Science Fiction Dreierband 3068 - Wilfried A. Hary - E-Book

Science Fiction Dreierband 3068 E-Book

Wilfried A. Hary

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Beschreibung

SCHORVA ist eine der verbotenen Welten. Allerdings hält sich nicht jeder an dieses Verbot. Mit fatalen Folgen. Deshalb muss die Raumflotte von XAPANAMUR eingreifen. Ein für allemal. Zunächst mit dem Scoutschiff der Entdeckerklasse EXPLORER 85 und seiner Crew unter Captain Nagal Serif, der noch nicht ahnt, was sie erwartet… Dieser Band enthält folgende SF-Abenteuer: Wilfried A. Hary : Die verbotene Welt Wilfried A. Hary : Die Zeit ist eine Falle Alfred Bekker: Einsatzort Roter Stern

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Wilfried A. Hary, Alfred Bekker

Science Fiction Dreierband 3068

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Inhaltsverzeichnis

Science Fiction Dreierband 3068

Copyright

Die verbotene Welt

Die Zeit ist eine Falle

Einsatzort Roter Stern

Science Fiction Dreierband 3068

Wilfried A. Hary, Alfred Bekker

SCHORVA ist eine der verbotenen Welten. Allerdings hält sich nicht jeder an dieses Verbot. Mit fatalen Folgen. Deshalb muss die Raumflotte von XAPANAMUR eingreifen. Ein für allemal.

Zunächst mit dem Scoutschiff der Entdeckerklasse EXPLORER 85 und seiner Crew unter Captain Nagal Serif, der noch nicht ahnt, was sie erwartet…

Dieser Band enthält folgende SF-Abenteuer:

Wilfried A. Hary : Die verbotene Welt

Wilfried A. Hary : Die Zeit ist eine Falle

Alfred Bekker: Einsatzort Roter Stern

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER WOLFGANG SIGL

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Alles rund um Belletristik!

Die verbotene Welt

Wilfried A. Hary

„Ein Planet außer Kontrolle – und Menschen verschwinden für immer!“

SCHORVA ist eine der verbotenen Welten. Allerdings hält sich nicht jeder an dieses Verbot. Mit fatalen Folgen. Deshalb muss die Raumflotte von XAPANAMUR eingreifen. Ein für allemal.

Zunächst mit dem Scoutschiff der Entdeckerklasse EXPLORER85 und seiner Crew unter Captain Nagal Serif, der noch nicht ahnt, was sie erwartet…

„Ziel erreicht!“, bedeutete das verabredete Signal, das Nagal Serif, der Captain und Kommandant des Scoutschiffes der Entdeckerklasse EXPLORER85, durch seinen Funkoffizier, den Echsenmann Ssissai Zumor, absetzen ließ.

Ein codiertes Signal natürlich, wie eben mit der hohen Admiralität von XAPANAMUR verabredet. Jetzt wusste die, dass der Countdown lief. Falls sie sich innerhalb von vierundzwanzig Stunden nicht erneut meldeten, mit einem weiteren verabredeten Code-Signal, wurde die Raumflotte in Marsch gesetzt.

Wer da zum Einsatz kommen würde, interessierte die EXPLORER85 zunächst einmal überhaupt nicht. Schließlich redeten sie sich erfolgreich ein, sowieso nicht in Gefahr zu sein.

Nur Ssissai Zumor hatte Bedenken angemeldet, als sein Captain den Auftrag angenommen hatte:

„Heißt es nicht, dass dort bereits einige Schiffe verloren gingen? Und wieso schicken die jetzt uns dorthin?“

„Die schicken uns nicht einfach hin, sondern haben allgemein gefragt, ob das jemand freiwillig auf sich nehmen würde.“

„Ach ja?“, hatte der Echsenmann mit seiner anatomisch bedingten Zischelstimme geantwortet, „und dann müssen ausgerechnet wir das sein? Und wieso haben die nicht gleich die Raumflotte hin geschickt?“

Nagal Serif hatte einfach nur gelacht. Und dann hatte er erklärt:

„Erstens einmal ist der Auftrag so lukrativ, dass wir davon fünf Jahre lang leben können – mindestens. Zweitens war die Raumflotte schon mehrmals vor Ort, ohne jedoch die geringste Gefahr feststellen zu können. Das heißt, sie sind jedes Mal wieder unverrichteter Dinge wieder zurückgekehrt. Drittens sind wir die einzigen, die sich freiwillig gemeldet haben.“

„Weil die anderen wohl schlauer sind als wir!“, hatte Ssissai Zumor vermutet.

Nagal Serif hatte nur die Lippen geschürzt und sich in der Runde umgesehen.

„Noch jemand, der nicht mit dabei sein will?“

„Moment mal!“, hatte sich Ssissai sogleich beschwert, „niemand hat gesagt, dass ich nicht mitmachen werde! Aber ich bin Miteigentümer der EXPLORER85, genauso wie jeder von uns. Und jeder hat das gleiche Mitspracherecht, auch wenn wir dich zum Kommandanten gemacht haben, Captain Nagal Serif. Also stelle jetzt ich einmal die Frage: Wer ist dafür, dass wir in die Falle fliegen und wer ist dagegen?“

Alle anderen hoben den Arm und sagten:

„Dafür!“

Er hob den Arm und sagte:

„Dagegen!“

Dann wandte er sich ab und tat so, als müsste er sich ganz dringend mit seiner Funkanlage beschäftigen. Über die Schulter zurück zischelte er nur noch:

„Dann ist es mehrheitlich entschieden. Aber sagt nur ja niemals, ich hätte euch nicht gewarnt!“

Seitdem war er jedenfalls mit dabei und hatte bisher kein weiteres Wort mehr darüber verloren.

Nagal warf einen Blick auf seinen 1. Offizier Jantet Clareis. Er war der einzige in der Runde, der von seinem Geheimnis wusste: Nagal Serif war ein Psioniker. Mit anderen Worten: Er besaß PSI-Kräfte.

Ja, niemand ahnte auch nur davon. Wann immer seine Kräfte zum Einsatz kamen, um sie beispielsweise aus einer ansonsten ausweglosen Situation zu befreien, hatte er das so hingedreht, als hätte er einfach nur Glück gehabt bei seinem Vorgehen.

Jantet Clareis erwiderte diesen Blick. Er war allein schon deshalb zuversichtlich, dass sie hier nicht scheitern würden, weil er eben voll und ganz auf seinen Captain vertraute.

Er schielte nach den restlichen beiden Besatzungsmitgliedern. Da war die einzige Frau in der Fünferrunde Catt Formeil, die allerdings nicht wie eine menschliche Frau aussah. Wie Ssissai Zumor entstammte sie einer langen Mutationsreihe auf einem eigentlich menschenunfreundlichen Planeten, an den sich die einstigen menschlichen Neusiedler über mehrere tausend Jahre hinweg allmählich angepasst hatten.

Echsenmenschen wie Ssissai Zumor allerdings gab es innerhalb des Imperiums häufiger als sogenannte Katzenmenschen. Keiner von ihnen hatte außer Catt jemals einen zu Gesicht bekommen. Es wurde sogar gemunkelt, sie wären deshalb so selten außerhalb ihrer Welt zu finden, weil sie sich unter anderen Menschen und da vor allem unter Nichtmutierten äußerst unwohl fühlten. Man sagte ihnen nämlich nach, ganz besonders sensibel zu sein.

Auf Catt Formeil traf das allerdings nicht zu. Zwar sah sie als Katzenfrau eher sanft aus, mit ihrem weichen, tigermäßig gestreiften Fell, das nur Augen und Ohren frei ließ, aber wenn sie die Krallen ausfuhr nach Katzenart, belehrte einen das sogleich eines anderen.

