Freunde treffen - Nike Mangold - E-Book

Freunde treffen E-Book

Nike Mangold

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Beschreibung

Manche Menschen willst du nicht kennenlernen! Charlottes Firma kauft die vielversprechende App eines eigenwilligen Nerds ein. »Freunde treffen« soll es Menschen einfacher machen, sich gegenseitig zu helfen. Begeistert von der Idee, testet Charlotte persönlich und findet Gefallen daran. Doch um mit der App Geld zu verdienen, muss eine zahlungspflichtige Premium-Version her. Und in dieser werden Freunde zu Feinden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 46

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Freunde treffen

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Freunde treffen

6:30 Uhr, Dienstag. Heute war der einzige Tag der Arbeitswoche ohne frühe Telefonkonferenz mit China. Charlotte wollte noch mindestens eine Stunde schlafen, doch beim Blick auf den Wecker wich die Bettschwere aus ihrem Körper und ihr Organismus schaltete unerbittlich in den Aktivmodus, morgendliche Gereiztheit inklusive.

Ihr Mann Mark war schon auf den Beinen. Im Bademantel tappte Charlotte in die Küche und fand eine Kanne frischen Kaffees vor. Sie goss sich eine Tasse ein und versuchte, langsam und genussvoll zu trinken.

Wenn du Kaffee trinkst, trinke nur Kaffee.

Doch ihre innere Mitte war irgendwo zwischen Schanghai und Frankfurt verloren gegangen. Der letzte Jet Lag steckte ihr noch in den Knochen. Dringend hätte sie Schlaf nachholen müssen. Stattdessen lehnte sie nutzlos an der Küchentheke. Das machte sie ärgerlich auf sich selbst.

Durch die Verandatür trat Charlotte in den Garten. Mark übte Bogenschießen. Er hatte ihr den Rücken zugedreht und zielte auf eine Scheibe, die am Stamm des Apfelbaums hing. Um den Kopf trug er ein Lederband mit einer Feder darin. Zu atmen schien er nicht. Nach einer Zeitspanne, die Charlotte wie eine Ewigkeit vorkam, schoss er. Der Pfeil blieb im äußersten Kreis der Zielscheibe stecken. Charlotte klatschte.

Mark drehte sich um. »Ist verbesserungswürdig.«

In durchnässten Socken und Badelatschen lief er durch das taufeuchte Gras, um den Pfeil zu holen.

Zieh Gummistiefel an!

Charlotte schluckte die Bemerkung herunter. Hier bot sich die Gelegenheit, Paarzeit zu verbringen und Interesse an Marks Hobby zu zeigen, wie es die Familientherapeutin empfohlen hatte.

Erneut brachte Mark sich in Stellung, spannte die Sehne und verharrte, ohne Luft zu holen. Nach einer Weile ließ er den Bogen sinken und begann von vorn. Wieder folgte quälend langes Stillstehen und schließlich der erlösende Schuss. Der Pfeil flog in die Hecke.

»Du machst mich nervös«, sagte Mark.

Allerdings klang er gut gelaunt. Charlotte zwang sich, zwei weitere Versuche mitanzusehen, bis sie es nicht mehr ertragen konnte, sich anzog und zum Büro aufbrach. Im Auto sprach sie aus, was sie sich vorher verkniffen hatte: »Besorg zusätzliche Pfeile. Du übst effizienter, wenn du zehn auf einmal zurückholst. Soll mein Assistent einen Trainer für dich auftreiben? Übrigens sind nasse Füße der sicherste Weg, krank zu werden.«

Natürlich wollte das diplomatischer ausgedrückt sein. Charlotte formulierte eine Version ihrer Ratschläge mit »meiner Meinung nach«, doch als sie auf den Firmenparkplatz einbog, verwarf sie auch diese. Warum überhaupt Bogensport? Moderne Schusswaffen waren treffsicherer und durchschlagender. Könnten Bogenschützen etwas ausrichten, würden sämtliche Urvölker noch über ihre Gebiete herrschen. In der Firma brannte erst in wenigen Räumen Licht. Charlotte betrat ihr Büro und fuhr den Laptop hoch. Sie könnte in Ruhe die Quartalszahlen durchgehen, aber als Belohnung für das zeitige Aufstehen verdiente sie Netteres. Sie durchforstete die digitalen Kalender der Abteilungsleiter. Bei Frau Szymczak stellten sich gerade Start-ups vor, um übernommen zu werden.

