Schöpferin der Mondmagie - Sonnengekrönt - B.E. Pfeiffer - E-Book

Schöpferin der Mondmagie - Sonnengekrönt E-Book

B. E. Pfeiffer

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Beschreibung

Magisches Finale der Mondhexen - Reihe! Das Schicksal gönnt uns keine Verschnaufpause. Kegan und ich dürfen zwar zusammen sein, aber die Zukunft der Magie ist ungewiss. Das Gleichgewicht zwischen Sonnenkräften und Mondmächten ist aus den Fugen geraten und ein unbekannter Gegner trachtet danach, mich in seine Gewalt zu bringen. Wenn ich mich seinem Willen nicht beuge, wird er Kegan umbringen. Der letzte Kampf steht bevor. Und es geht nicht nur um die Krone der vier Himmelsrichtungen, sondern um unser aller Leben. Letzter Band der magischen Romantasy Geschichte um zwei verfeindete Völker und einer großen Liebe.

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Schöpferin der Mondmagie

SONNGEKRÖNT

SCHÖPFERIN DER MONDMAGIE

BUCH DREI

B.E. PFEIFFER

Copyright © 2022 by B.E. Pfeiffer

c/o WirFinden.Es

Naß und Hellie GbR

Kirchgasse 19

65817 Eppstein

www.bepfeiffer.com

[email protected]

Umschlaggestaltung: Makita Hirt

Lektorat: Fam Marie Schaper

Korrektorat: Julie Roth

Satz: Bettina Pfeiffer

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Für alle, die ihre Bestimmung gefunden haben: zeigt der Welt eure Magie.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Epilog

Es gibt noch mehr Geheimnisse zu lüften!

Danksagung

Über den Autor

Bücher von B.E. Pfeiffer

KapitelEins

Ein Schrei zerreißt die nächtliche Stille. Nein, nicht ein Schrei. Mein Schrei. Ich weiß, dass ich träume. Weiß, dass die leeren Augen von Cinaéd mich nicht wirklich anstarren. Dass die goldenen Fäden, an denen mein Körper hängt, nicht echt sind und die Graue Eminenz, die laut lacht und an ihnen zieht, mich nicht wie eine Puppe bewegen kann.

Aber alles fühlt sich so echt an und mein Herz rast. Ich habe Cinaéd getötet, um Kegan zu retten. Die Graue Eminenz hat Nemain, unser Orakel, mit einem Fluch belegt und jetzt ist meine Mutter das Orakel, damit das Gleichgewicht gewahrt wird. Und ich fühle eine eisige Kälte. Jedes Mal, wenn ich von diesem in grauen Umhängen vermummten Mann träume, der mich wie eine Marionette tanzen lässt, sobald er seine Finger krümmt.

Der Traumfänger in meiner Pyjamatasche pulsiert genauso heftig wie mein Herz. Er will mir zeigen, dass er da ist, dass wir nicht wehrlos sind. Aber das Einzige, das mich wirklich beruhigen kann, ist die zärtliche Berührung an meiner Schulter.

»Lyra«, murmelt Kegan verschlafen.

Er streicht behutsam über meinen Rücken und wartet geduldig, bis ich mich an ihn lehne, bevor er mich in seine Arme zieht und seine Wärme mich einhüllen kann. Am Anfang hat er versucht, mich mit Worten zu beruhigen. Aber er kann nichts sagen, was das quälende Stechen in meiner Brust mildern würde. Also hält er mich. Seine Lippen streifen meine Stirn und das Brennen in meiner Kehle wird erträglicher.

Ich schließe meine Augen. Atme ein. Und aus. Langsam klingt der Albtraum ab, verschwindet in einem Nebel. Doch ich weiß, dass er immer noch da ist und jederzeit zurückkehren kann.

»Es tut mir leid, dass ich dich schon wieder geweckt habe«, krächze ich.

Kegan seufzt. »Es muss dir nicht leidtun. Ich wünschte, ich hätte dir das ersparen können.«

Ich streiche mit meinen Fingern über die nackte Haut seiner Brust. »Ich würde es jederzeit wieder tun, um dich zu retten«, flüstere ich.

Er küsst meinen Scheitel. »Ich kann den Göttern nicht genug dafür danken, dass sie mir erlaubt haben, dich zu finden.«

Wärme breitet sich in meiner Brust aus. Kegan und ich haben uns kennengelernt, ohne zu wissen, dass wir eigentlich Feinde sind. Und nun sind wir ein Paar. Er ist mein Sinu und ich seine Sina. Wir sind vermählt durch einen uralten Ritus der Qamar, zu denen ich gehöre. Unsere Schicksale und unsere Kräfte sind verbunden. Bei dem Gedanken lächle ich. Kegan ist mein Schicksal und das macht mich glücklich.

Da er der Chief des Northhumbria-Clans ist, verbringen wir viel Zeit bei den Solariern. Seinem Volk, das jetzt auch meines ist. Aber der Kampf um die Krone der vier Himmelsrichtungen steht bald bevor. Und deswegen bringe ich uns mit meiner Magie jeden Tag zu den Qamar, damit Kegan und ich unsere gemeinsamen Kräfte stärken und üben, zusammen zu kämpfen. Denn das müssen wir. Nur so können wir die Krone über die vier Clans der Solarier erringen und aufhalten, was sich über uns zusammenbraut.

