Scoring for Love - Tracy Wolff - E-Book

Scoring for Love E-Book

Tracy Wolff

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Beschreibung

Sage & Shawn – kann sie ihm dabei helfen, seine traumatische Vergangenheit endlich hinter sich zu lassen?

Eine schreckliche Tragödie kostete Profi-Footballer Shawn Wilson alles – seither flüchtet er von einem Adrenalinkick zum nächsten. Als er nach einer Verletzung Yoga-Stunden empfohlen bekommt, traut er seinen Augen nicht, da sich seine Yoga-Lehrerin als Sage herausstellt. Die faszinierende Frau, mit der er einen heißen One-Night-Stand hatte! Sage fühlt sich noch immer stark zu dem Sportler hingezogen, doch könnte sie, deren Leben so ruhig und geordnet verläuft, niemals eine Beziehung zu einem Adrenalinjunkie haben. Es sei denn, ihr Coaching hilft Shawn dabei, endlich zu sich zu finden?

Sports Romance trifft auf den Trope Opposites Attract – Band 2 der »San Diego Lightnings«-Reihe von Nr.-1-SPIEGEL-Bestsellerautorin Tracy Wolff!

Lassen Sie sich auch von der Wintersport-Reihe der Autorin verzaubern: in »Hearts on Boards« bringen heiße Snowboarder den Schnee in Utah zum Schmelzen! 

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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MOBI

Seitenzahl: 338

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Buch

Eine schreckliche Tragödie kostete Profi-Footballer Shawn Wilson alles – seither flüchtet er von einem Adrenalinkick zum nächsten. Als er nach einer Verletzung Yoga-Stunden empfohlen bekommt, traut er seinen Augen nicht, da sich seine Yoga-Lehrerin als Sage herausstellt. Die faszinierende Frau, mit der er einen heißen One-Night-Stand hatte! Sage fühlt sich noch immer stark zu dem Sportler hingezogen, doch könnte sie, deren Leben so ruhig und geordnet verläuft, niemals eine Beziehung zu einem Adrenalinjunkie haben. Es sei denn, ihr Coaching hilft Shawn dabei, endlich zu sich zu finden?

Autorin

Tracy Wolff schrieb ihr erstes Buch bereits in der zweiten Klasse. Seitdem sind viele »New York Times«-, »USA Today«- und SPIEGEL-Bestseller dazugekommen. Die Autorin hat ihren Ursprung aber in der zeitgenössischen Romance: »San Diego Lightnings« zählt zu ihren beliebtesten Reihen und erscheint erstmals auf Deutsch bei Blanvalet. Die ehemalige Englischprofessorin widmet sich heute ganz dem Schreiben und lebt mit ihrer Familie in Austin, Texas.

Die »San Diego Lightnings«-Reihe bei Blanvalet:

Winning for Love

Scoring for Love

Fighting for Love

Die »Hearts on Boards«-Reihe bei Blanvalet:

A Touch of Snow

A Touch of Ice

A Touch of Storm

TRACY WOLFF

Scoring for Love

ROMAN

Deutsch von Anita Nirschl

Die Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel »Hot & Heavy« bei Loveswept, an imprint of Random House, a division of Random House LLC, a Penguin Random House Company, New York.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © 2018 by Tracy Deebs-Elkenaney

All rights reserved.

This edition published by arrangement with Loveswept, an imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2025 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR)

Redaktion: Angela Kuepper

Umschlaggestaltung: © www.buerosued.de

Umschlagdesign und -motiv, Innengestaltung: © www.buerosued.de

SH · Herstellung: DiMo

Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-32828-3V001

www.blanvalet.de

Liebe Leser*innen,dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Deshalb findet sich hier eine Triggerwarnung.

Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch. Wir wünschen allen das bestmögliche Leseerlebnis.

Für Jennifer Elkins, weil so viele meiner Geschichten Teile unserer Freundschaft in sich tragen. Ich hab dich schrecklich lieb!!!

