Schwert und Krone - Zeit des Verrats - Sabine Ebert - E-Book
SONDERANGEBOT

Schwert und Krone - Zeit des Verrats E-Book

Sabine Ebert

0,0
9,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der dritte Teil des großen Barbarossa-Epos von der Bestseller-Autorin Sabine Ebert März 1152 in Aachen: Gerade wurde Friedrich, der bisherige Herzog von Schwaben und künftige Barbarossa, zum König gekrönt und will das von Kriegen zerrüttete Land erneuern. Verbündete gewinnt er, indem er ihnen Land und Titel zusagt, gegen Feinde geht er mit eiserner Hand vor. Doch vom ersten Tag an hat er eine starke Fürstenopposition gegen sich, der missfällt, dass auf einmal die welfische Partei vom König bevorzugt wird. Zudem sammelt der neue König neue, junge Verbündete um sich wie den skrupellosen Rainald von Dassel. Die alten Markgrafen Albrecht der Bär und Konrad von Meißen fürchten um ihre Macht. Sie riskieren alles und verlieren viel. Und mittendrin in diesem gnadenlosen Kampf um die Macht stehen junge Frauen wie Hedwig, die künftige Markgräfin von Meißen, und die schöne Beatrix von Burgund, der Barbarossa sofort mit Haut und Haaren verfällt …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 875

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Sabine Ebert

Schwert und Krone – Zeit des Verrats

Roman

Knaur e-books

Über dieses Buch

März 1152 in Aachen:

Gerade wurde Friedrich, der bisherige Herzog von Schwaben und künftige Kaiser Barbarossa, zum König gekrönt und will das von Kriegen zerrüttete Land erneuern. Verbündete gewinnt er, indem er ihnen Land und Titel zusagt, gegen Feinde geht er mit eiserner Hand vor.

Doch vom ersten Tag an hat er eine starke Opposition aus Fürsten gegen sich, denen missfällt, dass auf einmal die welfische Partei vom König bevorzugt wird. Zudem sammelt der neue Herrscher neue, junge Verbündete um sich wie den durchtriebenen Rainald von Dassel. Die alten Markgrafen Albrecht der Bär und Konrad von Meißen fürchten um ihren Einfluss. Sie riskieren alles und verlieren viel.

Und mittendrin in diesem gnadenlosen Kampf um die Macht stehen junge Frauen wie Hedwig, die künftige Markgräfin von Meißen, und die schöne

Beatrix von Burgund, der Barbarossa sofort mit Haut und Haaren verfällt …

Inhaltsübersicht

Karte: Römisch-Deutsches Kaiserreich um 1157 – NordteilKarte: Römisch-Deutsches Kaiserreich um 1157 – SüdteilDramatis PersonaeHistorisch belegte Personen der Handlung:StauferWelfenAskanierWettinerLudowingerSlawenGeistlichkeitByzantinisches ReichFrankreichDänemarkPolenWichtige fiktive Personen:PrologErster TeilTodesträumeLebenspläneKalter Guss für Seine MajestätDie zwei Schwerter der MachtBunte PelzeDes einen Freud …… ist des anderen LeidGeliebteAnkunft in MeißenZwei junge BräuteMeißnische StrategienUnerwarteter BesuchSilberträumeKönigliche Pläne und noch mehr SilberträumeDie Entscheidungen des KönigsHochzeitspläne und HochzeitsüberraschungenTributeEine königliche und eine ungewisse HochzeitBegegnungen in BrandenburgEin ungeduldiger König, ein ungeduldiger Herzog und ein entrüsteter PapstZurück in MeißenVertrauliche GesprächeScheidung in KonstanzZweiter TeilVerschiedene HochzeitspläneDas Arrangement des HerzogsWerbung auf BefehlDer Fluch der bösen TatFürstlicher ZornHochzeit im SchneeUnfrohe WeihnachtZwiegesprächeTausend Schwerter und zwei SorgenVerschwörertreffenItalienische DifferenzenDie Feinheiten des ProtokollsKaiserkrönungDie RückkehrJäher AbschiedUnheil kommt gern zuhaufDer eiserne LandgrafUnversöhnlichHundetragenDritter TeilDer Kaiser heiratetHeimliche Pläne und unheimliche PläneDer lange Arm des KaisersÜberraschende ReiseEin perfekter PlanEine Frage der EhreAusgestoßenSchlacht im SchneeDie Frauen und der KriegFamiliäre DifferenzenErstaunliche AllianzenDie Zeit ist gekommenVerhandlungssacheKönig der InselnJunge Ritter und alte BekannteDrei KönigeStadt in FlammenDie üblichen Gepflogenheiten»Die beste Lösung«EpilogNachwort und DankStammtafelnDie StauferDie WelfenDas Haus Estridsson – Die Könige von DänemarkDie Piasten – Die Herzöge und Könige von PolenDie Přemysliden – Die Herzöge und Könige von BöhmenDie slawischen Fürsten zwischen Elbe und OderDie Wettiner – Die Markgrafen von MeißenDie Askanier – Die Markgrafen von BrandenburgDie LudowingerDie WittelsbacherDas Haus Burgund-Ivrea – Die Grafen und Pfalzgrafen von BurgundDie ZähringerDie Schauenburger – Die Grafen von HolsteinGlossarWeiterführende Fachliteratur für Interessierte (kleine Auswahl)ZeittafelLeseprobe »Schwert und Krone. Herz aus Stein«
[home]

Römisch-Deutsches Kaiserreich um 1157 – Nordteil

Diese Landkarte finden Sie auch im Internet unter folgendem Link: https://rebrand.ly/e9396

[home]

Römisch-Deutsches Kaiserreich um 1157 – Südteil

Diese Landkarte finden Sie auch im Internet unter folgendem Link: https://rebrand.ly/e0910

[home]

Dramatis Personae

Historisch belegte Personen der Handlung:

Staufer

Friedrich I., römisch-deutscher König und Kaiser (später genannt Friedrich Barbarossa)

Adela von Vohburg, seine erste Gemahlin

Beatrix von Burgund, seine zweite Gemahlin

Friedrich IV. (von Rothenburg), minderjähriger Sohn des vorherigen Königs Konrad von Staufen, Herzog von Schwaben (unter Vormundschaft Barbarossas)

Heinrich von Babenberg, genannt Jasomirgott, Halbbruder des verstorbenen Königs Konrad, Herzog von Bayern und Markgraf von Österreich, später Herzog von Österreich

Theodora, Gemahlin von Heinrich Jasomirgott und Nichte des Kaisers von Byzanz, Manuel Komnenos

 

Weltliche Verbündete:

Otto von Wittelsbach, Bannerträger Friedrichs und enger Freund

Markwart von Grumbach

Graf Ulrich von Lenzburg, Vertrauter des Kaisers

Graf Sizzo von Schwarzburg-Käfernburg

Welfen

Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen und Bayern

Clementia von Zähringen, seine erste Gemahlin

Welf VI., jüngerer Bruder des 1139 verstorbenen Thronanwärters Heinrich der Stolze, Oheim und Ratgeber Heinrichs des Löwen

Uta von Calw und Schauenburg, seine Gemahlin

Welf VII., ihr Sohn

 

Weltliche Verbündete:

Herzog Konrad I. von Zähringen

Graf Adolf II. von Schauenburg, Holstein und Stormarn

Graf Heinrich von Weida, Ratgeber Heinrichs des Löwen

Dietho von Ravensburg, Ministerialer, später zweiter Gemahl Adelas von Vohburg

Askanier

Albrecht von Ballenstedt, Markgraf der Nordmark, Graf von Ballenstedt, ehemals Herzog von Sachsen (später Markgraf von Brandenburg), genannt Albrecht der Bär

Sophia von Winzenburg, seine Gemahlin

Otto, Hermann, Adalbert, Dietrich, Siegfried, Heinrich und Bernhard – beider Söhne

Hedwig, beider Tochter, Verlobte und später Gemahlin Ottos von Wettin, künftige Markgräfin von Meißen

 

Weltliche Verbündete:

Graf Otto von Hillersleben, Vertrauter Albrechts

Bertha von Hillersleben, seine Gemahlin

Wettiner

Konrad von Wettin, Markgraf von Meißen und der Lausitz (später Konrad der Große)

Otto, sein ältester Sohn (später Markgraf Otto der Reiche)

Dietrich, sein zweitältester Sohn (später Markgraf Dietrich von Landsberg)

Dobroniega, Dietrichs Gemahlin, Schwester der Herzöge von Polen

Gertrud, beider Tochter

Kunigunde von Plötzkau, Witwe Graf Bernhards von Plötzkau, Dietrichs Geliebte

Dietrich, außerehelicher Sohn von Dietrich und Kunigunde

Dedo, Heinrich, Friedrich – weitere Söhne Konrads

Adele, Tochter Konrads und künftige Braut König Svens von Dänemark

Oda, Bertha, Gertrud, Agnes, Sophia – Konrads weitere Töchter

Gräfin Mathilde von Seeburg, Konrads Schwester

Graf Konrad von Seeburg, Mathildes ältester Sohn

Werner von Brehna, Konrads Marschall

Ludowinger

Landgraf Ludwig II., genannt der Eiserne

Judith, Tochter Herzog Friedrichs II. von Schwaben und Schwester Barbarossas, Ludwigs Gemahlin (später Jutta Claricia von Thüringen)

Slawen

Niklot, Fürst der Abodriten

Wertislaw und Pribislaw, seine beiden ältesten Söhne

Petrissa, Witwe des Fürsten Pribislaw, genannt Heinrich, der Brandenburg und Spandau Albrecht dem Bären vererbte

Jacza, Neffe von Heinrich und Petrissa, Fürst von Köpenick

Agatha, seine Gemahlin, Tochter des Grafen von Breslau Peter Wlast

Ein Sohn von Jacza und Agatha (Name unbekannt; im Buch: Slawomir)

Geistlichkeit

Eugen III., Papst (bis 1153)

Anastasius IV., Papst (bis 1154)

Hadrian IV., Papst (ab 1154)

Rainald von Dassel, Dompropst zu Hildesheim, später Kanzler Friedrich Barbarossas und Erzbischof von Köln

Wichmann, erst Dompropst, dann Bischof von Naumburg-Zeitz, dann Erzbischof von Magdeburg, Sohn Mathildes von Seeburg und Neffe des Markgrafen von Meißen und der Lausitz

Abt Wibald von Stablo und Corvey, Leiter der königlichen Kanzlei, Benediktiner

Heinrich, Erzbischof von Mainz und Reichsverweser

Arnold von Selenhofen, sein Nachfoger

Hillin, Erzbischof von Trier

Hartwig, Erzbischof von Bremen

Anselm, Bischof von Havelberg

Eberhard, Bischof von Bamberg

Ulrich, Bischof von Halberstadt

Otto, Bischof von Freising, Halbbruder Konrads von Staufen

Rahewin, Schreiber Ottos von Freising

Byzantinisches Reich

Manuel I. Komnenos, Kaiser

Irene, seine Kaiserin, unter dem Namen Bertha von Sulzbach erst Schwägerin, dann Adoptivtochter Konrads III.

