Schwandorf - Alfred Wolfsteiner - E-Book

Schwandorf E-Book

Alfred Wolfsteiner

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Beschreibung

Bei seiner ersten Erwähnung um 1006 war "Suainicondorf" bereits ein bedeutendes Wirtschaftszentrum. Umgeben von zahlreichen Weihern, wurde das frühere wittelsbachische und später pfalz-neuburgische Pflegamt im 16. Jahrhundert zusätzlich Sitz eines Fischmeisteramtes. Der viel besuchte Wallfahrtsort auf dem Kreuzberg bildete ein religiöses Zentrum des 18. Jahrhunderts. Mit dem Anschluss an die Eisenbahn 1859 und der Gründung der Tonwarenfabrik 1865 erfolgte der Schritt ins Industriezeitalter. Allerdings brachte die Rolle als bedeutender Eisenbahnknotenpunkt auch unermessliches Leid: Schwandorf gehörte am Ende des Zweiten Weltkriegs zu den am meisten zerstörten Städten Deutschlands. Heute ist die Große Kreisstadt ein wichtiger Gewerbe- und Industriestandort sowie das politische und kulturelle Zentrum des gleichnamigen Landkreises.

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Schwandorf – Kleine Stadtgeschichte

Alfred Wolfsteiner

Schwandorf

Kleine Stadtgeschichte

VERLAG FRIEDRICH PUSTETREGENSBURG

BIBLIOGRAFISCHE INFORMATION DER DEUTSCHEN NATIONALBIBLIOTHEK

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2023 Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Gutenbergstraße 8 | 93051 Regensburg

Tel. 0941/920220 | [email protected]

ISBN 978-3-7917-3439-2

Reihen-/Umschlaggestaltung und Layout: www.martinveicht.de

Satz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau

Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg

Printed in Germany 2023

eISBN 978-3-7917-6243-2 (epub)