Kapitel 1

Sage

Mir ist langweilig. Also so richtig langweilig. Ich bin nun schon fast den ganzen Abend auf diesem lächerlichen Junggesellinnenabschied mit Leuten, die ich kaum kenne, und kann es kaum erwarten, dass es endlich vorbei ist. Normalerweise folge ich der strengen Regel, nur zu Partys von Leuten zu gehen, die ich mag, aber was hätte ich machen sollen, als Skye mich hierzu eingeladen hat? Nein sagen?

Keine besonders gute Idee, wenn man bedenkt, dass wir zusammenarbeiten. Sogar noch mieser, wenn man bedenkt, dass, solange meine Mom auf ihrem Meditations- und Selbstfindungstrip in Indien ist, ich der Boss bin. Und der Boss kann eine Einladung einer Angestellten nicht ausschlagen, egal, wie sehr er es will. Nicht, wenn das Unternehmen so klein und familiär ist wie unseres.

Weshalb ich nun hier mitten in dieser irre schicken Bar sitze und zusehe, wie Frauen mit Penis-Hüten Drinks kippen und schmutzige Bemerkungen über jeden Mann machen, der zufällig am Tisch vorbeikommt … Es ist meine eigene persönliche Version der Hölle, und ich bin mir ziemlich sicher, dass es mir verdammt schlecht gelingt, diese Tatsache zu verbergen.

Andererseits bin ich mir nicht sicher, ob das eine Rolle spielt, wenn man bedenkt, dass ich gerade die einzig Nüchterne am Tisch bin – weithin sichtbar sowohl durch meinen fehlenden Penis-Hut wie auch meine Fähigkeit, den Mund zu halten, egal, wer vorbeigeht. Der Boss zu sein, bedeutet, dass ich zu dieser kleinen Fete kommen musste. Aber es gibt keinen Boss- oder Girl-Code auf der Welt, der besagt, dass ich einen Pimmel auf dem Kopf tragen oder aus einem pimmelförmigen Strohhalm trinken muss. Und selbst wenn es einen gäbe … Nun, das wäre ein Code, den zu brechen ich keine Schwierigkeiten hätte.

»Du brauchst noch einen Drink«, sagt Autumn – eine der anderen Trainerinnen im Yogastudio meiner Mom – mit einem Kichern zu mir. »Komm schon. Lass uns zur Bar gehen.«

Ich will nicht zur Bar gehen. Und ich will ganz sicher nicht noch einen Drink. Obwohl Skye für heute Abend eine Limousine gebucht hat, was bedeutet, dass ich nicht selbst nach Hause fahren muss, habe ich trotzdem ein Zwei-Drinks-Limit, wann immer ich in einer Bar bin. Egal in welcher Bar. Wenn ich im Laufe der Jahre eines gelernt habe, dann, dass alles einfacher ist, wenn man stocknüchtern ist – weshalb es eine Stunde her ist, seit ich irgendetwas anderes als Wasser getrunken habe.

Trotzdem folge ich ihr. Das ist keine so schwere Entscheidung, da der Rest unserer Party gerade angefangen hat, Schwanz-Lieder zu singen. Es reicht nicht, aus einem Schwanz zu trinken und Schwanz-Kuchen zu essen und jedem Schwanz hinterherzupfeifen, während sie einen riesigen Schwanz auf dem Kopf haben. Sie müssen auch noch eine Hommage an diese verdammten Dinger singen.

Vielleicht ist es an der Zeit, »Scheiß auf die Limousine« zu sagen und stattdessen von hier zu verschwinden … Nur hat Autumn meinen Arm gepackt und ist durch lebenslanges Yoga viel stärker, als sie aussieht. Mit einem Seufzen akzeptiere ich, dass ich nirgendwohin gehen werde, bis sie mich wieder loslässt.