Frankreich

Ludwig VII., König

Eleonore von Aquitanien, Königin

Dänemark

Sven Estridsson, Sohn des Königs von Dänemark, später König (Sven III., Sven Grathe)

Adele, Tochter Konrads von Wettin, des Markgrafen von Meißen und der Lausitz, seine Gemahlin

Knut Magnusson, mit Sven Mitbewerber um den Thron und späterer König

Waldemar, dritter Thronprätendent und später König Waldemar I.

Polen

Herzog Bolislaw VI. (genannt Kraushaar)

Herzog Mieszko III. (genannt der Alte), sein Bruder

Kazimir, ihr jüngerer Bruder

Wladislaw II. (genannt der Vertriebene), ihr ältester Bruder, Schwager König Konrads, nach Versuch der Entmachtung seiner Brüder im Exil in Altenburg

Wichtige fiktive Personen:

Ulrich von Lauterstein, Vertrauter des Königs

Christian, Knappe und später Ritter am Hof des Markgrafen von Meißen, Sohn des hingerichteten Spielmanns Lukian und der Stickerin Hanka

Raimund, Richard und Gero, seine Freunde

Randolf, Knappe und später Ritter am Hof des Markgrafen von Meißen, Christians Erzfeind

Luitgard, junges Mädchen am Meißner Hof

Josefa, Heilerin in Meißen, genannt »die alte Muhme«

[home]

Prolog

Aachen, 9. März 1152

Noch sechs Stufen. Dann war er am Ziel seiner ehrgeizigen Träume. Als gesalbter König auf dem Thron, auf dem schon Karl der Große gesessen hatte. Und seither alle Könige und Kaiser des Reiches.

Friedrich von Staufen, ein auffallend gut aussehender Mann von knapp dreißig Jahren mit rotgoldenem Haar, wäre die sechs Stufen am liebsten emporgestürmt. Doch mit Rücksicht auf die Erhabenheit des Moments, den schweren Krönungsmantel und die mit Perlen und Edelsteinen übersäte Krone schritt er würdevoll Stufe für Stufe hinauf, dem monotonen Gleichmaß der liturgischen Gesänge folgend.

Als er vor dem schlichten Marmorthron stand, verharrte er kurz mit dem Rücken zu den Anwesenden, das Zepter in der Linken, den goldenen Reichsapfel in der Rechten erhoben. Dann drehte er sich um und hielt erneut inne, den Blick triumphierend und streng auf die bedeutendsten Männer des Reiches gerichtet.

Bis er sich setzte und damit eine weitere Welle von Gebeten und feierlichen Gesängen auslöste.

Ein berauschendes Gefühl durchströmte ihn … Allmacht, Unfehlbarkeit, Stolz. Fast war ihm, als könnte er die Präsenz Karls des Großen spüren. Er, Friedrich, würde das Reich einen und wieder zu kaiserlichem Glanz führen! Zwischen Himmel und Erde thronte er nun und sah auf die Fürsten in der Galerie herab, die ihn anstarrten und gleich lobpreisen würden. Und während er von einem zum anderen blickte, wusste er schon, wie er sie alle seinem Willen unterwerfen würde: mit Geschenken, mit Land und Titeln – oder mit eiserner Hand.

Er, Friedrich der Erste, König von Gottes Gnaden. Und schon bald Kaiser.

[home]

Erster Teil

Machtproben

   

Todesträume

Markgraf Albrecht der Bär und seine Gemahlin Sophia; Königspfalz Aachen, Nacht zum 10. März 1152

Mit einem gellenden Schrei fuhr Sophia aus dem Schlaf und setzte sich jäh auf; schweißgebadet und mit wild hämmerndem Herzen.

Sofort war auch ihr Gemahl hellwach. Er riss seinen Dolch hinter den Kissen hervor, zerrte die Bettvorhänge auseinander und warf sich schützend vor seine Frau. Fürst Albrecht der Bär war trotz seines Alters immer noch ein gefürchteter Krieger.

Ein rascher Blick durch die vom Mondlicht erhellte Kammer bestätigte ihm jedoch, dass kein Angriff drohte.

Also wieder ein Alptraum. Sophia litt seit Wochen darunter. Seit sie erfahren hatte, dass ihr Bruder und seine hochschwangere Frau auf ihrer eigenen Burg in ihren Betten ermordet worden waren.

»So entzündet doch endlich ein Licht!«, schnauzte der Markgraf die Diener an, die nachts mit dem Fürstenpaar dieses Gemach der Aachener Königspfalz teilten, sich nun aufrappelten und schlaftrunken nach Kleidern und Schuhen tasteten.

Die Wachen vor der Tür hatten ausdrückliche Order, nur dann in die Kammer zu stürmen, wenn der Markgraf selbst sie hereinrief. Der gesamte askanische Hofstaat wusste von den Schreckensträumen der Fürstin seit der schaurigen Bluttat. Nicht nur Sophia schlief unruhig seitdem, und es wurde viel gewispert auf askanischen Burgen. Doch Albrecht wollte hier in Aachen vor all den anderen hohen Gästen kein Gerede aufkommen lassen, der Markgraf der Nordmark bange um sein Leben. Er fürchtete sich vor nichts und niemandem!

Mit hellem, klickendem Geräusch wurden Schlageisen und Feuerstein gegeneinandergeschlagen, Funken sprühten auf. Als der Zunder endlich zu glimmen begann, blies einer der Diener die Glut an, bis er einen Holzspan entzünden konnte und mit dem wiederum eine Kerze zum Brennen brachte.

Albrecht der Bär, ein Hüne trotz seiner mehr als fünfzig Jahre, warf noch einmal einen prüfenden Blick in alle Winkel der Kammer und vergewisserte sich, dass keine Gefahr drohte. Dann zog er seine vor Schreck und Kälte zitternde Gemahlin an die dicht behaarte Brust.

»Wieder dieser Traum?«, murmelte er, während er ihr Herz hämmern fühlte. Ihr blondes, zu Zöpfen geflochtenes Haar war an den Schläfen schweißverklebt.

Verzweifelt nickte Sophia.

»Raus, ihr alle, wartet vor der Tür!«, befahl der Fürst.

Obwohl es tief in der Nacht war und auf den Gängen Eiseskälte herrschte, widersprach niemand. Wortlos rafften die Bediensteten ihre Umhänge und Schuhe zusammen und huschten hinaus, so müde sie auch sein mochten.

»Sagt der Kräuterfrau, sie soll eurer Herrin unverzüglich einen Schlaftrunk brauen!«, rief Albrecht ihnen noch mit dröhnender Stimme hinterher.

»Wieder dieser Alptraum?«, fragte er erneut, als sie endlich allein waren.

Die Markgräfin nickte; das Entsetzen stand ihr noch ins Gesicht geschrieben.

»Es ist … so grauenvoll …«, brachte sie stockend hervor und stieß Atemwölkchen in der Kälte aus. »Eine Schwangere und ihr Ungeborenes im Mutterleib mit Schwertern zu durchbohren!«

Schauder jagten durch ihren Körper. »Müssen auch wir um unser Leben fürchten? Um das unserer Kinder? Wem dürfen wir überhaupt noch trauen, sobald wir uns zum Schlafen niederlegen?«

Albrecht, ansonsten ein Haudrauf von unbekümmertem Wagemut, fühlte sich hilflos wie selten. Kein Keiler war ihm zu wild, um sich ihm mit der Saufeder entgegenzustellen, kein Gegner zu stark, ihn zum Schwertkampf zu fordern. Doch dass seine innig verehrte Gemahlin, die Mutter seiner zehn Kinder, seit Wochen unter solchen Angstträumen litt, machte ihn ratlos.

Sophia von Winzenburg hatte in ihrem Leben schon viel Schlimmes ertragen müssen: die Gefangennahme und Ächtung ihres Vaters, die vom Kaiser befohlene Zerstörung seiner Burg, der Stätte ihrer Kindheit. Um ihre Ehe mit dem ungestümen Bären, der durch einen Schurkenakt zum Herzog aufstieg und jäh wieder fiel, wobei die meisten seiner Burgen niedergebrannt wurden, würde sie auch keine andere Fürstin beneiden. Mit alldem hatte sie zurechtkommen müssen und dabei Jahr um Jahr auch noch ein Kind ausgetragen.

Doch der letzte Axthieb fällt den Baum, heißt es. Und so verlor Sophia gänzlich den Halt, als ein entsetzter Bote in Aschersleben eintraf und berichtete, ihr Bruder Hermann von Winzenburg und seine Gemahlin Luitgard von Stade seien in der Nacht zum 30. Januar von Ministerialen des Hildesheimer Bischofs erschlagen worden. Schlafend, in ihren Betten. Albrecht wollte damals gerade zur Wahl des neuen Königs nach Frankfurt und der Krönungsfeier in Aachen aufbrechen, doch die sonst so sanfte Markgräfin hatte sich strikt geweigert, in Aschersleben zurückzubleiben. Und auch zum Begräbnis ihres Bruders wollte sie nicht reisen.