Ich hebe meinen Kopf und sehe in seine türkisfarbenen Augen. Die goldenen Streifen an seinen Wangen lassen sie noch heller strahlen. Zärtlich streiche ich mit meinen Fingerspitzen über die unzähligen Narben an seiner Brust und zeichne sie nach.

»Dankst du den Göttern auch, dass ich dir den Schlaf raube?«, frage ich und hoffe, es klingt neckisch.

Kegan richtet sich mit mir in den Armen auf und setzt mich seitlich auf seinen Schoß. So muss er ein wenig zu mir aufsehen, aber das scheint ihn nicht zu stören. Die Norhthumbria sind eher altmodisch. Frauen werden zwar geschätzt, doch ich bezweifle, dass je eine Frau den Clan anführen wird. Aber Kegan … er sieht mich als ebenbürtig an. Das hat er schon immer und jetzt, da ich weiß, wo er herkommt, liebe ich ihn dafür umso mehr.

»Ich bete jeden Morgen zu den Sonnengöttern und danke ihnen, weil ich keine Nacht mehr ohne dich verbringen muss«, antwortet er.

Kegan unterbricht den Blickkontakt zu mir nicht, während er den Träger meines Oberteils ein wenig zur Seite schiebt. Er sieht mir immer noch in die Augen, als er meine nackte Schulter küsst. Ich schaudere.

»Ich liebe dich, Lyra«, flüstert er fast ehrfurchtsvoll. »Und ich wünschte, ich könnte deine Albträume vertreiben.«

Er küsst sich einen Weg über mein Schlüsselbein bis zu dem kleinen Tal unter meinem Hals. Ich hebe mein Kinn an und schließe die Augen. Meine Finger gleiten durch seine blonden Haare und ich ziehe seinen Kopf ein wenig näher an meinen Oberkörper heran.

»Achtung, Drache im Raum!«, erklingt eine knarzende Stimme.

Kegan gibt einen frustrierten Laut von sich und lehnt sich zurück. »Dein Haustier hat immer mieses Timing.«

»Bin kein Haustier«, faucht Frodo und landet schwungvoll direkt neben uns auf dem Bett.

Er ist ein bisschen größer als eine Katze. Eine schuppige grüne Katze mit Hörnern auf dem Kopf statt Ohren. Und Flügeln. Frodo ist eigentlich Reuels Drache, der ihn erträumt und damit zum Leben erweckt hat. Aber seitdem ich bei den Qamar bin, weicht der grüne Drache mir nicht mehr von der Seite. Was manchmal gut ist und manchmal, so wie jetzt …

»Habe Botschaft von Sarnai«, verkündet Frodo.

Drachen werden von den Orakeln oft als Helfer eingespannt. Es scheint, als könnten sie über weite Entfernungen mit ihnen kommunizieren. Mum weiß, dass Frodo immer in meiner Nähe ist. Statt als Stimme in meinem Kopf aufzutauchen, redet sie mit dem Drachen und er kommt dann zu mir.

»Es ist mitten in der Nacht«, wirft Kegan brummig ein.

»Nicht in Numar«, erwidert Frodo.

Das mit den Tageszeiten in dieser Welt ist ein wenig verwirrend. Besonders weil Kegan und ich oft zwischen Nathaira, dem Reich der Solarier, und Numar, der Heimat der Qamar, hin und her reisen. Tag und Nacht verlaufen in den beiden Gebieten nicht gleich, obwohl die Reiche aneinandergrenzen. Und sie sind vor allem nicht immer gleich lang, was es noch schwerer macht, die Zeiten und Abläufe aufeinander abzustimmen.

»Sarnai muss euch sprechen. Jetzt«, sagt Frodo und wedelt mit seinen kurzen Armen. »Aufstehen. Nicht mehr kuscheln.«

»Du hast uns nicht beim Kuscheln gestört.« Kegan wirft mit einem Kissen nach ihm. Frodo faucht.

»Kann nichts dafür«, rechtfertigt der Drache sich. »Müssen los. Anziehen!«

»Ich bin der Chief der Northhumbria«, brummt Kegan und reibt sich über die Schläfen. »Wieso muss ich die Befehle eines Drachen annehmen?«

Ich hauche einen Kuss auf seine Nasenspitze. »Hilft es dir, wenn der Befehl eigentlich vom Orakel der Qamar kommt?«

»Nein«, murmelt er. Seine Arme schließen sich um mich und er vergräbt sein Gesicht an meiner Brust. »Wenn das alles überstanden ist, haben Drachen, Orakel und Lehrmeister für mindestens drei Wochen Zutrittsverbot in unser Schlafgemach.«

»Drei Wochen, hm?« Ich schmunzle.

»Mindestens«, sagt Kegan und sieht auf. »Aber eher länger.«

Ich stehle mir einen Kuss von seinen Lippen, dann stehe ich auf und erschaffe mit Magie ein kleines Licht. Wir sind jetzt seit bald einem Monat verheiratet, trotzdem fesselt mich der Anblick von Kegans nacktem Oberkörper jedes Mal aufs Neue. Er ist durchtrainiert mit breiten Schultern und definierten Muskeln. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Früher habe ich ihn in Gedanken scherzhaft ›Captain America‹ genannt. Aber Cap wäre höchstens der Wasserträger für Kegan.

»Hör auf zu glotzen«, faucht Frodo und landet auf meiner Schulter. »Sabberst schon.«

»Gar nicht«, zische ich leise und hoffe, Kegan hat den Drachen nicht gehört.

