesen enthalten. Wir können uns eine Zahl mit neun Nullen vorstellen, aber unser Verstand könnte niemals so viele tatsächliche Dinge auf einmal erfassen. Die Anzahl der Dinge, die wir gleichzeitig in unserem Gehirn aufnehmen können – an dem wir zwei Millionen Jahre gearbeitet haben – liegt bei bescheidenen vier.

Die neun sich aufreihenden Nullen in dieser einen Milliarde signalisieren eine unglaubliche Komplexität. Aber diese Komplexität wird noch größer. Denn jedes dieser Milliarden Lebewesen steht in Wechselwirkung mit den anderen. Die Zahl der Beziehungen zwischen einer Milliarde Organismen ist fünfmal 1017. Wir würden uns darin verlieren, so viele Nullen auszuschreiben – ganz zu schweigen von den vielen Lebewesen, die vor uns ausgebreitet sind –, deshalb verdichten wir die Zahl auf den Exponenten 17. Oder, um es einfach auszudrücken: 500 Quadrillionen. Wir können nichts anderes tun, auch nicht mit den 160.000 Kilometer Blutgefäßen unseres Gehirns und den 100 Milliarden Neuronen: Eine Billiarde ist so viel größer als vier.

Jedes dieser unsichtbaren Lebewesen hat seine eigene Majestät. Bakterien sind winzig – vielleicht ein Zehntel so groß wie eine typische Zelle mit Kern –, aber als Biomasse übertreffen sie alle Pflanzen und Tiere der Erde zusammen. Die Sanftmütigen haben die Erde bereits geerbt. Ein einziges Bakterium kann sich an einem Tag in 16 Millionen weitere verwandeln. Einige Bakterien leben allein, andere schließen sich zu Ketten, Fäden und Spiralen von unheimlicher Anmut zusammen. Sie schließen sich auch zu dichten Matten, den sogenannten Biofilmen, zusammen und bilden so eine gepanzerte Festung, was es erheblich schwerer macht, sie abzutöten. Der gegen Methicillin resistente Staphylococcus aureus (MRSA) beispielsweise bildet Biofilme. Das gilt auch für die Bakterien in unserem Mund – einschließlich des harten Zahnbelags, den wir nur mit Spezialwerkzeugen und viel Kraftaufwand von unseren Zähnen abkratzen können: überhaupt nicht sehr sanftmütig.

Einige wenige Bakterien können sich in Endosporen verwandeln, die sich auf bloße DNA und eine Hülle mit phantastischen Fähigkeiten reduzieren – sie überleben extreme Hitze, Kälte, Druck, chemische Stoffe, Strahlung, Austrocknung und Zeit. Es gibt lebensfähige Endosporen, die 40 Millionen Jahre alt sind.

Und das sind nur die Bakterien in diesem Teelöffel Erde. Es gibt dort auch andere Lebewesen. Es gibt Pilze mit kilometerlangen Fäden und mehrere Tausend Protozoen, die Bakterien und organische Stoffe jagen und sammeln. Durch den Verzehr von Bakterien produzieren die Einzeller Stickstoff und machen die Welt grün: 80 Prozent des Stickstoffs in Pflanzen stammen von bakterienfressenden Protozoen. Keiner von uns ist hier allein.

Ein einziger Teelöffel Boden beherbergt außerdem etwa 1.000 winzige Gliederfüßer. Dazu gehören Krebstiere, die so klein sind, dass ihr gepanzertes Exoskelett so dünn ist, dass es fast durchsichtig ist. Und der Boden enthält auch zahlreiche Nematoden – Rundwürmer –, die sich von Pilzen, Algen, kleinen Tieren, toten Lebewesen und lebendem Gewebe ernähren.