Die Frage, wieso letztlich innerhalb des Sternenreiches so wenig Katzenmenschen ihres Kalibers unterwegs waren, hatte sie bis heute nicht beantwortet. Auf diesem Ohr war sie gewissermaßen auf Dauer taub. Also mussten selbst ihre engsten Freunde hier an Bord – und dazu zählte eigentlich jeder von ihnen – zugeben, über die Geburtswelt der Katzenfrau praktisch gar nichts zu wissen. Und das sollte wohl nach Meinung von Catt auf Dauer so bleiben, obwohl niemand auch nur ahnte, was der Grund dafür sein sollte. Immerhin war die Katzenwelt, wie man sie allgemein nannte, Vollmitglied des Imperiums und stand unter dem Schutz der Raumflotte von XAPANAMUR, obwohl sie sich weigerten, auch nur ein einziges Raumschiff von außerhalb auf ihrer Welt landen zu lassen.

Dann war da noch Joss Tschula, ein außerodentlicher Muskelmann, der nur wenig sprach. Er war ein überragender Kämpfer. Aus seiner Vergangenheit war lediglich bekannt, dass er Angehöriger der Raumflotte gewesen war. Dort hatte man ihn zu diesem kampfstarken Krieger ausgebildet. Wieso er letztlich aus der Flotte ausgeschieden war, blieb genauso ungewiss wie seine eigentliche Herkunft.

Immerhin schien die Raumflotte ihm bei seinem Abgang eine hübsche Abfindungssumme bezahlt zu haben, mit der er sich dann als Miteigentümer der EXPLORER85 hatte einkaufen können.

Im Gegensatz zu Catt hatte er bar bezahlen können. Catt hatte dafür einen Kredit aufnehmen müssen, der bis heute jedoch längst zurück bezahlt war. Ohne die Bürgschaft der anderen, die Catt damals schon blind vertraut hatten, wäre ihr die Aufnahme eines Kredites allerdings niemals gelungen. Welche Bank gab denn schon einer geheimnisvoll anmutenden Katzenfrau einfach so einen Kredit?

Ssissai Zumor hatte seinerseits genauso bar bezahlen können wie Joss Tschula. Nicht etwa über eine Bank, sondern in der Tat bar. Nagal Serif nahm heute noch an, dass Ssissai Zumor da eine Geldquelle angezapft hatte, über die er zurecht niemals sprach. Vielleicht war er sogar in kriminelle Dinge verwickelt gewesen? Aber es gab dafür nicht wirklich Anhaltspunkte. Vor allem hatte es niemals zu irgendeinem Zwischenfall geführt, der dies hätte vermuten lassen.

„Also gut“, sagte Captain Serif schließlich, „führen wir unseren Plan durch. Wir landen nicht mit der EXPLORER85, sondern mit einem der Beiboote.“

Er nickte seinem ersten Offizier zu.

„Du bleibst gemeinsam mit Ssissai Zumor an Bord. In meiner Abwesenheit vertrittst du mich. Ssissai ist verantwortlich für die Funk- und Ortungsanlage. Ihr wisst beide, dass wir die EXPLORER85 nicht sich selbst überlassen können. Außerdem ist es uns von der planetaren Oberfläche aus nicht mehr möglich, per Funk die Flotte zu erreichen.“

„Alles klar!“, sagte Jantet nur und nickte zustimmend.

Ssissai enthielt sich seiner Meinung und beschäftigte sich mal wieder angelegentlich mit seiner Anlage. Als müsste er alles noch einmal sorgfältig überprüfen.

Obwohl die Scanner bestätigt hatten, dass die Atmosphäre auf dem Planeten atembar war, schlüpften sie in Schutzanzüge. Diese waren zwar dünn und anschmiegsam wie eine zweite Haut, aber sie wirkten wie eine Panzerung, die sogar Geschosse abprallen lassen konnten. Zusätzlich besaßen sie einen flexiblen Helm, der bei der geringsten Luftveränderung sich sofort schließen konnte, während er ansonsten zusammengefaltet im Nacken blieb.

Erst jetzt bestiegen sie das Beiboot, das gerade mal genug Platz für drei bereit hielt, eben Nagal, Catt und Joss. Dass Nagal genau diese beiden als seine Begleiter ausgesucht hatte, war kein Zufall. Es war, als würde er ahnen, dass ihre Kampfkraft vonnöten sein würde.

*

Der Planet SCHORVA stand so plastisch mitten in der Zentrale des Scoutschiffes der Entdeckerklasse, als könnte man danach greifen. Dabei war es lediglich eine Projektion, die Jantet jetzt umschritt und dabei genauestens betrachtete.

„Da stimmt etwas nicht!“, hatte Ssissai behauptet, kaum dass ihr Captain mit seinen beiden Begleitern abgelegt hatte.

„Wie bitte?“, hatte Jantet gesagt und darum gebeten, den Planeten genauer in Augenschein nehmen zu können.

„Ich weiß nicht, was du meinst“, murmelte er vor sich hin. „Eine Dschungelwelt. Dieser Dschungel ist dermaßen von Nässe gesättigt, um es einmal so zu formulieren, dass nicht mehr viel übrig bleibt für irgendwelche Weltmeere. Deshalb ist wohl nur ein Drittel der Planetenoberfläche von Meer bedeckt. Alles andere ist fast ausschließlich Dschungelgebiet, durchzogen von einem endlosen dichten Netz aus Flüssen und Seen aller Größenordnungen.“

„Das meine ich nicht!“

„Was denn sonst? Ich sehe nur einen verschwindend geringen Anteil von Steppe hoch im Norden. Es gibt praktisch keinerlei Wüstengebiete.“

„Ich habe sämtliche Daten verglichen mit denen, die uns die Raumflotte mit auf den Weg gegeben hat“, ließ Ssissai endlich die berüchtigte Katze aus dem Sack: „Keinerlei Abweichungen! Also nicht die geringsten!“

„Und da kommst du auf den Gedanken, dass hier etwas nicht stimmt?“, wunderte sich Jantet.

„Dann überlege mal, mein Freund“, zischelte der Echsenmann und wandte sich seinem ersten Offizier zu. „Wir sind nun schon einige Jahre gemeinsam unterwegs. Hast du jemals eine Welt erlebt, in der alles gleichbleibend ist? Sieh dir diese Welt doch mal an. Das ist das pralle Leben, wenn man so will. Und Leben verändert sich ständig. Nichts bleibt so wie es ist. Steppengebiete kommen und gehen, sogar die Jahreszeiten hinterlassen Spuren.“

„Und das vermisst du hier?“, blieb Jantet verwundert.

„Ja!“, bestätigte Ssissai. „Deshalb sage ich ja: Hier stimmt was nicht! Weil es nicht sein kann, dass jedes Mal, wenn die Raumflotte hier aufkreuzte, sich genau dieses Bild geboten hat. Um überhaupt auf dieser Welt landen zu können, mussten sie ausweichen in eines der vergleichsweise winzigen Steppengebiete. Weil der Dschungel keinerlei Landemöglichkeiten bietet. Es gibt nicht einmal eine Lichtung oder so. Man hätte sich einen Landeplatz quasi erst selber erschaffen müssen. Du weißt, dass niemand das gern tut.“

„Zumindest ist es verboten beziehungsweise auch nicht üblich!“, schränkte Jantet ein.