»Ehe die Mörder nicht gefunden und gerichtet sind, setze ich keinen Fuß in die Winzenburg!«, hatte Sophia geschrien. Zum ersten Mal in ihrem Leben widersprach sie laut. »Und um nichts in der Welt bleibe ich allein hier! Wer sagt mir, dass diese Schlächter nicht auch unsere Kinder in Stücke hauen wollen?«

Widerwillig und nur ihr zuliebe unterdrückte der Bär die Antwort, dass er schließlich nicht so ein Tölpel war wie sein Schwager und mit seinem Schwert jeden Schurken niederstrecken würde, ehe der sich seiner Gemahlin auch nur nähern konnte. Doch einfach so abtun durfte er Sophias Bedenken nicht. Es war ein unerhörter Vorfall, dass sich Dienstmannen zusammenschlossen, um hochrangige Adlige zu ermorden.

»Nichts täte ich lieber, als sofort loszustürmen und ein Blutgericht zu halten, von dem man noch in hundert Jahren spricht«, hatte er ihr versichert. Sein Schwager war ihm zwar zutiefst verhasst gewesen, weil der Winzenburger ihn in den Kämpfen um das Herzogtum Sachsen verraten hatte. Doch der Mord an einem Grafenpaar durfte nicht ungesühnt bleiben.

Nur lag das leider nicht in seinen Händen. Noch nicht.

»Das darf ich erst, nachdem mir der König Winzenburg übertragen hat«, musste Albrecht zähneknirschend einräumen. »Bis dahin ist es Sache Seiner Majestät, die Bluttat zu ahnden.«

Er hätte nicht den geringsten Skrupel gehabt, das Mörderpack selbst aufzuspüren und zu richten. Es war gegen Gottes Ordnung, dass sich Ministeriale gegen adlige Herren erhoben und diese auch noch in ihrem eigenen Bett abschlachteten. Wohin sollte so etwas führen, wenn man nicht sofort mit eiserner Hand durchgriff und ein Exempel statuierte? Notfalls auch an ein paar Unschuldigen.

Nur argwöhnte der Bär, dass hinter diesen Meuchelmorden tatsächlich die Hildesheimer Kirche steckte, der Winzenburg noch bis vor kurzem gehörte … Hatten sich die Pfaffen etwa zunutze gemacht, dass sein Schwager ein Narr war und die Schwägerin ein bösartiges Weib, das mit übertriebener Härte die Dienerschaft gegen sich aufbrachte? Wollten sie die Geburt eines legitimen Erben für das reiche Winzenburg verhindern? Der Verdacht war so offensichtlich, dass Albrecht zögerte zu handeln, obwohl langes Nachdenken sonst nicht seine Art war. Er wollte nicht exkommuniziert werden.

Was sind das für beschämende Zeiten, wo ein Mann, ein Fürst, sein Recht nicht mit dem Schwert durchsetzen darf?, grollte er in Gedanken, während er der verstörten Sophia einen Pelz um die immer noch bebenden Schultern legte.

Mit dem alten König Konrad von Staufen hätte ich mich einigen können! Doch unglücklicherweise war der vorigen Monat verstorben. Und dann wurde in Frankfurt überraschend nicht wie geplant Konrads achtjähriger Sohn zum König gewählt, sondern sein Neffe, dieser ehrgeizige junge Heißsporn Friedrich von Schwaben. Der griff nicht nur mit unerhörter Dreistigkeit nach der Krone, er begünstigt auch meine ärgsten Feinde, die Welfen, in unverschämter Weise, dachte Albrecht mit erneut aufflammendem Grimm.

Der Bär hatte nur für den jungen Staufer gestimmt, damit kein Welfe auf den Thron gelangte. Doch die schwirrten nun um den neuen König herum und wurden mit großzügigsten Versprechungen bedacht.

So dass der hünenhafte Askanier ganz gegen seine Gepflogenheiten taktieren musste, wollte er in den Besitz der verwaisten Grafschaften Winzenburg und Plötzkau gelangen. Auf die konnte er berechtigten Anspruch erheben, fand Albrecht.

Allerdings glaubte sein Erzfeind Heinrich der Löwe dies ebenso. Und der würde es auch tun.

Gestern war der neue König in Aachen gesalbt und gekrönt worden, und in wenigen Stunden würde der erste Tag seiner Regentschaft anbrechen. Da galt es für Albrecht wie für alle anderen Fürsten, Machtpositionen und Vorrechte abzustecken, Zusagen einzuheimsen. Und den Hochfahrenden in die Schranken zu weisen. Höflich, aber unmissverständlich.

Mag sich der Staufer noch in seinem Sieg sonnen – als König wird er vom ersten Tag an eine starke Opposition zu spüren bekommen, setzte Albrecht seine einmal in Gang gebrachte Gedankenkette fort, während Sophias Atem ruhiger wurde. Vorausgesetzt, dass meine Mitstreiter nicht den Schwanz einziehen.

Aber jetzt musste er erst einmal seine Gemahlin trösten.

»Fürchte dich nicht, ich bin doch bei dir«, brummte er leise und strich sich ratlos durch den zottigen Bart. »Und unsere Kinder sind in Sicherheit.«

Die dreizehnjährige Hedwig, seine Lieblingstochter, schlief nebenan, die zwei jüngsten Mädchen hielten sich im Quedlinburger Damenstift in der Obhut ihrer Tante auf, der Äbtissin Beatrix, seine Söhne waren entweder schon Ritter und in seinem Gefolge, oder sie dienten als Knappen an befreundeten Höfen.

Unbeholfen umfasste Albrecht seine Gemahlin und spürte mit Bestürzung durch ihr Untergewand, dass sie in den letzten Wochen bis auf die Knochen abgemagert war.

Nach all den Ehejahren schliefen sie immer noch in einer gemeinsamen Kammer. Doch seit Sophia nicht mehr gebären konnte, verschonte er sie mit seinen fleischlichen Gelüsten, weil sich das seiner Ansicht nach so gehörte. Die konnte er schließlich mit anderen Frauen ausleben, mit Mägden, Huren, willigen jungen Witwen. Eine Fürstin war kein Zeitvertreib für männliche Wollust, sondern ein kostbares Gefäß, um Erben auszutragen. Dreizehn Kinder hatte Sophia ihm geboren, von denen zehn überlebten, und damit vorbildlich ihre Pflicht erfüllt.

Außerdem liebte er sie mehr, als jemand diesem Raubein zugetraut hätte. Vielleicht, weil sie so sanft war. Ganz anders als seine Mutter Eilika, Gott hab sie selig, sofern sie nicht gerade mit Petrus am Himmelstor stritt. Das würde ihn nicht wundern. Eilika war eine zähe, dürre Witwe gewesen, mit Haaren auf den Zähnen. Vor ihr hatte sich der Bär stets wie ein kleiner Junge gefühlt, auch wenn er zwei Köpfe größer und doppelt so breit war wie sie.

Dass Sophia nun dermaßen vom Fleisch fiel, bemerkte er erst jetzt, weil sie bis gestern getrennt gereist waren.

Sie hatten nicht gemeinsam nach Frankfurt ziehen können, denn von dort aus wollte – nein, musste! – Albrecht mit dem neuen König auf den schnellen, harten Ritt zur Krönung in Aachen. Zumeist junge Begleiter hatte sich der Schwabe dafür auserkoren, unter denen Albrecht wie ein Greis gewirkt hätte, wäre er nicht so riesig gewesen und trotz seiner mehr als fünfzig Jahre so vor Kraft strotzend.

Dieser neue, junge König umgab sich gern mit Gleichaltrigen. Was die Graubärte, die ihre Ländereien und Titel noch von Konrad von Staufen verliehen bekommen hatten, mit großer Sorge erfüllte. Deshalb musste Albrecht in der Nähe des neuen Herrschers bleiben und beweisen, dass er mit den Jungen mithalten konnte.

Nach ihrem energischen Protest hatte er Sophia und seine Lieblingstochter Hedwig also direkt von Aschersleben hierher nach Aachen geschickt, geleitet von seinem zuverlässigsten und kampferfahrensten Mann, dem Grafen von Hillersleben, und einer handverlesenen Wachmannschaft, während er selbst zur Königswahl nach Frankfurt ritt. Gestern waren Frau und Tochter wohlbehalten in Aachen eingetroffen.

Unglücklicherweise würden sich seine und Sophias Wege in ein paar Tagen schon wieder trennen, wenn er den König auf dem traditionellen Umritt durchs Land begleitete.

Wo konnte er nun noch Gemahlin und liebstes Kind sicher unterbringen? Nicht hier in Aachen. Er brauchte einen Ort mit zuverlässigen Verbündeten, mit Männern, die er kannte und denen er trauen konnte.

»Ist die Heilerin endlich mit dem Schlaftrunk da?«, brüllte der Markgraf in Richtung Tür, weil ihm keine Lösung einfiel.

Zaghaft klopfte jemand an, und eine der Wachen ließ nach seiner Aufforderung die Wehmutter ein, die Sophia bei fast allen Entbindungen beigestanden hatte.

Sunhild, die weise Frau, hatte ihre Hände schützend um das Gefäß mit dem Trank gelegt, verneigte sich und wartete auf die Erlaubnis, näher zu treten. Mitfühlend reichte sie der Markgräfin den Becher, aus dem im Kerzenlicht noch etwas Dampf aufstieg.

»Dies wird Euch zu gutem Schlaf verhelfen, Durchlaucht«, flüsterte sie – als ob nicht ohnehin in diesem Teil der Pfalz alle wachgebrüllt worden waren.

Albrecht scheuchte die Heilkundige mit einer Handbewegung hinaus, verwies den Rest der Dienerschaft wieder auf die Schlafplätze, ließ seinen mit Fehwerk gefütterten Umhang über die fröstelnde Gemahlin legen und die Kerze löschen.

