Schulmeister Klopfstock und seine fünf Söhne - Clemens Brentano - E-Book

Schulmeister Klopfstock und seine fünf Söhne E-Book

Clemens Brentano

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Beschreibung

Ein humorvolles Märchen, das Clemens Brentano frei nach einem italienischen Vorbild schuf: Der Schulmeister Klopfstock befindet sich in einer Notlage, nachdem das ganze Dorf abgebrannt ist, und schickt deshalb seine fünf Söhne Gripsgraps, Pitschpatsch, Piffpaff, Pinkepank und Trilltrall hinaus in die Welt, um dort einen Beruf zu erlernen. Nach einem Jahr sollen sie ihren Vater wieder besuchen. Werden die jungen Kerle es schaffen, ihr Glück in der weiten Welt zu finden?-

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Clemens Brentano

Schulmeister Klopfstock und seine fünf Söhne

 

Saga

Schulmeister Klopfstock und seine fünf Söhne

Es war einmal ein Schulmeister, der hiess Klopfstock und hatte fünf Söhne; der erste hiess Gripsgraps, der zweite hiess Pitschpatsch, der dritte hiess Piffpaff, der vierte hiess Pinkepank, der fünfte hiess Trilltrall. Der gute Klopfstock hatte seine Söhne sehr lieb und wollte sie gern etwas Recht’s lernen lassen, aber bei ihm war Not in allen Ecken. Das Dorf, wo er Schulmeister war, war abgebrannt und die Schule auch und die Bauern auch und die Schuljungen auch; er war mit seinen fünf Söhnen allein übriggeblieben.

Er setzte sich also auf einen Stein mitten in dem abgebrannten Dorf, und seine fünf Söhne traten um ihn her, und er sprach zu ihnen: „Herzliebe Jungen, ich bin plötzlich ein armer Mann geworden, und so gerne ich euch zu gelehrten Leuten aufziehen wollte, fehlen mir doch alle Mittel dazu; denn erstens kann ein leerer Magen nicht viel Gelehrtes sagen, und zweitens sind mir alle meine Abcbücher in der Schule verbrannt. Ich muss euch daher in alle Welt schicken, dass ihr euch selbst etwas versucht; ihr seid schon grosse Burschen und müsst sehen, wo ihr Herren findet, denen ihr dienen, und bei denen ihr etwas lernen könnt. So lebet denn wohl, ein jeder folge seinem Beruf, und nach einem Jahr besucht mich wieder, da will ich euch examinieren, ob ihr etwas gelernt habt! Bis dahin will ich sehen, ob ich aus dem herumliegenden Holz mir wieder eine Hütte zusammengebaut habe, damit ich euch beherbergen kann.“ Da sagten die Söhne: „Wir wollen treulich tun, was du uns befohlen; aber du hast gesprochen: Ein jeder folge seinem Beruf. Was ist dann nun der Beruf?“ Da wusste der Schulmeister nicht gleich, was er sagen sollte, was Beruf sei, und rieb sich lange die Stirn. Endlich sagte er: „Beruf kommt her von rufen; was euch ruft, das ist euer Beruf.“ Da fragten die Söhne wieder: „Aber Vater, was ruft uns dann?“ Und der Schulmeister sagte: „Euer Name ruft euch.“ Da sagten die Söhne wieder: „Ihr, Vater, heisst Klopfstock, Euer Name ist Klopfstock, was ist nun Euer Beruf?“ Da wurde der Vater ungeduldig und sagte: „Ein Narr kann mehr fragen, als zehn gelehrte Leute beantworten können; ja, mein Name ist Klopfstock, und mein Beruf ist Klopfstock, nämlich ich soll so dumme Narren mit dem Stocke recht ausklopfen.“ Und da nahm er seinen Stock und wollte seinen Söhnen einen Denkzettel mitgeben; aber sie nahmen die Beine auf die Schultern und liefen, so schnell sie konnten, davon.

Als sie ein Stück Wegs zurückgelegt hatten, war es Abend, und sie legten sich in einem Walde nieder und redeten davon, was doch jeder für einen Beruf haben möchte. Da hörten sie auf einmal Leute sprechen, die vorbeigingen. Einer sagte zum andern: „Viele Mühe hat es gekostet, bis wir hinaufkamen; dann ging es aber auch lustig, gripsgraps.“ — Kaum hatte Gripsgraps seinen Namen nennen hören, als er von seinen Brüdern aufsprang und zu ihnen sagte: „Gripsgraps heiss ich, Gripsgraps ruft’s mich, Gripsgraps ist mein Beruf, zu dem mich Gott im Himmel schuf; übers Jahr sehen wir uns wieder beim Vater.“ Da sagten sie sich Lebewohl, und er eilte den Leuten nach, die von Gripsgraps gesprochen hatten.

Gegen Morgen hörte der jüngste Bruder Trilltrall die Vögel im Wald so trillern und trallern, da sagte er zu den andern: „Lebt wohl, liebe Brüder! Trilltrall heiss ich, Trilltrall ruft’s mich, Trilltrall ist mein Beruf, wozu mich Gott im Himmel schuf.“ Und da nahm er Abschied und lief tiefer in den Wald.

Als sie noch weiter gingen, kamen sie auf eine Wiese, da stand eine Menge Volks und schoss mit der Büchse nach der Scheibe, und das ging immer piff! und paff! Da sagte der eine Bruder: „Piffpaff heiss ich, Piffpaffs ruft’s mich, Piffpaff ist mein Beruf, zu dem mich Gott im Himmel schuf.“ Und da nahm er auch Abschied und ging zu den Schützen.