„Wie auch immer, mein Freund: Unser Beiboot wird natürlich ebenfalls dort landen, wo auch die Raumflotte schon war. Stelle dir vor: Sämtliche Daten waren immer gleich, schon vor tausend Jahren.“

„Vor tausend Jahren?“ Jantet schürzte nachdenklich die Lippen. „Du hast recht. Das ist eine verdammt lange Zeit. Und seit wann verschwinden hier Schiffe?“

„Schon immer, wenn man so will. Nicht so viele insgesamt gesehen, denn schon nach dem ersten vermissten Raumschiff wurde SCHORVA zur verbotenen Welt erklärt.“

„Woran sich offensichtlich nicht jeder hielt.“

„Genau. Aber es gab immerhin jedes Mal einen Notruf der Betroffenen. Das heißt, bevor sie endgültig verschwanden, hatten sie noch Gelegenheit dazu. Natürlich ohne genaue Angaben machen zu können.“

„Womöglich sind sie auch nur mit einem Beiboot gelandet, während ihr Mutterschiff im Orbit blieb?“, vermutete Jantet.

„Ja, außerdem müssen wir vielleicht noch berücksichtigen, dass es auch Schiffe gab, die eben keinen Notruf absenden konnten. In all den Jahrtausenden seit dem Verschwinden des ersten Schiffes sind offiziell gesehen mindestens vier weitere verschwunden. Die Raumflotte war eigentlich jedes Mal hier vor Ort, um die Sache zu kontrollieren und möglicherweise Hilfe leisten zu können. Es wurden nicht die geringsten Spuren der verschwunden Schiffe gefunden.“

„Und immer war der Planetenscan genau gleich?“

„Nun, zumindest eben die letzten tausend Jahre. Die Scans, die es möglicherweise vorher schon gab, sind leider nicht verfügbar.“

„Ach so“, murmelte Jantet und beugte sich weiter vor, um genauer hinsehen zu können.

Ihm fiel nichts auf. Eine friedliche Welt. Urweltlich zwar, im wahrsten Sinne des Wortes, aber eigentlich waren alle Werte dergestalt, dass man ihn normalerweise zur Besiedlung freigegeben hätte. Wären eben nicht bereits Schiffe hier verschwunden.

Aber waren sie wirklich verschwunden? Vielleicht hatte der Planet selber ja gar nichts damit zu tun? Vielleicht gab es irgendwelche Unbekannte, die diese Welt als ihr Eigentum ansahen?

Es gab die verrücktesten Motive. Eines davon hätte vielleicht sein können, dass jemand SCHORVA als eine Art Heiligtum ansah und jeden bestrafte, der es wagte, ihm zu nahe zu kommen.

Und wieso hatte es nie die Raumflotte betroffen? Angeblich war das ja der Grund dafür, dass sie jetzt hier waren.

Nagal hatte es ihnen erklärt:

„Die Raumflotte kam jedes Mal mit Kriegsschiffen. Vielleicht war es gerade die Präsentation militärischer Macht, die dazu geführt hat, dass nichts passierte?“

Nur eine Vermutung, klar, aber vielleicht gab es trotzdem so etwas wie einen wahren Kern dabei?

„Wir haben einen geeigneten Landeplatz gefunden“, berichtete in diesem Moment ihr Captain über Funk.

Sie hätten eigentlich auch Sonden schicken können, aber das hatte die Raumflotte ja ebenfalls versucht. Sie hatten nichts gefunden. Nur eine unvorstellbar dicht bewachsene Pflanzenwelt eben.

„Sag einmal, Ssissai“, fiel Jantet auf einmal ein, „gibt es auf dieser Welt vielleicht Insekten?“

„Seltsame Frage. Wieso eigentlich nicht? Jede Dschungelwelt hat eine Fülle von Insekten, die sich gerade in diesem Klima… Moment mal!“, unterbrach Ssissai sich selber. „Da ist ja überhaupt nichts in den Berichten mit drin. Auch keine sonstigen Tiere. Es werden lediglich ganz unterschiedliche Arten von Pflanzen erwähnt. Näher untersucht hat man das allerdings nicht.“

„Du meinst, es ist noch niemals jemandem aufgefallen, dass wir hier eine Dschungelwelt völlig ohne Tiere haben? Also keine Flora, sondern nur Fauna? Wie kann denn so überhaupt ein funktionierendes Ökosystem entstehen?“, fragte sich jetzt auch Jantet.

„Keine Ahnung“, gab Ssissai zu. „Eigentlich überhaupt nicht.“

Er wandte sich an Jantet.

„Eigentlich hätte ich mit dabei sein müssen, mit auf die Planetenoberfläche fliegen“, platzte es aus ihm heraus. „Sieh mich an, Jantet: Bin ich nicht ein Echsenmensch? Die Mutation, der meine Art entspricht, konnte nur auf einem höllischen Dschungelplaneten entstehen. Und dort unten haben wir einen Dschungelplaneten.“

„Aber keinen höllischen!“, gab Jantet zu bedenken.

„Oh, ja, da hast du allerdings recht“, musste Ssissai einlenken. „Aber trotzdem…“

Er wandte sich wieder seinen Kontrollen zu. Dann zischelte er:

„Ich werde hier nicht eher weggehen, bis ich herausgefunden habe, wie eine vollkommene Pflanzenwelt überhaupt existieren kann!“

Es klang wie ein heiliger Schwur, und Jantet hätte wetten können, dass es genau das war: Ein heiliger Schwur nämlich!

*

Sie blieben eine Weile im Beiboot sitzen und betrachteten die Kontrollen, im Wechsel zu Blicken nach draußen.

Die Rundumkanzel war vollkommen transparent, aber das war eigentlich nur eine optische Täuschung. In Wahrheit sahen sie nur die Projektion von draußen. Das konnte man so steigern, dass der Eindruck entstand, sie würden hier vollkommen im Freien sitzen.

Schaltete man die Drohnen hinzu, konnte man es visuell auf die Spitze treiben. Dann wäre es so gewesen, als würden sie sich auf einem fliegenden Sessel sitzend durch die Gegend bewegen.

Keiner schaltete jedoch die Drohnen ein. Sie hatten zunächst nur Augen und Ohren für die unmittelbare Umgebung.

Der Boden war ungewöhnlich trocken. Kein Wunder, dass es nur einen kargen Bewuchs gab. Pflanzen, die offensichtlich nicht so viel Wasser benötigten.

Catt fiel es als erster auf:

„Es gibt keine Insekten! Sie müssten uns als Fremdobjekt regelrecht umschwärmen. Nicht dass ich ein Fan von Insekten wäre, aber ist das nicht seltsam?“

Nagal drehte den Bioscanner hoch.

„Ja“, bestätigte er, „keinerlei Fauna. Auch nicht im Boden. Also weder Würmer, noch Raupen oder sonst etwas.“

„Wie sieht es mit Mikroorganismen aus?“, erkundigte sich Joss Tschula.

Den Wert konnte nur Nagal ermitteln.

„Fehlanzeige!“, berichtete er.

„Wie bitte?“, hörte er Catt und Joss wie aus einem Munde.

Er nickte bekräftigend.

„Ja, Fehlanzeige: Es gibt nicht nur keine Insekten oder sogar größere Tiere, sondern außer den durchaus vitalen Pflanzen… gar nichts. Vielleicht sogar keine Viren? Falls diese überhaupt vom System erfasst werden können.“

„Aber wieso wurde darüber nie berichtet?“, fragte Catt.

„Keine Ahnung. Vielleicht erschien es nicht wichtig genug? Ganz im Gegenteil: Ohne Krankheitserreger und lästige Insekten ist das hier ja eigentlich das absolute Paradies.“

„Vielleicht hat die Ökologie auf SCHORVA einen ganz anderen Weg beschritten als üblich?“, sinnierte Joss laut. „Es gibt nur Pflanzen, aber vielleicht gibt es halt auch Pflanzen, die ansonsten vorhandene Tiere ersetzen? Fleischfressende Pflanzen gibt es ja eigentlich überall auf bewohnbaren Welten.“

„Fleischfressende Pflanzen auf einer Welt, auf der es überhaupt kein Fleisch gibt?“, hielt ihm Catt entgegen.