Unser gesamtes Programm finden Sie unter

www.verlag-pustet.de

Inhalt

Grußwort des Oberbürgermeisters

Einleitung

Carl Spitzwegs Brief an seinen Bruder Eduard

Anfänge an der Naab

Schwandorfs Frühzeit

Erstnennung Schwandorfs

Schwandorf und das Kloster St. Emmeram

Das Rätsel des Ortsnamens

Vom Dorf zum Markt

Frühe wirtschaftliche Bedeutung

Der wittelsbachische Amtssitz

Die Herkunft und der Umfang des Amtes »ze Swainkendorf«

Der Marktort

Auf dem Weg zur Stadt

Bürgerliche Selbstverwaltung

Rat und Verwaltung

Das Rathaus

Burgfrieden, Marktgericht und »Burggeding«

Der Marktplatz

Die Stadtwerdung

Die Stadtbefestigung

Schwandorf als kirchlicher Mittelpunkt

Konrad Max Kunz – Komponist der Bayernhymne

Schwandorf im Fürstentum Pfalz-Neuburg

Die Katastrophe von 1504

Klagebrief der Schwandorfer an Herzog Albrecht vom August 1504

Der Kölner Spruch von 1505 und die Folgen

Pfalzgraf Ottheinrich und Schwandorfs erste Ortsansicht

Die Einführung der Reformation

Die Ansicht Schwandorfs auf der Vedute von 1536

Von der Wiege bis zur Bahre: alles geregelt

Neuer Herrscher für Pfalz-Neuburg

Die »Visitationen«

Das Fischmeisteramt auf dem Nordgau

Schwandorf im Dreißigjährigen Krieg

Die Gegenreformation

Schwandorf im Krieg

Schwandorf auf der Vogelkarte von 1600

Die verwüstete Stadt

Der Kreuzberg

Schwandorf im 18. Jahrhundert

Frommes Schwandorf

Schwandorfer Handwerkerfleiß im 18. Jahrhundert

Die Plantage des Klerus

Kriegsdrangsale

Die Beschießung Schwandorfs anno 1796

Auf dem Weg in die neue Zeit: Schwandorf im 19. Jahrhundert

Die medizinische Ortsbeschreibung von 1799

Schwandorfer Speisezettel um 1800

Straßenhygiene um 1840

Wie ein bekannter Reiseschriftsteller Schwandorf im Jahre 1826 sah

Naab-Schifffahrt und Eisenbahn: 1827 wurden die Weichen gestellt

Eisenbahnknotenpunkt im »Verkehrskreuz Oberpfalz«

Schwandorf und die Eisenbahn in der Literatur

Schwandorf nach 1860

Das Stadtbild ändert sich

Wohnverhältnisse um 1870

Schwandorfs erste Kirche 1859 abgebrochen

Die Anfänge der Industrialisierung

Die Thonwaarenfarik Schwandorf-Schwarzenfeld

Der Industriestandort im Jahre 1895

Die Stadt im 20. Jahrhundert

Schwandorf zwischen den beiden Weltkriegen

Auf dem Weg in die Weimarer Republik

Bayerns »ungekrönter König«

Aschermittwoch, 5. März 1919

Die Inflationszeit

Im Nationalsozialismus

Schwandorfs schwerster Tag

Jahre des Wiederaufbaus 1945–1955

Der »Schwandorfer Berg«, seine Felsenkeller und der Bundesgrenzschutz (BGS)

Das Kruckental

Wie der Weinberg zu seinem Namen kam

Die Große Kreisstadt

Das Verwaltungszentrum des neuen Landkreises

Stadt im Strukturwandel

Auf dem Weg zur bewohnbaren Stadt: Veränderungen durch die Städtebauförderung

Gefeierte Lyrikerin Anja Utler (* 1973)

Wasser und Wälder – Naherholung im Dunstkreis der Stadt

Anhang

Zeittafel

Schwandorfer Bürgermeister seit 1919

Literaturverzeichnis (Auswahl)

Register

Stadtplan

Bildnachweis

Danksagung

Liebe Leserinnen und Leser,

vor über 1.000 Jahren wurde Schwandorf das erste Mal urkundlich erwähnt und ein Rückblick auf die Vergangenheit unserer Stadt zeigt, was der Ort im Laufe der Jahrhunderte erfahren und welch großartige Entwicklung er gemacht hat. Es gab geschichtsträchtige Höhepunkte wie die Zeit, als Schwandorf Bürgerliche Rechtsgemeinde mit Kommunaler Selbstverwaltung wurde, aber auch Zeiten von Not, als die Stadt nach einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche lag. Die Geschichte Schwandorfs zeigt auch, dass die Menschen zusammenstehen und für eine gute Zukunft ihrer Stadt jederzeit eintreten.

Heute präsentiert sich Schwandorf als lebenswerte, kindersowie familienfreundliche, moderne und zukunftsorientierte Stadt. Es ist kein Wunder, dass die Menschen bei den vielfältigen Facetten unserer Stadt das Gefühl haben, dass es ihnen an nichts fehlt. Eine vorbildliche Infrastruktur, hohe Wohnqualität, ein gut ausgebautes Bildungswesen, ein komplexes Netz an sozialen Einrichtungen sowie ein vielfältiges, abwechslungsreiches Angebot an Kultur-, Sport- und Freizeitmöglichkeiten machen das Leben in Schwandorf äußerst angenehm und attraktiv.

Schwandorf ist eine liebenswerte Stadt mit vielen Besonderheiten. Ich danke unserem ehemaligen Stadtbibliothekar Alfred Wolfsteiner, dass er in dem vorliegenden Buch die Geschichte von Schwandorf so interessant und kurzweilig erzählt.

Es gibt viel, was Schwandorf so reizvoll macht. Nach der Lektüre werden Sie mit Gewissheit sagen, dass Schwandorf eine Stadt ist, in der es sich gut leben lässt und die Sie unbedingt kennenlernen möchten.

Andreas Feller

Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Schwandorf

Einleitung

Manchmal entscheidet der erste Augenblick über die gegenseitige Sympathie oder auch Antipathie. So verhält es sich zumindest oft bei uns Menschen. Doch wie ist es, wenn ein Mensch erstmals einer Stadt begegnet? Oder wenn er sie einfach wieder neu entdecken möchte? Eine Stadt wie Schwandorf zum Beispiel, die von Bahnhof und Eisenbahnzügen geprägt wurde und deshalb viel davon zu erzählen weiß. Auf welchem Weg sollte man ihrer Spur folgen, wie ihre Geschichte ergründen?