Wir sind auf halber Strecke zur Bar, als ich ihn sehe. Ich bin so genervt, dass ich fast nicht aufpasse, aber – mal ehrlich – ich müsste schon tot sein, um diesen Kerl nicht zu bemerken. Zu bemerken, verdammt, schon allein zu wissen, dass er im Raum ist, braucht plötzlich sämtlichen Sauerstoff auf.

Oder vielleicht habe ich einfach vergessen, wie man atmet.

Aber kann man es mir verübeln? Mit einem Gesicht wie ein gefallener Engel, Augen, die funkeln wie schwarze Diamanten, und einem von Bartstoppeln überzogenen Kinn, das so fantastisch geschnitten ist, dass ich die Schärfe bis hier spüren kann, ist er das absolut Heißeste in diesem Laden. Vielleicht das Heißeste überhaupt. Groß, dunkel und geradezu umwerfend schön. Und dabei habe ich noch nicht mal diese Schultern berücksichtigt, die breiter sind als ein Haus, und diese Oberarmmuskeln zum Niederknien.

Ist es falsch, dass ich ihn ablecken will?, frage ich mich, während ich leicht die Haltung ändere, um einen besseren Blick zu bekommen. Denn das will ich. Das will ich wirklich. Diese schmalen Hüften. Dieses seidig wirkende, zu lange Haar. Diese großen Hände, die sich komplett um sein Glas spannen. Kein Wunder, dass es sich so anfühlt, als wäre alles an Sauerstoff aus diesem Laden gesaugt worden. Er ist wie ein persönlicher Spielplatz, der eigens für mich gemacht wurde.

Und das, bevor er hochschaut und sein Blick über die schwach beleuchtete Bar hinweg meinem begegnet.

Normalerweise würde ich wegsehen. Ich bin nicht der Typ, einen Fremden in einer Bar mit den Blicken zu vernaschen. Oder irgendwo sonst, was das betrifft. Aber in dem Moment, in dem wir uns in die Augen sehen, vergesse ich normal. Vergesse gewöhnlicherweise. Und versuche stattdessen zu verhindern, dass mein Höschen geradewegs runter auf den Boden fällt.

Das ist schwieriger, als es sein sollte, wenn man bedenkt, dass ich eine Hose trage.

Ich presse die Beine zusammen, nur um auf der sicheren Seite zu sein. Und das ist der Moment, in dem er lächelt, ein breites, einladendes Grinsen, das mein Gefühlszentrum trifft … plus ein paar andere ach so denkwürdige Stellen. Er verändert leicht seine Haltung, stützt die Ellbogen hinter sich auf den Tresen. Streckt die langen, langen, laaaaangen Beine von sich. Und sieht aus, als wäre er völlig sorgenfrei. Und als würde er erwarten, dass ich ihn anspreche.

Was absolut nicht passieren wird. Ich habe schon einen langen Blickkontakt mit dem Kerl gehalten. Tatsächlich zu ihm hinzugehen – einem umwerfend attraktiven Fremden, der eindeutig das dazu passende Ego hat –, ist so was von nicht drin. Ich meine, es ist nicht so, dass ich hässlich wäre oder so. Ich habe ein angemessenes Vertrauen in meine eigene Attraktivität. Aber es gibt attraktiv, und dann gibt es das, was immer dieser Typ ist, und ich bin ehrlich genug, mir einzugestehen, dass ich nicht in seiner Liga spiele. Verdammt, ich bin mir nicht mal sicher, ob er überhaupt eine Liga hat. Er könnte der Einzige seiner Art auf dem Planeten sein.

»Was willst du trinken, Sage?«, fragt Autumn, und es schwingt eine Spur von Ungeduld in ihrer Stimme, als hätte sie die Frage schon ein paarmal gestellt. Das reißt mich aus meiner Trance – ich schwöre, es ist, als wäre ich, schwanzhypnotisiert oder so –, und ich denke mir, was soll’s.