Er sah sie an.

„Sorry, hast ja recht.“

„Aber es würde natürlich auch nicht erklären, wieso es keine Mikroorganismen gibt!“, gab jetzt Nagal zu bedenken. „Entsteht nicht jegliches Leben zunächst als Mikroorganismen? Daraus entwickelt sich dann das Leben auf der sogenannten höheren Ebene. Wenn sich Zellen zu Mehrzellern organisieren. Mit dem Höhepunkt, als der wir herumlaufen: Billionen von einzelnen Zellen, die gemeinschaftlich ein hochfunktionstüchtiges System bilden wie unseren Körper.“

Catt schüttelte den Kopf.

„Es kann ja hier genauso abgelaufen sein, aber dann dominierten die Pflanzen. Und vielleicht gab es dabei auch welche, die sich von Mikroorganismen ernährten, bis es keine mehr gab? Dadurch hat sich dann diese reine Pflanzenwelt gebildet, wie wir sie heute vorfinden.“

Sie wusste nichts von dem Gespräch in der Zentrale zwischen Jantet und Ssissai, denn die Tatsache, dass sich hier zumindest in den letzten tausend Jahren nicht das Geringste verändert hatte, schien gegen ihre Theorie zu sprechen.

Nagal und Joss ihrerseits hatten nichts dazu zu sagen.

2

Der Captain machte letzte Tests, bevor er sich an seine beiden Begleiter wandte.

„Es graut mir irgendwie davor auszusteigen, wenn ich ehrlich sein will. Obwohl alles dermaßen friedlich wirkt.“

„Gerade weil alles so friedlich wirkt!“, betonte jedoch Joss. „Da schrillen bei mir sämtliche Alarmglocken.“

Catt nickte ihm zu.

„Wir sind zwar nicht so oft einer Meinung, aber diesmal muss ich dir voll und ganz rechtgeben.“

„Was schlagt ihr also vor?“, erkundigte sich Nagal.

„Aussteigen natürlich“, antwortete Catt. „Aber vorher vielleicht die Helme schließen. Die Luft ist zwar vollkommen rein und unbelastet, weil es noch nicht einmal Viren zu geben scheint, aber es ist ja nicht auszuschließen, dass wir trotzdem etwas übersehen, weil es etwas ist, was wir nur noch nicht kennen?“

Das klang zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber Nagal und Joss hatten nichts gegen die Vorsichtsmaßnahme einzuwenden. Sie schlossen gleich ihr ihre Helme, bevor Nagal für den Luftausgleich sorgte. Dann klaffte das Kapselbeiboot auseinander.

Sie brauchten nur noch aufzustehen und ein paar Schritte zu laufen, um sich inmitten einer völlig fremden und irgendwie unheimlich wirkenden Welt zu befinden.

*

Der Blick ging nicht bis zum Horizont, denn mit zunehmender Entfernung erschien eine Art Nebel, der immer dichter wurde, ab einer Entfernung von schätzungsweise fünf Kilometern. Ansonsten war die Ebene vollkommen glatt.

Es gab eine dominierende Art von Steppengras, das nur wenig ergänzt wurde von einem halben Dutzend anderer Pflanzen, die teilweise sogar blühten. Zu wenige, um so etwas wie ein Blütenmeer zu erzeugen, aber auch zu viele, um die ganze Ebene so trist wirken zu lassen wie bedeckt von verdorrtem Steppengras.

„Seltsamer Nebel!“, meinte Catt misstrauisch.

„Aber er bewegt sich nicht“, kommentierte Joss. „Sieh doch, Catt, alles bleibt genau gleich.“

„Wie willst du das wissen?“, fragte ihn Nagal. „Wir sind doch noch gar nicht lange genug draußen.“

„Ich habe den Nebel vorher schon gesehen. Ihr habt euch um die nähere Umgebung gekümmert, ich um die weitere“, erläuterte Joss.

Nagal sagte nichts mehr. Er griff nach dem Kommunikator.

„Schiff?“

„Ja, bei euch alles klar?“, kam die Stimme von Ssissai zurück.

„Wie sieht es aus, von euch aus betrachtet: Gibt es Nebel?“

„Was für ein Nebel?“

Nagal beschrieb, was sie hier unten sahen. Er ergänzte es schließlich mit der Bildübermittlung.

Es dauerte nicht lange.

„Alles noch einmal überprüft“, berichtete Ssissai schließlich. „Da existiert kein Nebel. Wenn ihr nach Süden schaut, müsst ihr den Dschungelrand sehen. Der ist nur einen Kilometer von euch entfernt.“

„Unmöglich!“, widersprach Nagal, „wir sind mitten in dieser Steppe gelandet. Nicht automatisch, sondern auf Sicht. Extra weit genug vom Dschungel entfernt, weil wir ja nicht gerade zu Fuß dorthin wollten. Wir wollten einfach nur…“

„Ich sehe euch klar und deutlich in der Fernerfassung. Also nicht nur das Beiboot als Landefähre, sondern auch euch. Die Bildwiedergabe ist prima. Und wenn ich die Daten einblende: Der Dschungel ist südlich eine Art Band, von euch aus gesehen. Eben rund einen Kilometer entfernt. Den könntet ihr durchaus zu Fuß erreichen.“

Noch einmal wandten sich Nagal, Catt und Joss nach Süden. Die Anzeige an ihrem Armchronometer war eindeutig. Das da war in der Tat der Süden.

„Siehst du, in welche Richtung wir blicken?“, erkundigte sich Nagal.

„Ja, nach Süden, wie empfohlen“, bestätigte Ssissai.

„Der Nebel beginnt in einer Entfernung von etwa fünf Kilometern und wird mit zunehmender Entfernung dichter!“, wiederholte Nagal genau das, was er sehen konnte, untermauert mit der automatischen Aufnahme an seinem Helm.

Joss fügte hinzu:

„Wie in einem graphisch nicht so anspruchsvollen Spiel: Da wird ab einem gewissen Abstand Nebel eingefügt, um die Graphikverarbeitung zu schonen.“

Die Antwort von Bord kam mit Verzögerung:

„Kein Nebel!“, beharrte Ssissai. „Von hier oben aus betrachtet halt. Ich habe sogar das Blickfeld erweitert, um exakt fünf Kilometer im Radius. Es bleibt dabei. Nach einem Kilometer beginnt der schier endlos erscheinende Dschungel. Alles grün, ohne erkennbare Farbtupfer. Die gibt es wahrscheinlich nur im Kleinen und äußerst selten.“

„Aber du siehst doch unsere eigene Bilderfassung, die genau dem entspricht, was wir mit eigenen Augen sehen können!“, trumpfte Nagal auf.

„Klar, aber diese wirkt… wie gefälscht. Sorry, ich kann es nicht anders bezeichnen. Weil ich eben etwas ganz anderes von hier oben aus sehe.“

„Was sagst du übrigens dazu, dass es hier keinerlei Insekten gibt oder sonstige Tiere?“, fuhr Catt dazwischen.

„Das ist inzwischen auch uns klar“, gab Ssissai zu. „Außerdem wurde es niemals erwähnt in den Berichten der Raumflotte. Andererseits sind die Beschreibungen und Aufnahmen von SCHORVA in den letzten tausend Jahren stets genau gleich geblieben. Als würde es keine Jahreszeiten geben, keinerlei Veränderungen in der Natur.“

„Dafür sind die Veränderungen am Boden sichtbar“, sagte Nagal. „Ich meine, ich kann nur sagen, was ich sehe. Und Joss hat recht: Als würde ein Graphiker einfach Details verschleiern, eben mit Nebel. Ich frage mich inzwischen, was wohl passieren würde, wenn wir jetzt einfach in Richtung Dschungel gehen würden, den wir von hier aus überhaupt nicht sehen können.“

„Ihr seht nur die Steppenebene, also auch dort, wo eigentlich der Dschungelrand sein müsste?“, vergewisserte sich Ssissai Zumor.

