Schwestern - Nike Mangold - E-Book

Schwestern E-Book

Nike Mangold

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Beschreibung

Wäre er doch nur in einen Stripclub gegangen! Mark verbringt ein Wochenende in Hamburg und will mit einem alten Freund ein Bier trinken gehen. Doch was als harmloses Besäufnis in einer verranzten Kneipe auf St.Pauli beginnt, endet für Mark in einem unfreiwilligen Trip in die Vergangenheit. Er trifft auf Damen, die angeblich nur sein Bestes wollen. Allerdings könnte ihre Fürsorge tödlich enden. (Kurzgeschichte, ca. 10000 Wörter)

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Seitenzahl: 48

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Schwestern

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SCHWESTERN Schweiß brannte Mark in den Augen. 

»Lass in Hamburg die Sau raus«, hatte seine Frau Charlotte zum Abschied gesagt. »Das hast du dir verdient.«

Und nun joggte Mark um die Alster, geplagt von Seitenstichen, mit denen sein Körper ihn für das Essen der Erdnüsse aus der Minibar bestrafte. Die Nachbarin, Mutter von Zwillingen, die wie Mark ihren Job für die Familie aufgegeben hatte, beneidete ihn um den Wochenendtrip. (»Zwei Nächte in einem Luxushotel? Ganz allein? Dafür würde ich töten!«) Mark hatte grimmig genickt, entschlossen, die freie Zeit zu genießen. Vier Tage lang hatte er sich um seine Magen-Darm-kranken Kinder gekümmert, während Charlotte geschäftlich in Rio de Janeiro weilte. Bei ihrer Rückkehr am Donnerstagabend ging es Merle und David wieder gut. Dagegen musste Mark, ausgelaugt vom Trösten, Wäschewaschen und nächtlichen Fahrten zur Notdienstapotheke einen bedauernswerten Eindruck gemacht haben.

»Du brauchst eine Auszeit«, sagte Charlotte. »Nimm meine Bonuskarte und gönn dir zwei Übernachtungen in dem noblen Hotel, in dem ich neulich war.«

Wie jeder ihrer Vorschläge hatte das gut geklungen. Charlotte wusste ihre Ideen zu verkaufen. Doch bereits beim Einchecken fühlte Mark sich unwohl. Auch wenn er seine Freizeitkleidung zum Bügelservice schickte und seine Turnschuhe mit der französischen Seife reinigte, die im Bad lag, käme er sich beim Frühstücksbuffet, zwischen Geschäftsleuten und internationaler Schickeria, fehl am Platz vor.

Eine Stunde lang verfolgte er in seinem Zimmer die Tour de France auf dem übertrieben großen Flachbildschirm. Aber Fernsehen konnte er jeden Abend.

Wie ließ man die Sau raus? Mark ging zum Waschbecken, drehte das kalte Wasser auf und hielt seinen Kopf darunter. Dann schüttelte er sich und stieß einen Urschrei aus. In der Minibar standen handliche Spirituosenflaschen. Mark hatte die Finger schon um einen Drehverschluss gelegt, als er sich im Spiegel sah. Er, Mark, war kein Rockstar. Dazu fehlte ihm die Band. Feierten gewöhnliche Menschen allein, endete das nur in einem traurigen Besäufnis.

Also rausgehen und shoppen? Mark hasste den Geruch von neuer Kleidung. Eine Hafenrundfahrt, eingezwängt zwischen Schülern auf Klassenfahrt? Auch nicht lustig. Aber laufen. Das ging überall, und es erschöpfte einen wie eine wilde Party.

Mark sah auf die Fitnessuhr, die Charlotte ihm geliehen hatte. Noch nicht einmal vier Kilometer war er gelaufen. Obwohl er am liebsten auf einer Bank zusammengebrochen wäre, stemmte er sich dem Wind entgegen und setzte zu einer zweiten Runde an. Sein Durchhalten wurde belohnt. Er überwand den toten Punkt und schaffte sogar eine dritte Runde. Als er wieder am Hotel ankam, fühlte er sich unbesiegbar. Auf seinem Zimmer duschte er und wechselte in frische Sachen. Noch immer hielt die Euphorie an. Mark federte auf der Bettkante. Er musste sich um niemanden kümmern und hatte nichts zu erledigen. In seinem Handy scrollte er durch die Kontakte. Bernd! Wie lange hatte er den Kumpel aus Studientagen nicht mehr gesehen? Aber die Nummer war noch aktuell.

»Hallo Bernd, ich bin es, Mark.«

Ein peinlicher Moment der Stille folgte. Endlich schien der Blitz der Erinnerung bei dem Angerufenen einzuschlagen.