Diese Wesen machen Leben möglich. »Es sind die Bodenbakterien«, schreibt der Bodenwissenschaftler James Nardi, »denen der größte Teil des Verdienstes für die ständige Erneuerung unserer Erde zukommt.«10

Und wie haben wir es diesen außergewöhnlichen, winzigen Lebewesen, die das Leben auf der Erde sichern, gedankt? Indem wir den Planeten lebendig häuten. Der Mutterboden in der nordamerikanischen Prärie war mehr als drei Meter tief, als die Farmer-Soldaten in den frühen 1800er Jahren kamen. Nach weniger als einem Jahrhundert konnte er nur noch in Zentimetern gemessen werden. Und das »große Pflügen« fand vor der Erfindung des Verbrennungsmotors statt, nur mit der Kraft von Ochsen und Pferden. Fossile Brennstoffe sind ein Beschleuniger, aber der Impuls, sich den Planeten zu unterwerfen und ihn bis auf den Tod zu beherrschen, war bereits vorhanden.

Der mechanistische Verstand ist auf einer Erkenntnistheorie der Herrschaft aufgebaut. Er will Hierarchie. Er muss das Belebte vom Unbelebten trennen und sie dann nach ihrem moralischen Stellenwert ordnen. In seinem Buch Geschichte der Tiere ordnete Aristoteles das Leben mit den Mineralien am Ende, die bloß als gefühlloses Substrat dienen. Danach folgen die Pflanzen, dann die verschiedenen Tiere, und an der Spitze steht der Mensch. Dieses System, das er la scala naturae nannte, was so viel wie »die große Kette des Seins« bedeutet, hat sich 2000 Jahre lang gehalten.

Dieses Denken und seine Skala sind falsch. Von Augenblick zu Augenblick wird die Welt nur durch die Bakterien am Leben erhalten, die die grundlegende Arbeit des Lebens verrichten, die niemand sonst tun kann, und durch die Aufrechterhaltung von Beziehungen, die komplexer sind als alles, was wir je verstehen könnten. Wir alle sind nur wegen der anderen Wesen hier. Der Biologe Robert Rosen argumentiert, dass das mechanistische Paradigma der westlichen Wissenschaft lebendige Gemeinschaften nicht erklären kann, die immer aus der Beziehung »zwischen dem Teil und dem Ganzen« entstehen. Das Wort, das er verwendet, um lebendige Gemeinschaften zu definieren, ist Unteilbarkeit.

Das mechanistische Denken ist auch über geologische Zeiträume hinweg falsch. Wissenschaftler und Laien haben gleichermaßen versucht, eine Grenze zwischen belebter und unbelebter Materie zu ziehen. Chemiker zum Beispiel unterteilen ihren Bereich in organische und anorganische Materie. Organische Materie ist diejenige, die durch die »lebendige Chemie« von Lebewesen erzeugt wird. Anorganisch sind »Formen der Materie, die unabhängig vom Wirken der Lebewesen existieren«.11 So gelten beispielsweise Gesteine, Metalle, Mineralien und Wasser als anorganisch. Aber in ein paar Milliarden Jahren werden aus Gestein Lebewesen, die schließlich wieder zu Gestein gepresst werden. Und mit ein paar Plattenverschiebungen wird das Sediment des Meeresbodens, das aus den Körpern von Meereslebewesen besteht, zu trockenem Land. Dieses Land – bestehend aus diesen zusammengepressten toten Körpern – wird wieder von Lebewesen eingenommen. Der russische Wissenschaftler V. I. Wernadskij nannte das Leben auf der Erde daher »ein Gesteinsdispersum«. Die Evolutionsbiologin und Zukunftsforscherin Elizabet Sahtouris schreibt: »Diese Sichtweise der lebenden Materie als kontinuierliche Verbindung mit und als chemische Umwandlung von nicht lebender planetarischer Materie unterscheidet sich sehr von der Sichtweise, dass sich das Leben auf der Oberfläche eines nicht lebenden Planeten entwickelt und an ihn anpasst.«12 In Sahtouris’ Worten ist dies der Unterschied zwischen »einem lebenden Planeten« und einem »Planeten mit Leben darauf«.13

Das ist nicht nur clevere Semantik. Einem Standpunkt zufolge ist der Planet für Menschen und vielleicht ein paar andere Lebewesen da. Nach einer anderen Auffassung ist alles auf der Erde Teil eines Prozesses, der Leben genannt wird. Wie Sahtouris schreibt: »Planetarisches Leben ist nicht etwas, das hier und da auf einem Planeten geschieht – es geschieht auf dem Planeten als Ganzes.«14 Leben ist keine Art von Materie, sondern ein Prozess.