Es gibt Städte, die können sich im Glanz alter Prunkbauten, großartiger Kirchen und imposanter Stadtmauern sonnen. Oder sie waren Garnisonsstädte, Bischofssitze oder gar kaiserliche Reichsstädte. Mit nichts von alldem kann sich Schwandorf in seiner mehr als 1.000-jährigen Geschichte rühmen. Und doch haben viele Menschen im Laufe der Jahrhunderte den Verkehrsknotenpunkt Schwandorf kennen gelernt; manche werden diese Stadt und ihre Bewohner vielleicht sympathisch gefunden haben und sind eine Weile hängengeblieben. Sicher gab es darunter aber auch solche, die die Stadt nur in wenigen Augenblicken registrierten und sie schnell wieder vergessen haben. Anderen Reisenden wiederum blieb die Stadt in langer Erinnerung. Sie sind in Schwandorf ausgestiegen und haben uns Zeugnisse ihres Besuches hinterlassen. Der Maler Carl Spitzweg etwa, der im Juni 1860 auf der gerade eröffneten Eisenbahnlinie aus München anreiste, mit dem Skizzenblock durch die Stadt streifte und in einem Brief an seinen Bruder von seinem kurzen Aufenthalt in Schwandorf berichtete. Seine Skizzen des Blasturms setzte er dann später in dem farbigen Gemälde »Schwandorfer Stadtturm im Mondschein« um.

Die schönste Liebeserklärung machte jedoch ein anderer Schwandorf-Besucher. Der tschechische Arzt und Reiseschriftsteller Jaroslav Durych (1886–1962) reiste mit der Eisenbahn durch Europa. Aus Spanien kommend und auf dem Heimweg nach Prag, nutzte er den längeren Umsteigeaufenthalt in Schwandorf, um sich in der Stadt umzusehen. Seine Reiseerlebnisse schildert er in seinem Werk »Streifzüge und Wanderungen« (1932). Durych ging an diesem Abend durch Schwandorf und erwartete ein »armseliges Gewerbestädtchen«. Doch er wurde angenehm überrascht: »Ein gutes Städtchen, wie es die Münchner Maler zu malen pflegen; nur fehlt der Nachtwächter mit der Laterne, Schnee auf den Dächern, beleuchtete Fenster und betrunkene Sänger.«

Carl Spitzwegs »Schwandorfer Stadtturm im Mondschein« – Ölgemälde.

ZEITZEUGE

CARL SPITZWEGS BRIEF AN SEINEN BRUDER EDUARD

»Sulzbach, den 9. Juni 1860 (Montag).

Lieber Bruder! Winterhosen hab ich zum Glück mitgenommen, sonst wär’s mir schlecht gegangen. Als ich am Donnerstag abends 7 Uhr in Schwandorf ankam, war im Gasthause eingeheizt, und bis heute Montag sah ich die Sonne nur auf ein paar Augenblicke. Selbst heute noch, wo die Sonne mit den Wolken kämpft und vielleicht zu siegen scheint, ist es kühl und feucht. Wie angenehm es in so einem Nest wie z. B. Schwandorf ist, beim Fenster hinauszuschauen auf den Hauptplatz, den man in zwei Minuten ganz auswendig gelernt hat, oder gar mit dem Regenschirm durch die äußerst holperichten Straßen zu marschieren (beiläufig gesagt, sind die Oberpfälzer wegen eines nicht weniger als übertriebenen Reinlichkeitssinns bekannt), kannst Du Dir denken, und doch bleibt der hoffende Mensch in Schwandorf, geht wieder mit dem Regenschirm nach Hause ins Gasthaus, und geht nach fünf Minuten gleich wieder aus, weil er meint, jetzt wird’s doch ein wenig heller. Aber es ist nicht wahr gewesen, ’s fängt erst recht zum Gießen an, und der Mensch kommt endlich zu der Überzeugung, dass das Wetter nur in Schwandorf so schlecht sei, packt ein und fährt am zweiten Tag abends direkt nach Sulzbach. In Sulzbach schüttet’s.«