Kegan grinst. Er hat es gehört. Toll.

»Anziehen«, fordert Frodo und flattert auf das Bett zurück.

Er verschränkt seine Arme und sieht mich auffordernd an. Seine goldenen Augen leuchten wie die einer Katze im Dunkeln.

Ich schnaube, dann gehe ich zum Schrank und ziehe die Kleidung meines Qamar-Ranges heraus. Ich bin eine Fella, also ein Lehrling, und trage schöpferische Kräfte in mir. Das weiß ich, da der Rahmen meines Traumfängers, mit dem ich Magie wirke, dunkelblau ist. Sein Netz war silbern, mittlerweile ist es zur Hälfte golden, weil ich auch Kegans Kräfte in mir aufgenommen habe, also die Mächte des Mondes und der Sonne vereine. Das ist wohl schon seit Generationen nicht mehr vorgekommen, weil die Qamar und die Solarier sich seit einer Ewigkeit bekriegen. Dass ich diese Fähigkeiten jetzt besitze, schenkt den Qamar Hoffnung und macht ihnen gleichzeitig Angst. Denn es bedeutet, dass sie sich mit den Solariern verbünden müssen.

Einfach ist das alles nicht und ich kann meine neuen Kräfte auch nicht richtig einsetzen. Ich habe noch unendlich viel zu lernen. Und deswegen scheint Sarnai Kegan und mir keine Atempause zu gönnen.

Ich schlüpfe in die enge Hose mit den unzähligen Taschen. Beim Anlegen des Oberteils, einer langen Tunika, die gewickelt wird, brauche ich Kegans Hilfe. Ich kann das Teil nicht richtig binden und außerdem mag ich es, dass seine Hände über meinen Körper streichen, wenn er mir hilft, mich anzuziehen.

Seine Lippen berühren wie zufällig mein Ohr und ich seufze. Der Traumfänger, den ich halte, pulsiert wieder. Er reagiert auf meine Gefühle, besonders wenn sie Kegan betreffen. Kegan ist längst fertig mit dem Binden und streicht langsam über meine Taille bis zu meinen Hüften. Ich lehne mich an ihn, genieße die Wärme, die trotz seiner Rüstung an meine Haut dringt.

Frodo räuspert sich lautstark. Er fliegt auf Augenhöhe und hält mir einen Waffengürtel hin.

»Nicht wieder vergessen«, brummt er.

»Ich habe ihn nicht vergessen«, erwidere ich und nehme ihm den Gürtel ab.

Daran hängt kein Schwert, sondern ein Lederköcher, aus dem ich mit einem Finger Wurfsterne ziehen kann. Das ist meine Waffe. Prydwen, eine Qamar, die eine besondere Gabe für das Schmieden von Waffen besitzt, hat sie für mich gefertigt. Sie bestehen aus Monderz, allerdings ist auch Sonnenmagie in sie gewoben. Damit vereinen auch sie meine Kräfte und die von Kegan. Leider bin ich nicht besonders gut darin, sie einzusetzen. Jeder dritte Wurf trifft, die anderen … landen irgendwo, nur nicht dort, wo ich hingezielt habe.

»Jaja. Hast Ausrede. Bist verliebt«, meint Frodo und stößt eine kleine Flamme aus. »Mach jetzt Portal auf. Sarnai wartet.«

Ich seufze und wende mich Kegan zu. »Ich bin die Lady der Northhumbria und nehme Befehle von einem Drachen entgegen. Auch nicht besser, oder?«

Er schmunzelt und legt seine Hände an meine Taille. »Wir teilen unser Los.«

Sein Lächeln lässt meine Knie weich werden. Ich könnte Kegan den ganzen Tag ansehen und die Grübchen bewundern, die entstehen, wenn er lächelt. Aber Frodo räuspert sich schon wieder. Also hebe ich den Traumfänger an.

Ich stelle mir den Tempel der Orakel vor und streiche mit den Fingerspitzen über das Netz. Die Luft um uns vibriert vor Magie und kühler Wind weht meine offenen dunkelbraunen Haare durcheinander. Direkt vor uns entsteht ein Wirbelsturm aus silbernem und goldenem Licht. Für einen Wimpernschlag erscheint ein Baum mit verschlungenen Wurzeln, der das Symbol meiner Magie ist. Er löst sich auf. Der Vortex breitet sich aus und gibt den Blick an einen anderen Ort frei. Weißer Marmor bedeckt den Boden und unzählige magische Lichter schweben in der Luft.

Sarnai kann ich nicht entdecken, aber wenn sie uns ruft, muss sie irgendwo im Tempel sein. Ich greife nach Kegans Hand. Frodo fliegt durch das Portal hindurch. Ich lasse Kegan vorausgehen, weil der Durchgang sich hinter mir schließt. Kaum trete ich durch das Portal, verschwindet es und nur ein leises Knistern bleibt in der Luft zurück.

»Mum?«, rufe ich laut und suche die Halle ab, in der wir stehen.

»Hier drüben«, kommt die Antwort, aber nicht von Sarnai.

»Reuel?«, frage ich.

»Wer sonst? Der Osterhase?«

Reuel taucht hinter einer Säule auf. Er ist nicht allein. Cullen ist bei ihm und auch Dad, den wir vor einem Monat hergebracht haben, damit er sicher ist. Mum kann ich aber immer noch nicht entdecken.

»Ist etwas geschehen?«, frage ich alarmiert.