Teilchen ziehen sich an, um Atome zu bilden; Atome bilden Materie; Materie verdichtet sich zu Sternen und Felsen und Regen, die sich in elegante Spiralen von Proteinen verwandeln, die sich durch Ozeane und dann über Land in 100 Meter hohe Mammutbäume replizieren; in das erstaunliche satte Grün von Laubfröschen und die nächtliche Stille von Eulenflügeln. Jede neue Ebene der Komplexität hängt von der vorherigen ab; jede neue Anordnung von Atomen kann ohne die anderen nicht existieren. Die verstorbene Pueblo-Schriftstellerin Paula Gunn Allen erklärte: »Das Besondere an den Stammessystemen, an den uralten Geschichten ist, dass sie die Vielschichtigkeit auf jeder einzelnen Ebene erkennen. Es geht immer um Interaktion. Es gibt keine andere Möglichkeit, darüber zu sprechen. … Alles Leben ist plural, und es gibt viele, viele Kreise … innerhalb dieser kreisenden kreisförmigen Kreise, hat alles eine interaktive Fähigkeit mit allem anderen.«15

Seit 2,5 Millionen Jahren leben Menschen in irgendeiner Form auf diesem Planeten, und wir waren keine Monster und Zerstörer. In dieser Zeit wurden unsere Gehirne größer, unsere Werkzeuge wurden besser und ließen unsere Gehirne noch größer werden. Wir haben keinen Krieg geführt: Wir haben Kunst gemacht. Vor allem haben wir die Megafauna und die Megafrauen16 dargestellt, weil sie uns das Leben geschenkt haben. In dem Moment, in dem unsere Gehirne groß genug waren, um das zu erkennen, sagten wir danke. Das war der Beginn der Religion. Die Heiligkeit von Ehrfurcht und Dankbarkeit wurde uns in Körper und Gehirn eingepflanzt. Wir waren demütige Teilhaber eines lebendigen Kosmos. Und es war gut.

Wir sind alle keine starren Objekte. Wir nehmen, wir geben, wir brauchen und wir sind nur möglich wegen der anderen, die mit uns hier sind. Plankton produziert Sauerstoff, Bakterien setzen Regen frei, Pflanzen verwandeln Sonne in Zucker und Kohlenstoff in Erde. Wisente gibt es nicht ohne Gräser, und Gräser gibt es nicht ohne Wisente. Mit der Zeit wird jedes Wesen zu einem anderen. Wie der verstorbene Biophysiker Harold J. Morowitz sagte: »Das Leben ist eine Eigenschaft eines ökologischen Systems und nicht eines einzelnen Organismus und einer einzelnen Art.«17

Das Wissen über die kleinsten Bestandteile des Universums – von Mikroben über Atome bis hin zu Quarks – ist breit und tief geworden. Doch die Wahrheit über die Welt – dass sie lebendig ist, und zwar alles – wird von unserer Kultur im allgemeinen immer noch negiert. Dies ist weniger ein Standpunkt als vielmehr eine Feststellung: Die Feststellung, dass Materie leblos sei, hat zu einem verwüsteten Planeten geführt. Die Geschichten, die wir erzählen, sind die Geschichten, die wir leben. Und alle Lebewesen auf der Erde sehnen sich jetzt sicher nach anderen Geschichten.