Schwandorfs Marktplatz ließ den Schriftsteller an Eger denken. Die Häuser erschienen ihm zwar nicht so großartig, aber wie sie so dastanden, erinnerten sie ihn an Schiffe im Hafen. Durych ging die Allee an der Naab bis nach Fronberg. Im Halbdunkel erblickte er ein Liebespaar, das vom Scheinwerfer eines Autos erfasst wurde: »Der Reflektor dieses Automobils in der Schwandorfer Allee bewirkte, dass ich das Liebespaar noch in gehöriger Entfernung gewahrte, freilich in einem etwas blinden Glanz. Sie trug ein weißes Kleid […] und seine Gestalt hatte einen erstaunlich edlen Umriss, was bei Männern eine Seltenheit ist. Es war zu sehen, dass sie nicht miteinander sprachen, leise gingen und dass sie eine bayerische Schönheit war.«

Der Prager Schriftsteller setzte sich auf eine Bank und schaute gedankenverloren ins Wasser der Naab. »Der Fluss war unter mir […] am Morgen werde ich wieder in Böhmen sein. Aber noch bin ich in Schwandorf […] Ich entdecke für mich diese Stadt. Die Brücken waren aus Holz und der Fluss unter ihnen verblasste im nächtlichen Dämmerlicht […] Mein Herz war für Schwandorf vollständig gewonnen.«

Begeben auch Sie sich mit uns auf eine historische Wanderung durch Schwandorf und entdecken Sie die Stadt und ihre abwechslungsreiche Geschichte.

Anfänge an der Naab

Schwandorfs Frühzeit

Die Frühzeit Schwandorfs ist mit vielen Fragezeichen behaftet. Seine Lage am Ostufer der mittleren Naab auf einer Schotterterrasse inmitten einer breiten Niederung des Flusses dürfte die entscheidende Siedlungsvoraussetzung geworden sein. Hinzu kommt, dass sich hier der Flusslauf durch zwei Inseln in mehrere Arme zerteilt, was eine Überquerung erleichtert und was einen Flussübergang von überregionaler Bedeutung vermuten lässt. »Naba«, der vordeutsche Name der Naab, verweist auf »Wasser« und »Feuchtigkeit« und setzt nach dem Abzug der Römer die Existenz einer Population als Trägerschicht voraus, die den Namen tradierte. Völlig menschenleer kann der Raum nie gewesen sein.

Erst im Verlauf des Frühmittelalters wurde der Bereich der mittleren Naab von einer dauerhaften Siedlungsbewegung erfasst. Sie kam aus drei Richtungen: Die Landeserschließung erfolgte hauptsächlich vom Donautal aus und stand unter bajuwarischen Vorzeichen. Der Historiker Alois Schmid ist allerdings der Auffassung, dass die Besiedlung des Schwandorfer Raumes nicht in agilolfingischer Zeit erfolgte, sondern erst in karolingisch-ottonischer Zeit, also im 9. Jh., was durch ein Reihengräberfeld in Krondorf belegt ist.

Als zweite erschließende Kraft sind die Franken zu nennen, die ihren Wirkungskreis von Westen her erst allmählich ins Naabtal vorschoben. Die Naablinie wurde auf dem Höhepunkt der Karolingerzeit erreicht. Dies bezeugt hauptsächlich das Diedenhofener Kapitular von 805. Hier wird eine Grenzlinie des Frankenreiches zu den Slawen hin von der Ostsee bis zur Donau aufgeführt. Premberg (Stadt Teublitz), nur wenige Kilometer südlich von Schwandorf gelegen, wird als »Premberga« ausdrücklich genannt und war dabei offensichtlich eine wichtige Grenz- und Handelsstation an der Ostgrenze des Frankenreiches. Hier sollte der Export der Waffen zu den kriegerischen Awaren überwacht werden, denn von Osten her wirkten als dritte Kraft die Slawen in das Naabtal hinein.

Dieser sehr große Angelhaken ist rund 3.000 Jahre alt. Das 15 cm lange Objekt aus Bronze landete vermutlich zu kultischen Zwecken in der Naab. Fundumstände und Verbleib des Angelhakens sind nicht bekannt, der örtliche Sportanglerverein besitzt allerdings diese Replik.