»Ich nehme noch einen Lemon Drop«, sage ich zu ihr, um mein selbst auferlegtes Limit ausnahmsweise zu brechen. Es ist bereits eine Stunde her, seit ich einen Drink hatte – einer mehr wird keinen wirklichen Schaden anrichten. Ich werde immer noch die nüchternste Frau der Party sein. Außerdem, wenn ich heute Abend eine Regel breche, dann lieber das Zwei-Drinks-Limit als die Keinen-heißen-Fremden-auf-einer-öffentlichen-Toilette-vögeln-Regel.

Einen weiteren Drink, entscheide ich, nur um mich ein bisschen lockerer zu machen. Keinesfalls genug, um einverstanden zu sein, einen Penis-Hut zu tragen, aber vielleicht gerade genug, um dem heißesten Typen in diesem Laden schöne Augen zu machen.

Vielleicht.

Fünfzehn Minuten später bin ich wieder an meinem Tisch und tue genau das. Überall um mich herum werden die anderen kontinuierlich betrunkener – so betrunken, um genau zu sein, dass Skye gerade eine andere Trainerin zu Priscilla, Königin der Schwänze, gekrönt hat. Ich habe keine Ahnung, wo der Titel herkommt, in Anbetracht dessen, dass die Frau Lela heißt, aber ich werde mich hüten zu fragen. Ich will schon zu den besten Zeiten nicht wissen, was in den Köpfen dieser Frauen vor sich geht, geschweige denn jetzt gerade.

Auf der anderen Seite der Bar amüsiert sich Mr. Groß, dunkel und so verdammt heiß, dass ich mich schon beim Hinsehen verbrenne. Ob über meine Flirtversuche mit ihm, da er doch eindeutig eine Nummer zu toll für mich ist, oder über die zunehmend lächerlichen Albernheiten meines Tisches, kann ich nicht sagen. Ich vermute, dass es Letzteres ist, während ich ihn mit den Wimpern klimpernd ansehe, aber die Wahrheit ist, ich weiß es einfach nicht.

»Whoaaaaa«, sagt Autumn, nachdem sie betrunken um den Tisch herumgekommen ist und sich auf den leeren Platz neben mir plumpsen lässt. »Wer. Ist. Das?«

»Wer denn?«, frage ich, aber sie kauft mir die ganze Ich-stelle-mich-dumm-Sache nicht ab. Andererseits würde ich das an ihrer Stelle auch nicht tun.

»Der Typ, den ich schon früher bemerkt hätte, wenn ich nicht auf der anderen Seite des Tisches gesessen hätte«, sagt sie zu mir. »Du weißt schon, der Hottie da drüben, der die Augen nicht von dir lassen kann.«

»Ich glaube, du bist verwirrt.«

»Wirklich?« Sie zieht skeptisch eine Braue hoch. »Weil es für mich so aussieht, als würde der Mann dich bei lebendigem Leib auffressen wollen. Auf eine sehr, sehr gute Weise.«

»Ja, nun, ich, er, nur, wir …ähm …«, stottere ich mich durch eine völlig unverständliche Liste von Wörtern, bevor ich schließlich einfach die Klappe halte und nach meinem Drink greife. Ich trinke das, was noch übrig ist, mit einem einzigen langen Zug aus.

Sie lacht. Gackert, um genau zu sein, und reibt sich mit beinahe diebischer Freude die Hände. Sie mag zwar der netteste Mensch sein, den ich kenne, aber im Moment sieht sie wie ein Disney-Bösewicht aus, der einen teuflischen Plan schmiedet. »Du solltest ihn ansprechen.«

»Ich werde ihn nicht ansprechen.«

»Aber das solltest du. Es ist offensichtlich, dass er dich will.«

»Das ist nicht im Geringsten offensichtlich«, erwidere ich. Wenn es so wäre, wäre er dann nicht schon hergekommen?

»Du solltest so was von zu ihm rübergehen. Hab ich recht, Skye?«, fragt sie mit erhobener Stimme, um die zukünftige Braut einzuspannen.

»Absolut«, sagt Skye, ohne auch nur zu fragen, wovon Autumn redet.

