Science Fiction Dreierband 3034 - Alfred Bekker - E-Book

Science Fiction Dreierband 3034 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende SF-Abenteuer: Sklavenschiff (Alfred Bekker) Lennox in der Falle (Jo Zybell) Gefangen auf Titan (David Wright O'Brien) Im Jahr 2252 war ich Captain des Sondereinsatzkreuzers STERNENKRIEGER II und nahm an einer interstellaren militärischen Hilfsmission teil, bei der unser Flottenverband zusammen mit den Einheiten verbündeter Sternenreiche gegen einen bis dato unbekannten Aggressor vorging. Die Schiffe der Fremden tauchten urplötzlich im Machtbereich der K'aradan auf und verschwanden ebenso schnell wieder. Sie plünderten besiedelte Planeten und Handelsschiffe und entführten oft genug Teile der Bevölkerung. Von Anfang an war uns klar, dass diese Spezies nicht nur eine Gefahr für das K'aradan-Imperium war, sondern für alle Völker des Sektors. Als ich mich zu Verhandlungen an Bord eines k'aradanischen Raumforts aufhielt, geriet ich selbst in Gefangenschaft der Fremden, als die Station geentert wurde. Zunächst glaubte ich, von Glück sagen zu können, dass ich überlebt hatte und nicht gleich getötet worden war. Eigentlich hatte ich geglaubt, der Hölle schon begegnet zu sein. Ich hatte mich getäuscht... Die STERNENKRIEGER operierte zwar in der Nähe, aber da die Fremden eine Art Raumsprungtechnik verwendeten, waren sie bereits fort als mein Schiff eintraf. Unter denen, die bei dem Überfall entführt wurden, war auch ich...

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Alfred Bekker, Jo Zybell, David Wright O'Brien

Science Fiction Dreierband 3034

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Inhaltsverzeichnis

Science Fiction Dreierband 3034

Copyright

Sklavenschiff

Lennox in der Falle: Das Zeitalter des Kometen #28

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Gefangen auf Titan

Science Fiction Dreierband 3034

Alfred Bekker, Jo Zybell, David Wright O'Brien

Dieser Band enthält folgende SF-Abenteuer:

Sklavenschiff (Alfred Bekker)

Lennox in der Falle (Jo Zybell)

Gefangen auf Titan (David Wright O'Brien)

Im Jahr 2252 war ich Captain des Sondereinsatzkreuzers STERNENKRIEGER II und nahm an einer interstellaren militärischen Hilfsmission teil, bei der unser Flottenverband zusammen mit den Einheiten verbündeter Sternenreiche gegen einen bis dato unbekannten Aggressor vorging.

Die Schiffe der Fremden tauchten urplötzlich im Machtbereich der K'aradan auf und verschwanden ebenso schnell wieder. Sie plünderten besiedelte Planeten und Handelsschiffe und entführten oft genug Teile der Bevölkerung. Von Anfang an war uns klar, dass diese Spezies nicht nur eine Gefahr für das K'aradan-Imperium war, sondern für alle Völker des Sektors.

Als ich mich zu Verhandlungen an Bord eines k'aradanischen Raumforts aufhielt, geriet ich selbst in Gefangenschaft der Fremden, als die Station geentert wurde.

Zunächst glaubte ich, von Glück sagen zu können, dass ich überlebt hatte und nicht gleich getötet worden war. Eigentlich hatte ich geglaubt, der Hölle schon begegnet zu sein. Ich hatte mich getäuscht...

Die STERNENKRIEGER operierte zwar in der Nähe, aber da die Fremden eine Art Raumsprungtechnik verwendeten, waren sie bereits fort als mein Schiff eintraf. Unter denen, die bei dem Überfall entführt wurden, war auch ich...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER A: PANADERO

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Sklavenschiff

Chronik der Sternenkrieger 22

von Alfred Bekker

Ein CassiopeiaPress E-Book

Die abweichende Original-Printausgabe erschien in der Romanreihe „STERNENFAUST“ unter dem Titel „Versklavt“.

© 2005,2008,2013 by Alfred Bekker

© der Digitalausgabe 2013 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich (Westf.)

www.AlfredBekker.de

>+++<

Mitte des 23. Jahrhunderts werden die von Menschen besiedelten Planeten durch eine kriegerische Alien-Zivilisation bedroht. Nach Jahren des Krieges herrscht ein brüchiger Waffenstillstand, aber den Verantwortlichen ist bewusst, dass jeder neue Waffengang mit den Fremden das Ende der freien Menschheit bedeuten würde. Zu überlegen ist der Gegner.

In dieser Zeit bricht die STERNENKRIEGER, ein Raumkreuzer des Space Army Corps , unter einem neuen Captain zu gefährlichen Spezialmissionen in die Weite des fernen Weltraums auf...

Alfred Bekker schrieb die fesselnden Space Operas der Serie CHRONIK DER STERNENKRIEGER. Seine Romane um DAS REICH DER ELBEN, die GORIAN-Trilogie und die DRACHENERDE-SAGA machten ihn einem großen Publikum bekannt. Er schrieb für junge Leser die Fantasy-Zyklen ELBENKINDER, DIE WILDEN ORKS, ZWERGENKINDER und ELVANY sowie historische Abenteuer wie DER GEHEIMNISVOLLE MÖNCH, LEONARDOS DRACHEN, TUTENCHAMUN UND DIE FALSCHE MUMIE und andere. In seinem Kriminalroman DER TEUFEL VON MÜNSTER machte er mit dem Elbenkrieger Branagorn eine Hauptfigur seiner Fantasy-Romane zum Ermittler in einem höchst irdischen Mordfall. Im November 2012 erschien mit DER SOHN DER HALBLINGE sein nächster großer Fantasy-Epos bei Blanvalet.

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Aus den persönlichen Aufzeichnungen von Captain Rena Sunfrost

Im Jahr 2252 war ich Captain des Sondereinsatzkreuzers STERNENKRIEGER II und nahm an einer interstellaren militärischen Hilfsmission teil, bei der unser Flottenverband zusammen mit den Einheiten verbündeter Sternenreiche gegen einen bis dato unbekannten Aggressor vorging.

Die Schiffe der Fremden tauchten urplötzlich im Machtbereich der K'aradan auf und verschwanden ebenso schnell wieder. Sie plünderten besiedelte Planeten und Handelsschiffe und entführten oft genug Teile der Bevölkerung. Von Anfang an war uns klar, dass diese Spezies nicht nur eine Gefahr für das K'aradan-Imperium war, sondern für alle Völker des Sektors.