„Schau selber auf die Aufnahmen, wie wir sie übermitteln: Genauso ist es, mein Freund!“, bestätigte Nagal Serif.

„Dann würde ich dringend davon abraten, jetzt in diese Richtung zu gehen. Ich habe keine Ahnung, was da unten läuft, aber es scheint nichts Positives zu sein.“

„Was schlägst du stattdessen vor?“, wollte Joss wissen.

„Kehrt schleunigst zurück zum Schiff. Wir sollten die ganze Aktion abbrechen.“

„Und was berichten wir der Flotte?“, wollte jetzt Nagal wissen.

„Dafür haben wir jetzt schon genug Ungereimtheiten entdeckt, die insgesamt gesehen ganz eindeutig jedem abraten, dieser Welt auch nur nahe zu kommen!“, meinte Ssissai überzeugt.

Nagal sah seine beiden Begleiter an.

„Was meint ihr dazu?“

Catt antwortete als erste:

„Nun, objektiv betrachtet gibt es hier etwas, das uns irgendwie eine Sicht vorgaukelt, die es nicht geben kann.“

„Oder aber die Sicht von Bord aus stimmt nicht!“, gab Joss an ihrer Seite zu bedenken.

Er wandte sich an Nagal.

„Ich weiß zwar nicht, wie das möglich sein könnte, aber wir müssen in Betracht ziehen, dass es hier etwas gibt, das in der Lage ist, sozusagen zwei verschiedene Versionen zu erzeugen. Und vergiss nicht, Nagal, ich habe diesen Nebel schon entdeckt, als wir noch im Boot saßen. Das war eine Projektion. Hier könnten wir jetzt behaupten, jemand würde uns eine optische Täuschung vorsetzen, aber die Sensoren und Optiken des Bootes sind nicht so leicht zu manipulieren wie das menschliche Auge. Und das trifft natürlich auch auf die Helmkameras zu.“

„Wie weit haben wir uns eigentlich von unserem Boot entfernt?“, rief in diesem Moment Catt erschrocken.

„Nun, ein paar Schritte…“, begann Nagal und wandte sich um.

Aber da war überhaupt kein Boot mehr.

„Scheiße!“, entfuhr es Joss.

Aus dem Stand heraus sprintete er los. Mit ausgestreckten Armen, um sich nicht an einem plötzlich irgendwie unsichtbar gewordenen Boot den Schädel einzurennen.

Doch er traf auf keinen Widerstand. Auch nicht nach zwanzig Metern.

Er stoppte seinen Lauf und wandte sich Nagal und Catt zu.

„Was für eine verdammte Scheiße geht hier ab?“, knurrte er. Laut genug, dass beide ihn verstehen konnten.

Und schon hatte er seine Handfeuerwaffe in der Hand. Nicht dass sie erwartet hätten, sie zu benötigen, aber jetzt zogen auch Catt und Nagal ihre Waffen.

Lauernd sahen sie sich um.

Doch da war niemand außer ihnen drei, eben nicht einmal das Beiboot, mit dem sie hierhergekommen waren.

„Schiff?“, rief Nagal ins Mikrophon.

Es gab keine Antwort mehr.

Auch nicht nach dem fünften Mal.

Denn es gab auch keine Verbindung mehr zum Schiff, weil diese Verbindung sowieso über das Boot gegangen war. Kein Boot mehr – keine Verbindung!

*

„Scheiße, das gibt es doch gar nicht!“, entfuhr es Jantet Clareis, dem ersten Offizier der EXPLORER85. Im einen Moment war das Beiboot noch im Bild – um im nächsten Moment zu verschwinden, wie in Nichts aufgelöst.

Aber nicht nur das Beiboot: Auch ihr Captain und seine beiden Begleiter!

„Nagal, bitte melden!“, zischelte Ssissai Zumor ins Mikrophon. Es klang eine Spur verzweifelt.

Keine Antwort.

„Die sind einfach weg!“, murmelte Jantet.

Ssissai manipulierte an seinen Kontrollen herum. Er vergrößerte das Bild. Es gab noch nicht einmal Spuren von der Landung des Beibootes. Es musste doch zumindest an dieser Stelle das Steppengras niedergedrückt haben. Alles war so, als wäre das Beiboot niemals auf dieser Welt gelandet.

Die Blicke der beiden trafen sich.

„Was geht hier vor?“ Jantet schüttelte den Kopf. „Verdammt noch mal, hätten wir nur auf dich gehört, Ssissai. Das ist eine verdammte Todesfalle, dieser Planet SCHORVA.“

„Todesfalle? Das ist noch nicht bewiesen. Irgendwie werden die optischen Erfassungen manipuliert.“ Ssissai überlegte kurz. „Ich schicke Sonden hinunter. Etwas, was ich längst hätte tun sollen.“

„Zur Landestelle?“

„Zunächst einmal“, bestätigte Ssissai und schaltete die akustische Befehlseingabe für die Bord-KI ein. „Fünf Sonden zur Landestelle des Beibootes aus der EXPLORER85!“, befahl er knapp.

Auf fünf verschiedenen Bildgebern waren die Bilder zu sehen, die von den Sonden übermittelt wurden.

Die Minidrohnen stürzten sich aus dem Orbit in die Atmosphäre des Planeten wie Tiefseetaucher in das Wasser.

„Volle Geschwindigkeit!“, befahl Ssissai als nächstes.

Die koordinative Kontrolle über die Minidrohnen übernahm zu hundert Prozent die KI. Damit waren die Sonden schneller und vor allem beweglicher als würden sie von menschlicher Hand gesteuert werden. Ssissai kannte sich aus. Er machte das ja nicht zum ersten Mal.

Gespannt schaute Jantet zu. Er vergaß dabei sogar, sich zu setzen, und blieb schräg versetzt hinter Ssissai Zumor stehen.

Die Landestelle wurde in Rekordzeit erreicht.

Aber auch die Drohnen konnten nichts finden. Noch nicht einmal eine Energiesignatur von der Landung des Beibootes, aber die hätte es geben müssen. Es war tatsächlich so, als hätte es hier niemals eine Landung gegeben.

„Immerhin sind mindestens fünf Raumschiffe hier spurlos verschwunden!“, sagte Jantet mit einem deutlichen Zittern in der Stimme.

„Schiffe, ja“, versuchte Ssissai zu widersprechen, „aber doch keine Beiboote.“

Jantet sah ihn von hinten an.

„Wer sagt dir denn so genau, wie das jedes Mal ablief? Vielleicht sind eben erst Beiboote verschwunden und dann erst die Schiffe, von denen sie stammten?“

Ssissai fuhr erschrocken herum.

„Was willst du damit andeuten, Jantet? Dass wir schleunigst von hier verschwinden sollten?“

„Ohne den Captain und unsere beiden Freunde?“

„Was sonst?“

„Ich – ich weiß es doch auch nicht!“, gab Jantet kleinlaut zu. Aber dann beeilte er sich noch zu versichern: „Glaube mir, wenn es jemanden gibt, dem dazu noch etwas einfallen könnte, dann ist es Nagal Serif. Wir haben ihn schließlich nicht umsonst zum Kommandanten gewählt. Das hat sich bisher immer bewährt, ausnahmslos.“

„Ja, bisher…“, blieb Ssissai pessimistisch und heftete seine Blicke wieder auf die Bildwiedergaben.

