Schwanenliebe - ein ganzes halbes Leben - Florentine Steigenberger - E-Book

Schwanenliebe - ein ganzes halbes Leben E-Book

Florentine Steigenberger

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Beschreibung

Florentine lebt in einer Patchwork-Familie mit drei Kindern, Ehemann, Ex-Mann und dessen Freundin, dazu kommen ein Hund, eine Horde Schildkröten und verschiedene weitere Familienmitglieder. Das Haus ist irgendwie immer voll … aber ist sie glücklich? Sie scheint den roten Faden ihres Lebens vor lauter Karriere und Kindererziehung verloren zu haben und weiß nun keine Antwort. Mit Humor und Optimismus macht sie sich auf die Suche, doch immer wieder spielt ihr das Schicksal einen Streich. Nach und nach lernt sie, sich von ihren Idealvorstellungen zu lösen. Doch gerade, als alles endlich wieder für sie nach Plan zu laufen scheint, gerät ihre Welt komplett aus den Fugen. So ist sie mit Mitte 40 auf einmal mit Fragen konfrontiert, die sie eigentlich schon abgehakt hatte: Wie funktioniert das mit der Liebe? Wie erkennt man, wenn das Schicksal einem eine Chance gibt - und wie findet man den Mut, diese zu ergreifen? Denn alles geschieht aus einem Grund! Ein Roman über die Liebe, internationale Begegnungen, das Loslassen und das Festhalten.

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Seitenzahl: 585

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Aus dem Inhalt

1 Schwanenliebe

2 Bauchgefühl

3 Berufswechsel

4 Wink aus der Vergangenheit

5 Jugend – „Liebe“?

6 Hochzeitstag

7 Schmetterlinge im Bauch

8 Die Erde bebt

9 Tanz auf dem Vulkan

10 Lieblingsgrossfamilie

11 Fels in der Brandung

12 Beziehungsweise

13 Leben im Vulkangebiet

14 Alles brennt

15 Nach einem ganzen halben Leben

16 Danach … und noch viel mehr

17 Das Problem, einen älteren Schwan zu finden

18 Schwanenliebe und eine späte Erkenntnis

19 Das Glück, einen jungen Schwan zu finden

20 Alles passiert aus einem Grund

Widmung

Hinweis der Autorin

Quellenangaben und Zitate

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2016 novum Verlag

ISBN Printausgabe: 978-3-95840-208-9

ISBN e-book: 978-3-95840-209-6

Lektorat: Susanne Schilp

Umschlagfoto: Florentine Steigenberger

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum Verlag

www.novumverlag.com

Aus dem Inhalt

Florentine Steigenberger ist Mitte vierzig, selbstständige Unternehmerin und hat drei erwachsene Kinder.

Sie glaubt, den roten Faden im Leben verloren zu haben. Sie lebt in einer Patchwork-Familie und ist in zweiter Ehe mit Alexander verheiratet. Die Beziehung zwischen Alexander, dem leicht unterkühlten, karriereorientieren Analytiker und Vertriebsfachmann, und der emotionalen, multibegabten und warmherzigen Florentine funktioniert erstaunlich gut.

Aber ist sie glücklich?

Die erste Hälfte ihres Lebens ist sie so beschäftigt mit Karriereplanung und Kindererziehung, dass sie sich darüber wenig Gedanken macht. Bis zu ihrem 45sten Geburtstag hat das Leben viele Überraschungen für sie parat und Florentine versucht mit Humor und Optimismus, sowohl ihren roten Faden wiederzufinden als auch auf die unvorhergesehenen Ereignisse bestmöglich zu reagieren. Florentines manchmal selbstbewusste Aktionen passen nicht zu ihren Ängsten und Gedanken. Und so findet sie sich – wie viele Frauen – in permanentem Zwiespalt.

Florentine Steigenberger ist ein Schwan … Zumindest, was das Verhalten in einer Beziehung angeht. Das beginnt schon in frühester Jugend, denn man kann als Eltern seine Kinder erziehen, wie man will, schlussendlich machen sie einem doch alles nach. Und Florentines Eltern liefern ihr die Idealvorstellung einer intakten Familie.

Bei Florentine gestaltet sich aber genau das recht schwierig, was auch den Ansprüchen der heutigen Gesellschaft an die moderne Frau geschuldet ist.

Die Erzählungen wechseln zwischen Vergangenheit und Gegenwart und dieser Wechsel gestaltet die Geschichte abwechslungsreich.

Und gerade als in Florentines Leben alles nach ihrem Plan zu laufen scheint, hat sich derjenige, der ihr Lebensdrehbuch schreibt, andere Pläne für sie ausgedacht.

Alles passiert aus einem Grund! Doch diesen kennt nur er!

1 Schwanenliebe

In Münster auf dem Aasee trifft der schwarze Schwan Petra eines Tages einen großen, schönen Schwan in Form eines Plastik-Tretbootes.

Petra ist sofort begeistert von dem coolen Typen und verliebt sich in das Boot!

Sie wird nicht müde, dem Schwanenboot ihre Liebe zu zeigen und weicht nicht von seiner Seite, obwohl das Boot ihr immer nur die kalte Plastik-Schulter zeigt!

Da es Petra aber auch nicht wegstößt, deutet sie dies als Zustimmung und begleitet das Boot auf jeder Fahrt.

Das Leben ist aufregend. Es kommen viele Menschen und es gibt immer neue Abenteuer auf dem See. Petra wird müde!

Das Leben ist so anders als erwartet.