Es kommt nur selten vor, dass Dad bei den Treffen dabei ist, die Sarnai einberuft. Reuel ist meistens da und hilft Kegan und mir, unsere Magie zu verbinden. Cullen ist nur anwesend, wenn er sich nicht um die Sicherheit der Qamar kümmern muss. Meistens holt er nach dem Unterricht Jason, meinen Dad, ab und bringt ihn zu uns, damit wir uns sehen können.

»Das würde ich auch gern wissen«, meint Cullen und umarmt mich.

Er ist mein Vater, obwohl ich bei Jason aufgewachsen bin. Cullen und ich hatten es anfangs nicht leicht, weil er gegen meine Verbindung zu Kegan war. Aber mittlerweile verstehen wir uns gut und ich nenne ihn Pa.

»Du weißt auch nicht, was los ist?«, fragt Kegan. Er und Cullen sind immer noch nicht richtig vertraut miteinander, aber sie respektieren sich. Das ist zumindest ein Anfang.

Pa schüttelt den Kopf. »Sarnai hat mir nichts gesagt. Ich habe nur eine Nachricht bekommen, dass ich hier erscheinen soll.«

Er seufzt. Seit Sarnai das Übergangsorakel ist, sieht Cullen sie kaum noch. Das muss für die beiden unendlich schwer sein. Die Vorstellung, Kegan nicht sehen zu dürfen, bereitet mir Magenschmerzen. Also verdränge ich sie. Wir können zusammen sein. Nach all den Hindernissen, die wir überstehen mussten, dürfen wir ein Paar sein. Die Frage ist nur, wie lange, falls wir die Krone der vier Himmelsrichtungen nicht erringen.

Ich sage nichts und umarme Dad wortlos. Er hat abgenommen, seit er hier ist. Früher hat er ständig gelächelt, jetzt wirkt er traurig. Ich wünschte, ich könnte ihm irgendwie helfen. Vielleicht würde es ihm besser gehen, wenn ich mehr Zeit mit ihm verbringen würde. Doch ich übe fast ständig meine Magie, wenn ich wach bin. Deswegen kann ich nicht so oft bei ihm sein und das tut mir in der Seele weh.

Schritte hallen von den Wänden. Ich schiebe den Gedanken fort und blicke nach vorn. Sarnai erscheint zwischen zwei Säulen. Ihre Haare sind jetzt heller. Früher hatte sie nur ein paar weiße Strähnen, nun sind es ein paar dunkelbraune, die sich durch das Weiß ziehen. »Entschuldigt, dass ihr warten musstet«, sagt sie atemlos.

Mum hat ihr Augenlicht eingebüßt, um mich vor den Solariern zu retten. Dennoch scheint sie alles zu sehen. Sie wendet ihren leeren Blick auf mich und lächelt. Zielsicher kommt sie zu mir und zieht mich in ihre Arme. Wir haben uns zwar erst vor wenigen Stunden gesehen, aber ich bin dennoch jedes Mal erleichtert, wenn ich bei Mum bin. Sie strahlt eine Ruhe aus, die ich jetzt brauche.

»Wie fühlst du dich?«, fragt sie. Wären ihre Augen nicht blind, würde ich sagen, sie mustert mich von Kopf bis Fuß. »Fühlst du dich schwach oder ist dir kalt, oder …«

»Es geht mir gut, Mum«, unterbreche ich sie und schmunzle. »Reuel hat mir gestern genug Estrella gegeben, damit ich das Training verkrafte.«

Reuel hustet lautstark und ich beiße mir auf die Unterlippe.

»Ich meine natürlich, dass ich nicht viel gebraucht habe, weil ich mich nicht überanstrengt habe«, füge ich schnell hinzu.

Sarnai hat Reuel mehr als einmal die Leviten gelesen, weil er mich zu viel Magie hat einsetzen lassen und auch Kegan am Ende unseres Trainings ziemlich kraftlos war. Aber ich weiß, dass wir keine Wahl haben. Wir müssen schnell viel lernen und stärker werden. Deswegen ist es für mich in Ordnung, dass Reuel uns beide schindet. Sarnai ist allerdings anderer Meinung.

Doch diesmal lächelt sie breiter. »Hm«, macht sie nur. »Dann ist es ja gut.«

Sie lässt mich los und geht zu Cullen. Die beiden umarmen sich für einen flüchtigen Moment. Sarnai seufzt und ich bin sicher, sie würde Pa am liebsten nicht mehr loslassen. Aber wir sind nicht hier, weil wir ein fröhliches Familienfest geplant haben. Also löst sie sich von ihm und stellt sich so, dass sie sich jedem von uns zuwenden kann.

Frodo landet wie immer auf meiner Schulter. Ich tätschle seinen Kopf.

»Ich habe gehofft, wir hätten mehr Zeit«, beginnt Mum.

Meine Kehle wird eng und ich drücke Kegans Hand. Er legt einen Arm um mich und gibt mir Halt. Wir beide wissen, was jetzt kommt.