»Siehst du?«, fragt sie, als sie sich wieder zu mir umdreht. »Skye ist derselben Meinung und alle anderen auch. Richtig, Leute?«

»Richtig«, stimmt eine von Skyes anderen Freundinnen mit ein, deren Namen ich nicht mal kenne.

»Die haben keine Ahnung, wovon du redest.«

»Klar haben wir das!«, sagt Skye, und sie ist so fröhlich betrunken, dass sie auf ihrem Platz auf- und abhüpft. »Du brauchst noch was zu trinken.«

»Ich brauche nichts …«

»Doch!«, unterbricht sie mich und hebt die Hand, um unserer Kellnerin zu winken. Als sie nicht sofort ihre Aufmerksamkeit bekommt, gibt sie ihrem eigenen Drink einen Schubs und schiebt ihn über den Tisch hinweg zu mir. »Hier, trink den.«

Misstrauisch starre ich das leuchtend blaue Gebräu an. »Nein, danke …«

»Komm schon«, sagt sie ein bisschen weinerlich, so wie es nur fröhliche Betrunkene können. »Trink ihn.«

»Ich hab nicht wirklich Lust auf noch einen …«

»Trink ihn!«, quäkt sie laut genug, dass mich nicht nur die Leute an unserem Tisch, sondern auch alle anderen um uns herum anstarren.

»Okay, okay.« Ich nehme das Ding, um nicht noch mehr Aufsehen zu erregen, dann probiere ich einen vorsichtigen Schluck. Trotz der giftigen Farbe ist er eigentlich ziemlich süffig, und ich nehme einen zweiten Schluck, dann einen dritten.

Ich trinke ihn nicht ganz aus, weil ich meine Grenzen kenne, aber ich kann spüren, wie sich meine Muskeln noch etwas mehr entspannen. Wie meine normalen Hemmungen ein bisschen weniger steif werden. Und das ist der Moment, in dem Autumn zum Todesstoß ansetzt.

»Er schaut dich immer noch an«, zischt sie mit einem alles andere als subtilen Kinnzucken zu Mr. Groß, dunkel und so verdammt heiß, dass ich mich wie gesagt schon beim Hinsehen verbrenne (und den ich fortan Hot Stuff nennen werde, weil der andere Name sogar in meinem Kopf ein richtiger Zungenbrecher ist). Er sitzt immer noch lässig zurückgelehnt auf dem Barhocker, die langen, muskulösen Beine ausgestreckt, während er sich ungezwungen mit dem Mann neben ihm unterhält. Einem Mann, der ebenfalls verdammt sexy ist, wird mir bewusst, als ich es endlich schaffe, den Blick von Hot Stuffs breiten Schultern und straffen Bauchmuskeln loszureißen.

»Vielleicht schaut er dich an«, antworte ich, während ich mein Bestes gebe, das Flattern tief in meinem Bauch zu ignorieren.

»Ja, klar«, sagt sie mit einem Schnauben. »Wenn das der Fall wäre, verheiratete Frau hin oder her, würde ich schon auf seinem sehr erfreulichen Schoß sitzen. Aber er guckt einhundertprozentig dich an. Wenn du deswegen nichts unternimmst, werde ich dir das nie verzeihen.«

»Ich schätze, damit werde ich einfach leben müssen, weil …«

»Womit leben müssen?«, wirft Skye laut ein. Plötzlich sehen mich alle am Tisch an.

»Mit der Tatsache, dass dieser sehr heiße Typ da drüben sie eindeutig kennenlernen will«, antwortet Autumn mit einem so lauten Flüstern, dass ich fürchte, man kann es in der ganzen Bar hören, trotz der Eighties-Musik, die aus der schicken Jukebox in der Ecke dröhnt.

»Welcher Typ?«, fragt Skye mit noch lauterer Stimme, während sie den Blick durch die Bar schweifen lässt. »Wo ist … oh! Da ist er.« Ihre Augen werden groß.