Aber ihr Auserkorener weicht ihr ja schließlich nicht von ihrer Seite. So macht sie jedes Abenteuer mit, obwohl sie sich das Leben anders vorgestellt hatte!

Selbst im Winter, wenn die Boote in die Halle gefahren werden, kommt Petra mit und verbringt den Winter dort, wo die Boote sind.

Die Winter sind lang und langweilig und Petra beginnt zu zweifeln, ob das das Leben ist, von dem ihr ihre Eltern berichtet hatten.

Aber sie ist nun mal ein Schwan. Und leidensfähig! Und außerdem lächelt ihr Plastik-Freund ihr täglich so lieb zu, dass es doch richtig sein muss, an seiner Seite zu bleiben.

Doch die Zweifel kommen immer wieder: Kann es sich lohnen, ein treuer Schwan zu sein, wenn das Leben ganz anders ist, als Schwan es erwartet?

Mein toller, attraktiver Freund sieht zwar aus wie ein Schwan, aber vielleicht ist ja Schwan doch nicht gleich Schwan? Bin ich mit dem richtigen Schwan zusammen?

Das Leben ist zwar aufregend, aber was bekomme ich zurück?

Ich bin ein Schwan, denkt Petra, stolz und treu! Liebe ist harte Arbeit!

Ich muss mich mehr anstrengen!!!

Von den Eltern hatte sie gelernt, dass eine Schwanenliebe ein ganzes Leben dauern würde. Und zwar ganz ohne jede Diskussion!

Aber würde sie ein ganzes Leben durchhalten können?

Würde sie so glücklich werden können?

2 Bauchgefühl

Da war es wieder … das taube Gefühl in der Magengegend, als hätte dir jemand einen Schlag in den Bauch verpasst. Der Kopf ist leer, der gesamte Körper tut weh. Ich liege wach und starre durch das Fenster den Vollmond an. Es ist 02:32 und ich habe noch kein Auge zugetan.

Stattdessen habe ich ungefähr tausend Mal auf meinem Smartphone geprüft, wann Alexander zuletzt online war. 22:20 … Ich bin todmüde und gleichzeitig hellwach. Mein Kopf tut weh und mein Körper ist schwer. Ich sollte wirklich versuchen zu schlafen. Ich mache einen nächsten vergeblichen Versuch und rolle mich fest in die Bettdecke ein. Es ist eine große Bettdecke, unter der wir stets gemeinsam gekuschelt haben. Alexander ist der erste Mann, mit dem ich von Anfang an unter einer gemeinsamen Bettdecke geschlafen habe. Immer eng aneinander und immer gemeinsam. Jetzt bin ich alleine unter meiner Riesenbettecke. Die Leere in meinem Bett macht mir Angst. Ich könnte schreien, weinen vor Angst, aber es fehlt mir die Kraft. Kraft, die mir auch am nächsten Tag fehlen wird. Ich habe in den letzten Tagen kaum geschlafen. Bei diesem Gedanken werde ich wütend. Warum hat er mir nicht wenigstens mitgeteilt, dass er gut angekommen ist? Ständig ist er online, ohne mich ein einziges Mal zu kontaktieren. Ist das fair mir gegenüber? Warum nur scheine ich ihm egal zu sein?

Früher wollte er jede Minute mit mir verbringen! Stattdessen hatte er jetzt bei unserem letzten Gespräch mit unserem Freund und Architekten Lukas, in dem es darum ging, unsere gemeinsame zukünftige Wohnung in meinem Elternhaus auf dem Land zu planen, ganz komische Andeutungen gemacht. Man solle da nichts überstürzen und er wüsste nicht, was sein Arbeitgeber noch alles mit ihm vorhabe. Sein Beruf habe derzeit noch Priorität vor dem Privatleben. Für mich ist das wie ein Schlag in den Bauch. Und seither werde ich dieses Gefühl auch nicht los.

Ich wälze mich herum, das Bett neben mir ist mal wieder leer und im Gegensatz zu mir, die sich nach dem Partner sehnt, scheint mein Mann noch nicht mal das Bedürfnis zu haben, mit mir zu telefonieren, geschweige denn, mir eine Nachricht zu schreiben. Das Gefühl in meinem Bauch sagt: „Du solltest dir wirklich Sorgen machen“ – was tut er, wo ist er, mit wem ist er zusammen? Ja klar, ich weiß, dass er auf Geschäftsreise ist, aber dann kann man sich doch melden. Er weiß, dass ich mir Sorgen mache, und zwar nicht nur, weil ich nicht weiß, ob er heute wirklich alleine im Bett liegt, sondern auch, weil er immerhin sechs Stunden Autofahrt hatte und da kann man ja nie wissen.

Egal, ich kenne dieses Bauchgefühl, verlassen zu werden! Mein Körper hat mir das schon einmal mitgeteilt, viel früher, als mein Kopf das verstanden hat.

Das ist jetzt allerdings schon fast zwei Jahrzehnte her!

Das letzte Mal hatte ich dieses Gefühl also vor über 15 Jahren und kann mich sehr genau daran erinnern! An genau dieses!

Damals stand ich abends in der Küche und wartete auf Johannes, der auch nicht nach Hause kam. Unsere drei kleinen Kinder waren schon lange im Bett, der Haushalt erledigt und die Büroarbeiten abgeschlossen. Jo kam nicht heim. Ich spürte ein Gefühl von Angst, Schmerz und Bauchweh und stand da und schaute aus dem Fenster. Ich dachte: „Komisch? – Was ist denn das für ein Gefühl im Bauch, ich werde doch nicht krank werden?“

Mir wurde schlecht und ich konnte das Gefühl überhaupt nicht einordnen … Es war einfach ein sehr starkes, negatives Gefühl! War das mein Instinkt oder Intuition?