Als ich mich zu Verhandlungen an Bord eines k'aradanischen Raumforts aufhielt, geriet ich selbst in Gefangenschaft der Fremden, als die Station geentert wurde.

Zunächst glaubte ich, von Glück sagen zu können, dass ich überlebt hatte und nicht gleich getötet worden war. Eigentlich hatte ich geglaubt, der Hölle schon begegnet zu sein. Ich hatte mich getäuscht...

Die STERNENKRIEGER operierte zwar in der Nähe, aber da die Fremden eine Art Raumsprungtechnik verwendeten, waren sie bereits fort als mein Schiff eintraf. Unter denen, die bei dem Überfall entführt wurden, war auch ich...

*

An Bord des Morrhm-Mutterschiffs LASHGRA

Der Korridor war lang und eng. Er verlor sich irgendwo im Halbdunkel. Rechts und links war ein bizarrer Chor unterschiedlichster Stimmen zu hören, deren Frequenzbereich vom Infra- bis zum Ultraschall reichte. Dieser Bereich des gigantischen Morrhm-Schiffes war voller Leben.

Vom Hauptkorridor aus zweigten Nebengänge ab, die zu mehr oder minder großen Nischen und Räumen führten.

Sklavenpferche, durchfuhr es Rena Sunfrost, während der mehr als 2,50 m große Morrhm-Barbar sie vor sich her trieb. Er führte sie an einer Leine, die aus einem elastischen, metallartigen Material bestand. Sobald sie stehen blieben, jagte ihr der Morrhm einen Stromstoß in den Nacken. Das Halsband war ziemlich eng. Rena vermochte kam zu atmen.

Immer wieder sah sie rechts und links Bewegungen, fühlte Augenpaare auf sich gerichtet und hörte Stimmen.

Dann stieß der Morrhm einen knurrenden Laut aus, den die Translatorfunktion von Renas Armbandkommunikator noch nicht zu übersetzen wusste.

Sie drehte sich um.

Der Morrhm öffnete das gewaltige Maul mit den großen, tierhaften Hauern. Er riss an der Leine. Rena taumelte zu Boden. Sie rappelte sich schleunigst wieder auf, um keinen Stromschlag zu bekommen.

Der Morrhm deutete auf eine Abzweigung. Rena ging zögernd in einen halbdunklen Raum.

Das Halsband öffnete sich plötzlich. Die Leine zog sich zurück und verschwand in einem zylinderförmigen Schaft, den der Morrhm in seiner linken Pranke hielt.

„Willkommen an Bord des Mutterschiffs LASHGRA, Sklaventier“, übersetzte Renas Translatorsystem. „Du bist jetzt Stammeseigentum der Zuur!“

*

Na großartig, dachte Rena.

Sie berührte ihren Hals und rang nach Luft. Abwartend starrte sie den vor ihr stehenden Morrhm an, dessen Unterarme bereits einen Muskelumfang aufwiesen, den nicht einmal der Oberschenkel eines Bodybuilders erreichte.

Er trug eine Rüstung. Um die Körpermitte war ein breiter Gürtel geschlungen, an dem sich eine Reihe technischer Geräte befanden, über deren Funktion Rena nur spekulieren konnte. Außerdem eine Projektilwaffe und ein Monoschwert, dessen Klinge so scharf war, dass sie einzelne Moleküle zu spalten vermochte. Eine bläuliche Lichterscheinung umflorte die Klinge jedes Mal, wenn der Morrhm sie durch die Luft schwang.

Das Maul mit den Hauern öffnete sich und ein dumpfer, glucksender Laut kam tief aus seiner Kehle.

Ein Schwall fauliger Verdauungsgase raubte Rena schier den Atem, obwohl sie gut drei Meter von dem Koloss entfernt war.

Langsam drehte er sich um.

Insgesamt gab es etwa ein Dutzend Ausgänge in diesem Raum, dazu weitere, bullaugenähnliche Öffnungen in den Wänden. Diese Wände waren nicht höher als drei Meter. Nach oben waren die Räume offen. Darüber wölbte sich der gigantische, hallenartige Innenraum des Morrhm-Schiffes wie die Kuppel einer Kathedrale.

Der Schlag schwarzer Schwingen war zu hören. Dunkle, fledermausähnliche Flügel hoben sich dunkel gegen die neonfarbene Beleuchtung ab, die von der Decke des Gewölbes herab schien.

Ein Xabo, durchfuhr es Rena. Die Xabo waren seinerzeit im ersten Qriid-Krieg vor der Expansion des Heiligen Imperiums geflohen. Ein Teil von ihnen hatte sich später im Dambanor-System angesiedelt, wo Rena Sunfrost während ihrer Zeit als Erster Offizier der SURVIVER auf sie getroffen war.

Der Xabo glich einem geflügelten Menschenaffen. Er ließ sich auf einer der Wände nieder und hockte dort wie ein Beobachter. Die lederhäutigen Flügel wurden zusammengefaltet. Die prankenartigen Arme verschränkte der Xabo vor der Brust.

Es hatte fast den Anschein, als würde er auf etwas warten.

Ein zweier Xabo gesellte sich dazu.

Gut 300 Kilo brachte ein männlicher Xabo auf die Waage, dessen gedrungene Statur einem irdischen Gorilla ähnelte.

Gegenüber dem Morrhm-Barbaren wirkten sie jedoch wie Zwerge.

Rena blickte sich um.

Überall in den Eingängen und Öffnungen sah sie Gesichter. Menschliche Gesichter, wie es ihr im ersten Moment schien. Aber dann hörte sie immer wieder ein Wort.

„K'erde! K'erde!“

Jeder, der die Space Army Corp Akademie auf Ganymed besuchte, bekam einen Grundkurs in den wichtigsten extraterrestrischen Sprachen. Das bedeutete nicht, dass die Absolventen sich danach schon richtig verständigen konnten, aber sie kannten einige Wörter und waren zumindest in der Lage, das entsprechende Idiom zu identifizieren.

Und so wusste Sunfrost, dass ‚K'erde’ der K'aradan-Begriff für ‚Mensch’ war.

Ansonsten war das Gemurmel und Gewisper aus den umliegenden Pferchen zu undeutlich, um vom Translatorsystem ihres Kommunikators erfasst werden zu können.

Sie wurde beobachtet – durch Hunderte von Augenpaaren.