Es konnte nicht mehr lange dauern, bis der Morgen anbrach. Dann musste er einen Plan haben, wo er Frau und Tochter sicher unterbrachte, bis sie gemeinsam auf eine der askanischen Burgen zurückkehrten.

Außerdem musste er überlegen, wie er morgen diesem hochmütigen neuen König Paroli bot, ohne ihn sich gleich zum Feind zu machen. Er, Albrecht der Bär, Markgraf der Nordmark, Fürst von Brandenburg und Graf von Weimar-Orlamünde, wollte allerhand von diesem König einfordern.

Ehe ihm eine Lösung für beide Probleme einkam, fielen dem alternden Herrscher die Augen zu.

Doch zur Morgendämmerung erwachte Albrecht mit dem guten Gefühl, wenigstens für Frau und Tochter die perfekte Lösung gefunden zu haben.

Lebenspläne

Hedwig von Ballenstedt; Aachen, 10. März 1152

Jedermann in Aachen redete nur noch über den neuen König.

Auch die jungen Mädchen und Edeldamen von Sophias Gefolge, die gerade nach der Morgenandacht mit dem askanischen Hauskaplan beim Frühmahl saßen. Das Markgrafenpaar nahm derweil noch an der festlichen Messe in der Pfalzkapelle teil und würde später an der Tafel des Königs speisen.

Die Gespräche, seit das Tischgebet verklungen war, bestanden aus zahllosen Variationen von: »Er sieht so wunderschön aus! So jung. So stattlich. So würdevoll!«, begleitet von verträumten Blicken und Seufzern.

Selbst Gräfin Bertha von Hillersleben, welche die Mädchen und jungen Damen sonst sehr gewissenhaft beaufsichtigte, lächelte mild und gebot der hemmungslosen Schwärmerei keinen Einhalt.

Doch Hedwig, die dreizehnjährige Tochter von Albrecht dem Bären und seiner Gemahlin Sophia, lauschte nur mit halbem Ohr dem Schmachten und Kichern der Mädchen. Sie machte sich ihre eigenen Gedanken über diesen neuen König Friedrich. Dabei träufelte sie genüsslich Honig auf ein Stück von dem noch warmen weißen Brot. Es war Fastenzeit, schon seit mehr als vier Wochen, und sie verabscheute gesalzenen oder gedörrten Fisch zum Morgenmahl. Doch selbst wenn es frischen Fisch gäbe – würde sie welchen essen wollen aus einem Fluss, der »Wurm« hieß?

Sie leckte einen Tropfen Honig ab, der an ihrem Daumen herabrann, und wandte ihre Gedanken erneut Friedrich zu, ohne auf das Geplapper ihrer Begleiterinnen zu achten.

Er war der erste König überhaupt, den sie mit eigenen Augen gesehen hatte. Bisher hatte sie stets als zu jung gegolten, um ihre erlauchten Eltern auf einen Hoftag zu begleiten. Das blieb ihren älteren Brüdern als künftigen Erben vorbehalten, die sie heftig darum beneidete. Und hätte ihre Mutter nach den grausigen Morden an Hedwigs Oheim und Tante nicht darauf bestanden, dass sie Aschersleben auf der Stelle verließen, wäre die Tochter des Bären jetzt immer noch in askanischen Landen und könnte sich von all den aufregenden Ereignissen erst mit mehreren Wochen Verspätung berichten lassen.

Dieser König ist tatsächlich eine eindrucksvolle Erscheinung, dachte Hedwig, während sie gemächlich kaute.

Sie durfte ihn gestern sogar aus nur wenigen Schritten Abstand betrachten, als er aus der Kirche St. Marien trat. Wie aufregend, geradezu atemberaubend!

Der Graf von Hillersleben und seine Ritter hatten ihr Platz in der ersten Reihe der Zuschauer verschafft; dafür reichten ein paar finstere Blicke und ein gebrüllter Befehl. Schließlich war sie die Tochter eines mächtigen Reichsfürsten, und ihr erlauchter Vater erlebte dort drinnen gerade als Zeuge, wie der neue Herrscher auf den Thron geleitet wurde und den uralten Krönungseid schwor: die Kirche und ihre Diener, das gesamte Volk und besonders die Witwen und Waisen zu schützen, den Frieden herzustellen und zu wahren.

Als die Teilnehmer der Zeremonie endlich – nach Stunden, wie ihr schien – aus der Kirche herausströmten, hatte sie den jungen König anfangs kaum ausmachen können, weil etliche Geistliche und Ritter der Prozession voranliefen. Und dann folgte ein Fürst, der mit stolzgeschwellter Brust das Reichsschwert trug; an seinen Namen konnte sie sich nach all den überwältigenden Eindrücken nicht mehr erinnern.

Sie stellte sich sogar auf die Zehenspitzen, um so viel wie möglich zu erspähen.

Bis der Moment gekommen war, vor dem neuen König in größter Anmut auf die Knie zu sinken. Hedwig blickte dabei zwar demütig zu Boden, wie es sich geziemte. Doch ihre Neugier war so groß, dass sie einen kurzen Augenaufschlag wagte, um den Vielgerühmten von Nahem zu mustern.

Vielleicht richtete er sogar einen Blick auf sie? Schließlich kniete sie in der ersten Reihe, und ihr offenes blondes Haar, ihr prächtiges rotes Kleid, der mit Eichhörnchenfellen gefütterte Umhang und die gut gerüsteten Wachen um sie herum zeigten an, dass sie eine Jungfrau von edlem Stand war.

Zu ihrer unendlichen Enttäuschung schien Friedrich sie jedoch überhaupt nicht wahrzunehmen. Feierlich starrte er geradeaus, an ihr vorbei.

Aber sie hatte ihn gesehen.

Genau so hatte sich Hedwig in ihren Tagträumen stets einen König vorgestellt. So sollte ein König ihrer Meinung nach aussehen.

Und nicht wie der alte König Konrad, von dem ihr Vater sagte, er sei schon weißhaarig und in den letzten Jahren häufig so krank gewesen, dass er nicht mehr zu Pferd reisen konnte. Wie wollte ein siecher König ein Reich regieren?

Konrads Vorgänger, Kaiser Lothar von Süpplingenburg, zählte sogar über sechzig Jahre, als er starb! Hedwig wusste keinen Menschen sonst, der ein so unvorstellbar greisenhaftes Alter erreicht hatte. Zumindest fiel ihr gerade keiner ein.

Der neue König war zwar fast doppelt so alt wie die zierliche Fürstentochter mit ihren dreizehn Sommern, aber dennoch jünger als ihr Verlobter Otto, der Sohn des Markgrafen von Meißen und der Lausitz. Dabei galt Otto mit reichlich dreißig Jahren geradezu als jung für einen markgräflichen Bräutigam. Doch sah er bei weitem nicht so überwältigend gut aus wie dieser König mit den rotgoldenen Locken und den ebenmäßigen Zügen.

Wenn ich Otto heirate und er von seinem Vater die Mark Meißen erbt, überlegte sie mit der Süße des Honigs am Gaumen, bin ich die Markgräfin von Meißen. Dann werde ich als Fürstin an der Seite meines Gemahls an den Hof reisen, und der neue König muss mich sehr wohl wahrnehmen! Anders als gestern.

Helles Gelächter rief Hedwigs Aufmerksamkeit zurück zu ihrer Gesellschaft. Eines der Mädchen hatte versehentlich das Zopfende in ihren Becher getunkt und beim Herausziehen der Strähne auch noch das Kleid ihrer Nachbarin besprenkelt. Doch schon brachte die sommersprossige Johanna erneut die Rede auf den König, diesmal auf seinen roten Bart.

»Es ist doch eher ein Gekräusel als ein richtiger Bart!«, widersprach Hedwig brüsk, der endlosen Lobgesänge leid. »Und der König ist auch nicht sehr groß.«

Fassungslos schnappten die Mädchen und Damen nach Luft.

»Nun, kaum ein Mensch ist so hochgewachsen wie Euer erlauchter Herr Vater«, wandte schließlich Mechthild zaghaft ein, die junge Frau eines Ritters.

»Mein Verlobter ist auch größer«, trumpfte Albrechts Tochter auf.

Das stimmte: Otto von Meißen war zwar nicht so riesig wie ihr Vater, aber größer und breitschultriger als dieser Schwabe Friedrich.

Hedwig war Konrads ältestem Sohn im Alter von acht Jahren versprochen worden, um das Bündnis der Häuser Anhalt und Wettin zu erneuern. In ein paar Jahren sollte die Vermählung stattfinden. Ihre Eltern zeigten bislang keine Eile, sie aus dem Haus zu geben, obwohl sie seit kurzem als heiratsfähig galt. Sie war Vaters Augenstern, die erste, lang ersehnte Tochter nach sieben Söhnen. Und die Mutter wollte nicht, dass sie schon so früh ins Brautbett gelegt wurde. Gebären war eine gefährliche Angelegenheit, ganz besonders für blutjunge, zierliche Bräute.

Die Fürstentochter leckte sich einen letzten Honigtropfen vom Finger und räumte dann gnädig ein: »Der neue König sieht sehr stattlich aus. Er ist jung, aber kein Kind wie sein Vetter. Ein bewährter Heerführer und erfahrener Herrscher.«

Erleichtert ließen die Damen den angehaltenen Atem wieder strömen, während Hedwig vor sich hin lächelte.

»Es heißt, er lasse sich für die Ehre des Reiches das Kinnhaar so oft stutzen«, versuchte die Tochter des Marschalls, den Streit um des Kaisers Bart beizulegen.

»Was versteht ihr Gänse schon von der Ehre des Reiches und davon, was ein König tut?«, wies die Hillerslebenerin die geschwätzige Runde streng zurecht.

»Das, was Ihr und der Kaplan uns beibringt«, konterte Hedwig keck.

Die am Tisch versammelten Mädchen senkten hastig die Köpfe, um ihr Schmunzeln zu verbergen.