Jo kam am nächsten Tag nach Hause und ohne dass wir redeten, war mir blitzartig klar: Unser Leben wird sich ändern, das wusste ich! Ich bekam eine Gänsehaut und weiche Knie! Wie sich mein Leben ändern würde, konnte ich an diesem Abend noch nicht annähernd begreifen. Vielleicht war das der Start der verrücktesten Familiengeschichte, die man sich je hätte ausdenken können. Damals hatte ich eigentlich gedacht, ich hätte schon viel erlebt: verrückte Dinge, ärgerliche, schmerzhafte und lehrreiche Erlebnisse gab es bis dato eigentlich genug!

Aber mein Leben hatte sich nun mal vorgenommen, meine Belastbarkeit auf eine weitere Probe zu stellen.

Man sagt:

Alles passiert aus einem Grund!

Nur, wer entscheidet denn immer, was ein „Grund“ ist?

Wie viele Gründe gibt es?

Was ist ein guter Grund?

Gibt es auch schlechte Gründe?

Wann werde ich die Gründe erkennen oder gar verstehen?

Und vor allem … Wann hört das mal auf,

dass sich Dinge „aus einem Grund“ verändern?

*

„Ich glaube, dass alles, was passiert, seinen Grund hat.

Menschen verändern sich, damit du lernst,

jemanden gehen zu lassen.

Dinge laufen falsch, damit du die richtigen zu schätzen weißt.

Die Lügen glaubst du, nur um daraus zu schließen,

dass du nicht jedem vertrauen kannst.

Und manchmal muss etwas Gutes vorbeigehen!

Damit etwas Besseres folgen kann.“

(Marilyn Monroe)

*

Also verehrte Frau Monroe, hättest du diesen weisen Spruch selber geglaubt, dann wärst du sicherlich nicht depressiv geworden, sondern hättest an dich geglaubt. Und vielleicht wärst du dann älter geworden als nur 36 und nicht an einer Überdosis Barbiturate gestorben!

Ich für meinen Teil weiß nicht mehr, was ich glauben soll. An mich selber glaube ich auch nicht so wirklich.

Ich bin jetzt Mitte vierzig und selbst das kann ich nicht wirklich richtig glauben. Bin das wirklich ich, die mich morgens verknittert aus dem Spiegel anschaut? Wenn mich jemand nach meinem gefühlten Alter fragen würde, würde ich mit voller Inbrunst antworten: „16 und keinen Tag älter!“ Daher fiel es mir von Anfang an schwer, eine strenge und konsequente Mutter zu sein. Viel zu sehr konnte ich mich stets mit den Problemen meiner Kinder identifizieren. Ich wurde streng katholisch erzogen und wuchs in einer klassisch intakten Familie auf dem Land auf. Meine Jugend war geprägt von diesem Idealbild der Familie aber auch von der Tatsache, dass man über viele Dinge einfach nicht zu diskutieren hatte.

Mit der gleichen Konsequenz, mit der ich immer wieder von meinem Vater gesagt bekam: „Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, entscheide ich!“ wurde ich in die Freiheit entlassen, als ich die Füße nicht mehr unter den Tisch stellte.

Plötzlich erkenne ich, dass es oft gar nicht so einfach ist: zu „entscheiden“. Was ist richtig, was ist falsch? Wie treffe ich für mein Leben die richtigen Entscheidungen? Ich hatte weder gelernt, Dinge zu diskutieren, noch abzuwägen. Meine Eltern hatten mir zwar einiges mit auf den Weg gegeben, so zum Beispiel, dass man einen Regenschirm zu benutzen hatte, wenn es regnete. Aber was mache ich, wenn ich gerade nicht den passenden Regenschirm zur Hand habe? Wie finde ich den geeigneten Regenschirm? Und das möglichst rechtzeitig und kostengünstig. Welche Alternativen gab es? Das hatte ich nicht gelernt!

Und so stehe ich so manches Mal im Regen und hätte mir gewünscht, dass mich jemand auf den Wetterbericht hingewiesen hätte.

Irgendwann erkenne ich, dass ich im Leben pragmatisch sein muss, auch wenn mich der eine oder andere Hagelschauer zu einem extrem kritischen Menschen macht, was die grundsätzliche Stabilität einer Wetterlage anbetrifft. Ich erkenne außerdem, dass einem niemand eine perfekte Wettervorhersage machen kann. Das Wetter des Lebens hat seine eigene Dynamik und niemand kann mir sagen, ob eine heute getroffene Entscheidung morgen noch richtig sein wird. Des Weiteren wird niemand dafür weder die Verantwortung übernehmen noch die Konsequenzen tragen. Ich selber muss für mich abwägen und dann entscheiden, ob es sinnvoll sein wird, einen Regenschirm mitzunehmen, oder ob ich das Risiko eingehe und ohne diesen zusätzlichen Ballast vor die Tür gehe, der mich im Zweifel nur behindert, wenn die Sonne scheint.

Diese Erkenntnis bekomme ich nur langsam und selbst mit Mitte vierzig habe ich durchaus noch nicht das Selbstbewusstsein, hinter meinen Entscheidungen und der Person „Florentine Steigenberger“ zu stehen, das ich mir gewünscht hätte.

Stattdessen beginne ich, wenn ich einmal wieder so richtig nass geworden bin, an mir und meinen planerischen Fähigkeiten zu zweifeln. Ein idiotischer Teufelskreis.