Der Morrhm griff nach seinem Schwert.

Er riss die Klinge heraus, ließ sie mit einer bläulichen Lichterscheinung durch die Luft wirbeln und machte einen plötzlichen Ausfallschritt.

Die Xabo fielen vor Schreck beinahe von den Wänden herunter, während unter den wohl überwiegend aus menschenähnlichen K'aradan bestehenden Beobachtern ein Aufschrei des Entsetzens losbrach. Sie stoben davon wie aufgescheuchte Hühner.

Auch Rena wich zurück. Zwei weitere Hiebe folgten, die mit einer Schnelligkeit ausgeführt wurden, die man einem so gewaltigen und beinahe plump wirkenden Wesen wie dem Morrhm auf den ersten Blick gar nicht zugetraut hätte.

Ein mottenähnliches Wesen, ungefähr von der Größe einer menschlichen Hand, segelte sorgfältig in vier aus auseinanderstrebenden Vierteln zu Boden.

Rena hatte dieses Wesen bis dahin im Halbdunkel gar nicht bemerkt. Wahrscheinlich war es bei einem der zahlreichen Raubzügen eingeschleppt wurden.

Der Morrhm stieß einen dröhnenden, triumphierend klingenden Laut aus und trommelte mit der Faust gegen den Brustpanzer seiner Rüstung.

Der Schrecken, den er unter den anwesenden K'aradan und bei den beiden Xabo verbreitete, schien ihm zu gefallen.

„Seid nicht so furchtsam, ihr erbärmlichen Sklaventiere!“, übersetzte Renas Translator. „Schließlich habe ich euch von diesem Blutsauger befreit. So gut bin ich zu euch! Also arbeitet entsprechend!“ Er deutete auf Rena. „Und lasst dieses Beutestück am Leben, sonst geht es euch allen dreckig!“

Der Morrhm drehte sich um. Mit stampfenden Schritten verließ er den Raum.

Zögernd kehrten die Dutzende von Augenpaaren an ihren Beobachtungsposten zurück.

Rena drehte sich um.

Sie hatte auf einmal das intensive Gefühl einer nicht fassbaren Bedrohung. Wie bei einer Vorahnung. Eine unheimliche Stille herrschte jetzt.

Sie wich ein paar Schritte in Richtung des Ausgangs zurück, durch den der Morrhm-Barbar verschwunden war.

Aber dort war bereits jemand.

Drei Männer.

Äußerlich waren sie bei diesen Lichtverhältnissen nicht von Menschen zu unterscheiden. Aber die Worte, die sie wisperten, waren eindeutig im Idiom der K'aradan gehalten.

„Seht ihr, das Ding da am Handgelenk der K'erde-Frau?“, murmelte einer von ihnen.

„Sieht aus wie ein Kommunikator ihrer Flotte.“

„Ich wette mit Translatorfunktion, sonst würde der Lautsprecher an dem Teil nicht dauernd quatschen!“

„Den hol ich mir!“

„Sonst ist auch nicht viel an ihr dran!“

Die K'aradan-Entsprechung eines irren Gelächters folgte.

Rena war die Situation sofort klar. Offenbar herrschte unter den Gefangenen keinerlei Solidarität, sondern Neu-Sklaven wurden zunächst mal ausgeraubt.

Wie lange mögen diese K'aradan schon hier gefangen sein, ging es ihr durch den Kopf. Auf jeden Fall lang genug, um zu vergessen, dass sie einst in einer Zivilisation lebten.

Die barbarischen Umstände, unter denen sie zu leben gezwungen waren, hatten auch aus ihnen offenbar halbe Tiere gemacht. Rena hatte keine Zeit, um darüber nachzudenken, wie sie sich wohl verändern mochte, wenn sie längere Zeit an Bord der LASHGRA blieb.

Diffuse Hoffnungen stiegen in ihr auf. Hoffnungen, die sich darauf bezogen, dass es der STERNENKRIEGER und ihren Begleitschiffen gelang, dem Morrhm-Mutterschiff zu folgen und sie aus den Händen dieser Sklavenjäger zu befreien.

Die Männer näherten sich. Und auch aus den anderen Eingängen kamen jetzt K'aradan auf sie zu.

Konzentriere dich, so wie du es beim Kendo gelernt hast, durchfuhr es sie. Instinktiv berührte sie das zerbeulte Projektil einer Steinschlosswaffe, mit der ein echsenhafter Eingeborener des Planeten Dambanor II ihr vor Jahren einmal beinahe das Lebenslicht ausgeblasen hatte. Bedenke, dass du sterblich bist , überlegte sie. Ein Gedanke, der ihr seit jener Zeit nicht aus dem Kopf gegangen war. Damals hatte sie einen Fehler gemacht und den Schützen schlicht und ergreifend unterschätzt. Etwas, das ihr seit jenen Tagen, da sie noch Erster Offizier an Bord der SURVIVOR gewesen war, nicht mehr passiert war.

Zumindest nicht in diesem verhängnisvollen Ausmaß.

Aber jetzt war die Situation völlig anders. Sie hatte von vorn herein keinerlei Chance, heile, aus dieser Situation zu entkommen. K'aradan verfügten auf Grund ihrer exzellenten Augen über Reflexe, die einen K'aradan jedem Menschen an Schnelligkeit weit überlegen machten. Hinzu kam, dass es sich um K'aradan- Männer handelte, die ihr darüber hinaus auch noch körperlich überlegen waren.

Selbst einen einzigen von ihnen hätte sie im direkten Nahkampf auch nach intensivstem Training nicht besiegen können. Er wäre stets schneller gewesen. Die Augen eines K'aradan sahen fünf Bilder mehr in der Sekunde als die Augen eines Menschen. Daher war jeder Angriff für sie eine Aktion in Zeitlupe. Vorhersehbar und wirkungslos – zumindest im direkten Nahkampf. Beim Einsatz von Distanzwaffen sahen die Chancen anders aus.

Aber Rena hatte keinerlei Waffen, um sich zu verteidigen. Den Nadler hatte man ihr abgenommen, den Kommunikator hingegen nicht. Da er auf Normalfunkbasis arbeitete, konnte sie mit ihm ohnehin niemanden anfunken, sobald das Morrhm-Mutterschiff eine gewisse Distanz zu seinen Verfolgern hinter sich gebracht hatte. Nach einem Raumsprung, wie ihn die Morrhm-Schiffe durchzuführen pflegten, war jeder Kontakt dann ohnehin unmöglich.