»Na, und ob«, tönt Dawn, die Frau, die ihr gegenübersitzt. »Wowza.«

Wowza? Ernsthaft? Ich komme mir vor, als hätte es mich in ein Alternativuniversum oder einen schlechten Pornofilm verschlagen, besonders als sich der ganze Tisch – alle zehn Frauen – umdrehen, um ihn anzustarren. Weil das überhaupt nicht auffällig ist.

Unsere Blicke treffen sich erneut, und diesmal liegt ein ausgewachsenes Schmunzeln auf seinem Gesicht. Er weiß ganz genau, dass wir über ihn reden – und diese Tatsache scheint völlig okay für ihn zu sein. Meine Wangen werden heiß, zusammen mit dem Rest von mir, und ich weiß nicht, ob ich hier mitten in der Bar vor Verlegenheit sterben oder vor unerfülltem Verlangen spontan in Flammen aufgehen werde. Und als er sein Glas zu einem stummen Toast hebt, der eindeutig für mich bestimmt ist, verschlucke ich fast meine Zunge.

Genauso wie jede andere Frau an meinem Tisch.

»Tu doch was!«, zischt Autumn aus einem Winkel ihres breit lächelnden Mundes.

»Was denn?«, will ich wissen, gerade als Skye mir einen Tritt versetzt.

»Dich nackt ausziehen. Auf dem Tisch tanzen. Egal«, schaltet sich Karen, die Rezeptionistin des Yogastudios, ein.

»Denn wenn du es nicht tust, dann mache ich es definitiv!«

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass man mich verhaften würde, falls ich irgendetwas von diesen Dingen tue«, antworte ich, aber mein Herz schlägt mit jeder Sekunde schneller, in der er mich weiter ansieht.

Plötzlich überlege ich, auf die Tatsache zu pfeifen, dass er eine Elf, vielleicht sogar eine Fünfzehn ist und ich eine Acht an einem sehr guten Tag.

Überlege, es zu riskieren, da mir neun Frauen sagen, dass er ganz definitiv interessiert ist.

Überlege, all meine Regeln zu brechen.

Ich bin ein bisschen beschwipst, ein bisschen erregt, und es scheint keinen besseren Zeitpunkt oder Grund zu geben, es einfach zu riskieren.

Und das ist der Moment, in dem er sich abwendet und dadurch nicht nur unseren Blickkontakt abbricht, sondern so weit geht, seinen Hocker herumzudrehen, um in die andere Richtung zu sehen.

Und einfach so ist er eine weitere verpasste Gelegenheit. Die Geschichte meines verdammten Lebens.

Kapitel 2

Shawn

Clay schwätzt mir ein Ohr ab übers Trainingslager, das in ein paar Wochen losgeht, und ich weiß, ich sollte zuhören. Aber es fällt mir ziemlich schwer, den Sinn der Worte zu verstehen, die aus seinem Mund kommen, wenn ich an nichts anderes denken kann als an die Brünette auf der anderen Seite der Bar.

Sie schaut schon den ganzen Abend in meine Richtung, mit ihren großen grün-braunen Augen, also weiß ich, dass sie mich ebenfalls bemerkt hat. Ich verstehe nur nicht, warum sie immer noch da drüben ist, statt hier auf meinem Schoß zu sitzen, wo sie so offensichtlich hingehört.

Das soll nicht arrogant klingen oder irgendwas, aber so läuft das normalerweise. Die Tatsache, dass sie es nicht tut …

Als mein Lieblings-Running Back und guter Freund endlich eine Pause macht, um Luft zu holen, frage ich: »Hab ich es nicht mehr drauf?«

»Was nicht mehr drauf?«, erwidert er verwirrt.