»Wenn meine Visionen sich bewahrheiten, wird in vier Tagen der Aufruf zum Kampf um die Krone eintreffen«, fährt Sarnai fort. »Bis dahin müssen wir bereit sein.«

»Wie stellst du dir das vor?«, fragt Reuel und verschränkt die Arme vor der Brust. »Cullen und ich haben es bisher kaum geschafft, Qamar zu überreden, ins Schloss der Northhumbria zu gehen und mit den Kriegern zu sprechen. Aber wenn wir an ihrer Seite kämpfen wollen, müssen sie Verbindungen zueinander aufbauen.«

»Wir könnten die Qamar nur bitten, wieder Magie abzugeben«, wirft Cullen ein. »Wenn sie freiwillig gegeben wird, ist sie stärker, als wenn sie unter Zwang fließen muss. Das könnte schon reichen.«

»Wird es nicht.« Sarnai seufzt. »Ich rede noch mal mit ihnen. Wir müssen zusammenhalten. Nur so können wir die Finsternis abwenden, die ich sehe.« Sie schaudert. »Diese unendliche Dunkelheit ist so nah …« Einen Moment blickt sie ins Leere. Dann kneift sie die Augen zusammen und schüttelt sich. »Ich rede mit den Qamar. Reuel, du unterrichtest heute Lyra und Kegan. Nimm Rücksicht.«

»Sie sollen lernen, oder?« Reuel schnalzt mit der Zunge. »Denkst du, mir macht es Spaß, sie so zu quälen?«

»Definitiv«, murmle ich. Kegan lacht.

Reuel betrachtet mich finster. Dann grinst auch er. »Schön, ein bisschen vielleicht.« Er wendet sich Cullen zu. »Hilfst du mir, sie auf den Kampf vorzubereiten?«

Pa sieht Sarnai an, die kaum merklich nickt. Dann bejaht auch er.

»Und was soll ich tun?«, fragt Dad.

Er will nicht hier sein und das merkt man. Cullen, Reuel und ich geben uns Mühe, damit er sich wohlfühlt. Aber ich weiß, wie es ist, in dieser Welt anzukommen und nicht dazuzugehören.

»Du kommst mit mir«, meint Sarnai mit einem gewinnenden Lächeln.

Dad will etwas erwidern. Aber er lässt nur die Schultern sinken. »Schön, ich komme mit. Warum auch immer du das möchtest.«

Sarnai hakt sich bei ihm unter. »Der Tempel gehört euch. Zerstört ihn nur nicht, bitte«, sagt sie an Cullen und Reuel gewandt.

Sie geht mit Dad zu dem riesigen Tor, das sich von allein für sie öffnet und gleich hinter ihnen wieder schließt. Kaum ist es zu, zieht Reuel seinen Traumfänger.

»Sollen wir beginnen?«, fragt er mit einem teuflischen Grinsen auf den Lippen.

Frodo faucht und fliegt von meiner Schulter. Ich sehe zu Kegan. Wortlos reicht er mir die Phiole mit seinem Lebensfaden. Hitze dringt durch das Glas und goldenes Licht pulsiert zwischen meinen Fingern.

Kegan zieht sein Schwert und ich hole meinen Traumfänger heraus.

»Kann losgehen«, meint Kegan und sieht zu Cullen.

Der zögert einen Moment, bevor auch er sein Schwert zieht. Flammen hüllen es ein und Magie knistert in der Luft.

»Dann zeigt mal, was ihr gelernt habt«, fordert Reuel.

KapitelZwei

Kegan stellt sich breitbeinig hin und hebt das Schwert. »Ich gegen euch beide?«, fragt er mit einem Grinsen. »Ist das nicht etwas unfair … für euch?«

»Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall«, entgegnet Reuel und schleudert einen Feuerball auf Kegan.

Ich reagiere sofort. Ohne richtig darüber nachdenken zu müssen, lasse ich Magie von meinem Traumfänger in Kegans Lebensfaden fließen. Die Streifen an seinen Wangen beginnen zu leuchten, als wäre er die Sonne selbst. Kegan wehrt den Feuerball mühelos mit dem Schwert ab.

»Zumindest klappt das mit der Verbindung zwischen euch schon sehr gut«, sagt Reuel und sieht zu mir.

Es kostet mich wirklich kaum noch Kraft, diesen Zauber zu weben. Und ich bin deutlich schneller als noch vor wenigen Tagen. Ich streiche über das Netz. Es surrt noch ein wenig mehr und Kegans Streifen leuchten heller.

»Ihr werdet euch schon mehr einfallen lassen müssen«, meint Kegan.

Cullen stürmt mit dem Flammenschwert auf ihn zu. Aber Kegan ist noch schneller als sonst. Er weicht aus. Wirbelt herum. Hebt die Klinge. Ich sehe nicht, was genau er macht, aber Cullens Schwert fällt zu Boden und mein Vater springt hastig zurück.

»Wenn das für dich so einfach ist«, sagt Reuel und schleudert einen Feuerball nach dem anderen. »Erzähl uns doch, wie die Solarier um die Krone der vier Himmelsrichtungen kämpfen und welche Schwachstellen unser Plan haben könnte.«

»Schon wieder?«, fragt Kegan. Er kommt nicht einmal außer Atem, obwohl Reuel wie ein Maschinengewehr Feuerbälle abschießt, die er mit dem Schwert verpuffen lässt.

»Ja, ich brauche immer etwas länger, um Dinge zu begreifen«, entgegnet Reuel mit einem schiefen Grinsen.

»Schön, wenn es hilft«, meint Kegan.

Er wirbelt das Schwert vor sich herum und blockt so die Feuerbälle mühelos ab.

»Sobald der König tot ist, verschwindet die Krone«, erklärt er. »Alle Clans bekommen eine Nachricht, dass sie im Palast der vier Himmeslrichtungen zu erscheinen haben. Dort beginnt der Wettkampf um die Krone, die sich durch ihre Magie irgendwo in Nathaira versteckt.«

»Keiner weiß, wo sie sich befindet?«, hakt Reuel nach.