Aber der Kommunikator enthielt eine Translatorfunktion – und die war hier äußerst wichtig. Es lag durchaus im Interesse der Morrhm, dass die Sklaven ihre Befehle verstanden und auch untereinander kommunizieren konnten, was bei Angehörigen unterschiedlicher Spezies häufig auch nur mit technischer Hilfe möglich war.

Also hatten sie Rena den Kommunikator gelassen. Ebenso wie das Ortungsgerät, das an der Magnethalterung ihres Gürtels befestigt war.

Die Männer näherten sich.

Okay, dachte sie. Ich werde mein Bestes geben.

Rena sah jetzt, dass manche von ihnen elastische Stöcke in der Hand hielten. Auf dem Weg hier her hatte sie Absperrungen aus Hartplastikgittern gesehen, aus denen einzelne Streben heraus gebrochen worden waren. Offenbar nutzten manche der Gefangenen sie als Waffen.

Einer der K'aradan griff an.

Mit einer Kombination aus Schlägen und Tritten schnellte er auf sie zu. So gut sie konnte wich sie aus. Ein Tritt traf sie in den Unterleib, ein zweiter hakte sich in die Kniekehle, sodass sie zu Boden taumelte. Noch im Fallen bekam sie einen Hieb mit einer Hartplastikstange vor die Brust und konnte kaum noch atmen.

Dann prasselten die Schläge wie ein Trommelfeuer auf sie ein.

Sie konnte noch versuchen, den Kopf zu schützen.

Benommen blieb sie liegen. Ihr Körper schien eine einzige offene Wunde zu sein. Wellen aus Schmerz überfluteten ihren gesamten Körper.

Dann spürte sie gar nichts mehr.

Wie beiläufig registrierte sie, dass man ihr den Armbandkommunikator und den Gürtel mitsamt dem Ortungsgerät abnahm.

Danach schien man sich nicht mehr sonderlich für sie zu interessieren.

Stattdessen begannen sich jetzt einige der K'aradan lautstark um die Beute zu streiten. Hier und da wurden Faustschläge ausgeteilt.

Den Inhalt der wüsten Beschimpfungen, die da ausgetauscht wurden, konnte Sunfrost ohne ihren Translator natürlich nicht mehr verstehen. Aber sie bedurften eigentlich auch keiner Übersetzung.

Sunfrost war halb betäubt. Sie versuchte, bei Bewusstsein zu bleiben. Nur nicht einfach liegen bleiben und sich seinem Schicksal ergeben. Rena richtete sich etwas auf, stützte sich mit letzter Kraft auf die Oberarme und wurde dabei von einem furchtbaren Schwindelgefühl heimgesucht. Sie blutete aus der Nase und Mund. Außerdem wohl noch aus ein paar anderen Stellen.

Ihre rechte Hand zitterte. Sie hoffte, dass alles nur geprellt und nichts gebrochen war, denn mit so etwas wie ärztlicher Versorgung konnte sie wohl kaum rechnen.

Schließlich hatten sich die K'aradan über die Beute geeinigt. Diejenigen, die eines der begehrten Stücke hatten ergattern können, reckten sie triumphierend empor.

Inzwischen bemerkte Rena, dass sich auch die K'aradan-Frauen aus den Pferchen gewagt hatten.

„K'erde!“, hörte Rena eine von ihnen sagen.

Immer wieder hörte sie dieses Wort.

Ansonsten verstand sie kaum etwas von dem, was die hellen Stimmen der K'aradan-Frauen so sagten und sie verwünschte sich dafür, im Akademie-Grundkurs der Sprache Aradans nicht besser aufgepasst zu haben.

Aber damals war das mehr oder weniger eine lästige Pflicht gewesen.

Wer nach Ganymed auf die Space Army Corps Akademie ging, wollte schließlich in den Weltraum – und nicht in ein Seminar für extraterrestrische Philologie, wie es auf der Brüderschule der Olvanorer auf Sirius III angeboten wurde.

Jetzt ist es zu spät, diesen Irrtum zu revidieren, dachte Rena.

In den Augen dieser Frauen sah sie eine Gier, die jener, die sie bei den K'aradan-Männern gesehen hatte, in nichts nachstand.

Der Mann, der den Translator erobert hatte, reckte ihn noch einmal triumphierend empor und rief dann ein paar Worte zu den Frauen hinüber.

„K'erde!“, war einer der Begriffe, den er benutzte.

Da das Translatorsystem des Kommunikators noch eingeschaltet war, übersetzte das Gerät seine Worte auch für Rena.

„Sie gehört euch!“

*

Auf dieses Signal hatten die K'aradan-Frauen nur gewartet. Sie stürzten sich jetzt auf Rena, die kaum noch in der Lage war, sich zu wehren. Wieder setzte es Schläge und Tritte. Ein Fußtritt traf sie an der Schläfe. Sie sackte benommen in sich zusammen. Undeutlich nahm sie wahr, wie ihr die Stiefel ausgezogen und die Flottenkombination abgenommen wurde.

Jedes Beutestück löste sofort heftige Streitigkeiten unter den K'aradan-Frauen aus.

Für Rena bedeutete das jeweils eine kurze Verschnaufpause.

Aber sie hatte keine Kraft mehr, den Angriffen etwas entgegen zu setzen. Nach und nach nahmen ihr die K'aradan-Frauen sämtliche Kleidung ab.

Zusammengekrümmt, vollkommen nackt und von blauen Flecken nur so übersät lag sie da.

Zitternd.

Der Puls schlug ihr bis zum Hals und bei jedem Schlag ihres Herzens dröhnte ihr der Kopf. Ihr links Auge war so zu geschwollen, dass sie kaum noch etwas sehen konnte.

Das einzige, was ihr noch geblieben war, war das Amulett.

Sie fasste instinktiv nach dem verbeulten Projektil.

Eine der Frauen wagte sich heran, um ihr auch das auch noch abzunehmen. Konzentriere all deine Kraft und deine Wut auf einen Punkt und einen Augenblick!

Die K'aradan-Frau erwartete wohl kaum noch Gegenwehr.

Jedenfalls war sie ziemlich unvorsichtig und griff einfach nach dem Kettchen um Renas Hals.

Jetzt!

Mit aller Kraft schlug Rena zu.

Ihre Faust landete wie ein Hammerschlag im Gesicht der K'aradan-Frau, die zurücktaumelte und mit einem Schrei der Länge nach zu Boden fiel.

Die anderen Frauen stutzten.