Keine Technologie ist neutral. Dieser Satz enthält unsere einzige Hoffnung. Von den Fischen heißt es, sie können das Wasser nicht sehen; so befinden auch wir uns in dem einzigen gesellschaftlichen Umfeld, das wir je kennengelernt haben. Um dieses Umfeld aufrechtzuerhalten, bewegen wir uns irgendwo zwischen Katechismus und Klischee: Technologie ist neutral, das Problem ist, wer sie kontrolliert oder wie wir sie nutzen. Linke und Rechte, Atheisten und Religiöse, Kapitalisten und Sozialisten, sogar die meisten Umweltschützer werden mit Sicherheit diese eine Plattitüde verkünden: dass Technologie neutral sei. Doch das ist nachweislich unwahr. Und da Beobachtung die Grundlage der wissenschaftlichen Methode ist, wollen wir uns ansehen, wie und warum sie unwahr ist.

Alle Werkzeuge benötigen Materialien und Energie – sie werden aus etwas gebaut. Ein Kernkraftwerk beispielsweise besteht fast vollständig aus Beton und Stahl, die laut einem Bericht der University of California in Berkeley »über 95 Prozent« des »materiellen Energieinputs« des Kraftwerks ausmachen.18 Beton wird aus Zuschlagstoffen – Sand, Kies, Schotter – und Zement hergestellt. Zement wiederum wird aus Kalkstein, Ton oder Schiefer und Gips hergestellt. Stahl wird aus Eisenerz, Legierungsmitteln und Kokskohle hergestellt.

Alle diese Stoffe werden abgebaut. Es spielt kaum eine Rolle, welches Material wir untersuchen – die Verwüstungen sind dieselben. Das Leben wird bis auf den nackten Felsen ausgelöscht, riesige Schachtanlagen werden hineingeschlagen oder gesprengt, die Gruben verschlingen weite Landstriche, die sich erst wieder erholen, wenn die nächste Eiszeit vorbei ist. Um diese Verwüstung herum gibt es noch weit mehr: die Sickergruben, die giftigen Abraumhalden, den sauren Regen, die verätzten Fische, die feinen Partikel, die bei jedem Atemzug das Lungengewebe zersetzen. In den acht Jahrhunderten seiner Herrschaft förderte das Römische Reich in Grönland 800 Tonnen Kupfer und 400 Tonnen Blei aus seinen Minen.

Versuchen Sie sich das Ausmaß vorzustellen: Staub aus 6.500 Kilometern Entfernung, eingefangen in den Kristallen von Schneeflocken, die sich Stück für Stück zu 800 Tonnen anhäufen.19 Die Zahl der Opfer der industriellen Verschmutzung Roms dürfte in Europa und im Nahen Osten in die Millionen gehen. Die gesundheitlichen Folgen sind damals wie heute erschreckend: Krämpfe, Erbrechen, Durchfall, Blutarmut, verkümmertes fötales Wachstum, geistige Retardierung und Krebs.

Das saisonale Flusstal Wadi Faynan im heutigen Jordanien ist der Standort einer alten römischen Kupfermine. 2.000 Jahre waren nicht genug Zeit, um die Schäden der Mine zu heilen. Bis heute ist »das Wachstum der Pflanzen verkümmert und ihr Fortpflanzungssystem schwer geschädigt«.20 Die Schafe dort haben immer noch eine beunruhigende Konzentration von Kupfer in ihrem Kot, Urin und ihrer Milch. Ziegen aus der Gegend sind sehr gefragt, weil sie keine Parasiten haben, »aber das liegt mit ziemlicher Sicherheit daran, dass ihre Eingeweide giftig sind«. Ein tödliches Monument aus Schlacke ragt immer noch 30 Meter hoch auf.