»Alter! Wie geht es dir?«

»Gut. Ich bin dieses Wochenende in Hamburg, und da dachte ich …«

»Lass uns ein Bier trinken, klar!«

»Wann passt es dir?«

»Sofort. Im Ernst, wir haben Freitagnachmittag, und ich sitze im Büro. Wie traurig. Treffen wir uns an der S-Bahn-Haltestelle Reeperbahn. In einer halben Stunde?«

»Okay.«

»Cool. Freu mich.«

Schön, wenn man alten Freunden noch etwas bedeutete. Als Mark den verabredeten Treffpunkt erreichte, wurde er von Bernd gedrückt wie ein lang vermisstes Familienmitglied.

»Dich schickt der Himmel«, sagte Bernd. »Ich muss dringend auf andere Gedanken kommen. Lass uns in meine Lieblingskneipe gehen.«

Sie liefen die Reeperbahn entlang, vorbei an Nachtclubs, Imbissen und einem Sexshop. Touristen fotografierten sich vor den noch ausgeschalteten Leuchtreklamen.

Bernd hatte es offenbar eilig. Er bog in eine Seitenstraße ab. An einer Ecke posierte eine Frau in Kunstpelzmantel und weißen Stiefeln. Als sie Bernd und Mark bemerkte, machte sie einen Schritt auf sie zu. Bernd winkte ab.

»Moin, Tammy. Später.«

Sie erreichten eine Eckkneipe. An der Hauswand klebten Fetzen von Plakaten, die Fensterscheiben waren verschmiert, und in der geöffneten Tür hing ein schmutziger Vorhang. Das Neueste an der Fassade war das handgemalte Schild neben dem Eingang: »Wir sind ein Raucherlokal.«

Bevor Mark zögern konnte, bugsierte Bernd ihn ins Innere, dirigierte ihn an den Tresen und orderte zwei »Herrengedeck«.

Die Wirtin, eine platinblondierte Mittfünfzigerin, schenkte zuerst den Schnaps ein. Bernd schluckte seinen mit grimmiger Entschlossenheit.

»War eine Scheißwoche«, sagte er.

»Viel zu tun?«, fragte Mark.

»Das auch. Und die Scheidung. Sandra dreht am Rad. Will die Kinder für sich allein.«

»Oh je.«

An eine Sandra erinnerte Mark sich nicht, und von Kindern hörte er auch zum ersten Mal. Um sein Mitgefühl zu zeigen, kippte er ebenfalls den Schnaps. Es war übler Fusel, der im Hals kratzte wie ein Nadelkissen. Mark spülte mit dem Pils nach, das die Wirtin inzwischen vor ihm abgestellt hatte. Bernd hatte seines schon ausgetrunken.

»Noch eins?«, fragte er.

»Muss wohl«, sagte Mark.

Bernd lächelte müde und bestellte zwei weitere Biere. »Und bei dir? Alles in Butter?«

»Alles prima.« Mark wollte seinen Freund nicht mit Geschichten von einer erfolgreichen Ehefrau und harmonischem Familienleben deprimieren. Vorsichtig verlagerte er sein Gewicht auf dem Barhocker und fiel beinahe herunter. Alkohol auf leeren Magen vertrug er nicht. »Schön, mal wieder im Norden zu sein, an der Waterkant, unter Matrosen.«

Auf der Suche nach Seeleuten blickte er sich um. Am anderen Ende des Tresens saß ein bärtiger Mann über einem abgestandenen Bier. Dem speckigen Mantel und den Plastiktüten zu seinen Füßen nach zu urteilen, handelte es sich bei ihm aber um einen Obdachlosen.

»Matrosen, ha!« Die Wirtin schlug einen Lappen an das Spülbecken. »Die kommen gar nicht mehr an Land. Werden auf den Philippinen rekrutiert und verdienen kaum was. Für ihren Lohn können die armen Teufel nur Dosenbier bei Penny kaufen. Wovon soll unsereins da noch leben?«

Sie tauschte Bernds und Marks leere Gläser gegen volle aus und wartete, die Hände in die Hüften gestemmt. Gehorsam trank Mark einige Zentimeter ab.

»Auch die Touristen schwächeln«, sagte die Wirtin. »Früher kamen die freitags und samstags. Mittlerweile schaffen sie nur noch einen Tag.«

»Traurige Gestalten, die Männer von heute«, sagte eine Stimme neben Mark. »Mein Großvater konnte das Wochenende durchzechen und löschte montags wieder Ladung.«