Aber sie waren zu sehr damit beschäftigt, sich um die Beute zu streiten, als dass sie jetzt besondere Lust gehabt hätten, Rena noch einmal eine Abreibung zu verpassen.

Die niedergeschlagene Angreiferin rappelte sich wieder auf. Sie entriss einer der anderen Frauen einen der Hartplastikstäbe und stürzte sich damit auf Rena. Der erste Schlag traf Rena am Unterarm, den sie schützend über den Kopf gehoben hatte. In einem für menschliche Verhältnisse schier unglaublichen Tempo folgten dann ein Dutzend weiterer Hiebe.

Rena rollte sich über den eiskalten Boden und stand schließlich taumelnd auf. Mit ein paar Schritten legte sie eine Distanz von mehr als drei Metern zwischen sich und die Angreiferin, die sie zu belauern begann.

In Renas Schädel hämmerte es noch immer furchtbar und das Schwindelgefühl war so schlimm, dass sie sich kaum auf den Beinen halten konnte.

Noch immer sickerte Blut aus ihrer Nase.

Aber sie hatte nicht die Absicht, sich einfach totschlagen zu lassen.

Zumindest nicht ohne sich vorher gewehrt zu haben. Davon, dass dieser Morrhm-Barbar der Frau den Hals umdreht, wenn sie sich am Stammeseigentum vergreift und ihre Wut daran auslässt, werde ich wohl nichts mehr haben, überlegte sie.

Die Angreiferin strich sich das lange, etwas verfilzte Haar aus dem Gesicht. Ihre Augen fixierten Sunfrost auf eine Weise, die dieser nicht gefallen konnte. Es war der Blick einer Jägerin auf ihre Beute.

Sie täuschte einen Angriff vor.

Der Hartplastikstock zuckte vor und touchierte Rena Sunfrost leicht am Arm.

Es gab im Augenblick ohnehin kaum noch eine Fläche an ihrem Körper, die größer als eine Handbreit und noch nicht von größeren und kleineren Hämatomen übersät war.

Dann folgte ein weiterer Angriff. Die Treffer kamen so rasch, dass Rena nicht einmal in der Lage war den Kopf zu schützen. Sie bekam ein paar schwere Schläge ab und anschließend einen Stoß in den Bauch.

Ihr wurde schlecht.

Sie klappte zusammen wie ein Taschenmesser, lag erneut auf dem Boden, ihrer Angreiferin nun wehrlos ausgeliefert.

Diese holte bereits zum nächsten Schlag aus.

Okay, dann ist es vielleicht vorbei, dachte Sunfrost.

Ein dröhnender Laut ließ in diesem Moment alle zusammenzucken. Ein Raunen ging durch die Reihen der K'aradan. Sie zogen sich ein paar Meter zurück. Auch die Angreiferin hielt mitten im Schlag noch inne, drehte sich halb herum und stieß anschließend einen Schrei des Entsetzens aus.

Ein Koloss, der es an Größe und Kompaktheit durchaus mit einem Morrhm hätte aufnehmen können, schälte sich aus dem Halbdunkel hervor.

Es handelte sich um einen dreiarmigen Pshagir, dessen schuppenartige Haut extreme Temperaturen auszuhalten vermochte. Der Pshagir öffnete sein lippenloses Maul und ließ ein markerschütterndes Brüllen hören. Seine Augen waren schlecht, aber dafür verfügte er über einen exzellenten Sonar-Sinn, der ihm eine mindestens ebenso gute Orientierung ermöglichte wie jede auf ihre optischen Organe angewiesene Spezies.

Seine beiden linksseitigen ‚zarten’ Greiforgane hatten sich zu Fäusten geballt.

Neben dem Dreiarmigen befand sich ein Humanoide.

Er trug ein Firmenemblem aus dem Bereich der Humanen Welten an seiner Kleidung, wie Sunfrost sofort registrierte. DIT – DOSSELING INTERSTELLAR TRADING – war dort zu lesen und zwar in genau den Buchstaben, die auch Rena irgendwann einmal in der Schule gelernt hatte.

Rena hatte von der Firma schon gehört. DOSSELING war auf New Hope II beheimatet, einer Welt am Rande des Niemandslandes zwischen dem Heiligen Imperium der Qriid und den Humanen Welten der Menschheit. Von dort aus hatte dieses Unternehmen ein weit gespanntes Netz von Handelskontoren errichtet – sowohl innerhalb der Humanen Welten, als auch im näheren Niemandsland sowie im Reich von Aradan, dessen gewaltige Größe so manche Unternehmerfantasie beflügelt hatte, seit die Menschheit mit diesem Sternenreich nicht mehr verfeindet war.

Natürlich musste der Umstand, einem Mann mit dem DIT-Emblem anzutreffen, nicht unbedingt auch bedeuteten, dass es sich um einen Menschen handelte.

Schließlich war genauso denkbar, dass diese Kleidung die Beute eines K'aradan geworden war.

Stille herrschte plötzlich.

Nicht einmal jener K'aradan, der sich den Kommunikator erobert hatte, tönte noch groß herum, so wie noch vor einigen Augenblicken.

Alle Augen waren auf dieses ungleiche Pärchen gerichtet.

Der Humanoide mit dem DIT-Emblem musterte Rena einige Augenblicke lang.

Dann wandte er sich an die K'aradan und rief ihnen ein paar Worte zu, von denen Rena nichts verstand.

Hier und da gab es Erwiderungen einiger Männer, die aber eher schwach ausfielen. Zumindest vom Tonfall her. Inhaltlich konnte Sunfrost sie nicht beurteilen. Die Frauen schwiegen vollkommen.

Schließlich wandte sich der Humanoide an Sunfrost.

„K'erde?“, fragte er.

Rena nickte.

„K'erde“, bestätigte sie.

Welchen Sinn hätte es auch gehabt, diese Tatsache zu leugnen?

„Dann stehen Sie auf und kommen Sie mit mir!“, forderte er sie auf und wechselte dabei in die Verkehrssprache der Humanen Welten.

„Was?“

Also doch ein Mensch, dachte Sunfrost.

„Zögern Sie nicht so lange, ich habe die Bande gerade davon überzeugen können, dass sie einen verdammt großen Ärger bekommt, wenn sie das Sklaveneigentum des Zuur-Stammes mutwillig dezimieren!“

Er streckte ihr die Hand entgegen.

Rena ergriff sie.