Kegan schüttelt den Kopf. »Keiner. Sie verändert auch ihre Position. Nur die Chiefs können sie fühlen, sobald sie in der Nähe ist. Natürlich kommt es zu Kämpfen. Die Krieger jedes Clans versuchen, die Chiefs der anderen Clans daran zu hindern, die Krone zu finden.«

»Gibt es Regeln?«

Reuels Atem klingt angestrengter. Es kostet ihn Kraft, so schnell Feuerbälle zu werfen. Auch meine Finger kribbeln bereits. In Numar ist Kegan schwächer, weil ihm die Verbindung zu der Sonnenmagie von Nathaira fehlt. Besonders wenn in Numar Nacht herrscht wie jetzt. Oder wir im Tempel der Orakel stehen, in dem die Mondmagie so stark ist. Deswegen brauche ich mehr Magie, um ihn zu unterstützen. Mittlerweile kann ich meine Kräfte aber gut einteilen. Zu Beginn unseres Trainings war ich nach einer Minute schon so schwach, dass ich Kegan kaum noch helfen konnte.

»Keine. Alles ist erlaubt«, sagt Kegan ernst. »Niemand wird bestraft, wenn jemand stirbt. Das nennt sich Kollateralschaden.«

»Also solltest du immer vorsichtig sein«, meint Reuel.

Aus den Augenwinkeln nehme ich Flammen wahr. Cullen hat sich angeschlichen und greift mich an. Er feuert Pfeile aus glühend heißer Magie auf mich ab. Ich hebe den Traumfänger und streiche über seine Fäden. So erschaffe ich einen Schutzschild um Kegan und mich, doch das trennt unsere Verbindung.

Ein paar Feuerbälle kann der Schild abhalten, doch dann entsteht ein Riss. Der nächste Ball bricht durch und triftt Kegan an der Brust. Reuel stürzt sich auf ihn. Ich versuche, die Verbindung zu Kegan wiederherzustellen, um ihm Magie zu schicken, doch Cullen schießt weiterhin auf mich. Der Schutzschild zerbricht vollkommen. Meine Magie versiegt und ich gebe mich Cullen geschlagen. Reuel und Kegan kämpfen erbittert weiter, doch ohne meine Kräfte hat Kegan keine Chance. Reuel ist schneller und er besitzt Magie. Es klirrt und Kegans Schwert landet auf dem Boden.

Kegan knurrt.

»Wenn alles erlaubt ist«, meint Cullen finster, »dann wirst du dir überlegen müssen, wie du Lyra schützt. Sie kann sich nicht verteidigen, wenn sie dich mit Magie versorgt. Und du bist ohne ihre Kräfte den Solariern, die mit gestohlener Qamar-Magie kämpfen, unterlegen.«

»Das weiß ich«, zischt Kegan. »Meine Krieger werden sie beschützen. Ich würde es am liebsten selbst tun, aber … ich bin derjenige, der dank Lyra am stärksten ist.«

»Und deine Krieger?«, wirft Reuel ein. Er ringt immer noch um Atem, genau wie ich. »Die besitzen keine Qamar-Magie, die sie stärker macht. Wie werden sie Lyra gegen die anderen Clans verteidigen, falls euch keine Qamar begleiten?«

Kegan presst seine Kiefer zusammen, bis es knackt. Wir haben dieses Gespräch schon so oft geführt. Bisher ist es uns nicht gelungen, die Qamar zu überzeugen, ihre Kräfte mit den Solariern zu verbinden. Und die Solarier sind auch nicht wirklich bereit, sich den Qamar auszuliefern. Immerhin … müssen sie ihnen dazu ihre Lebensfäden geben. Zerbricht man die Phiolen, in denen sie sich befinden, sterben die Solarier augenblicklich.

Ich schaudere, weil ich wieder Cinaéds leere Augen vor mir sehe, nachdem ich seine Phiole zertreten habe.

»Denkst du, dass ich mir darüber nicht ständig den Kopf zerbreche, seit Lyra an meiner Seite ist und sich in Gefahr begeben muss?« Kegans Stimme ist ein finsteres Knurren. »Aber von Lyra abgesehen lebt nur Svajoné bei uns und unterstützt Ayden. Und die wenigen Qamar, die sich auf ein Gespräch eingelassen haben, sind kein zweites Mal ins Schloss gekommen.«

»Dann solltest du deine Krieger zu uns bringen«, schlägt Cullen vor. »Wenn die Solarier hier sind, werden sich einige Qamar vielleicht bereit erklären, das mit der Verbindung zu versuchen. Am besten, wenn in Numar Nacht herrscht.«

Kegan schnaubt. »Denkst du, sie werden mir bedenkenlos folgen, wenn ich das vorschlage? Du weißt, dass wir nachts in Numar mehr oder weniger wehrlos sind.«

»Ihr seid Krieger.« Reuel schnaubt. »Euch fehlen vielleicht die besonderen Kräfte, trotzdem seid ihr nicht wehrlos. Die Qamar würden euch dann allerdings eher vertrauen.«

»Aber die Solarier werden es möglicherweise für eine Falle halten«, werfe ich ein.