Mein Umfeld teilt meine eigene kritische Sicht auf mein Leben und mein Äußeres nicht. Von außen betrachtet scheint es so, als hätte ich alle Widrigkeiten immer mit einem Lächeln gemeistert und jede Krisensituation mit Leichtigkeit genommen. Es scheint, als sei ich psychisch unversehrt aus jeder Krise herausgekommen. Auch physisch hat mein Körper die drei Schwangerschaften relativ gut überstanden und nach der Entbindung meines dritten Kindes bin ich deutlich schlanker als zuvor. Mein Bauch hat mir zwar den Umfang der letzten Schwangerschaft von 110 Zentimetern mit einigen mehr oder weniger sichtbaren Rissen gedankt, aber meine sportliche Figur habe ich mir seit meiner Jugend ganz gut erhalten können. Wenn ich nicht gerade beruflich unterwegs bin und von zu Hause aus arbeite, kleide ich mich meist unkompliziert und sportlich, tatsächlich eher im Stil einer 16-Jährigen.

Kurz: Von außen bin ich für die meisten die perfekte Powerfrau!

Meine Jugendfreundin Bella, eigentlich heißt sie Isabella, stellt bei meinem letzten Besuch bei ihr in Stuttgart fest:

„Wann immer du mit mir unterwegs bist, gelten nur DIR die Blicke der faszinierten Männer. Das ist ja echt nicht zum Aushalten! Und nur, weil du groß und schlank bist. Du fällst viel schneller auf als ich kleine Wurst! Das ist einfach nicht fair!“ Bella ist mit ihrem dunklen Wuschelkopf wirklich hübsch, aber gut einen Kopf kleiner als ich.

„Und was habe ich davon?“, frage ich. „Nur weil ich schneller „auffalle“, das Wort spreche ich betont langsam mit einem Augenrollen, „werde ich noch lange nicht selbstbewusster!“

Ich hole tief Luft. „Das Problem ist nämlich Folgendes: Da bemüht man sich als Frau in alle Richtungen, um die optimale Karrierefrau, Hausfrau, Mutter und Geliebte zu sein, dabei noch gut auszusehen und sich niemals zu beschweren und dann, wenn du das alles geschafft hast, wirst du für deinen Partner … langweilig oder uninteressant! Da muss man doch selbstkritisch werden und an sich zweifeln, oder? Und dann bei der Suche nach einem neuen Partner, hast du mal gesehen, wer sich hier so in den oberen Regionen aufhält? Fast niemand, denn hier ist die Luft ziemlich dünn!“, scherze ich.

„Vielleicht bist du einfach zu anspruchsvoll?“, meint Bella.

„Nur weil ich jemanden suche, der mir auf Augenhöhe begegnet?“

„Also ich weiß nicht, was du willst. Einerseits suchst du jemanden, der sagt, wo es langgeht und dem du nur hinterherlaufen musst und andererseits willst du deinen eigenen Weg gehen und eigenständig sein. Dich soll einer verstehen!“

Ja, was will ich eigentlich? Was will ich erreichen? Wie will ich leben? Was erwarte ich von meinem Leben und was bin ich bereit, dafür zu tun?

Mit Mitte vierzig sollte ich das langsam mal herausgefunden haben.

*

Alexander ist mein zweiter Ehemann. Alex hat mich vor knapp zehn Jahren geheiratet. Und mit mir meine drei Kinder, meinen ersten Ehemann und dessen neue Freundin. Wir sind eine moderne Patchwork-Familie. Wobei wir nicht nur dem Kult-Roman „Ich heirate eine Familie“, sondern auch dem Begriff „Patchwork-Familie“ eine neue Dimension gegeben haben.

Wir wohnen alle zusammen in der „Villa Kunterbunt“, einem Mehrfamilienhaus mit mehreren eigenständigen Wohneinheiten. Allen Unkenrufen zum Trotz haben wir immer der Familie den höchsten Stellenwert in unserem Leben gegeben und damit alle anderen persönlichen Ziele und Wertvorstellungen diesem Thema untergeordnet. Gleichzeitig haben wir aber auch die Synergien, die sich durch eine solche Wohnsituation ergeben, zu schätzen gelernt.

Auch Alexander, der noch studiert, als ich ihn kennenlerne, fühlt sich schnell wohl in unserem Nest, wobei er in seinem Bekanntenkreis für seine Entscheidung meist nur Kopfschütteln und Unverständnis erntet.

Inzwischen hat Alexander Karriere gemacht und ist Vertriebsdirektor eines großen Konzerns in der Nähe von Frankfurt. Ich bin selbstständig als Übersetzerin und Dolmetscherin und habe weitestgehend von zu Hause aus arbeiten können, als die Kinder klein waren. Zwischenzeitlich hat mich dann ein Firmenkunde so intensiv beschäftigt, dass ich über viele Jahre den Spagat zwischen Haushalt und Job nur mit viel Energieaufwand und mit einigen Abstrichen am Privatleben bewältigen konnte. Alexander und ich gaben uns quasi die Türklinke in die Hand. Kurz vor dem Burn-out habe ich aktiv entschieden, dass ich als Freiberuflerin nicht auf zu vielen Hochzeiten tanzen sollte.