»Warum ist sie noch nicht rübergekommen?«

»Sie … Hörst du mir überhaupt zu, Shawn? Das Trainingslager fängt in zwei Wochen an und …«

»Und du machst dir Sorgen, dass dich der Coach wegen deinem Knie auf die Reservebank setzt. Das brauchst du nicht. Ich bin derjenige, der in den letzten sechs Wochen fast jeden Tag mit dir trainiert hat. Du bist so weit.«

»Findest du wirklich? Es fühlt sich gut an, aber ich bin immer noch ein paar Sekunden langsamer als in der letzten Saison …«

»Weil du in der letzten Saison sogar Usain Bolt ein hartes Rennen geliefert hättest. Vertrau mir, die Tatsache, dass du ein paar Sekunden langsamer bist als etwas, das einem Olympia-Rekord näher kam als je irgendwas auf einem Footballfeld, macht keinen Unterschied. Du hast nichts zu befürchten.«

Er denkt eine Sekunde lang darüber nach, dann nickt er. »Ja, okay.«

»Können wir dann also jetzt über mein Problem reden?«

»Und was für ein Problem ist das? Dass du eine zu große Pussy bist, um rüberzugehen und die Frau anzusprechen? Oder die Tatsache, dass in zwei Wochen Trainingslager ist und dein Rücken sich immer noch nicht von diesem kleinen Zwischenfall unten in Acapulco erholt hat, über den wir nicht reden sollen?«

»Meinem Rücken geht es bestens. Und es gab keinen Zwischenfall in Acapulco, weil ich nie in Acapulco war.«

»Oh, so beabsichtigst du das dem Coach gegenüber also durchzuziehen? Indem du so tust, als wäre es nie passiert?«

Genau so beabsichtige ich das durchzuziehen. Ich wurde dieses Jahr schon zu fast vierhunderttausend Dollar an Vertragsstrafen verdonnert. Ich habe es satt, für Sachen zu zahlen, die ich außerhalb der Saison mache und die sie verdammt noch mal nichts angehen. »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«

»Das habe ich mir gedacht.« Er wirft mir das nervigste Schmunzeln zu, das ich je gesehen habe. »Und ich habe bemerkt, dass du es nicht abgestritten hast, eine Pussy zu sein.«

»Ich bin keine Pussy.«

»Ach nein? Wie kommt es dann, dass du hier sitzt und mit mir quatschst, anstatt dich an Bambi da drüben ranzumachen?«

»Weil du nicht aufgehört hast zu labern und ich nur höflich sein wollte.« Ich nehme einen großen Schluck von meinem Whiskey und sehe zu, wie Clay dasselbe mit seinem Chocolate Martini macht. Der Mann ist wirklich eine Blamage für das Y-Chromosom schlechthin. »Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr Name nicht Bambi ist.«

»Wahrscheinlich nicht, aber bei diesen Augen sollte er es sein«, sagt er, nachdem er das hinuntergekippt hat, was wohl der mädchenhafteste Drink der Bar ist – was etwas heißen muss angesichts des gerade stattfindenden Junggesellinnenabschieds. »Und so ein Blödsinn, dass du nur höflich sein wolltest. Du bist einfach ein feiges Huhn.«

»Nein, bin ich nicht. Alter, du spielst seit sieben Jahren Profi-Football. Erzähl mir nicht, du wüsstest nicht, dass es eine bestimmte Ordnung gibt, wie solche Dinge ablaufen.«

»Ich nehme an, mit ›bestimmter Ordnung‹ meinst du, dass du auftauchst und die Frauen sich dabei überschlagen, an dich und dieses lächerliche Gesicht von dir ranzukommen.«

Es klingt verdammt eingebildet, wenn er es so formuliert. Aber … »Ja. Das ist die Ordnung, die ich meine.«

Clay johlt lang und laut. »Alter, du bist an der Kleinen interessiert. Sei ein Mann und mach den ersten Schritt.«

»Sie gehört zu dem Junggesellinnenabschied. Das Letzte, was ich will, ist, der Perversling zu sein, der rübergeht und anfängt, sie zu belästigen, wenn sie lediglich mit ihren Freundinnen Spaß haben will.«

Er gibt einen leisen, gackernden Laut von sich. Das ärgert mich, obwohl ich weiß, dass genau das der Grund ist, warum er es macht. Aber verdammt, es ist nicht so, dass ich Angst davor habe, den ersten Schritt zu machen. Es ist einfach nur so, dass, so lange ich denken kann, die Frauen immer den ersten Schritt für mich gemacht haben. Sogar schon, bevor ich Profi-Football gespielt habe, war alles, was ich je tun musste, einfach aufzutauchen.