Wie eine Reihe von Ortsnamen belegt, konzentrierten sich seit dem 8. Jh. Slawenorte zwischen Burglengenfeld und Schwandorf. Ein gewisser Brennpunkt war dabei die Gegend um Teublitz. Doch auch im Nordosten Schwandorfs lassen sich mit dem Ortsnamen Prissath und dem Fund einer frühmittelalterlichen Siedlung bei Dietstätt (Gemeinde Schwarzach) slawische Siedlungsspuren nachweisen. Aus dem Fundmaterial eines außergewöhnlich gut erhaltenen Ziehbrunnens in Dietstätt lässt sich die Wüstung ziemlich genau datieren: Nach der dendrochronologischen Untersuchung der Eichenbalken erfolgte die Fällung der Bäume für die Errichtung des Brunnens im Frühjahr 765.

Dabei trafen offenbar im mittleren Naabraum im frühen Mittelalter die drei genannten Ethnien aufeinander, die vorerst noch friedvoll mit- und nebeneinander lebten.

Politische Brisanz trug erst die Herrschaft der Franken ab 788 in den Raum. Sie war auf Ostexpansion ausgerichtet und schickte als Statthalter Grafen in den bereits in frühere Zeit zurückreichenden Nordgau. Fränkische Grafen sind hier seit der Mitte des 9. Jhs. belegt. Sie kamen zunächst aus dem Umfeld der Karolinger, dann der Luitpoldinger und nach 938 aus dem Geschlecht der Schweinfurter.

Nach der Niederschlagung des Schweinfurter Aufstandes im Jahre 1002 und der Entmachtung der Schweinfurter Grafen erwuchsen kurz nach der ersten Jahrtausendwende auf dem Nordgau und im Bereich der mittleren Naab kurzzeitig neue Kräfte, wie die rasant aufsteigenden Herren von Pettendorf, (Burg-) Lengenfeld und Hopfenohe. Allerdings scheinen diese im unmittelbaren Schwandorfer Raum keine bedeutende Rolle gespielt zu haben.

Erstnennung Schwandorfs

Im Jahre 1006 kam Richolt als neuer Abt ins Stift St. Emmeram in Regensburg. Gleich am Anfang seiner Dienstzeit wird der Sohn des Adeligen Warmund in einer »plötzlichen religiösen Aufwallung«, wie es heißt, Mönch dieses mächtigen Klosters bei der ehemaligen Residenz der frühen bayerischen Herrscher. Der Sohn, seinen Namen kennen wir nicht, kommt nicht mit leeren Händen: Der Vater – der ein bedeutender Adeliger mit reichem Grundbesitz gewesen zu sein scheint – gibt dem jungen Mönch eine Reihe von Besitzungen in dem Dorf »Suainicondorf« an der himmelblauen Naab mit, die nun in das Eigentum des Klosters übergehen. Es handelt sich um einen großen Hof mit den dazugehörigen Untertanen, Fischereirechten, einer Schiffsanlegestelle und mehreren Wassermühlen. Die umfangreiche Übergabe an das Kloster ist für die damalige Zeit ausführlich beschrieben, ein Glück für die Ortsgeschichtsforschung von Schwandorf.

Auf welchem Weg Warmund in den Schwandorfer Besitz gekommen war und wie er im Gefüge des bayerischen Adels in die Zeit um das Jahr 1000 einzuordnen ist, wissen wir nicht. Dazu sind die Quellen zu dürftig. Seine enge Beziehung zu St. Emmeram ist aber allein schon dadurch belegt, dass in der ehemaligen Klosterkirche bis heute sein Hochgrab im Chor des linken Seitenschiffs zu finden ist.

Faksimile der Erstnennung Schwandorfs in den »Traditionsbüchern« des Klosters St. Emmeram (siehe Zeile 7).

Die ganze Übergabe mit abschließender Nennung der anwesenden Zeugen überliefert uns das sogenannte »Traditionsbuch« des Klosters, das damit seinen Besitz urkundlich dokumentiert. Darin sind die zahlreichen Schenkungen an das Kloster ohne Datum, doch in chronologischer Reihenfolge aufgeführt. Zwar ist dabei das Jahr von Warmunds Schenkung nicht ausdrücklich genannt, doch dürfte diese dem Jahr 1006 ziemlich nahekommen.

Mit der Säkularisation kamen die umfangreichen Aufzeichnungen dieses Klosters an das Hauptstaatsarchiv nach München, wo die Urkunde mit Schwandorfs Erstnennung heute noch einzusehen ist.