Zehn Minuten später saß Charlotte in einem Besprechungsraum und ließ sich erklären, warum ihre Firma eine schlecht designte Carsharing-App brauchte und als Dreingabe den stotternden Studenten, der sie entwickelt hatte: »Weil ich holistisch denke.«

Hieß das, er programmierte in Yogastellungen? Dann verfügte er hoffentlich über genug Gleichmut, um zu verdauen, was Charlotte ihm zu sagen hatte.

»Die App ist überflüssig. Brechen wir ab.«

Betreten sahen ihre Untergebenen zu Boden. Nur eine Assistentin, frisch eingestellt und möglicherweise noch mit weiteren Jobangeboten in der Hinterhand, hatte den Mumm, zu flüstern: »Wie unfair.«

»Er kann gern weitermachen, wenn ich gegangen bin«, sagte Charlotte. »Der Nächste!«

Der zweite Kandidat hatte bis dahin mit seinem Handy gespielt. Er trug einen Monteuranzug, aus dessen Beintaschen Kabel ragten.

»Mein Name ist Sy«, sagte er. »Kurz für Sidney. Meine Entwicklung wird die Welt verbessern.«

Er zog einen Adapter aus einer der Taschen, verband sein Telefon mit dem Beamer und startete eine Präsentation. Kein Text, nur Bilder, das gefiel Charlotte. Überhaupt sprach sie der ganze Kandidat an. Sy hatte millimeterkurzes Haar, was seine Segelohren unvorteilhaft betonte. Das ließ zwei Schlüsse zu: Entweder hatte er sich die Frisur selbst verpasst. In diesem Fall investierte er kein Geld in Unwesentliches – sehr gut. Oder er war bei einem Friseur gewesen, der natürlich versucht hatte, ihn von einem schmeichelhafteren Schnitt zu überzeugen. Aber Sy vertraute dem eigenen Urteil und setzte sich durch – noch besser.

Charlotte kritzelte »Angebot machen« auf einen Zettel und schob ihn Frau Szymczak hin. Keinerlei Unsicherheit schwang in Sys Stimme, als Charlotte ihren Stuhl zurückschob und den Raum verließ.

Eine halbe Stunde später rief Frau Szymczak an. »Er will nicht.«

»Halten Sie ihn fest, ich bin gleich da.« »Ich wollte meinen Marktwert testen«, sagte Sy während Charlotte ihn zum Ausgang begleitete. Nicht einmal auf einen Espresso hatte der Programmierer sich setzen wollen. »Eine große Firma ist aber nichts für mich. Da mahlen die Mühlen langsam und man geht keine Risiken ein.«

»Ich würde Sie persönlich betreuen«, sagte Charlotte. »Vor Risiken fürchte ich mich nicht. Wir verfügen über genug Kapital, um Ihre Entwicklung auf das nächste Level zu heben. Was auch immer Sie benötigen, meine Antwort wird lauten: So sy es.«

Sy lächelte. Schlechter Witz, große Versprechungen, Charlotte sang das Lied von Macht und Geld. Jeder Ehrgeizige liebte die Melodie. Am nächsten Tag fuhr Charlotte mit dem Bus ins Büro. Um Sys Erfindung zu testen, musste sie unter Leute. Sie rieb ihre Nasenwurzel. Eine Brille zu tragen, war sie nicht gewohnt. Die Passform könnte optimiert werden. Charlotte gähnte. Gern hätte sie ihren Kopf an die Scheibe gelehnt, aber wer wusste, wann die zuletzt geputzt worden war? Beim nächsten Halt stieg eine Frau ein, die eine identische Brille trug. Obwohl noch Zweierbänke frei waren, setzte die Frau sich neben Charlotte.

»Müde?«, fragte sie.

Charlotte nickte. Sy (mit dem sie mittlerweile per Du war) hatte nicht gesagt, was sie tun sollte, wenn sie angesprochen wurde. Oder möglicherweise hatte er das doch getan, aber sie hatte nicht zugehört. Ein gutes Produkt musste intuitiv nutzbar sein.