*

„Welche Richtung sollen wir gehen?“, wollte Joss wissen. Er und Catt sahen dabei Nagal an.

„Eigentlich würde ich vorschlagen, wir wenden uns in südliche Richtung, wo sich ja der Dschungel befinden sollte, den wir trotzdem nicht sehen“, meinte Nagal zögerlich.

„Eigentlich?“, echote Catt.

„Ja, aber wir müssen auch bedenken, dass wir nicht mehr gefunden werden können, falls wir uns von hier wegbewegen.“

„Das Beiboot ist verschwunden“, erinnerte ihn Joss. „Zumindest für uns.“

„Du meinst, möglicherweise kann man es vom Schiff aus noch sehen?“

„Möglicherweise!“ Joss nickte. „Andererseits würde es bedeuten, dass sie uns nicht mehr sehen können. Und falls sie wirklich eine Rettungsaktion starten, wie auch immer diese aussehen mag, werden sie uns sowieso nicht finden können. Genauso wenig wie wir das Beiboot finden.“

„Moment mal“, unterbrach ihn Nagal. „Das klingt mir jetzt zu verworren.“

„Ist es auch!“, meinte jetzt Catt. „Was, wenn sie weder das Beiboot noch uns sehen können? Was, wenn sie längst versuchen, uns zu finden, wir das aber überhaupt nicht mitbekommen?“

„Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn!“, versuchte Joss zu widersprechen.

„So, tut es das? Dann überlege mal, Joss. Immerhin bist du ja schon von selber drauf gekommen, dass hier einiges nicht stimmt. Schlau von dir. Aber wäre es nicht noch schlauer, anzunehmen, dass wir gründlich in der Scheiße sitzen und nur aus eigener Kraft daraus wieder entkommen, falls überhaupt?“

Joss hob wie abwehrend die Hände.

„Das ist jetzt nicht fair, Catt!“

„Was ist denn überhaupt noch fair an unserer Situation, Joss? Schau dich doch mal um. Wir stecken hier fest ohne Beiboot und ohne Hilfe vom Schiff. Wenn die beiden dort oben schlau sind, verlassen sie schleunigst den Orbit und hauen ab von hier.“

„Sie würden uns niemals im Stich lassen!“, wandte Nagal ein.

„Also, Captain, wäre das denn wirklich im Stich lassen? Sie sehen uns nicht mehr. Wir sind spurlos verschwunden für sie. Und sie wissen, dass hier schon andere Schiffe verschwanden. Also müssen sie verschwinden, bevor es sie selber erwischt. Das hat nichts mit Fairness zu tun, sondern mit gesundem Verstand.“

„Sie werden es trotzdem nicht tun“, befürchtete jetzt auch Joss.

Catt machte eine hilflos anmutende Geste.

„Na gut, sollen sie tun, was sie nicht lassen können. Tatsache ist und bleibt, wir können ihnen nicht helfen – und sie uns auch nicht. Wir sind hier auf uns selber angewiesen. Also dürfen wir uns auch von der Stelle bewegen. Hier gibt es kein Beiboot mehr, und es gibt mit Sicherheit auch keinerlei Spuren mehr, die überhaupt auf unser Vorhandensein hinweisen. Als hätte es uns niemals gegeben.“

„Davon bist du wirklich überzeugt!“ Josso sagte es nicht wie eine Frage, sondern meinte es tatsächlich als Feststellung.

Catt ging gar nicht mehr darauf ein. Sie setzte sich bereits in Bewegung, in südliche Richtung. Um vielleicht zu einem Dschungel zu gelangen, den es möglicherweise gar nicht gab.

Ja, sie mussten wirklich mit allem rechnen, nur nicht mit etwas Gutem.

Nagal und Joss blieben stehen.

Nagal sagte:

„Warte, Catt! Ich habe zwar nicht die leiseste Ahnung, was hier überhaupt vor sich geht, ob es irgendwelche natürliche Ursachen hat, von denen wir nicht einmal etwas ahnen, oder ob irgendwer oder irgendwas dahinter steckt, aber…“

Catt blieb tatsächlich stehen und wandte sich ihm zu.

„Aber?“

Nagal deutete stumm in westliche Richtung.

Catt folgte seinem Fingerzeig und erstarrte: Der Nebel hatte sich dort verändert. Er hatte begonnen, sich… zu bewegen. In der Art einer entstehenden Windhose.

Mehr noch: Dort entstand ein regelrechter Hurrikan!

Mit jeder Sekunde, die weiter verstrich, wurde der Hurrikan mächtiger. Bald saugte er regelrecht die Steppenlandschaft unter sich auf und schleuderte sie in Richtung Himmel, von wo sie irgendwann zurückkommen würde, als prasselnder Regen, bestehend aus Dreck, Staub und Steinen.

Und sie standen da, allein auf weiter Flur, im wahrsten Sinne des Wortes. Ohne die geringste Möglichkeit, sich irgendwie zu ihrem eigenen Schutz unterzustellen.

Ihre Schutzanzüge waren zwar äußerst stabil und konnten sogar Geschosse abprallen lassen, aber der mächtige Hurrikan hatte sich eindeutig in ihre Richtung in Bewegung gesetzt. Dabei wurde er nicht nur immer mächtiger, sondern vor allem immer schneller. Wenn das so weiter ging, hatte er sie in wenigen Sekunden erreicht. Er würde sie vom Feld pflücken wie überreifes Obst. Die Kräfte, die in seinem Innern wirkten, waren dermaßen ungeheuerlich, als wollte der Hurrikan die Welt zerstören, auf der er entstanden war. Er würde sie alle drei zerreißen, als wären sie mitten in eine gewaltige Detonation geraten.

„Wir müssen zusammenrücken!“, rief Nagal durch das Tosen hindurch. Die beiden verstanden ihn nur, weil sie sich über den Helmfunk verständigten. Leider reichte dieser nicht bis hinauf in den Orbit. Deshalb hätten sie ja auch das Beiboot gebraucht, gewissermaßen als Relaisstation. Ohne das Beiboot war eine Verständigung mit dem Schiff halt nicht mehr möglich.

„Und das soll was bringen?“, zweifelte Catt.

„Tut es einfach. Wir haben keine andere Wahl.“

Sie taten endlich, was ihnen Nagal befahl, obwohl Catt und Joss inzwischen bereits mit ihrem Leben abgeschlossen hatten. Ja, es kam ihnen nachgerade lächerlich vor, sich gemeinsam mit ihrem Captain nieder zu ducken, während sie sich gegenseitig festhielten. Sobald der Hurrikan sie erreichte, war alles aus. Daran bestand für sie nicht mehr der geringste Zweifel.

„Nur nicht hinsehen!“, empfahl Nagal Serif noch, und dann war der Hurrikan bei ihnen.

Sie hörten nicht nur sein ohrenbetäubendes Tosen, sondern sie spürten, wie der Boden rings um sie hochgerissen wurde wie von einem Staubsauger, der den Durchmesser von mindestens einem Kilometer hatte.

Es tobte, es kreischte, es donnerte. Blitze durchzuckten ihre Umgebung wie beim schlimmsten Gewitter, schlimmer als alles, was sie jemals erlebt hatten.

Logisch, denn ein solches Gewitter konnte niemand überleben, um danach davon berichten zu können.

Und dennoch kauerten sie immer noch beisammen. Der Hurrikan wollte alles vernichten, zerreißen, zerfetzen, aber wieso verschonte er ausgerechnet sie?

Trotz des schützenden Helmes wurden alle drei taub. Die sie umtosenden Gewalten hatten eine solche Lautstärke erreicht, dass sie vorübergehend ihr Gehör verloren. Wie beim Donnern einer Explosion, der man zu nah gekommen war.