Neben dem Kloster St. Emmeram hatte in früherer Zeit vor allem die Regensburger Diözese Besitz in Schwandorf und seiner Umgebung. Der Historiker Alois Schmid vermutet, dass sie ursprünglich sogar der eigentliche Grundherr gewesen sei.

Schwandorf und das Kloster St. Emmeram

Schon zur Zeit Konstantins wird in Regensburg eine christliche Gemeinde vermutet. Auf dem späteren Standort des Klosters St. Emmeram dürfte ursprünglich auf einem früheren Friedhofsgelände eine Begräbniskirche getstanden sein.

In der 2. Hälfte des 7. Jhs. erschien in Regensburg der fränkische Wanderbischof Emmeram. Nach seinem Märtyrertod wurde er in der alten Friedhofskirche St. Georg beigesetzt. Hier nahm das ehrwürdige Benediktinerkloster St. Emmeram seinen Anfang. Damit steht diese Kirche, was ihr Alter betrifft, in Regensburg an erster Stelle. Bauepochen aus spätrömischer Zeit bis ins 18. Jh. greifen hier ineinander. Bereits in der Gründerzeit war das Kloster für missionarische und kolonisatorische Aufgaben im Rahmen der agilolfingischen Politik vorgesehen.

Nach der Organisation der bayerischen Bistümer durch Bonifatius (739) gewann auch der Bischof von Regensburg neben dem Herzog Einfluss und verfügte über Grund und Boden. Der Abt von St. Emmeram war im Wechsel zugleich Bischof der Diözese, erst 975 erfolgte die Trennung der beiden Ämter.

HINTERGRUND

DAS RÄTSEL DES ORTSNAMENS

Die Deutung des Ortsnamens Schwandorf bleibt bei Sprachwissenschaftlern bis heute ein Rätsel und gibt Anlass zu Spekulationen. Wichtige Belege für den Siedlungsnamen lauten: Suainicondorf (ca. 1006), Suueinicandorf (1010–1020), Sueinikindorf (ca. 1048), Swainkendorf (1193–1196), Sweingdorff (1431), Swaingdorf (1472), Schwandorff (1473). Schließlich taucht in den Ingolstädter Universitätsmatrikeln auch noch ein aus dem Griechischen hergeleitetes »Cycnocomeus« für Schwandorf auf.

Als Bestimmungswort kann man wohl den Personennamen »Sweinicco« erschließen, so der Ortsnamenspezialist Wolf-Armin Freiherr von Reitzenstein. Das althochdeutsche Wort »swein«, das altnordische »sveinn« und das angelsächsische »svan« – alle drei in der Bedeutung von »Junge«, »Knabe«, dann auch »Knecht« – gelten als Grundwort für den Personennamen »Sweinico«. Die Endung »icco« deutet eine Verkleinerung oder einen Kosenamen an.

Eine Ableitung von einem möglichen weiblichen Vornamen »Sveinica«, eine Deutung als »Schwabendorf« oder eine Herkunft aus dem Keltischen, dem Nordischen, dem Thüringischen oder dem Slawischen, wie ebenfalls schon vermutet wurde, lehnen die Ortsnamenforscher heute ab. Eine gemeinsame Quelle mit dem gleichnamigen Ort (Ober-/Unter-) Schwandorf im heutigen Baden-Württemberg existiert nicht.

So hat der Ortsname von Schwandorf also weder mit dem Schwan zu tun noch mit dem Schwein und wird wohl am ehesten als »Dorf eines Knaben« oder »Dorf eines Knechtleins« gedeutet.

König Arnulf war ein besonderer Gönner des Klosters und errichtete in unmittelbarer Nähe seine Pfalz. St. Emmeram erkämpfte sich die rechtliche Unabhängigkeit und wurde schließlich reichsunmittelbar. Das Kloster spielte gerade im mittelalterlichen Geistesleben eine bedeutende Rolle. In dessen Schreibstube entstand unter anderem der berühmte »Codex aureus«. Neben dem Adel vermehrten schließlich auch Mitglieder der wohlhabenden Regensburger Kaufmannschaft durch Schenkungen den umfangreichen Güterbesitz des Klosters. Etliche der Schenker ließen sich im Kloster begraben. Der umfangreiche Landbesitz von St. Emmeram konzentrierte sich schließlich auf den Süden der Stadt Regensburg und die heutige Oberpfalz und hier vor allem im Bereich der mittleren Naab und der unteren Vils.