Reuel sieht mich an. »Du hast das Feuer, das ihre Leben bedroht hat, gelöscht. Es wurde von Cinaéd gelegt, der einer von ihnen war. Ohne dich wären viele Solarier gestorben. Ein wenig Vertrauen sollte mittlerweile vorhanden sein, vor allem weil du ihre Lady bist.«

Kegan stößt den Atem aus. »Reuel hat recht«, sagt er schließlich. »Nach allem, was wir durchgestanden haben, sollten sie zumindest wissen, dass du sie keiner Gefahr aussetzen würdest.«

Seine Worte lassen mich lächeln. Anfangs haben die Northhumbria mich gemieden, aber mittlerweile akzeptieren die meisten mich als eine von ihnen. Den anderen Qamar begegnen sie aber immer noch mit viel Skepsis.

»Wir sollten versuchen, mit ihnen zu reden«, fügt Kegan hinzu und greift nach meiner Hand. »Wenn uns wirklich nur noch wenige Tage bleiben, bevor wir zum Kampf um die Krone aufbrechen müssen, sollten wir sie sinnvoll nutzen.«

»Bringt sie am besten morgen her«, meint Cullen. »Ich bin sicher, Sarnai kann einige Qamar überzeugen, hier zu erscheinen und eine Verbindung zu versuchen.« Er zieht sein Schwert. »Und jetzt üben wir noch ein wenig. Ihr beide braucht mehr Ausdauer.«

Dabei sieht er Reuel und mich an. Reuel grunzt. »Du hattest – wie immer übrigens – den leichteren Part und musstest dich nur anschleichen.«

»Wir können diesmal gern tauschen«, schlägt Cullen großmütig vor.

»Diesmal werdet ihr euch nicht anschleichen können«, verkündet Kegan und baut sich direkt vor mir auf. »Weil ich euch nicht aus den Augen lassen werde.«

»Dann nur normales Kampftraining«, meint Cullen und greift an.

Ich lasse meine Magie wieder fließen und der Traumfänger surrt laut. Kegan kämpft scheinbar mühelos mit Reuel und Cullen. Tak, tak, tak machen seine Schläge. Er kommt nicht einmal außer Atem, obwohl er zwischen seinen Angreifern hin und her wirbelt.

Mir wird allerdings mit einem Mal schwindelig. Meine Finger kribbeln. Mein Atem stockt. Mir wird eiskalt. Und schwarz vor Augen.

»Lyra!«, ruft Frodo.

Metall klirrt. Jemand fängt mich auf. Wärme breitet sich auf meiner Haut aus und ich schwebe über dem Boden.

»Lyra«, raunt Kegan besorgt.

Ich blinzle und brauche einen Moment, bevor ich sein Gesicht richtig erkennen kann. Er hält mich in seinen Armen und ich versinke in den türkisfarbenen Augen, die schimmern wie Bergseen im Sonnenschein.

»Geht schon wieder«, bringe ich heraus. »Es war wohl zu viel.«

»Du hast doch bereits gelernt, deine Magie nicht über deine Kräfte hinaus fließen zu lassen«, brummt Reuel. Aber ich erkenne auch die Sorge in seiner Stimme. »Du müsstest die Magie schon viel früher loslassen können. Das haben wir geübt.«

»Ich weiß, aber diesmal kam die Schwäche so … plötzlich«, murmle ich. »Ich dachte, es wäre noch nicht so weit. Entschuldigt.«

»Das reicht für heute«, sagt Kegan ernst.

»Der Meinung bin ich auch«, stimmt Cullen zu. Er legt eine Hand an meine Wange und schnalzt mit der Zunge. »Sie muss sich ausruhen, bevor sie ein Portal nach Nathaira öffnet.«

»Ich wollte ohnehin mit Dad reden«, wispere ich und sehe Kegan an. »Wenn das in Ordnung ist?«

»Sicher«, antwortet er und lächelt. »Alles, was du willst.«

Er haucht einen Kuss auf meine Stirn. Ich seufze und schließe die Augen. Kegan trägt mich sicher in seinen Armen. Und für einen kurzen Moment schlafe ich ein.

Ich wache wieder auf, als wir das Haus meiner Eltern betreten. Sarnai ist nicht hier, dafür Dad. Er stochert in einer Schüssel herum und springt auf, sobald sein Blick auf mich fällt.

»Was ist geschehen?«, fragt er und rennt zu mir.

»Ich habe es etwas übertrieben«, sage ich ruhig. »Nicht so schlimm. Das passiert manchmal.«

Sein Blick verfinstert sich und er sieht zu Cullen. »Ich dachte, du passt auf sie auf.«.

»Beruhig dich, Jason.« Auch Cullen klingt gereizt. »Es geht ihr gut. Denkst du, ich bringe sie in Gefahr?«

»Ja, verdammt.« Dad fährt sich durch die rötlichen Haare. »Das alles hier ist gefährlich. Ich habe so lange auf sie aufgepasst und sie beschützt. Und du willst sie in einen Kampf schicken.«

»Dad«, sage ich ruhig und wende mich Kegan zu. »Würdest du mich bitte absetzen?«

Er nickt und stellt mich behutsam auf die Beine. Seine Hände schweben neben meinem Körper, damit er mich jederzeit auffangen könnte, falls ich umkippe. Aber ich schaffe es tatsächlich, stehen zu bleiben, und gehe zu Dad. Er nimmt mich in den Arm und hält mich fest.