Somit entscheide ich mich unter finanziellen Einbußen dafür, einen Großkunden aufzugeben. Stattdessen arbeite ich für ein Londoner Unternehmen unter anderem als Reiseleitung. Ich bin somit zwar auch auf Geschäftsreisen im In- und Ausland unterwegs, aber nicht mehr so oft, wie es zwischenzeitlich der Fall war. Unsere Kinder haben fast alle den angestrebten Schulabschluss in der Tasche oder befinden sich auf einem guten Weg dahin. Sie wohnen zwar alle noch zu Hause, sind aber sehr selbstständig und selbstbewusst. In absehbarer Zeit würden sie die Villa Kunterbunt verlassen und sich ihre eigenen Nester bauen.

Alexander und ich wollen dann zurück zu meinen Eltern aufs Land ziehen, um das dort inzwischen gut etablierte Gartencafé in meinem Elternhaus weiterzuführen und uns im Alter um die Eltern kümmern zu können.

Alles ist perfekt. Unser Plan ist aufgegangen und wir strafen damit all diejenigen Lügen, die sich über unsere Lebensweise lustig gemacht oder nicht daran geglaubt haben, dass wir das überhaupt hinbekommen.

Wir haben es hinbekommen! Das Ziel, die Kinder zu robusten und dennoch feinfühligen, aber selbstbewussten und gradlinigen Menschen zu machen, ihnen Wurzeln und Flügel gleichzeitig zu geben, ist erreicht.

In den Nächten, in denen ich wach liege und darüber nachdenke, warum Alexander sich nicht bei mir meldet, wenn er auf Geschäftsreisen ist, denke ich über all das nach. Die Erkenntnis, dass wir eines unserer geplanten Ziele erreicht haben, macht mich einerseits stolz. Andererseits erschreckt mich aber auch der Gedanke, dass ich nun wohl ein neues Ziel brauche. Wir gemeinsam oder jeder für sich! Haben wir noch ein gemeinsames Ziel? Bisher war das selbstverständlich gewesen. Ich verdränge die Gedanken an meine Zukunft, wie es weitergeht, wenn die Kinder nun „erwachsen“ sind, weil ich erkennen muss, dass ich das für mich noch gar nicht so genau definiert habe.

Was mache ich mit der zweiten Hälfte meines Lebens?

Aber egal, über welche Alternativen ich nachdenke, alle Varianten sind für mich selbstverständlich mit Alexander verbunden. Genauso wie die erste Hälfte meines Lebens mit der Familie verbunden war.

Alexander war schon immer oft beruflich unterwegs. Es hat mich nie sonderlich gestört, weil ich selber immer sehr mit dem Spagat zwischen Beruf und Kindererziehung beschäftigt war. Und schließlich war er immer da, wenn ich ihn brauchte. Unsere Beziehung ist gekennzeichnet durch ein Grundvertrauen, ein unsichtbares Band, das dem Partner alle Freiheiten und seine Eigenständigkeit erhält, ihn aber auch festhält und in brenzligen Situationen Sicherheit gibt. Alexander ist kein Mensch der großen Worte. Er redet tatsächlich nicht viel, aber wenn, dann geschieht das mit Sinn und Verstand.

Alexander hat nie versucht, mich zu ändern oder mir Vorschriften zu machen, sondern war immer ein pragmatischer Ratgeber und geduldiger Partner. Mein Fels in der Brandung. Habe ich ihm das oft genug gezeigt?

Alexander ist mein Traummann. Mit seinen dunklen Haaren und dem eher hellen Hauttyp passt er eigentlich gar nicht in mein bisheriges Beuteschema. Ich hatte meist blonde und braun gebrannte Partner. Alexander ist so ganz anders. Er ist zwar einige Jahre jünger als ich, aber durch seine ruhige, überlegte Art ist er seit Beginn unserer Beziehung der Ruhepol in meinem Leben. Er ist tatsächlich noch einen Kopf größer als ich und ich bin froh, dass ich mit ihm einen Mann gefunden habe, zu dem ich „aufschauen“ kann, was bei meiner eigenen Körpergröße nicht so leicht ist. Ich liebe seine starken Schultern und sein breites Kreuz und ich erkenne nun nicht nur, dass ihn vermisse, wenn er nicht neben mir im Bett liegt, sondern auch, wie sehr ich ihn vermisse! Während mir das früher nie so aufgefallen ist, weil ich viel zu müde oder zu beschäftigt war, beginne ich nun zu grübeln. Mein Magen signalisiert mir ein bekanntes Gefühl bei diesen Gedanken. Da ich dieses Gefühl wiedererkenne, beschließe ich, der Ursache dafür auf den Grund zu gehen. Aber wie sollte ich das auf subtile Weise anstellen?

Ich beschließe, Alexander einfach zu fragen und mit meinen Sorgen zu konfrontieren. Schließlich sind wir nun schon so lange zusammen und haben bisher alle Hürden gemeinsam genommen. Wir sind immer offen und ehrlich miteinander umgegangen. Und warum sollte sich das ändern? Wenn es einen Grund gab, warum er nun begann, sich von mir zu distanzieren, dann würde er mir das sicher sagen. Insgeheim hoffe ich aber, dass er, wie schon so oft, meine Befürchtungen zunichtemachen würde, mich in den Arm nimmt und sagt: „Mach dir keine Sorgen: Alles ist gut!“

3 Berufswechsel

Johannes Steigenberger, Jo, lerne ich auf einem Seminar kennen. Ungefähr 20 Mädels sollen in diesem Seminar lernen, wie die Anfang der 90er aufkommende Stepp-Aerobic-Bewegung erfolgreich den Kursteilnehmern beigebracht wird, ohne dass diese über ihre Füße oder das Stepp fallen, oder beides im Wechsel. Dabei sollen sie sich nicht allzu sehr konzentrieren müssen, während sie bei einer anspruchsvollen Choreografie das Herzkreislaufsystem und den Bewegungsapparat trainieren.