In der Schreibstube des Reichsklosters St. Emmeram entstand der Prachtband des berühmten »Codex aureus«, eines der wertvollsten Bücher des deutschen Mittelalters. Ansicht des Stifts St. Emmeram um 1740.

Die in der Urkunde genannte »Hoba« bezeichnet ein größeres Bauerngut. Die weiteren, mit ihm in Verbindung stehenden Fischereirechte (piscationes), Mühlen (molendinae) und eine Schiffanlegestelle (portus) weisen mit seinen Rechten auf einen ländlichen Großgrundbesitz hin, der auf den Fluss ausgerichtet war. Vielleicht war diese »Hoba« sogar ursprünglich der »Urhof«, die agrarische Keimzelle des Ortes. Den Standort können wir heute nur vermuten. Es könnte sich um den einstigen Mühlenstandort an der sogenannten »Sterchanaab« handeln.

Irritieren müssen die in der Mehrzahl genannten Mühlen. Für eine »villa«, also einem Dorf mit nur wenigen Anwesen, sollte eigentlich eine einzige Mahlmühle ausreichend gewesen sein. Existierte hier vielleicht neben einer Getreidemühle bereits eine »Schmiedemühle«, also ein Hammerwerk zur Eisenverarbeitung? Analog dem Ort Schmidmühlen an der Vils, der bei seiner Erstnennung im Jahre 1010 die Wasserkraft zur Eisenbearbeitung bereits in seinem Namen trägt. Aber wir können nur vermuten.

Auch die ausdrückliche Erwähnung eines »portus«, also eines »Hafens«, lässt darauf schließen, dass es sich hier nicht um eine lokale Schiffsanlegestelle für eine Naabfähre gehandelt hat oder das, was man damals als eine »Ladestatt« bezeichnete, sondern tatsächlich auf einen wichtigen Haltepunkt im Schiffsverkehr auf der Naab hinweist. Ermöglichten doch die flachen »Kelheimer«, wie sie später zum Salz- und Eisentransport auf der Vils und der unteren Naab zum Einsatz kamen, den Massentransport von Waren. Die Naturalabgaben an das Kloster St. Emmeram dürften so auf der Naab den Weg von Schwandorf nach Regensburg gefunden haben.

Die Schwandorfer Schenkung wurde bald ausgebaut. Wenig später machte der Regensburger Bürger Imici, wohl ein reicher Fernhändler mit einem Warenlager am Ort, eine Zustiftung, ein größeres Gut, »predium« genannt. Weitere Zustiftungen erfolgten, ebenso wie in den Nachbarorten Ettmannsdorf und Premberg. So bildete sich im Lauf der Zeit in und um Schwandorf ein beträchtlicher klösterlicher Grundbesitz. Schon der Güterrotulus von 1031 nennt in Schwandorf zwei Huben, von denen Einnahmen von beträchtlichen 70 Denaren an das Kloster gingen. Doch ist dieser Besitz nicht beim Kloster geblieben. Im Rahmen der Güterteilung zwischen Domkloster und Domkirche im 11. Jh. kam der Schwandorfer Güterkomplex an die Domkirche. Das Domkapitel wurde dabei zum wichtigsten Grundherrn und Schwandorf mit seiner unmittelbaren Umgebung war fest in geistlicher Hand.

Das Domkapitel war aber nicht nur Eigentümer der späteren Schwandorfer Pfarrkirche, es besaß ein Haus am Marktplatz und ein weiteres im Bereich der ehemaligen Burganlage. Im Jahre 1537 erhielt es noch Abgaben aus insgesamt 36 Orten im Umkreis der Stadt. Ein eigenes Kastenamt zog die entsprechenden Summen bzw. Naturalien für die Domherren ein und noch 1807/08 betrugen die jährlichen Einkünfte aus dem Schwandorfer Stadtbereich den beachtlichen Betrag von weit über 6.000 Gulden. Zum gleichen Zeitpunkt zahlten 104 von insgesamt 245 Anwesen der Stadt jährlich Zinsen an die Pfarrkirche. Ein weiterer Hinweis auf die enge Verbindung zum Regensburger Domkapitel in früherer Zeit!