Und sie waren hier nicht nur viel zu nah, sondern sie waren mittendrin. Vielleicht nur für Sekunden, aber es fühlte sich an wie eine ganze Ewigkeit in der wahren Hölle.

Und dann war es vorbei.

Nicht schlagartig eigentlich, sondern es ebbte irgendwie ab.

Eine Weile wagten sie gar nicht mehr, aufzusehen. Als sie es dann dennoch taten, war der Hurrikan weitergezogen. Und es war wie ein Wunder: Er verlor seine Gewalt, schrumpfte sichtlich.

Und dann prasselte all der Dreck, der Staub und die Erde auf sie herab, die der Hurrikan hochgeschleudert hatte. Es waren wahre Massen. Ohne die Schutzanzüge hätten diese Massen sie erschlagen.

Überall ging es nieder, auf eine riesige Fläche verteilt. Nicht lange, und sie standen bis fast zu den Knien in diesem Dreck.

Von einer Steppe war nichts mehr zu sehen. Das Ganze sah eher aus als hätte ein Gott das ganze Land umgepflügt.

„Puh!“, machte Catt, aber da sie ihre eigene Stimme nicht hörte, wurde ihr wieder bewusst, dass sie alle drei taub geworden waren.

Sie befreiten sich von all dem Dreck und sahen sich an. Die Helmscheiben waren so transparent, dass es aussah, als würden sie gar nicht existieren. Trotzdem konnte man von innen die entsprechenden Daten einblenden lassen.

Laut Datenanalyse waren die Anzüge völlig intakt.

Wie war das überhaupt möglich? Wieso lebten sie noch?

Joss und Catt verstanden das nicht. Und dann schoben sie es einfach der völlig absurden Situation zu, in der sie sich befanden.

Nur Nagal wusste es besser: Sie hatten überlebt, weil er seine PSI-Kräfte eingesetzt hatte. Immerhin waren sie stark genug gewesen, sie wirkungsvoll vor dem Hurrikan zu schützen. Aber würden sie noch weiterhin stark genug bleiben, um ihr Leben zu erhalten?

Er wusste es nicht, konnte es nur hoffen.

3

Jantet Clareis hielt es nicht mehr an einer Stelle. Er ging unruhig auf und ab und hatte dabei das Gefühl, etwas zerreiße ihn.

Diese schiere Ohnmacht, die sich seiner bemächtigt hatte, trieb ihn halbwegs in den Wahnsinn. Jedenfalls empfand er es so.

Normalerweise hätte sich Ssissai Zumor darüber beklagt, dass Jantet ihn mit seiner Unruhe auch noch zusätzlich belastete, aber er blieb nach außen hin ruhig, weil er wusste, was in Jantet vorging.

Im Grunde genommen war der Echsenmann nämlich besser dran. Er konnte wenigstens etwas tun. Auch wenn es letztlich nichts brachte. Aber immerhin konnte er sich bemühen, während Jantet im wahrsten Sinne des Wortes die Hände gebunden waren.

„Nichts!“, zischelte Ssissai. „Da ist absolut gar nichts. Die Steppe ist und bleibt leer. Sie wirkt völlig unberührt. Keine Insekten, kein Leben überhaupt, außer eben dem pflanzlichen. Aber auch das pflanzliche Leben: Einfalt geht vor Vielfalt.“

Jantet blieb abrupt stehen. Hinter Ssissai.

„Moment mal“, sagte er nachdenklich. „Lenke doch die Sonden noch einmal dorthin, wo das Beiboot gelandet ist.“

„Alle fünf Sonden?“

„Ja!“

„Nun, wieso eigentlich nicht? Es hat bis jetzt zwar nichts erbracht, aber es spricht auch nichts dagegen, es noch einmal zu versuchen.“

Die Sonden boten einen Rundumblick. Dieser entsprach zu hundert Prozent den Erwartungen. Das hieß, es sah genauso aus, wie man es aus der Höhe schlussfolgern konnte.

„Die haben etwas anderes als Umgebung beschrieben – und auch mit ihren Helmkameras aufgenommen“, sagte Jantet gedehnt.

„Ja, weiß ich doch!“ Es klang leicht verärgert.

Jantet ließ sich davon nicht beeindrucken.

„Es ist gerade so, als wären sie nicht hier gelandet, sondern…“

Er unterbrach sich selber.

„Sondern?“, echote Ssissai überrascht.

„Es ist, als würde es SCHORVA zweimal geben. Gewissermaßen. Das eine ist der Planet, den wir sehen. Das andere ist die Welt, auf der sie eigentlich gelandet sind.“

Ssissai erschrak so sehr, dass er sichtlich zusammenzuckte.

„Moment mal…“ Die Stimme versagte ihm den Dienst.

Jantet betrachtete ihn erstaunt. Was war plötzlich los mit seinem Freund und Kollegen?

Dann brach es aus Ssissai hervor:

„Wir gingen bislang davon aus, dass wir von hier verschwinden müssten, also aktiv verschwinden, indem wir dem System den Rücken kehren. Aber vielleicht sind wir das längst schon: verschwunden?“

„Ich verstehe nicht…“, begann Jantet, doch dann fiel es ihm wie die berüchtigten Schuppen von den Augen. „Du meinst, wir wären bereits verschwunden für den Rest des Universums, wie die fünf verschwunden Schiffe vor uns? Aber das würde ja bedeuten, es gibt mehr als nur zwei Welten in einer, was ja an sich schon absurd wäre. Etwa sogar drei?“

„Nur eine Annahme!“, lenkte Ssissai ein.

Er kontrollierte noch einmal alle Anzeigen, ehe er weiter sprach:

„Es gibt durchaus eine Möglichkeit, das herauszufinden.“

„Die wäre?“

„Na, dann überlege doch mal selber!“

„Du meinst, wir sollten uns jetzt noch einmal beim Flottenkommando melden?“

„Ja, obwohl sozusagen der Countdown bereits läuft. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder, die antworten uns, oder eben nicht. Falls sie nicht antworten, wurden wir bereits abgeschnitten von allem. Dann könnten wir gar nicht mehr von hier fliehen, selbst wenn wir das wollten.“

„Irgendwie ergibt das jetzt trotzdem keinen Sinn!“, gab Jantet zu bedenken.

„Inwiefern?“

„Denke daran, was bisher passiert ist. Wir wissen ja nur von fünf Fällen, in denen es den Schiffen gelang, sich noch einmal zu melden, um einen Notruf abzusetzen, der keinerlei konkrete Hinweise beinhaltete. Danach wurden sie nie mehr gesehen. Die Raumflotte kam hierher und hat alles durchsucht. Sie haben zwar nicht den Dschungel niedergebrannt, sondern haben drohnenähnliche Sonden geschickt, außerdem gingen Beiboote in diesem Steppenland nieder… Erbracht hat das nicht das Geringste. Bis sie unverrichteter Dinge wieder wegfliegen mussten. Wir wissen bis heute nicht konkret, wieso ihnen nichts widerfuhr. Trifft es wirklich nur einzelne Raumschiffe, wenn diese sich hierher wagen?“

„Was hat das jetzt mit unserem Kontaktversuch zu tun?“

„Es hat noch niemals zuvor einen Kontaktversuch dieser Art gegeben“, erinnerte ihn Jantet. „Es gab eben lediglich ein letztes Notsignal. Sonst nichts.“

„Was ja nicht bedeuten muss, dass es diesmal nicht klappen kann, nicht wahr? Immerhin haben wir insofern eine veränderte Situation, weil wir ja speziell hierher entsendet wurden, um die Sache zu überprüfen.“

Jantet stutzte kurz. Dann nickte er.

„Auch wieder wahr. Also wieso eigentlich nicht: Versuche es doch einfach mal!“

Und Ssissai bereitete alles vor.