»Mir fehlt nichts«, versichere ich ihm. »Ich weiß, du machst dir Sorgen, aber das musst du nicht.«

»Für dich ist es jetzt vielleicht normal, dass Männer in altertümlichen Rüstungen um dich herumlaufen und Magie wirken«, brummt er. »Aber für mich ist es schwer vorstellbar, dass meine Tochter, mit der ich abends Sandwiches gegessen und Fußball geschaut habe, in eine Schlacht zieht.«

»Apropos Essen.« Ich sehe zu Cullen. »Würdest du mir diesen Eintopf bringen? Du weißt schon, der mit dem Obst, das nach Schokolade schmeckt.«

Pa schmunzelt. »Aber nur wenn du deiner Mutter nicht sagst, dass ich dir das erlaube.«

»Von mir erfährt sie nichts«, erwidere ich.

»Ich komme am besten mit dir«, schlägt Reuel vor. »Eintopf für alle ist schwer zu tragen.«

Kegan wirkt unschlüssig. Ich denke, er versteht, dass ich alleine Zeit mit Dad verbringen will, weiß aber nicht, wie er sich Reuel und Cullen anschließen soll.

»Wir können noch einen Träger gebrauchen«, meint Cullen und klopft Kegan auf die Schulter.

Diese Geste bringt mich zum Schmunzeln. Es bedeutet mir viel, dass Pa Kegan endlich akzeptiert.

»Bleibe hier«, faucht Frodo und landet wieder auf meiner Schulter.

Im Gegensatz zu den meisten Qamar hat Dad keine Angst vor dem Drachen, der ständig um mich herumschwirrt. Er tätschelt Frodo den Kopf und der gibt einen Laut von sich, der fast als Schnurren durchgehen könnte.

»Aber du bekommst heute nur eine Portion«, sagt Reuel. »Seit du bei Lyra lebst, nimmst du immer mehr zu. Vermutlich teilt sie ihre Süßigkeiten mit dir.«

»Nein, ist geizig«, erwidert Frodo.

»Hey, stimmt doch gar nicht.« Ich stemme die Hände in die Hüften.

»Wir sind gleich wieder da«, verkündet Cullen.

Die drei Männer verlassen das Haus. Dad atmet geräuschvoll aus.

»Wie schaffst du das nur?«, murmelt er und setzt sich auf den Kissenberg vor dem niedrigen Tisch, an dem wir essen werden.

Frodo flattert von meiner Schulter und beginnt, Holzteller auf dem Tisch zu verteilen. Ich setze mich neben Dad.

»Am Anfang war es unheimlich schwer für mich«, gestehe ich und tätschle seine Hand. »Du hast mir gefehlt und Kegan war mein Feind. Ich wollte nicht hier sein.«

»Aber dann durftest du mit Kegan zusammen sein«, sagt Dad. »Das hat es einfacher für dich gemacht, nicht wahr?«

Ich nicke. Ohne Kegan hätte ich es hier vermutlich nicht ausgehalten. Die Welt ist seltsam. Meine Eltern, die mich offensichtlich lieben und vermisst haben, waren Fremde für mich.

»Ich habe mich vollkommen verloren gefühlt«, gestehe ich. »Und ich weiß, dass es für dich noch schwerer sein muss. Dir ist alles fremd, außer Cullen und Reuel. Vielleicht solltest du mit Kegan und mir kommen und im Schloss leben. Es könnte dir gefallen, schließlich ist es ähnlich eingerichtet wie der Antiquitätenladen.«

Dad hebt einen Mundwinkel. »Wirklich? Auch so schön staubig?«

»Unbedingt.« Ich lächle. »Möchtest du mitkommen? Würde es dir dann leichter fallen, zu warten, bis du wieder sicher in deiner Welt bist?«

Seine Mundwinkel sinken herab. »Werde ich das denn je wieder sein?«

»Wenn wir die Krone der vier Himmelsrichtungen haben, bestimmt«, erwidere ich, ohne es zu wissen.

Ich habe keine Ahnung, was danach geschieht. Nemain, das Orakel, das jetzt versteinert im Gewölbe unter dem Schloss der Northhumbria steht, hat nur gesagt, dass wir die Krone erringen müssen, um die Welten zu retten. Aber sie hat die Graue Eminenz nie erwähnt oder welche Rolle dieser Kerl spielt. Dass er gefährlich ist, hat er Kegan und mir am Tag unserer Trauung bewiesen.

»Und ich störe dich und Kegan nicht?« Dad reißt mich mit seiner Frage aus meinen Gedanken.

»Nein, ganz sicher nicht«, antworte ich. »Manchmal hat Kegan viel als Chief zu tun. Dann hätte ich jemanden, mit dem ich mich unterhalten kann.«

»Hast mich«, faucht Frodo.

»Jemanden, der nicht behauptet, ich wäre geizig«, brumme ich.

Der Drache schnaubt und eine kleine Flamme erscheint auf seinen Nasenlöchern.

»Dann würde ich sehr gern mit euch kommen, wenn es möglich ist«, meint Dad und zum ersten Mal, seit er hier ist, wirkt er zufrieden.

»Das freut mich.« Ich tätschle wieder seine Hand. »Fernsehempfang haben wir hier nicht, aber Sandwiches kriege ich mit Magie hin.«

»Klingt gut.«

Dad lächelt und ich fühle mich besser. Ich hätte ihn von Anfang an mitnehmen sollen und ärgere mich, dass mir das nicht gleich eingefallen ist.

---ENDE DER LESEPROBE---