Vom Dorf zum Markt

Frühe wirtschaftliche Bedeutung

Mit der ersten schriftlichen Nennung um das Jahr 1006 tritt Schwandorf zwar aus dem Dunkel der Geschichte, doch liegt die Gründung des Ortes sicher noch weiter zurück. Die Erwähnung von mehreren Mühlen und Fischereirechten um die erste Jahrtausendwende verweisen bereits auf eine gewisse Größe und wirtschaftliche Bedeutung Schwandorfs. Die Bauern der Umgebung mussten ihr Getreide ausschließlich hier mahlen lassen und haben es in Schwandorf auch verkauft. Der Samen für eine gedeihliche Weiterentwicklung zur Stadt war damit gelegt. Doch vorgeschichtliche Funde, wie etwa ein überdimensionaler Angelhaken oder ein steinzeitliches Beil sowie die jüngst entdeckten Pfostenlöcher von Gebäuden in Krondorf, lassen vermuten, dass sich das heutige Schwandorf und seine Umgebung bereits auf uraltem Siedlungsland befinden.

Eine weitere Schenkung eines Gutes an St. Emmeram in Schwandorf im Jahre 1010/1020 durch den Regensburger Fernhändler Imici weist erneut auf die wirtschaftliche Bedeutung des Schwandorfer Raumes um die erste Jahrhundertwende hin. Wir dürfen davon ausgehen, dass sich hier ebenfalls ein Stapelplatz für Handelswaren befand. Eventuell wurden hier schon Produkte aus einem eisenverarbeitenden Hammerwerk verschifft, wie es für das Spätmittelalter urkundlich belegt ist.

Die adeligen Besitzer des Ortes oder auch die Vögte des Klosters St. Emmeram scheinen den Naabübergang bei Schwandorf schon bald durch eine befestigte Anlage im Bereich des heutigen Pfleghofes bzw. im Umgriff der heutigen Pfarrkirche St. Jakob geschützt zu haben. Doch die genaue Lage und die Größe dieser Wehranlage lassen sich wegen fehlender archäologischer Spuren nur vermuten, ebenso wie die Lage des »Urhofes«. Die in der Literatur genannte Verwendung des Kirchturmes von St. Jakob als Teil der ursprünglichen Burganlage beruht auf Spekulationen. Vielleicht bringen hier einmal Funde in späterer Zeit Licht in das Dunkel. Die erhöhte Lage an der Engstelle zwischen Naab und Weinberg bot sich jedenfalls als idealer Standort einer Burganlage an. Im Landshuter Erbfolgekrieg von 1504 wurde diese Burg schließlich zerstört.

An der »Inneren Naab«, der sogenannten »Sterchanaab«, wo sich der Fluss in zwei Arme teilt und wo einst ein kleiner Bach mündete, soll die erste Ansiedlung Schwandorfs gelegen sein. Auch die mehrfach zitierte Schiffsanlegestelle dürfte in sich in unmittelbarer Nähe davon befunden haben – Postkarte um 1910.

Der wittelsbachische Amtssitz

Im Jahre 1115 starb mit Friedrich (III.) der letzte der Herren von Hopfenohe-Pettendorf-Lengenfeld. Die Pettendorf-Lengenfelder Dynasten zählten einst zu den bedeutendsten Adelsgeschlechtern im Nordgau. Ein Teil ihrer Herrschaft fiel an Otto IV. von Wittelsbach, der mit Heilika, der ältesten Tochter Friedrichs, verheiratet war. Der an die Wittelsbacher gefallene Erbteil reichte nördlich von Regensburg bis in die Gegend von Ensdorf/Amberg und Burglengenfeld und umfasste damit Besitzungen sowie Rechte um die Vils, die Naab und den Regen. Mit dieser dynastischen Verbindung gelang den Wittelsbachern der Sprung über die Donau und eröffnete ihnen den Zugang zum Nordgau. Otto gründete 1121 im nahen Ensdorf im Vilstal ein Hauskloster, wo er auch begraben liegt. Sein Hochgrab ist bis heute auf der linken Seite im Chorraum der ehemaligen Klosterkirche zu finden.