*

Eine halbe Stunde später, während sich Ssissai wirklich bemüht hatte, Kontakt zu bekommen, war beiden klar: Es gab keine Kontaktmöglichkeit mehr! Der Empfänger blieb tot.

Egal, welche Frequenz sie versuchten. Obwohl man dabei nicht mehr wirklich von Frequenzen ausgehen konnte, aber man hatte zumindest den Begriff beibehalten. Es gab definitiv keinerlei Verständigungsmöglichkeit mehr mit außerhalb des Sonnensystems.

Und wenn sie jetzt gar versuchten, das Sonnensystem zu verlassen?

Die beiden sahen sich an.

„Ich würde niemals unsere Freunde im Stich lassen!“, betonte Jantet noch einmal.

„Tun wir das denn damit? Wenn wir versuchen, von hier weg zu kommen? Falls es klappen sollte, können wir ja jederzeit wieder hierher zurückkehren. Das wäre vielleicht sogar besser, als nichts dergleichen zu unternehmen.“

„Wieso?“

„Na, ist doch klar: Vielleicht gelingt uns der Kontakt wieder, wenn wir es außerhalb noch einmal versuchen? Wir könnten dann Hilfe anfordern. Dann hätten wir erst recht eine völlig neue Situation, nicht vergleichbar mit allem, was bisher geschehen ist.“

Jantet brauchte nicht lange zu überlegen.

„Leuchtet mir ein, Ssissai. Wir fliehen ja nicht feige von hier. Wir lassen auch niemanden im Stich. Ohne Hilfe können wir sowieso nichts mehr ausrichten. Falls es uns wirklich gelänge, Hilfe zu ordern, stünden die Chancen für unsere Freunde sogar bedeutend besser. Auf jeden Fall.“

Es war klar, dass er damit nur sein eigenes Gewissen beruhigen wollte.

Jantet Clareis wandte sich ab und beschäftigte sich mit seinen eigenen Kontrollen. Jetzt war sein eigenes Können gefragt. Er war der eigentliche Pilot des Schiffes, der sich natürlich von der KI unterstützen ließ.

Es dauerte keine zwei Minuten, bis er das Schiff startklar hatte. Jetzt konnten sie den Orbit verlassen.

Die KI setzte den Befehl um:

„Schub!“

Sobald sie ihre Geschwindigkeit im Orbit erhöhten, entfernten sie sich zwangsläufig von dieser Welt. Das war physikalisches Gesetz.

Normalerweise!

„Schub!“, befahl Jantet erneut.

Die KI meldete sich mit den Worten:

„Erfolgt bereits. Vollschub.“

„Aber es gibt nicht die geringste Veränderung!“, bellte Jantet ärgerlich.

„Das Schiff beschleunigt definitiv!“ Klang die KI jetzt ärgerlich? Konnte eine KI überhaupt ärgerlich klingen?

Jantet und Ssissai warfen sich gegenseitig Blicke zu.

Ssissai war ja nicht nur der Funkoffizier, sondern auch der Ortungsspezialist. Er kontrollierte seine Anzeigen.

„Es tut sich nichts!“, berichtete er.

„Das sehe ich selbst, verdammt noch mal!“, schimpfte Jantet außer sich. „Scheiße, es ist völlig egal, ob wir zu beschleunigen versuchen oder nicht. Da Schiff bewegt sich nicht von der Stelle.“

„Nein, falsch“, widersprach Ssissai überraschend. „Das Schiff hat angeblich sogar mächtig Fahrt aufgenommen. Wir beschleunigen mit Höchstwerten. Zumindest behaupten das alle diesbezüglichen Anzeigen.“

„Und wieso verlassen wir dann nicht den Orbit?“

Ssissai sah ihn an.

„Wundert dich das allen Ernstes immer noch?“

„Beschleunigung abbrechen!“, befahl Jantet. Dann ließ er sich schwer in seinen Pilotensessel niedersinken.

Er schloss sekundenlang die Augen. Als er sie wieder öffnete, wirkte er völlig niedergeschlagen.

„Wir sitzen hier fest!“

„Weil wir längst verschwunden sind, wie alle Schiffe vorher, wenn sie nicht gerade im Kampfverband aufkreuzten?“

„Was weiß denn ich?“, fuhr Jantet seinen Freund an.

Ssissai nahm es ihm nicht krumm.

„Genau so wenig wie ich, wie ich vermute!“, antwortete er lapidar.

*

„Schiff!“, sagte eine Stimme, die ihnen irgendwie bekannt vorkam.

Jantet und Ssissai waren unfähig zu reagieren.

„Wieso antwortet ihr nicht?“

„Nagal?“, entfuhr es dem völlig verdattert wirkenden Ssissai Zumor.

„Ja, verdammt noch mal, wer sonst?“

„Aber…“

„Was aber? Wir versuchen die ganze Zeit schon, Kontakt zu bekommen mit euch. Der ist plötzlich abgerissen. Und jetzt ist er wieder da.“

„Aber…“, begann Ssissai erneut. Die Stimme versagte ihm jedoch den Dienst.

Jantet mischte sich ein:

„Herrje, Captain, wir haben uns große Sorgen gemacht. Was ist denn passiert dort unten?“

„Gar nichts ist passiert!“, war die Antwort. „Das ist doch genau das Problem. Wir haben immer wieder versucht, euch zu kontaktieren. Dabei haben wir uns nicht von der Stelle bewegt, damit zumindest die Sonden uns finden. Aber wieso habt ihr keine Sonden los geschickt?“

„Aber das haben wir doch!“, protestierte Ssissai lahm und betrachtete die Bildanzeigen.

Jetzt erst. Deshalb konnte er es auch jetzt erst sehen:

Da waren die drei Freunde: Nagal, Catt und Joss. Ihre Helme waren geschlossen. Sie standen neben dem Beiboot, genau dort, wo sie gelandet waren.

„Ah, die Sonden!“, sagte Nagal. „Jetzt kann ich sie auf einmal tatsächlich sehen.“

„Sind aber die ganze Zeit über schon dort!“, verteidigte sich Ssissai.

„So, sind sie das? Und wieso sind sie für uns jetzt erst sichtbar?“

„Ganz einfach, Nagal: Weil wir umgekehrt auch euch erst jetzt wieder sehen.“

„Im Ernst?“

„Ja, im Ernst!“, bestätigte jetzt auch Jantet. „Ich schlage vor, ihr geht an Bord eures Beibootes und kommt zurück zum Raumschiff.“

„Warum das?“, wunderte sich Nagal.

„Muss ich das jetzt noch erklären? Schon mal auf die Uhr gesehen? Wir haben nicht nur den Kontakt verloren, sondern auch die Sichtverbindung. Sozusagen. Ihr seid ganz einfach von der Bildfläche verschwunden, mitsamt dem Beiboot. Deshalb hat Ssissai die Sonden geschickt. Aber auch die haben nichts mehr entdecken können.“

„Richtig, ging uns ja umgekehrt genauso“, räumte Nagal jetzt ein. „Und eigentlich hast du vollkommen recht, Jantet: Wir sollten diese Welt wieder verlassen, solange es noch geht. Ich weiß zwar nicht, was passiert ist, wieso wir uns sozusagen verloren haben, aber das kann ja jederzeit erneut geschehen.“

„Das finde ich allerdings auch!“, meinte Jantet.

Sie sahen beide zu, wie die drei Freunde ohne ein weiteres Wort das Beiboot bestiegen und es startklar machten.

Ihre Blicke gingen hinüber zur Bilderfassung aus dem Orbit. Und auch dort sahen sie, was auch die Sonden übermittelten:

Das Beiboot mit ihren drei vorher verschollenen Freunden an Bord.