Sie stand auf ziemlich wackligen Füßen. Alles drehte sich vor ihren Augen – eine Folge der heftigen Kopftreffer. Im Moment war es ihr vollkommen gleichgültig, dass sie nackt war. Sie war nicht einmal dazu in der Lage sich über die Tatsache zu freuen, dass sie überlebt hatte.

„Wir gehen jetzt. Blicken Sie nicht zurück und gehen Sie möglichst aus eigener Kraft und mit erhobenem Haupt. Ich weiß, dass das viel verlangt ist, aber es ist wichtig. Sonst wird Sie hier niemand jemals respektieren und Sie werden nur Futter für den Unheimlichen.“

„Was meinen Sie damit?“

„Ich erkläre es Ihnen ein anderes Mal.“

*

Sondereinsatzkreuzer STERNENKRIEGER II

Logbucheintrag 2.2.2252

Kommandoführender Offizier: Commander Steven Van Doren, derzeit Captain der STERNENKRIEGER in Vertretung von Captain Rena Sunfrost

„Die Entführung von Captain Rena Sunfrost hat zunächst einen psychischen Schock für die gesamte Mannschaft bedeutet. Ich übernahm als Erster Offizier vorübergehend und abwesenheitshalber bis auf weiteres die Funktion des Captains. Meine erste Aufgabe bestand darin, die demoralisierende Wirkung, die der Verlust des Captains immer hat, so gut wie möglich zu minimieren.

Derzeit befinden wir uns auf der Suche nach dem Morrhm-Mutterschiff, in das Captain Sunfrost vermutlich verschleppt wurde. Dieses Mutterschiff ist in ein fremdes Kontinuum entschwunden. Wir nehmen an, dass es sich dabei um die Anwendung eines X-Raum basierten Überlichtantrieb handelt, der eine Art Transition durch dieses dem Einstein-Universum dimensional übergeordnete Raumzeitkontinuum erlaubt. Insbesondere unser wissenschaftlicher Berater Bruder Guillermo und der L.I. Lieutenant Simon E. Erixon arbeiten daran, die vorhandenen Daten dahingehend weiter auszuwerten, sodass wir möglicherweise nähere Anhaltspunkte über die Reichweite dieses Antriebs erhalten.

Unsere Mission ist dabei nach wie vor Teil einer Hilfsaktion des Space Army Corps der Humanen Welten für das verbündete Reich der K'aradan, in dessen Außenbezirken es zu immer heftigeren Attacken der Morrhm gekommen ist. Während des Krieges gegen die Etnord konnte diesen zunächst nur vereinzelten Überfällen auf Randwelten nicht die nötige Aufmerksamkeit gezollt werden, was die fremden Aggressoren offenbar zu einem immer dreisteren Vorgehen animiert hat.

Zu dem Flottenverband, innerhalb dessen wir operieren, gehören neben der STERNENKRIEGER II auch deren Schwesterschiffe SONNENWIND, MARIA STUART und AMSTERDAM sowie der Dreadnought NELSON mit seiner Begleitflotte aus Zerstörern und Leichten Kreuzern.

Die Ortung zeichnete ein sehr schwaches Signal auf, bei dem es sich um eine leichtere Erschütterung des Raumzeitkontinuums handelt. Berechnungen unseres Ortungsoffiziers Lieutenant Wiley Riggs legten nahe, dass es sich um eine über mehrere Lichtjahre übertragene Resonanz eines X-Raum-Impulses handeln könnte. Als Ursprung der Resonanz vermuten wir ein von unserer gegenwärtigen Position 7,5 Lichtjahre entferntes Sonnensystem, zumal uns von dort seit kurzem Notrufe im Sandström-Spektrum erreichen, wonach ein Überfall der Morrhm im Gang ist.

Zusammen mit unseren K'aradan-Verbündeten versuchen wir so schnell wie möglich dorthin zu gelangen.

Gegenwärtige Position: 2 AE entfernt in 30 Grad zur Polachse vom K'aradan-Stützpunkt Kynobion IX.

Gegenwärtige Entfernung von der Erde: 1232 Lichtjahre.

Gegenwärtige Entfernung von Aradan: 787 Lichtjahre.

Gegenwärtige Geschwindigkeit: 0,31 LG.

Voraussichtlicher Eintritt in den Sandströmraum: 16.00 Uhr Bordzeit.“

*

Der Erdmensch führte Rena ein ganzes Stück den Korridor entlang. Dabei bildete der Pshagir stets die Nachhut, so als befürchteten die beiden, dass ihnen noch jemand folgen könnte.

Tatsächlich folgten ihnen aber nur die beiden Xabo. Sie erhoben sich bis hoch unter das Kuppeldach des gewaltigen, kathedralenartigen Raumes – eine Frachthalle, wie Rena annahm – und setzten sich schließlich in gebührendem Abstand wieder auf eine der Wände.

„Lästige Biester!“, meinte der Erdmensch. „Nehmen Sie sich vor denen in Acht, die folgen Ihnen überall hin und Sie wissen nie in wessen Auftrag sie unterwegs sind.“

„Das politische System der Xabo sieht Mord als legale Möglichkeit des Führungswechsels vor“, sagte Rena. „Ich nehme an, dass es für sie daher nicht besonders schwierig war, sich hier einzugewöhnen!“

„Das können Sie laut sagen!“

Eine Gänsehaut überzog Renas nackten Körper. Ein kalter Luftzug fegte jetzt durch das Labyrinth der Sklavenpferche. Das Irritierende war, dass dieser Wind von mehreren Seiten und von oben gleichzeitig zu kommen schien.

Rena verschränkte die Arme vor der Brust und zitterte.

„Das ist die Frischluftzufuhr“, erklärte der Erdmensch. „Die geht einmal am Tag für eine bis anderthalb Stunden an.“

„Tag?“, echote Rena irritiert.

„28 Erdstunden.“ Er deutete auf einen Ring an seinem linken Mittelfinger. „Das ist das Chronometer eines Belbujaar.“

„Nie gehört?“

„Eine Spezies, die ich auch nicht kannte, bevor es mich in diese Hölle verschlagen hat. Stellen Sie sich einen aufrecht gehenden Lurch mit fünf Extremitäten vor, wovon er drei zum Laufen benötigt. Er war ein Amphibienabkömmling und ich würde sagen, es war hier einfach zu trocken für ihn. Bevor er starb hat er mir das Ding geschenkt.“

„Da klingt, als wären Sie schon länger hier.“

„Schon viel zu lange, wenn Sie mich fragen. Aber ich schätze, wir stellen uns alle besser darauf ein, hier den Rest unseres Lebens zu verbringen. So ist es jedenfalls von unseren Gastgebern gedacht.“

Sie erreichten eine Abzweigung, die in einen Raum führte, in dem sich etwa ein Dutzend K'aradan aufhielten. Männer, Frauen, auch Kinder.