»Und natürlich das, was mein erlauchter Vater mich lehrt«, ergänzte die Tochter des Bären bedeutungsschwer. »Wenn das Reich einen neuen Herrscher bekommt, ist nicht wichtig, welche Farbe sein Bart hat, sondern was er tun wird.«

Und die Frage, was dieser König wohl tun würde, furchte tiefe Sorgenfalten ins Gesicht ihres Vaters – das war Hedwig nicht entgangen. Auch deshalb hatte sie am Vortag diesen Friedrich so gründlich betrachtet.

»Freigiebig gegenüber den Armen soll ein König sein. Seine Männer warfen gestern viele Münzen in die Menge«, lobte die sommersprossige Johanna.

»Doch was bedeutet dann dieser … Zwischenfall? Bitte, Durchlaucht, erzählt uns mehr davon, Ihr habt es gesehen!«, drängte die schielende Tochter des Marschalls. »Verweigerte Seine Majestät tatsächlich einem reumütigen Sünder die Begnadigung?«

Sofort stand die Szene wieder vor Hedwigs Augen.

Sie hatte in dem Gedränge und unter all den Jubelrufen keinen Blick von Friedrich gelassen, solange es ging. Und nebenher noch versucht, sich Details seiner prunkvollen Kleidung einzuprägen – auf der Suche nach Mustern für ihr nächstes Festgewand, das zwar kein Königinnenkleid, aber ein Brautkleid sein würde.

Doch dann war etwas geschehen, das Anlass zu wildesten Mutmaßungen darüber bot, wie Friedrichs Regenschaft wohl verlaufen würde. An Vaters Stelle würde sie sich darüber auch große Sorgen machen.

Also berichtete sie: »Einer der Dienstmannen des neuen Königs, der für ein Vergehen bestraft worden war, hatte sich ihm während der Prozession plötzlich zu Füßen geworfen und um Gnade gefleht.«

Sie erinnerte sich noch gut an den Ausdruck des Widerwillens auf dem Gesicht des jungen Regenten … und die Verzweiflung des Büßenden.

Jedermann erwartete, dass ein König unmittelbar nach seiner Krönung Milde walten ließ, sich gnädig zeigte. Doch Friedrich wirkte erbost. Vielleicht weniger wegen des ursprünglichen Vergehens, sondern darüber, dass jemand die Festprozession störte, seinen feierlichen Auszug als frisch gesalbter und gekrönter König. So jedenfalls kam es Hedwig vor.

»Er sagte, der Mann sei zu Recht bestraft worden; das könne er nicht wieder aufheben«, zitierte die Markgrafentochter den Ausspruch des Regenten, der seitdem die Runde durch Aachen machte. Und der ihren Vater zu der mürrischen Bemerkung veranlasst hatte, jetzt brächen eindeutig neue Zeiten an. Strenge Zeiten.

Nach einem Moment bedrückten Schweigens beschloss Mechthild, lieber das Gespräch in andere Bahnen zu lenken.

»Ob der König eine byzantinische Prinzessin heiratet?«, überlegte sie laut. »Stellt euch vor, was für ein glanzvolles Fest das gäbe!«

»Ja, wer wird jetzt unsere Königin?«, rief die noch junge Johanna aufgeregt.

»Er ist doch vermählt, ihr Gänse! Mit Adela von Vohburg, der Tochter des Markgrafen auf dem Nordgau«, wies Hedwig beide zurecht.

Ihre Eltern achteten darauf, dass der Kaplan und der Magister Ruthard ihr Namen, Titel und Verwandtschaftsverhältnisse aller bedeutenden Hochgeborenen beibrachten. Als künftige Markgräfin durfte sie sich nicht bei Hofe blamieren.

»Aber … wenn er bereits vermählt ist … wo war dann die Königin?«, fragte die Tochter des Marschalls verwirrt.

Genau das fragte sich Hedwig schon seit gestern.

Unverhofft sprang ihr Bertha von Hillersleben bei.

»Gewiss wird Adela nachträglich gekrönt, da sie wegen der Entfernung und des unerwarteten Ausgangs der Wahl nicht in Aachen sein konnte.«

Dann wies die Gräfin mit gerümpfter Nase Mechthild zurecht: »Dem Papst dürfte es ganz und gar nicht gefallen, wenn unser König und künftiger Kaiser eine Byzantinerin zur Frau nähme. Es herrscht erbitterter Streit zwischen Rom und Byzanz, das ist nun wirklich kein Geheimnis. Selbst du solltest das wissen!«

Noch ehe jemand etwas darauf erwidern konnte, klopfte es an der Tür, und eine Männerstimme rief, ein Ritter des Grafen von Hillersleben bringe eine dringende Nachricht für die junge Markgräfin.

Hedwig setzte sich zurecht und rief den Boten herein. Der Mann kam in Begleitung eines übellaunig wirkenden Knappen, der die Kammer jedoch nicht betrat.

Der Ritter näherte sich auf fünf Schritte, sank auf ein Knie und sagte: »Durchlaucht, Euer erhabener Herr Vater wünscht Euch zu sprechen. Umgehend.«

Jemand hat ihm das mit der Katze verraten!, argwöhnte Hedwig sofort, sah wütend auf den Knappen und tauchte ihre Finger in eine Schale mit Rosenwasser.

Aber ich habe richtig gehandelt. Und Vater ist mir sowieso nie lange böse, überlegte sie, während sie sich die Hände abtrocknen ließ, ihr blondes Haar nach hinten warf und ihr krapprotes Kleid glatt strich, um einen guten Eindruck vor ihrem Vater zu machen. Sie funkelte den Knappen grimmig an, reckte das Kinn und folgte dem Ritter.

 

Hedwigs Eltern schienen gerade von der Morgenandacht in der Pfalzkapelle zurückgekehrt zu sein; Albrecht und Sophia trugen beide noch ihre Umhänge. Die Fürstin fror sichtlich, ihr Gemahl blickte streng.

Ja, er weiß von der Sache mit der Katze, dachte das Mädchen missmutig, während es gehorsam niederkniete, dem hünenhaften Markgrafen zulächelte und ihn und ihre Mutter mit ehrerbietigen Worten begrüßte.

»Mir kam eine unglaubliche Geschichte zu Ohren: Du hättest drei Knappen zum Mäusejagen verurteilt. Ist das wahr?«, hob der Bär an. Doch er klang eher belustigt als erzürnt.

Dadurch ermutigt, hob Hedwig den Kopf.

»Liebwerter Vater, sie haben aus purem Übermut mit Pfeilen auf eine Katze geschossen. Katzen sind nützlich, denn sie halten Mäuse und Ratten von den Vorräten fern.«

Bis hierhin hatte sie recht, das wusste sie. Doch ob ihr Vater auch mit ihrem weiteren Vorgehen einverstanden war, stand in den Sternen.

»Und deshalb hast du den Knappen befohlen, so lange jeden Tag Mäuse und Ratten zu erlegen, bis die Katze es wieder selbst tun kann?«, fragte der Bär, und seine massigen Schultern begannen vor unterdrücktem Lachen zu beben.

»Sie müssen sie ja nicht essen! Sie sollen sie nur jagen und von den Speichern fernhalten«, beharrte Hedwig, die spürte, sie hatte gewonnen. Nur ließ sie sich besser ihren Triumph nicht anmerken.

Natürlich durfte ein dreizehnjähriges Mädchen den Knappen keine Befehle erteilen. Das oblag den Rittern und dem Waffenmeister. Aber sie war die Tochter des Markgrafen. Und wenn der Vater ihr Handeln nachträglich billigte, konnten diese dummen Burschen Mäuse jagen bis zu ihrer Schwertleite.

Der Bär brach nun in glucksendes Gelächter aus.

»Sie müssen sie also nicht verspeisen, weder roh noch gebraten? Wie großzügig von dir, Kind! Mein alter Freund, der Markgraf von Meißen, wird begeistert sein, wie energisch du seine Vorratskammern und Speicher hüten wirst, wenn du erst mit seinem Sohn vermählt und auf dem Meißner Burgberg eingezogen bist.«

Hedwig atmete innerlich auf und wagte ein keckes Lächeln.

»Ihr seid mir stets ein Vorbild darin, Gerechtigkeit zu üben, mein Herr und Vater. Und meine erlauchte Mutter darin, die Vorräte zu verwalten, wenn ich einmal für den Hausstand meines Auserkorenen verantwortlich bin.«

»Ich kann mich nicht erinnern, dass deine Mutter je so etwas befohlen hätte, weil jemand einen Stein nach einer Katze warf«, hielt der Vater ihr vor. Er tauschte einen Blick mit Sophia, die ganz im Gegensatz zu ihm ernst und bleich dasaß, ohne eine Miene zu verziehen.

»Keinen Stein! Sie benutzten Jagdbogen«, verteidigte sich Hedwig.

»Du unterschätzt die Katze, mein Liebling«, meinte der Markgraf belustigt. »Ich sah die Spuren, die ihre Krallen auf dem Gesicht eines der Nichtsnutze hinterlassen haben.«

Nun lächelte der Bär breit und ließ seine Pranken auf die Schenkel sinken. »Sollen diese Dummköpfe drei Tage lang Mäuse jagen! Und beim nächsten Mal lasse ich sie die auch essen«, kündigte er grimmig an. Dann tat er die Angelegenheit mit einer Geste als erledigt ab.

Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, und jäh schwand das Lächeln von seinen Zügen, als habe er es fortgewischt.

»Lasst uns allein!«, befahl der Fürst allen im Raum außer Tochter, Gemahlin und dem Grafen von Hillersleben.

Plötzlich schien es eiskalt in der Kammer zu werden.

Jetzt – das wusste Hedwig sofort – ging es nicht mehr um Katzen und Mäuse. Sondern um etwas viel Größeres.

Als alle Hinausbefohlenen gegangen waren und die Tür hinter sich geschlossen hatten, ermunterte der Markgraf seine Tochter, näher zu treten, und griff nach ihren Händen.

Sophia saß mit versteinerter Miene neben ihrem Gemahl, der Graf von Hillersleben stand etwas seitlich, wachsam wie immer, das Gesicht finster und auf einer Seite vernarbt.