Auch ich gebe Stepp- und Aerobic-Kurse in meinem eigenen Fitness-Studio. Mit dem Kauf eines Fitness-Studios liege ich zwar voll im Trend, bin aber persönlich an einem Punkt angelangt, wo sich der rote Faden in meinem Lebenslauf endgültig verloren hatte.

Meine Karriereplanung war eigentlich eine andere gewesen: Ich wollte beruflich erfolgreich sein! Ich hatte zwar keine genaue Idee, aber eine Art roten Faden gab es und bis dato verfolgte ich diesen auch zielstrebig.

Nachdem ich die Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin erfolgreich abgeschlossen hatte, bewarb ich mich direkt in Frankfurt um eine Stelle als Exportsachbearbeiterin.

Mir war nicht klar, ob das etwas für mich war, aber auf jeden Fall reizte mich die Großstadt. Ich wollte weg aus meinem „Kuhdorf“.

Eine Bewerbung, ein Vorstellungsgespräch – ein Arbeitsvertrag. Ich bekam die Stelle und zog nach Frankfurt. Schnell merkte ich, dass mich diese Arbeit in der Exportsachbearbeitung nicht auslastete. Daher war ich hoch erfreut, dass sich durch einen Besuch im Fitness-Studio des Bürogebäudes der Firma noch eine nebenberufliche Tätigkeit auftat. Eigentlich wollte ich in dem Studio gerne Kurse besuchen. Allerdings konnten dort aufgrund akuten Trainermangels keine Kurse angeboten werden. „Und das in der heutigen Zeit! Was seid ihr denn für ein Laden!“ Ich schüttelte nur den Kopf und der Chef sagte: „Pass auf, du machst die Ausbildung und dann kannst du bei uns Kurse geben.“

In den folgenden Monaten fuhr ich also an den Wochenenden nach Köln und ließ mich in Theorie und Praxis zum „Aerobic-Instruktor für Gesundheitssport und Sporttherapie“ ausbilden. Somit hatte ich dann zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Ich hatte meinen sportlichen Ausgleich und wurde in meiner Freizeit noch dafür bezahlt, mit anderen zu „turnen“, anstatt Geld für den Monatsbeitrag im Fitness-Studio auszugeben.

In diesem Fitness-Studio übernehme ich motiviert und enthusiastisch schnell die Verantwortung für das Kursprogramm – und Kurse geben wird meine neue Leidenschaft und ist für mich wie Therapie. Ich liebe es, die Menschen zu motivieren und ganz nebenbei damit auch mich selbst!

Eines Tages treffe ich Richard in diesem Fitness-Studio, einen gut aussehenden, aber aktuell arbeitslosen Immobilienmakler. Er ist groß, blond, blauäugig und hat eine umwerfend athletische Figur. Er fällt nicht nur in mein Beuteschema, sondern auch vollständig in das Klischee „Fitnesstrainer“. Dennoch lasse ich mich auf einen aktiven Flirt ein. Aus einem anfänglichen Flirt wird jedoch schnell mehr und wir verstehen uns so gut, dass wir das Hirngespinst eines eigenen Studios zu spinnen beginnen.

Ich liebe es, die Mischung aus Wagemut und Abenteuer und das Gefühl, dass sich mein Lebens-Karussell zunehmend schneller drehte. Die Idee, dass ich auch mal eine Fahrt aussetzen könnte, um über das eine oder andere nachzudenken, habe ich nicht. Ich kündige meine gut bezahlte Stelle in Frankfurt, um mich selbstständig zu machen. Das ist das vorläufige Ende des roten Karriere-Fadens … verursacht aber ein erhebliches Glücksgefühl. Ja, ich mach das jetzt, weil ich lebe!

Mit der finanziellen und tatkräftigen Unterstützung meiner Eltern, die erstaunlicherweise nicht mahnend den Finger hoben, sondern offensichtlich auch Spaß an der Idee hatten und mit vielen nächtlichen Umbauaktionen haben wir innerhalb weniger Monate ein passables Fitness-Studio in einem kleinen Ort zwischen Rhein und Nahe und sind stolze „Geschäftsleute“ der Fitnessbranche, ohne jegliche betriebswirtschaftliche und unternehmerische Kenntnisse! Auch von Marketing haben wir so gar keinen Plan.

Aber wir sind jung, optimistisch … und ziemlich naiv!

Retrospektiv betrachtet muss man eben manche Erfahrungen einfach machen! Und wenn es nur darum geht, aus Fehlern zu lernen.

Eine Sache lerne ich aber relativ schnell: In einer Beziehung mit einem gut aussehenden Mann ergibt sich die ein oder andere Herausforderung.

Der Nachteil attraktiver Männer ist nämlich: Selbst wenn sie kurzzeitig den Märchenprinzen spielen und alles versprechen, irgendwann werden sie abtrünnig, der eine früher, der andere später! Monogamie halten sie selten für erstrebenswert.

Warum auch? „Variety is the spice of life!“ Das hat schon der Dichter William Cowper im 18ten Jahrhundert gesagt. „The spice that gives it all its flavour.“ Und machner kam früher, der andere später auf den Geschmack.

Auf jeden Fall sollte es nicht das letzte Mal sein, dass ich diese Erfahrung machen muss, aber bei Richard ist mir relativ schnell klar: Er ist nicht der Mann meiner Träume und daher bin ich nach kurzer Schockphase über die Tatsache, dass auch er in die Kategorie „nicht-monogamer Prinz“ fällt, schnell wieder auf den Füßen. Das Studio läuft unter gemeinsamer Leitung weiter, ob wir nun ein Paar sind oder nicht.