Rena zögerte zunächst.

„Das sind Freunde“, sagte der Erdmensch. „Sie können natürlich auch auf eigene Faust weitergehen, wenn Sie wollen. Ich werde Ihnen keine Vorschriften machen.“

Nackt unter Wölfen. Sehr witzig.

Zögernd folgte Rena ihrem Retter. Einer der K'aradan-Männer kam ihnen entgegen. Der Erdmensch wechselte ein paar Worte mit ihm in der K'aradan-Sprache, die er offenbar nahezu perfekt zu beherrschen schien.

Der K'aradan-Mann, der innerhalb dieser Gruppe eine Art Anführerposition zu haben schien, rief nun seinerseits etwas zu seinen Leuten. Dem Tonfall nach waren es Anweisungen.

Eine der Frauen kam herbei. Sie trug ein zusammengefaltetes Stück Stoff in den Händen. Zunächst musterte die K'aradan-Frau Rena von oben bis unten, dann sagte sie etwas an den Erdmenschen gerichtet.

Dieser antwortete.

Daraufhin reichte die K'aradan-Frau Rena den Stoff.

„Nehmen Sie das und ziehen Sie es sich an.“

Das ließ sich Rena nicht zweimal sagen.

Bei dem zusammengefalteten Stück Stoff handelte es sich um ein tunikaartiges Gewand. Da ein Gürtel fehlte, hing es ihr wie ein Sack am Leib. Immerhin reichte es bis fast zu den Knien. Besserals nichts, überlegte sie.

„Mein Name ist übrigens Bran Larson“, sagte der Erdmensch, in dessen Gesicht sich zum ersten Mal die Ahnung eines Lächelns stahl. Rena sah ihn sich zum ersten Mal wirklich mit Verstand an. Die Kombination mit dem DIT-Logo wies starke Abnutzungserscheinungen auf und war an einer Stelle bereits geflickt.

Das Alter dieses Mannes schätzte Rena auf Anfang vierzig. Die Haare waren hinten zu einem Zopf zusammengefasst. Rena hatte gehört, dass dies auf manchen Außenwelten der K'aradan üblich war.

Das Reich der Söhne Aradans umfasste ein Raum-Ellipsoid von mehr als tausend Lichtjahren Durchmesser. Aber jenseits dieser fest zum Reich gehörenden Zone gab es noch Hunderte von mehr oder minder unabhängigen K'aradan-Welten in einem Korridor, der fast zweihundert Lichtjahre breit war und sich an den eigentlichen Herrschaftsbereich des Erbtriumvirats anschloss.

Die Herrschaft der Zentralwelt Aradan endete nicht abrupt, sondern franste an den Rändern aus. Es gab Welten, die nominell noch unter der Oberherrschaft Aradans standen, andere waren lediglich durch Bündnisverpflichtungen mit dem Reich verbunden und wieder andere, teilweise noch viel weiter entfernt gelegene K'aradan-Kolonien, hatten sich schon vor langer Zeit vom Reich losgesagt und ihre Unabhängigkeit im Streit gegen das Erbtriumvirat erkämpft. Die Ursachen waren vielfältig und reichten von verfemten Adelshäusern, denen das Triumvirat die Herrschaft über ein planetares Lehen wieder abzunehmen versucht hatte bis hin zur Auflehnung gegen Handelsbeschränkungen und bürokratische Drangsalierung durch die Zentralregierung.

Ein Großteil der Sklaven, die sich an Bord dieses Mutterschiffs befanden, stammte zweifellos von jenen entlegenen Kolonien, von denen sich gewiss nicht alle gegen die plündernden Morrhm hatten wehren können.

Zumindest stand für Rena fest, dass der Großteil der Sklaven sich schon sehr lange an Bord der LASHGRA befinden musste. Wahrscheinlich Jahre, gemessen an irdischen Maßstäben. Anders war es einfach nicht erklärlich, dass sich offenbar bereits so etwas wie eine Sklavengesellschaft herausgebildet hatte, in der es feste Hierarchien gab. Den Morrhm schien es dabei weitgehend gleichgültig zu sein, wie die Sklaven ihre Streitigkeiten untereinander regelten.

Nur wenn Stammeseigentum vernichtet wurde, wurden sie ungehalten, wie jener Morrhm, der Rena hierher brachte, bereits mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht hatte. Das war nichts anderes als eine Warnung gewesen. Schlage jeden, töte niemanden – sonst gibt es Ärger.

Bran Larsons Züge wirkten hart und entschlossen.

„Warum tun Sie das alles für mich?“, fragte Rena.

„Ich denke, Menschen sollten zusammenhalten. Es gibt nämlich nur sehr wenige hier von uns. Und da wir den K'aradan körperlich und vom Reaktionsvermögen her unterlegen sind, empfiehlt es sich nicht gerade, darauf zu setzen, sich als Einzelkämpfer durchzuboxen.“

Der Anführer der K'aradan-Gruppe stand noch immer in der Nähe und hörte dem Gespräch der beiden Menschen interessiert, aber auch mit einer deutlichen Portion Misstrauen in den Gesichtszügen zu. Zumindest sofern man die Mimik von Menschen einfach auf K'aradan übertragen kann, dachte Rena.

Jedenfalls hielt es Bran Larson wohl für angemessen, den K'aradan in das Gespräch mit einzubeziehen.

„Dies ist Herkon Lakiv, der Anführer dieser Gruppe. Ihm sind Sie jetzt Gehorsam schuldig.“

„Wie bitte?“

„So ist das hier nun einmal. Für die Morrhm sind Sie eine K'aradan-Frau. Die machen da keine Unterschiede. Und wie die Sklaven sich untereinander organisieren, ist ihnen überlassen. Hauptsache, die Verluste sind möglichst nicht tödlich und die anstehende Arbeit wird zuverlässig verrichtet. Alles andere interessiert unsere Gastgeber nicht.“

Rena atmete tief.

Ich wusste doch, dass das alles einen Haken hat. Ein Kleid gegen Gehorsam. Klingt nach Dienst im Space Army Corps bei gestrichenem Sold.