Diese Dinge passieren an einem halbmythischen »anderen Ort«, es sei denn, Sie leben dort. In diesem Fall sind es Ihr Wasser und Ihre Luft, Ihre Lungen und Ihre Haut, Ihr Krebs und das Asthma Ihrer Kinder. Deshalb werden Minen von den Menschen, die ihnen ausgesetzt sind, immer vehement bekämpft.21

Aber Bergbau ist gefährlich, ob reguliert oder unreguliert, ob im Kapitalismus oder in einem anderen System. Genau das ist Bergbau: die Gewinnung von Mineralien aus dem Erdinneren in Konzentrationen, die das Leben, sowohl das gegenwärtige als auch das zukünftige, unmöglich aushalten kann.

Gewinnungsprozesse sind energieintensiv. Bergbau ist im Grunde genommen die Zerstörung von Gesteinen. Sie müssen durchbohrt, gesprengt, geschleppt, zerkleinert und transportiert werden. Um es gleich zu sagen: Gestein ist hart und schwer. Die industrielle Zivilisation hat groteske Ausmaße angenommen, und die dafür benötigten abgebauten Stoffe können nur durch fossile Brennstoffe bereitgestellt werden. Aber der Bergbau hat schon immer Maschinen erfordert, wie Mumford so präzise beschrieben hat. Er schreibt: »Rücksichtsloser physischer Zwang, Zwangsarbeit und Sklaverei … schufen komplexe menschliche Maschinen … [die] die Obergrenze menschlicher Fähigkeiten anhoben: die erste im Massenbau, die zweite in der Massenzerstörung, beide in einem bis dahin unvorstellbaren Ausmaß.« Und 2.000 Jahre später leiden die Zeugungsorgane der Lebewesen in Wadi Faynan noch immer unter den Schäden.

Die römischen Minen dienten sowohl als Strafkolonien als auch für die Todesstrafe. Eine Verurteilung zur damnatio in metalla machte einen Bürger zum Strafsklaven in einem Bergwerk, »bis er starb, was gewöhnlich nicht lange dauerte«.22

Die Arbeitsarmee braucht also die militärische Armee: Sklaven müssen erbeutet und dann kontrolliert werden. Die Silberminen des antiken Griechenlands finanzierten seine gewaltige kaiserliche Flotte – und Verwüstung, Zerstörung und Sklaverei brachten noch mehr davon hervor. Das ist das totalisierende Ausmaß der autoritären Technik, die sowohl hierarchische soziale Beziehungen schafft als auch erfordert, indem sie Menschen in Maschinen verwandelt, die immer mehr Leben in immer mehr Maschinen verwandeln.

Das ist die ganze Technik eines Atomkraftwerks: Seine physischen Komponenten erfordern Minen und die damit verbundenen Übergriffe auf das Leben, aber es erfordert ebenso eine spezifische soziale Ordnung, die patriarchalisch, hierarchisch, militaristisch, spezialisiert und mechanistisch ist. Und all das erfordert eine interne theologische Begründung, nach der das Leben eine Reihe von unzusammenhängenden Objekten ist – Dinge, die wir »Pflanzen« oder »Tiere« oder »Flüsse« nennen könnten – nicht komplexe Wesen, mit denen wir in Beziehung stehen. Mechanische Objekte sind keine eigenwilligen Geschöpfe; sie verlangen von uns keinen Respekt, ja, sie verdienen kaum Beachtung. Sie existieren, um benutzt zu werden.

René Descartes prahlte: »Ich habe diese Erde, ja die ganze sichtbare Welt, als eine Maschine beschrieben.«23 Unsere Wissenschaft ist eine Reihe von Entdeckungen, die es uns ermöglichen sollen, sie besser zu nutzen – und wir haben sie genutzt. Es gibt keine Bremse im System; warum sollte es eine geben? In der Tat ist die Vergewaltigung in die mechanistische Wissenschaft eingebaut. Sir Francis Bacon, dem die Erfindung der wissenschaftlichen Methode zugeschrieben wird, war auch ein Gerichtsinquisitor bei Hexenprozessen. Sein praktisches Ziel war unverblümt die »Herrschaft über die Schöpfung«, die durch »die Inquisition« mechanischer Experimente erreicht werden konnte.24 Der verstorbene Sozialpsychologe Erich Fromm beschreibt Sadismus als »die Leidenschaft, absolute und uneingeschränkte Kontrolle über ein Lebewesen zu haben«.25 Gibt es eine treffendere Beschreibung der industriellen Zivilisation? Ihre Technologie hat Flüsse geleert, Berge zertrümmert, das Klima geschädigt und die Grenzen des Atoms selbst durchbrochen. Und der Endpunkt des Sadismus ist die Nekrophilie, sagt Fromm, »die Leidenschaft, das Lebendige in etwas Unlebendiges zu verwandeln; zu zerstören um der Zerstörung willen; das ausschließliche Interesse an allem, was rein mechanisch ist«.26