*

Ich besuche weiterhin regelmäßig Fortbildungen in Sachen Aerobic und Stepp. Auf einer dieser Fortbildungen begegnet mir Johannes.

Auch das ist keine Liebe auf dem ersten Blick. Vielmehr belebt es mein geschrumpftes Selbstbewusstsein enorm und ich finde es sehr spannend, dass er sich tatsächlich für mich zu interessieren scheint, neben den vielen attraktiven Aerobic-„Hühnern“.

In dieser Zeit mache ich zum ersten Mal die Erfahrung, dass es NICHT das Gleiche ist, wenn Frauen das Gleiche tun wie Männer! Meine Beziehung zu Richard ist zu diesem Zeitpunkt in beiderseitigem Einverständnis nur noch eine Geschäftsbeziehung und das lief gut, bis er herausfindet, dass sich doch tatsächlich ein anderer Mann für mich interessiert.

Mehr war da ja bis dahin nicht!

Der Beginn meiner Beziehung mit Jo ist das Ende der Geschäftsbeziehung mit Richard. Hals über Kopf ziehe ich aus, der Einfachheit halber direkt zu Johannes.

4 Wink aus der Vergangenheit

Schlafen kann ich mal wieder nicht. Alex ist auf Geschäftsreise. Ich starre immer wieder auf mein Handy, um festzustellen, wann Alex zuletzt online war, ohne sich bei mir zu melden. Es tut so sehr weh zu erkennen, wie wenig er mich zu vermissen scheint. Aber stimmte das überhaupt, was WhatsApp mir da an Informationen gab? War Alex wirklich zu der Zeit, die als „online“ im Handy angezeigt wurde, mit WhatsApp beschäftigt oder war es vielleicht ein ganz anderes Programm, das er derzeit benutzte? Aber egal, was es war, er scheint zumindest mit seinem Handy beschäftigt zu sein und dann könnte er sich zumindest mal kurz melden. In einer Mischung aus Wut und Enttäuschung entscheide ich mich, aufzustehen und noch etwas zu arbeiten. Es ist zwar schon gleich zwei, aber das mit dem Schlafen klappt sowieso erst mal nicht.

Ich fahre den Rechner hoch. Weil ich ein investigativer Mensch bin, gebe ich die Frage nach dem Online-Status von WhatsApp einfach in Google ein. Was hat man früher nur ohne dieses unendlich hilfreiche Nachschlagewerk getan? Wahrscheinlich geschlafen. Ich bekomme nun aber wesentlich mehr Antworten, als ich erwartet hätte. Anscheinend scheint dieser moderne Nachrichtenaustausch für viele Beziehungen zum Problem zu werden und ich stoße auf verschiedene Blogs und Chats, in denen sich verschiedene Personen, vorwiegend aber gekränkte Frauen, darüber beschweren, dass ihr Mann oder Freund trotz offensichtlichem online-Status nicht erreichbar ist oder sich nicht meldet. Ich überfliege das alles nur kurz und bin tatsächlich amüsiert, was man heute für Probleme in Internetforen diskutiert. Das Ergebnis ist auf jeden Fall für mich, dass der angezeigte Status auf keinen Fall immer stimmt. Ich entschließe mich, das einfach bei nächster Gelegenheit an meinem eigenen Handy und mit einer Freundin einmal auszuprobieren und mir bis dahin einfach keine Gedanken mehr darüber zu machen, was Alexander tut oder lässt. Das hatte ich ja sonst auch nicht getan. Warum sollte ich also jetzt damit anfangen, mich verrückt zu machen, ohne wirklichen Grund und nur aufgrund eines Bauchgefühls?

Als Nächstes lande ich auf Facebook.

Oben rechts blinkt eine rote Kugel, die mir signalisiert, dass ich eine neue Freundschaftsanfrage habe. Ich klicke drauf und traue meinen Augen nicht: Basti! Wie zum Geier hat der mich gefunden, mein Nachname ist nicht mehr derselbe und wir haben uns gefühlte 100 Jahre nicht gesehen bzw. gehört. Genauer gesagt: Wir haben uns 1985 kennengelernt, waren einige Monate zusammen und haben uns nach der Trennung aus den Augen verloren.

Das ist zwar keine 100, aber immerhin 30 Jahre her. Dreißig Jahre! Ich fasse es nicht!

„Hallo Flori“, mir läuft ein Schauer über den Rücken, denn diesen Spitznamen aus meiner Jugend verwendet heute nur noch meine Mutter!

Johannes hatte mich immer liebevoll „Flo“ genannt, allerdings nur bis zu unsrer Trennung, versteht sich. Ab da hatte es sich erledigt mit den Kosenamen „Flo“ und „Jo“ und wir nennen uns sehr förmlich „Florentine“ und „Johannes“. Wir sind ja kein Paar mehr, sondern nur noch Partner. Partner in Sachen Kindererziehung, Familien-Organisation und vielen anderen Situationen des Alltags. Das hat sich im Laufe der Jahre ziemlich gut eingespielt.

Meine Freunde nennen mich „Tine“ und die Kinder sagen „Mamsi“.

Weil das angeblich so gut zu mir passt, nennt mich Alexander eben auch „Mamsi“. Ich habe mich inzwischen daran gewöhnt, wobei ich diesen Kosenamen zunächst als wenig erotisch empfand.