„Wenn es Sie tröstet, dann sollten Sie wissen, das Herkon Lakiv auch nicht an der Spitze der Hierarchie steht. Das Ganze ist organisiert wie in den Mafia-Epen, die Sie als Computerspiele oder Multimediadramen kennen. Man schützt sich gegenseitig und verlangt dafür eine Gegenleistung, die in der Regel in der Gefolgschaft besteht. Irgendwer ist dann der Ober-Pate, der direkt mit den Morrhm spricht.“

Herkon Lakiv sagte etwas.

„Er möchte, dass Sie ihm Gefolgschaft versichern“, übersetzte Bran Larson. „Ich würde nicht lange überlegen. Sie haben gesehen, was mit denen passiert, die niemanden haben, der sie schützt.“

„Dann sagen Sie ihm, dass ich einverstanden bin.“

„In Ordnung.“

Larson sagte ein paar Worte auf K'aradan. Herkon Lakiv schien zufrieden zu sein. Er wandte sich zu den anderen und hielt eine kleine Ansprache an sie.

„Was sagt er?“, fragte Rena an Larson gewandt.

„Nicht weiter der Rede wert.“

„Und wer ist dieser Ober-Pate?“

„Der Don des Sklavenschiffs?“ Larson zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, ob er wirklich der Höchste ist. Aber er ist der Höchste, den ich kenne. Sein Name ist Milan D’aerte, ein K'aradan der wahrscheinlich schon vor seiner Gefangennahme kein angenehmer Charakter war. Herkon Lakiv ist einer seiner Unterführer. Auf sich allein gestellt überlebt hier niemand. Es geht um die Verteilung der Nahrungsmittel, die Einteilung der Arbeit und so weiter. Wer außerhalb der Organisation steht, muss sehen, was übrig bleibt.“

„Ich verstehe.“

„Sie können hier irgendwo schlafen. Ihnen wird nichts passieren – zumindest so lange Sie Herkon Lakiv die Treue nicht aufkündigen.“

„Danke.“

„Ich habe Sie bisher noch nicht nach Ihrem Namen gefragt.“

Rena blickte auf. „Ich bin Captain Rena Sunfrost, Kommandantin des Space Army Corps Schiffs STERNENKRIEGER II.“

Larson hob die Augenbrauen. „Das Space Army Corps so weit draußen?“

„Wie lange sind Sie schon in Gefangenschaft, Larson?“

„Nenn mich Bran.“

„In Ordnung, Bran.“ Rena lächelte schwach. Das Kinn schmerzte dabei höllisch – und außerdem noch ein paar andere Stellen im Gesicht, die etwas von dem Trommelfeuer an Schlägen abbekommen hatten. Überall gab es kleinere und größere Schwellungen. Gut, dass es hier keine Spiegel gibt, dachte sie. Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: „Ich werde meinerseits auch nicht darauf bestehen, dass ich mit meinem Rang angesprochen werde.“

„Das freut mich zu hören“, lächelte Larson.

„Meine Frage ist dennoch nicht beantwortet.“

„Ich bin ein paar Monate an Bord dieses Schiffes.“ Er deutete auf das DIT-Emblem auf seiner Kleidung. „Wie du siehst, war ich für eine Firma aus den Humanen Welten tätig und leitete eine Niederlassung der K'aradan-Welt Kenandra. Schon seit Jahren bin ich als Geschäftsmann im Reich von Aradan unterwegs. Auch in den Zeiten, als Menschen dort aus außenpolitischen Gründen keine besonders hohe Wertschätzung genossen. Saurierfreund und Echsenspion hat man mich genannt, aber ich habe mich durchgebissen und bis auf die sprichwörtlichen Reflexe, die man den K'aradan zuschreibt, bin ich fast einer der ihren geworden.“

„Erstaunlich, dass du dich durchsetzen konntest, Bran“, fand Sunfrost. „Schließlich ist es erst kaum ein Jahr her, dass sich das Verhältnis zu den K'aradan ins Positive gewandelt hat.“

„Mag sein. Aber das Reich der K'aradan ist wirklich unermesslich groß – und genau das war mein Vorteil. Auf der uns zugewandten Seite dieses Imperiums mag man sich ja dafür interessieren, dass die Menschheit lange Zeit mehr oder weniger offiziell mit den Fulirr paktiert hat. Aber auf der anderen Seite dieses Riesenreichs wissen die Bewohner der dortigen K'aradan-Welten noch nicht einmal, was die ‚Söhne der Erde’ oder ‚K'erde’ eigentlich sind. Mag sein, dass Olvanorer-Expeditionen es bis dorthin geschafft haben, aber die sind niemandem unangenehm aufgefallen.“

„Inzwischen fallen wir nicht einmal mehr unangenehm auf, wenn wir mit Kriegsschiffen kommen“, warf Sunfrost ein. „Im Gegenteil. Wir wurden gegen die Morrhm um Hilfe gebeten.“

Larson nickte. „Die Zeiten ändern sich eben. Der Krieg um Wurmloch Alpha hat die Wende gebracht. Ich habe natürlich davon profitiert. Aber da draußen bei Kenandra und auf den äußersten Randwelten der K'aradan wird ohnehin mit Rassen Handel getrieben, von denen man auf der Erde noch nie etwas gehört hat. Einige von ihnen findet man auch hier an Bord. Die Gesharianer, Morkoniden oder Q’Eworn zum Beispiel. Du wirst sie früher oder später kennen lernen.“

Rena wandte sich dem Pshagir zu, der bisher schweigend neben ihnen gestanden hatte.

„Oder Angehörige seiner Art“, stellte Rena fest und deutete dabei auf den Dreiarmigen. Im Brustbereich wiesen dessen schuppenartige Panzerplatten Unregelmäßigkeiten, Verletzungen und Verwachsungen auf. Die Pshagir-Entsprechung einer Narbe. Es lag sicher nicht nur an den schlechten Lichtverhältnissen, dass Sunfrost dieses Detail bis jetzt entgangen war.

Zu viel war auf einmal auf sie eingestürzt.

Jetzt zuckte sie regelrecht zusammen.

Ein Etnord, durchfuhr es sie.

Diese Narbe war eigentlich ein ziemlich sicheres Zeichen dafür, dass ihm einer dieser Parasiten implantiert worden war. Verdickungen an den Handgelenken und am Hals wurden wohl durch austretende Ganglien des faustgroßen Implantats hervorgerufen, über die sich wiederum eine frische Panzerschicht gebildet hatte.