Es ist längst höchste Zeit, unsere kulturelle Verleugnung dieser Tatsache zu durchbrechen und uns einzugestehen: Keine Technologie ist neutral. »Eine Industriegesellschaft«, schreibt der Sozialkritiker Kirkpatrick Sale, »hat ihre eigene unvermeidliche Logik, einfach weil ihre Bedürfnisse und Werte durch ihre Technologie bestimmt werden…. [Die] Artefakte sind nicht etwas, das hinzugefügt wird, wie ein Anstrich oder ein Waggon; sie sind grundlegend, zentral, die Offenbarung ihres Herzens und ihres Geistes.«27 Industrielle Technik erzeugt Geschwindigkeit, Effizienz, Bequemlichkeit, Einheitlichkeit, Austauschbarkeit und Zentralisierung. Das Wort dafür ist »Maschine«. Nachdem der industrielle Mensch den Kosmos für leblos erklärt hat, verwandelt er nun die Biosphäre in die Technosphäre, eine tote Welt aus unseren eigenen Artefakten, die das Leben als Ganzes nicht überleben kann.

»Die Maximierung von Energie, Geschwindigkeit oder Automatisierung«, schreibt Mumford, »ohne Bezug auf die komplexen Bedingungen, die das organische Leben erhalten, sind zum Selbstzweck geworden.«28 Mumford nennt diesen Antrieb und seine sozialen Prozesse die »Megamaschine«. Sale nennt sie »das industrielle Regime«. Seine Existenz als System wird kaum erkannt, obwohl es sowohl die menschlichen Angelegenheiten als auch den Planeten nahezu vollständig beherrscht. »Das industrielle Regime kümmert sich kaum darum, welche Kader den Staat leiten, solange diese wissen, was von ihnen erwartet wird«, sagt Sale. »Das Regime ist in dieser Hinsicht bemerkenswert wandelbar, denn es kann sich fast jedem nationalen System anpassen – dem marxistischen Russland, dem kapitalistischen Japan, China unter einem bösartigen, Singapur unter einem wohlwollenden Diktator, dem chaotischen und zerrissenen Indien, dem ordentlichen und einheitlichen Norwegen, dem jüdischen Israel, dem muslimischen Ägypten – und verlangt im Gegenzug nur, dass seine Prioritäten gelten, seine Märkte herrschen, seine Werte sich durchsetzen und seine Interessen geschützt werden.«29

Einst haben wir das Land verteidigt. Jeder Einzelne von uns stammt aus einer Linie von Menschen, die gekämpft haben, denn die Zivilisation wird überall bekämpft. Die Landwirtschaft nimmt sich die Wälder, das Grasland, die Feuchtgebiete, alles, was sie kann. Die Bäume werden für den Bau von Städten und riesiger Flotten benötigt, um noch mehr zu erobern. Die erste schriftliche Geschichte dieser Kultur und der zweitälteste religiöse Text ist das Gilgamesch-Epos, in dem die Zerstörung der Zedernwälder des Nahen Ostens und die Ermordung ihres geistigen Hüters mythologisiert werden. »Wir haben den Wald in eine Wüste verwandelt«, sagt der Titelheld. »Wie sollen wir unseren Göttern gegenübertreten?«