Ich lese weiter: „… Schön, dich hier zu treffen! Melde dich doch mal! Liebe Grüße Basti“

Ich lehne mich zurück und denke an meine Teenie-Zeit zurück. Basti hat noch kein Foto in seinem Account hochgeladen und daher habe ich von ihm immer noch das Bild aus den Teenager-Tagen vor Augen! Ganz süß, schlank, schlaksig, blond und blauäugig. Mein Gott, ist seither viel passiert. Wie soll ich auf so eine Kontaktanfrage antworten? Wo fange ich an zu erzählen, wie es mir geht? Mein Zickzack-Leben ist so durcheinander, so ungewöhnlich verlaufen, dass ich gar nicht weiß, ob ich überhaupt erzählen soll, was alles seit unserer Trennung geschehen ist.

Also entscheide ich mich für die Kurzfassung:

„Hallo Basti, ich habe mich gefreut, von dir zu lesen. Mir geht es gut. Ich wohne in einer kleinen Stadt in der Pfalz, in einem Mehrfamilienhaus, zusammen mit meinen drei Kindern und zwei Männern (einem Ehemann und einem Ex-Ehemann) in einer funktionierenden Patchwork-Familie, also ganz im Trend der Zeit. Ich bin selbstständig und genieße das Leben als arbeitende Mutter von fast erwachsenen Kindern. In unserer Villa Kunterbunt leben außerdem noch ein Hund, 15 Schildkröten, meine Nichte und die Freundin meines Ex-Mannes. Du siehst, es ist genauso, wie sich das meine Eltern mit ihrer katholischen Erziehung so vorgestellt hatten. Ich hoffe, dir geht es gut? Ich freue mich über eine Nachricht von dir. Liebe Grüße Flori.“

Mein Herz klopft ein wenig, als ich auf „Senden“ drücke, was ich gar nicht verstehe.

Sebastian war nur kurz ein Stück auf meinem Lebensweg mit mir gemeinsam gegangen, er war mein erster fester Freund. Ich war 16 und von Liebe hatte ich nicht die geringste Vorstellung, aber er hat mich gefragt: „Willst du mit mir gehen?“ Und da ich fand, dass er ganz in Ordnung war und auch optisch in meine Vorstellung von Beuteschema fiel, sagte ich: „OK!“

Ich dachte, man kann es ja mal versuchen! Schließlich bin ich jetzt mit fast 16 in dem Alter, wo man einen festen Freund haben sollte! Überhaupt bin ich zu dieser Zeit noch der Meinung, dass im Leben alles schön nach einem geordneten Plan ablaufen sollte. Und jetzt steht eben das Thema „erster fester Freund“ auf dem Plan.

Ich weiß nicht, warum ich diese Idee von dem gradlinigen Lebensweg bekommen habe, den man beschreiten müsse. Vielleicht liegt es daran, dass meine Eltern immer noch und seit vielen Jahren miteinander glücklich waren und uns nie gezeigt hatten, dass es zwischen ihnen auch irgendwelche Missverständnisse oder gar Probleme gab. Diskussionen gab es bei uns „nur“ zwischen Kindern und Eltern oder unter uns Geschwistern. Meine Eltern standen vor uns Kindern immer nebeneinander wie eine Wand. Gegen diese Wand bin ich das eine oder andere Mal vergeblich gelaufen.

Schon als Kind nahm ich mir vor, dass ich im Leben auch einmal diesen Partner finden werde, mit dem ich ein Leben lang glücklich werde und mit dem es keine Meinungsverschiedenheiten gibt. So wie bei meinen Eltern. Vielleicht würde sich ja Sebastian als solcher erweisen. Einen ersten Schritt wollte ich auf jeden Fall nun erst einmal gehen.

5 Jugend – „Liebe“?

Die Dorfkirmes war bei uns auf dem Land das Highlight im November. Aus dem ganzen Umkreis kamen die Leute angereist und füllten die Kneipen, Straßen, Fahrgeschäfte und den Markt. Von Samstagmittag bis Montagabend war „Spaß auf der Gass“ angesagt. Für uns Kinder war es das Event im Jahr, wo wir mit den Eltern hingingen, sobald wir laufen konnten, unser Taschengeld in Karussells, später in Alkohol investierten und montags schulfrei hatten. Allerdings waren schon damals die Fahrgeschäfte für uns ziemlich teuer und im Verhältnis zum Taschengeld schon immer eine echte Investition. Das ist heute wohl genauso, jedoch haben sich das Taschengeld und die Fahrpreise inzwischen wohl gefühlsmäßig verzehnfacht.

So ist an diesem Samstagnachmittag im November 1984 mein Taschengeld auch schon ziemlich am Ende, als ich mit meiner Freundin Elfi über den Markt schlendere. Im Autoskooter waren wir beide schon bestimmt zehn Mal gefahren und wir sind uns einig: Hier werden wir nicht weiter investieren. Allerdings ist die Musik hier so gut, dass wir es genießen, noch ein wenig abzuhängen. Ja, die 80er sind in vollem Gang und wir hüpfen mit Opus bei „Life is Life“ imaginär um die Wette, später mit Duran Duran zu den „Wild boys“ und dann kommt auch noch „Maria Magdalena“ von Sandra! Mit Sandra hab ich in dieser Zeit eines gemeinsam: die Frisur! Die Mischung von Vokuhila und meiner Naturkrause war eine wilde Kombination und eigentlich kam mir der voluminöse Hairstyle der 80er gerade recht, so war ich total hip und hatte wenig Arbeit … und sah total verboten aus, aus heutiger Sicht! Aber so war es eben angesagt.

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