Albrecht holte tief Luft und umklammerte Hedwigs Hände noch fester. Als fürchte er, sie könnte fortlaufen nach der nun bevorstehenden Eröffnung.

Ungewohnt ernst sah er ihr in die Augen. »Weshalb ich dich rufen ließ, mein liebes Kind, mein Herz …«

Er stockte, zögerte – völlig untypisch für ihn – und setzte erneut an, nun mit der ihm eigenen Ungeduld.

»Bei allen Heiligen, wir können uns jetzt nicht mit langen Reden aufhalten! Gleich ruft der neue König die Großen des Reiches zusammen, um mit ihnen zu beraten, und ich muss dabei sein …«

»Natürlich, Vater«, sagte Hedwig betont ruhig, weil sie das Gefühl hatte, sie müsse ihn ermutigen statt andersherum.

»Es sind stürmische Zeiten, Kind, und gefährliche. Haus Anhalt und Haus Wettin müssen enger denn je zusammenstehen. Sonst haben wir keine Chance gegen diesen neuen König und seine mächtigen Welfenfreunde. Verstehst du das, meine Tochter?«

»Ja, Vater.«

Die Feindschaft ihres Vaters mit den Welfen währte schon länger, als Hedwig lebte. Sie hatten ihm den Titel eines Herzogs von Sachsen geraubt, das würde er nie vergessen und verzeihen. Wobei zur ganzen Wahrheit gehörte, dass dieser Titel rechtmäßig den Welfen zustand und Albrecht ihn für einen unerhörten Friedensbruch erhielt, mit dem er Konrad von Staufen auf den Thron verholfen hatte.

»Dazu kommt, dass sich deine Mutter um deine Sicherheit und die deiner Geschwister sorgt«, fuhr der Bär unruhig fort.

Hedwig nickte wortlos.

Seit dem Gemetzel auf Winzenburg war Mutter nicht mehr sie selbst und fürchtete sich vor dem Schatten an der Wand.

Die Morde an Oheim und Tante entsetzten auch Hedwig. Doch beide waren böse, grausame Menschen gewesen. Jedes Mal, wenn sie mit ihren Eltern die Winzenburg besucht hatte, wurden Mägde für kleinste Vergehen blutig gepeitscht, Knechte tagelang in den Stock gesperrt, bis sie vor Qual fast starben, oder andere harte Strafen verhängt.

Natürlich war auch ihr Vater von gefürchteter Strenge. Aber wenn er gut gelaunt war, brachte er die Menschen mit derben Sprüchen oder Scherzen zum Lachen. Anders als ihr künftiger Schwiegervater Konrad von Meißen. Über ihn hieß es, er lächle nie.

Von ihrer Mutter hatte Hedwig als aufmerksame Beobachterin gelernt, einen wütenden oder aufbrausenden Herrn mit ein paar sanften Worten und einem Lächeln milder zu stimmen. Eine große Kunst. Und eine bedeutende. Die Dreizehnjährige war fest entschlossen, es darin zur Meisterschaft zu bringen.

Albrecht kratzte sich am Kinn, dann griff er wieder nach den Händen seiner Tochter.

»Also habe ich Folgendes entschieden«, erklärte er und atmete tief durch.

An der Miene ihrer Mutter erkannte Hedwig, dass diese bereits wusste, was nun kam, und sich deshalb sorgte.

Dem Mädchen war längst klar, dass es den Vater nicht beim Königsumritt durch das Reich begleiten konnte. Eine so lange und schnelle Reise bewältigten nur sehr gute und ausdauernde Reiter. Außerdem wollten die Männer unter sich sein, wenn sie Herrschaftsangelegenheiten berieten.

Was also würde Vater befehlen? Sollten sie hier in Aachen bleiben und sich die alten Römerbäder anschauen? Oder zurück nach Aschersleben reiten, was ihre Mutter nicht wollte? Auf die Brandenburg? Aber dort wimmelte es von heimlichen Anhängern des Slawenfürsten Jacza von Köpenick, die nur auf eine Chance warteten, im einstigen Slawenland wieder heidnische Sitten und Götzendienste durchzusetzen.

Albrecht räusperte sich und verkündete dann mit befehlsgewohnter Stimme: »Der Graf von Hillersleben wird deine Mutter und dich nach Meißen geleiten, zu meinem alten Freund Konrad von Wettin. Auf dem Meißner Burgberg seid ihr sicher. Pfingsten kommt ihr gemeinsam mit Konrad und seinen Söhnen zu dem großen Hoftag nach Merseburg. Dort treffen wir uns wieder. Und sobald die offiziellen Angelegenheiten des Hofes erledigt sind, wird dich Otto als seine Braut heimführen.«

Er sah seiner Tochter in die Augen. »Die Lage hat sich geändert, diese Hochzeit muss bald stattfinden. Eher, als mir lieb ist – und auch deiner Mutter.«

Albrecht beobachtete aufmerksam, ob sich im Gesicht seiner Tochter etwas regte. Ob sie sich vor der Vermählung fürchtete in ihrer jugendlichen Unschuld. Sein künftiger Schwiegersohn Otto gab sich zwar alle Mühe, freundlich zu seiner kleinen Braut zu sein, sonst würde er auch gewaltigen Ärger mit seinem zukünftigen Schwiegervater bekommen. Aber Konrads ältester Sohn war häufig missgelaunt und streitsüchtig.

Eindringlich wiederholte Albrecht deshalb: »Das Fortbestehen unserer Häuser hängt davon ab. Gemeinsam müssen wir uns gegen die welfische Übermacht behaupten, die nun unter diesem König eintreten wird. Verstehst du das, Tochter?«

Er zwang sich zu einem Lächeln. »Freu dich, bald bist du eine Braut in einem wunderschönen Kleid!«

»Hab keine Angst!«, sagte nun die Mutter, deutlich angespannter.

»Ich habe keine Angst«, versicherte Hedwig, auch wenn das nicht ganz stimmte. »Ist es nicht meine Pflicht, dazu beizutragen, dass unsere Häuser fortbestehen?«

Als sie verlobt worden war, hatte sie es weder recht verstanden noch irgendwie belastet. Sie zählte erst acht Jahre damals, war fast noch ein Kind. Die Kindheit galt nach dem sechsten Lebensjahr als beendet.

Als sie dann älter wurde, begann es durchaus, sie zu beunruhigen. Aber Hedwig war klug. Sie hatte gründlich überlegt, wie sie mit ihrem künftigen Gemahl zurechtkommen konnte.

Und wenn Sophia schon die Mitmenschen erstaunte, weil sie es schaffte, den ungestümen Bären mit einem Blick oder ein paar sanften Worten zu Milde zu bewegen – die Tochter war ihre aufmerksame Schülerin gewesen.

Von klein auf hatte sie gelernt, ihren Vater um den Finger zu wickeln; mit einem Lächeln, einem Augenzwinkern, einer fröhlichen Bemerkung … Da würde sie es gewiss auch bei Otto schaffen. Außerdem hatte sie noch sieben größere Brüder, zwischen denen sie sich behaupten musste.

Sie wollte nicht so eine Ehe wie ihre Mutter führen: stets nachgiebig und ständig schwanger. In den letzten Jahren hatte sie viele Schicksale hochgeborener Frauen aufmerksam verfolgt, um daraus zu lernen.

Und dann gab es da noch die wilden Geschichten über ihre kämpferische Großmutter Eilika. Trug sie nicht auch deren Blut in sich?

»Braves Kind, ich bin stolz auf dich!«, sagte Albrecht über alle Maßen erleichtert, wobei er das eisige Schweigen seiner Gemahlin geflissentlich ignorierte. »Ich werde meinen schnellsten Reiter schicken, um meinen Freund Konrad von eurer bevorstehenden Ankunft in Kenntnis zu setzen.«

Nun redete er sich in Schwung, schließlich musste er gleich zum König.

»Es gibt keine Markgräfin mehr auf dem Meißner Burgberg, wie ihr wisst, weil sich Konrad nach dem Tod seiner Gemahlin nicht erneut vermählen wollte. Doch er wird seine Schwester Mathilde von Seeburg rufen lassen, damit sie sich um den weiblichen Hofstaat kümmert. Du wirst dich mit Adele anfreunden, Ottos Schwester, die ebenfalls noch dieses Jahr heiraten soll …«

Und walte Gott, dachte er, ohne es auszusprechen, dass dir die Peinlichkeiten mit Ottos Bruder Dietrich, seiner hasserfüllten Gemahlin und seiner Geliebten samt Bastard in Eilenburg erspart bleiben! Zum Glück ist Eilenburg zwei Tagesritte von Meißen entfernt.

Doch Hedwig wusste längst davon.

Natürlich kannte sie ihren künftigen Schwager Dietrich, der ihr viel besser gefiel als Otto. Nur war er unglücklich mit einer polnischen Herzogstochter vermählt. Und so hatte Dietrich eine junge Witwe als seine offizielle Geliebte zu sich geholt. Hedwig verfolgte das Schicksal dieser Kunigunde von Plötzkau aufmerksam, denn Plötzkau grenzte an die askanischen Besitzungen.

Ebenfalls dreizehnjährig war Kunigunde einst dem viel älteren, groben Grafen von Plötzkau zur Frau gegeben worden. Nach dessen Tod entschied sie sich dafür, Dietrichs Geliebte zu werden, statt erneut irgendeinen fremden Mann heiraten zu müssen, weil sie den Markgrafensohn schon lange liebte. Sie hatte ihm inzwischen einen Jungen geboren, und Ottos Bruder hatte seinen Bastard sogar offiziell anerkannt.

Außerdem war Kunigunde mit Adela von Vohburg befreundet, der Gemahlin des Königs. Vielleicht konnte sie das Rätsel lösen, warum Adela nie an Friedrichs Seite erschien und auch nicht gekrönt worden war.

Hedwig wollte sie alle gern näher kennenlernen.