Die zwei andern gingen durch die Stadt, da hörten sie auf einmal „pinkepank, pinkepank“ klingen und guckten sich um. Da stand ein Apotheker und stiess im Mörser pinke pank, pinke pank. Da nahm der eine Bruder Abschied vom andern mit den Worten: „Pinkepank heiss ich, Pinkepank ruft’s mich, Pinkepank ist mein Beruf, wozu mich Gott im Himmel schuf“, und ging zum Apotheker.

Da war nun der Bruder Pitschpatsch allein, und da kam er an einen Fluss und wollte überfahren und rief den Schiffleuten jenseits zu: „Hol über! Hol über!“ Die setzten sich in den Kahn, und die Ruder gingen pitsch patsch, pitsch patsch; da sprang er freudig in den Kahn und sagte: „Pitschpatsch heiss ich, Pitschpatsch ruft’s mich, Pitschpatsch ist mein Beruf, zu dem mich Gott im Himmel schuf“, und blieb bei den Schiffleuten.

Als das Jahr herum war, hatte sich der Schulmeister Klopfstock seine Hütte bereits wiederaufgebaut bei einem grossen, schattigen Baum, und als der Tag herankam, an welchem seine Söhne wieder aus der Fremde kommen sollten, setzte er eine Schüssel voll Kartoffeln auf den Tisch und Bänke drum herum; da pochte es an der Türe, und vier seiner Söhne kamen anständig und wohlgekleidet herein, nur Trilltrall fehlte noch. Er umarmte sie alle vier und fragte, wo denn Trilltrall sei; da sprachen sie: „Der steht vor der Türe und schämt sich, weil er so hässlich aussieht.“ Da ging der Vater hinaus und sah den Trilltrall unter einem Baum stehen. Er sah ganz wild und lumpig aus, die Haare waren ihm so lang gewachsen, und er war ganz braun im Gesicht und redete kein Wort als „st! st! Still! Horch! Still!“ wozu er den Finger auf den Mund legte. Da sagte der Vater: „Lasst den armen Schelm stehen, er ist ein Narr geworden, wir wollen ihm hernach ein paar Kartoffeln hinausbringen, kommt und esst!“ Da setzten sie sich zu Tisch und assen, und der Vater fragte den ältesten: „Gripsgraps, was hast du gelernt in der Fremde?“ Da sagte er:

Gripsgraps heiss ich,

Gripsgraps rief’s mich,

Gripsgraps ist mein Beruf,

Zu dem mich Gott im Himmel schuf.

„Vater, ich habe lernen Gripsgraps machen und bin ein so geschickter Dieb, dass ich alles zu stehlen weiss, und läge es unter hundert Schlössern verschlossen! Auch kann ich mit zwei Dolchen an einem steilen Turm hinaufklettern wie auf einer Leiter!“

„O du unglücklicher Sohn!“ rief der Vater aus. „Was für eine gottlose Kunst hast du gelernt! Ich bitte dich um Gottes willen, lege dich beizeiten auf etwas anderes, sonst wirst du lernen, ohne deine zwei Dolche an den lichten Galgen hinaufsteigen! Aber was hast du gelernt?“ sagte er zu dem zweiten, und dieser sagte:

Piffpaff heiss ich,

Piffpaff rief’s mich,

Piffpaff ist mein Beruf,

Zu dem mich Gott im Himmel schuf.

„Ich bin zu den Schützen gekommen und habe so vortrefflich schiessen gelernt, dass ich einer fliegenden Schwalbe das Aug aus dem Kopf herausschiessen kann.“

„Das lässt sich hören“, sagte der Vater, „das ist ein ehrliches Handwerk, da kannst du uns manchen Braten auf der Jagd schiessen; Gott segne dich dafür!“ Da sagte er zu dem dritten: „Was hast du denn erlernt?“ Der antwortete:

Pinkepank heiss ich,

Pinkepank rief’s mich,

Pinkepank ist mein Beruf,

Zu dem mich Gott im Himmel schuf.

„Ich habe den Apotheker hören im Mörser pinkepank stossen und bin ein Apotheker geworden und kenne ein Kräutchen, damit kann ich die Toten lebendig machen.“

„Gelobt sei der Herr!“ sagte der Vater. „Du hast etwas Herrliches erlernt; du kannst uns allen helfen, und wenn deine Kunst eintrifft, so sind wir die reichsten Leute auf der Welt.“ Nun fragte er den vierten: „Was hast denn du gelernt?“ Der sagte:

Pitschpatsch heiss ich,

Pitschpatsch rief’s mich,

Pitschpatsch ist mein Beruf,

Zu dem mich Gott im Himmel schuf.

„Ich habe die Ruder der Schiffleute hören pitschpatsch im Wasser machen, und da bin ich ein Schiffer und Schiffbaumeister geworden und habe gelernt, ein Schifflein zu bauen, welches so geschwind fährt wie eine Schwalbe, die über das Wasser hinstreicht.“

„Vortrefflich!“ sagte der Schulmeister. „Du hast eine ehrbare, gute Kunst gelernt, und wir können einmal auf deinem Schiffe um die ganz alte Welt herumreisen und eine ganz neue Welt entdecken.“

Nun rief der Schulmeister zur Türe hinaus: „Nun, Trilltrall, komme herein und esse und erzähle, was du Gutes in der Fremde gelernt hast! Ich glaube schier, du hast dich auf die Bärenhäuterei gelegt, weil du so wild und zotticht aussiehst.“