Auch Dietrichs polnische Gemahlin, deren Schwester Judith mit Hedwigs ältestem Bruder vermählt war. Und Ottos fetten Bruder Dedo und seine gefürchtete Tante Mathilde, von der es hieß, sie ähnele Großmutter Eilika.

Wie aufregend das alles sein würde!

Nur vor dem strengen Markgrafen Konrad graute ihr ein wenig. Der würde sich wohl kaum von ihr um den Finger wickeln lassen. Aber er war immerhin der Freund ihres Vaters.

»Gutes Kind, ich bin stolz auf dich«, wiederholte Albrecht erleichtert, tätschelte ihr den Kopf, stand auf und ging mit dem Hillerslebener zur Tür.

»Der König ruft. Und ich fürchte, er ist nicht sehr geduldig, unser junger neuer Regent«, erklärte er mürrisch.

»Geht nur, Vater! Ich werde für Euch beten!«, rief Hedwig.

Dann war sie mit ihrer Mutter allein.

Und sofort fühlte sie sich unwohl.

Sie wollte jetzt nicht mit der Mutter über ihre vorgezogene Vermählung sprechen. Erst hatte sie über einiges nachzudenken.

Doch nun war es Sophia, die ihre Tochter bei den Händen nahm und zu sich zog.

»Sunhild wird dir erklären, was du wissen solltest, ehe du deinem Gemahl ins Ehebett gelegt wirst«, sagte sie leise.

Sophia hatte diese Dinge nie hören wollen, sie waren sündig und ein gefährliches Geheimnis. Lieber trug sie Jahr für Jahr ein Kind aus. Aber sie war auch nicht dreizehn gewesen bei ihrer Vermählung, sondern siebzehn. Ihre Tochter sollte nicht im Kindbett sterben, weil sie noch zu jung zum Gebären war. Sunhild konnte das verhindern.

Kalter Guss für Seine Majestät

Friedrich I.; Königspfalz zu Aachen, 10. März 1152

Zornig krallte Friedrich beide Hände um die Lehnen seines reichverzierten Stuhls und starrte auf die vor ihm stehenden kostbar gekleideten Männer im Festsaal der Pfalz.

So hatte er sich den Beginn seiner Regentschaft nicht vorgestellt!

Da hatte er die Edelsten des Reichs zur Beratung über seine Vorhaben und Pläne eingeladen. Und dann so etwas!

Nicht dass er ihren Rat brauchte. Aber die Tradition und die Macht der Fürsten erforderten, dass er sich mit ihnen besprach. Um ihre Zustimmung einzuholen und vor allem ihre tatkräftige Unterstützung zu erwirken.

Doch zu seinem wichtigsten Vorhaben, seiner baldigen Kaiserkrönung, hörte er heute statt jubelnder Zustimmung nur Einwände, Bedenken und Absagen.

»Nein, Majestät! – Das ist zu früh, Majestät! – Ihr könnt jetzt nicht das Reich verlassen.«

Oder aber: »Es ist zu spät, um dieses Jahr unsere Truppen für einen Romzug zu den Bannern zu rufen.«

War das denn zu fassen? Sie alle trugen noch den schweren Weihrauchgeruch von seiner gestrigen Krönungszeremonie in den Prunkgewändern – und dennoch verweigerten sie sich ihm. Memmen!

Es wurde höchste Zeit, diese ängstlichen Greise durch junge, kühne Männer zu ersetzen.

Seine Zukunftspläne waren klar und detailliert, auch wenn er vieles davon vorerst für sich behalten würde. Friedrich besaß ein ausgezeichnetes Gedächtnis für Gesichter, er vergaß weder Treue noch Widerspruch und würde etliche Rechnungen begleichen, so oder so.

Natürlich war ihm bewusst, dass sein traditioneller Königsumritt durch das Reich mehrere Monate in Anspruch nahm. Doch er würde an allen Orten ausgiebig Recht sprechen, was seine Kasse füllte, und einen allgemeinen Landfrieden anordnen.

Konnte es danach Dringenderes geben, als nach Rom zu reiten und sich zum Kaiser krönen zu lassen? Ganz zu schweigen von den schon lange geplanten Kriegszügen gegen Géza von Ungarn und Roger von Sizilien?

Auch diese beiden Vorhaben fanden bei seinen Fürsten keine Zustimmung. Einzig die im Saal anwesenden Geistlichen hatten den Romzug befürwortet. Doch auf sie konnte er nicht zählen, ausgenommen den Bischof von Bamberg.

Seinen Zorn mühsam verbergend, starrte er auf die vor ihm Stehenden und resümierte voller Sarkasmus: »Verstehe ich Euch richtig, edle Herren? Ihr weigert Euch, noch dieses Jahr unter meinem Kommando mit Euren Heeren nach Rom zu reiten, um dem Papst endlich Einzug in die Stadt zu verschaffen? Und mir, Euerm König, die Kaiserkrone?«

Nun beugte er sich vor und rief: »Habt Ihr denn gar nichts gelernt aus dem Dilemma meines Oheims, des verblichenen Königs Konrad?«

Dieses Dilemma sollte jedem hier die Schamröte ins Gesicht treiben, dem etwas an der Ehre des Reiches lag.

In den neun Jahren seiner Herrschaft hatte es Konrad von Staufen als einziger römischer König nicht geschafft, sich zum Kaiser krönen zu lassen. Ständig kam etwas dazwischen: Kriege, Fehden, der Kreuzzug, seine schwere Krankheit … Und nicht zuletzt der Umstand, dass der Papst nicht nach Rom durfte, weil ihm die rebellischen Stadtbewohner den Zutritt verweigerten, denn Rom sei wieder eine Republik.

Das führte vor fünf Jahren während des Kreuzzugs zu der demütigenden Situation, dass sich der Kaiser von Byzanz weigerte, Konrad als Gleichrangigen zu empfangen, obwohl der sogar sein Schwiegervater war! Wochenlang lagerte das königliche Heer vor Konstantinopel und durfte doch die byzantinische Hauptstadt nicht betreten, da keine Einigung über die Begrüßungsformalitäten erzielt werden konnte. Konrad sei nur König, beharrte Manuel Komnenos, weshalb er als Kaiser eine Geste der Unterwerfung von ihm forderte. Was der Staufer wiederum empört ablehnte.

Damit hatte der jahrhundertelange Streit zwischen Rom und Byzanz, welche Kirche und welcher Kaiser bedeutender sei, eine seiner absurdesten Possen hervorgebracht. Auf Kosten Konrads, auf Kosten der Ehre des Reiches.

Und Friedrich musste es mit ansehen.

Zielstrebig suchte er unter den Männern vor sich nach Kreuzzugsteilnehmern, sprach diesen und jenen mit Namen an.

»Habt Ihr nicht als Pilger in Waffen die Schmähung König Konrads vor Konstantinopel erlebt?«, grollte er und ballte die Rechte zur Faust. »Und Ihr anderen wisst allesamt davon, auch wenn Ihr nicht dabei wart. Die Kaiserkrönung muss stattfinden, damit sich solche Schande nicht wiederholt.«

Seine Worte waren kaum verhallt, da brach Tumult im Saal los.

»Wir weigern uns doch nicht, Euer Majestät!«, riefen die Fürsten durcheinander, und jeder wollte der Lauteste sein. Doch zunächst müsse der Friede im Reich wiederhergestellt werden. Der König dürfe das zerrüttete und von vielen Nöten geplagte Land nicht jetzt schon verlassen. Und so schnell könnten sie auch keine großen Heere zusammenrufen.

Kurzum: Sie wiederholten genau die Argumente, die sie gerade schon einmal vorgetragen hatten.

Friedrich hob gebieterisch die Hand, um die Männer zum Schweigen zu bringen. Schlagartig trat Stille ein.

Er tauschte einen kurzen Blick mit Otto von Wittelsbach, dem von ihm frisch ernannten Bannerträger des Reiches, der sich daraufhin rücksichtslos zwischen den anderen nach vorn drängte. Das fiel dem Wittelsbacher nicht schwer, denn er war so hoch gewachsen, dass ihn in diesem Saal einzig Albrecht der Bär überragte.

Otto von Wittelsbach war ein Verwandter Friedrichs, etwa in seinem Alter, und trug trotz seiner schwarzen Locken den Beinamen »Rotkopf«, weil er leicht in Rage geriet und sein Gesicht dann schnell eine purpurne Farbe annahm. Aber jetzt lächelte er gut gelaunt und listig.

»Wartet noch ein wenig, Euer Majestät! Wartet darauf, dass der Papst Euch als Retter ruft, damit Ihr ihm Zutritt nach Rom verschafft und ihm die Sizilianer vom Hals haltet!«, schlug er vor. »Lange kann es nicht dauern. Dann wird Euer Licht noch heller strahlen.«

Was jeder im Saal in Gedanken sofort korrekt übersetzte: Dann steht der Papst in Eurer Schuld und wird viel eher geneigt sein, Eure Wünsche und Forderungen zu erfüllen.

Deshalb erntete der Vorschlag des Wittelsbachers den begeisterten Zuspruch der Fürsten, auch wenn sie für den neuen Bannerträger selbst wenig Begeisterung empfanden. Noch so einer von den vielen jungen Freunden und Verwandten des neuen Königs, die plötzlich mit bedeutenden Positionen und Ämtern geehrt wurden!

Friedrich und Otto von Wittelsbach hatten sich diesen Einwurf gestern für den Fall ausgedacht, dass es Widerspruch gab, damit Friedrich sein Gesicht wahren konnte.

Denn er provozierte die im Saal versammelten Fürsten bereits mit der von ihm sorgfältig festgelegten Platzordnung ganz bewusst, um jedem die neuen Kräfteverhältnisse unter seiner Regentschaft klar vor Augen zu führen.

Links neben ihm, auf einem kleineren Stuhl, saß der achtjährige Friedrich, sein Vetter, der einzige noch lebende Sohn Konrads von Staufen.

Eigentlich hätte der schmächtige blonde Junge in Frankfurt zum König gewählt und in Aachen gekrönt werden sollen.

Aber Friedrich von Schwaben und Bischof Eberhard von Bamberg hatten am Totenbett des Königs übereinstimmend verkündet, der Dahingeschiedene wolle seinen kriegs- und herrschaftserfahrenen Neffen auf dem Thron sehen und habe ihm die Reichsinsignien übergeben. Wer konnte widersprechen, da es keine Zeugen gab?

Der alte Erzbischof von Mainz tat es, der als Reichsverweser nur zu gern bis zur Volljährigkeit des noch unmündigen Prinzen die Regentschaft übernommen hätte.

Sein wütender Protest – er sprach sogar von Thronraub! – und sein demonstratives Fernbleiben von der Krönung würden vor allem zu einem führen: dem Verlust seiner Stellung. Eines von Friedrichs dringenderen, aber noch geheimen Vorhaben.

Wer wollte jetzt dem gewählten und gesalbten König noch Thronraub vorwerfen, da er seinem jungen Vetter den Ehrenplatz neben sich einräumte, während alle anderen stehen mussten, die Vormundschaft für ihn übernahm und ihm vor aller Ohren und Augen Rothenburg und obendrein das Herzogtum Schwaben übertrug?

So saß der kleine Herzog von Schwaben erhöht unter der Obhut seines königlichen Verwandten, baumelte gelangweilt mit den Beinen und sah abwechselnd zu seinem treuen Leibwächter Ulrich von Lauterstein, der Konrad viele Jahre ein enger Vertrauter gewesen war, und zum neuen König. Er mochte die beiden viel lieber als den alten, säuerlich riechenden Mainzer Erzbischof und war froh, nicht die schwere Krone tragen zu müssen. Viel lieber würde er nachher mit Ulrich ausreiten oder den Falkner aufsuchen und den kostbaren Gerfalken bewundern, den der König vom byzantinischen Kaiser als Geschenk erhalten hatte.

Die meisten Fürsten erleichterte es ebenfalls, keinen Kindkönig unter der Fuchtel eines machtgierigen und streitsüchtigen alten Erzbischofs vorgesetzt zu bekommen.

Doch dass links und rechts von König und Königssohn zwei Welfenfürsten standen und damit die ehrenvollsten Plätze zugeteilt bekamen, während sich die anderen Hochgeborenen im Halbkreis vor dem König aufreihen mussten, war für viele ein Affront.

Hieß es nicht, Friedrich – von Geburt halb Staufer, halb Welfe – sollte als König die jahrelangen Kriege beenden, die zwischen den beiden Häusern herrschten und die das Land zerrissen und verwüstet hatten?

Stattdessen zeigte er sich demonstrativ als bester Freund der beiden machtbewussten Welfen und gewährte ihnen großartige Versprechungen – während ihre einstigen Gegner, die Staufertreuen, um Ländereien und Titel bangten.

Sollten sie sich sorgen!

Das war Friedrichs Botschaft.

Sein Blick richtete sich wie von selbst auf Albrecht den Bären, der durch seine Körpergröße aus den Reihen der Fürsten herausragte. Und als ausgezeichneter Menschenkenner wusste der junge König genau, was Albrecht dachte.

 

Die ganze Zeit schon überlegte der erboste Markgraf der Nordmark, wie er seinem abwesenden Freund Konrad, dem Markgrafen von Meißen und der Lausitz, den Ernst der Lage in aller Eindringlichkeit klarmachen konnte.

Friedrich schart jetzt neue, junge Leute um sich, und wir Alten müssen sehen, wie wir unsere Besitzstände wahren, grollte er in Gedanken. Doch das Schlimmste: Wohin man sah, nur noch Welfen!

Da vorn steht dieser Heinrich der Löwe mit seinen kaum zwanzig Jahren, die Arme lässig vor der Brust verschränkt, grinst mich – seinen alten Rivalen – an und sieht sich schon als Herzog von Sachsen und Bayern! Sachsen hat einmal mir gehört! Und Bayern gehört Heinrich Jasomirgott, der wird es nicht freiwillig hergeben. Aber Jasomirgott zählt zum babenbergischen Zweig der Staufer; die werden wohl bald nicht mehr viel zu sagen haben.

Und welchen Herzogstitel wird Friedrich dem sechsten Welf zuschanzen? Sie sind die besten Freunde, haben gemeinsam gekämpft, sind fast gleichaltrig und eher Brüder als Oheim und Neffe …

Friedrich war, als könne er in den Kopf des Bären hineinschauen. Er hatte längst Pläne, den Askanier und auch den Meißner Markgrafen zufriedenzustellen, denn er brauchte sie zum Schutz der östlichen Gebiete des Reiches. Das würde er auf dem großen Pfingsthoftag in Merseburg tun. Aber erst einmal sollten sie sich ein wenig sorgen, das konnte nicht schaden.

Die Vehemenz, mit der ihm heute die weltlichen Fürsten den Romzug versagten, erforderte eine kluge Taktik seinerseits. Und deshalb würde der Bär Winzenburg nicht bekommen, selbst wenn er es sehr begehrte und schon lauthals gefordert hatte. Nein, Winzenburg würde er Heinrich dem Löwen geben – zum Trost, weil er ihm noch nicht gleich Bayern übertragen konnte. Sollte sich Albrecht dafür mit Plötzkau vergnügen!

Der Mundschenk wollte Friedrich den mit Edelsteinen besetzten Becher nachfüllen, doch er schickte ihn mit einer Geste fort. Das hiesige Starkbier – es war immer noch Fastenzeit und Wein daher verboten – schmeckte gut. Aber wenn sich die Beratung noch länger hinzog, würde es ihm bald aus den Ohren laufen.

Stattdessen dachte er an den Vorschlag, den der Wittelsbacher ausgesprochen hatte.

So eilig er auch zum Kaiser gekrönt werden wollte – wenn der Papst ihn riefe, böte das enorme Vorteile bei den Verhandlungen. Er, Friedrich, hatte allerhand Wünsche und Forderungen an Seine Heiligkeit.

Die Frage war nur: Wie eilig hatte es Seine Heiligkeit?

Der König lehnte sich zurück und unterdrückte ein Lächeln.

Was jetzt kam, würde seiner Herrschaft einen besonderen Platz in der Geschichte sichern. Auch wenn das bisher außer ihm nur ein einziger Mann im Saal genau wusste. Und der war deshalb bis in sein tiefstes Inneres erschüttert.

Die zwei Schwerter der Macht

Friedrich I. und Wibald von Stablo und Corvey; Aachen, 10. März 1152

Friedrich sah in die Runde seiner Fürsten und resümierte scheinbar versöhnlich: »Da also nach Eurer mehrheitlichen Ansicht ein sofortiger Romzug nicht möglich ist, sollten wir natürlich Seine Heiligkeit von meiner Wahl und Krönung durch ein offizielles Schreiben in Kenntnis setzen.«

Das lenkte die Blicke sofort auf zwei Männer, die sich direkt gegenüberstanden, aber größtmöglichen Abstand hielten und sich mit deutlichem Misstrauen maßen: Bischof Eberhard von Bamberg rechts und Abt Wibald von Stablo und Corvey links in dem Halbkreis vor dem König.

Der grauhaarige Abt, der schon unter Kaiser Lothar und König Konrad als Ratgeber und Leiter der Hofkanzlei gedient hatte, sorgte sich seit Tagen, ob er dieses hohe Amt wohl weiter ausüben dürfte. Denn Friedrich hatte in Eberhard von Bamberg einen Verbündeten gefunden, weil der ihm durch das schnelle Begräbnis Konrads in Bamberg Wahl und Krönung zu den längst festgelegten Terminen ermöglichte. Eberhard war dafür mit der einträglichen Abtei Niederaltaich belohnt worden. Sehr zu Wibalds Grimm.

Doch gestern war Wibalds sonst wohlgeordnete Welt vollends aus den Fugen geraten, als er in einer Privataudienz dem König seinen Entwurf des Schreibens an den Papst vorstellte.

Der Herr über den Schriftverkehr des Reiches hatte eine Wahlanzeige verfasst, so wie sie unter Friedrichs Vorgängern üblich gewesen wäre. In kunstvoll gesetzten Worten bat der König darin den Papst um Erlaubnis und Bestätigung der Wahl.

Was Friedrich glattweg verwarf.

»Ich brauche seine Erlaubnis nicht!«, hatte der junge Herrscher selbstbewusst verkündet. »Denn ich bin König von Gottes Gnaden. Papst und Kaiser sind einander gleichberechtigt, und jeder kümmere sich um seine Zuständigkeiten. Setzt Seine Heiligkeit von meiner Wahl in Kenntnis. Und ich schwöre ihm, dass ich die Heilige Mutter Kirche als treu ergebener Sohn achten und für ihren Schutz sorgen werde.«

Friedrich sah sehr wohl, dass sich der papsttreue Wibald unter diesen Worten krümmte.

Doch es kümmerte ihn nicht. Es musste Schluss sein damit, dass sich der Papst über den weltlichen Herrscher erhob! Dies war seine ganz entschiedene Meinung und sein Ziel. Erst seine beiden Vorgänger hatten es überhaupt so weit kommen lassen. Kaiser Lothar erniedrigte sich sogar zu solchen Demutsgesten vor dem Papst, wie ihm die Steigbügel zu halten. Das würde er niemals tun! Ein Papst und ein Kaiser mussten sich auf Augenhöhe begegnen.

»Erinnern wir uns wieder an das Prinzip der zwei Schwerter, das weltliche und das geistliche! Gleichberechtigt, nebeneinander und unmittelbar zu Gott«, hatte er den fassungslosen Abt instruiert. Der jetzt im Festsaal stand und fürchtete, der junge König würde seine ungeheuerlichen Ansichten laut verkünden.

Damit niemand sah, dass seine faltigen Hände zitterten, schob Wibald sie in die Ärmel seiner Benediktinerkutte und bereitete sich auf das Schlimmste vor.

Doch dann glaubte er seinen Ohren nicht zu trauen.

In ausgesuchter Höflichkeit wandte sich der König an ihn und lobte ihn vor allen anwesenden Edlen.