Die Tatsache, dass das für Bambi, wie Clay sie nennt, nicht ausreicht, fasziniert mich. Es bringt mich außerdem dazu, dass ich sie in Zugzwang bringen will. Dass ich herausfinden will, was nötig ist, um sie dazu zu bringen, zu mir zu kommen.

»Du kannst mich ruhig feige nennen, aber ich sehe halt auch nicht, dass du den ersten Schritt bei der scharfen Rothaarigen neben ihr machst, obwohl sie dir seit einer halben Stunde grünes Licht gibt.«

»Ja, nun.« Er rutscht unbehaglich herum. »Das kommt daher, dass ich mir gerade eine Auszeit nehme.«

Ich verschlucke mich fast an meinem Drink. »Eine Auszeit? Was zur Hölle soll das bedeuten?«

Er wirft mir seinen besten Chorknaben-Blick zu, was bei jemandem, der so grob aussieht wie Clay, schlicht und einfach lächerlich ist. Nicht so lächerlich wie die gepanschten Martinis, die er haufenweise trinkt, aber trotzdem ziemlich absurd. »Eine Auszeit ist eine Pause oder Flaute in einem …«

»Ich weiß, was eine verdammte Auszeit ist, Clay!«

»Warum hast du dann gefragt?«

»Weil ich nie gedacht hätte, dass der Tag einmal kommen würde, an dem sich der größte Weiberheld des Teams eine Pause von den Frauen nimmt. Was ist der Anlass?«

»Ich mache eine Reinigungskur.«

»Von deinem Schwanz?«

Er verdreht die Augen. »Von meiner Seele. Das solltest du auch mal probieren.«

Ich nehme einen weiteren Schluck von meinem Drink. »Meiner Seele geht es bestens, danke.«

»Bist du sicher?« Er hebt eine Hand, um die Aufmerksamkeit des Barkeepers zu bekommen. »Wenn du ab und zu mal eine Reinigungskur machen würdest, dann würdest du vielleicht nicht bei jeder Gelegenheit das Bedürfnis verspüren, dich umbringen zu wollen, indem du von Klippen springst.«

»Klippenspringen ist ein legitimer Sport, nur damit du’s weißt.«

Er schnaubt. »Ja, genauso wie Saltos mit Schneemobilen und Vulkan-Boarding, nur sieht man keine vernünftigen Leute diesen Mist machen, oder? Besonders nicht, wenn sie einen NFL-Vertrag haben, der ihnen körperlich gefährliche Aktivitäten abseits des Spielfelds verbietet.«

Bevor ich mir eine passende Antwort einfallen lassen kann, kommt der Barkeeper vorbei und fragt: »Noch eine Runde, Gentlemen?«

»Absolut«, antwortet Clay. »Kann ich diesmal den White Chocolate Martini haben, nur um ein bisschen Schwung reinzubringen?«

Ich bin mir ziemlich sicher, das Einzige, was den Barkeeper davon abhält, über die komplette Absurdität dieser ganzen Aussage zu lachen, ist das Zwanzig-Dollar-Trinkgeld, das er bei jeder Runde bekommt.

»Was ist mit Ihnen, Sir?«, fragt er mit einem Nicken zu meinem fast leeren Glas. »Noch einen Lagavulin für Sie?«

»Eigentlich habe ich etwas anderes im Sinn. Könnten Sie der Junggesellinnenparty da drüben eine Runde Old Fashioned bester Qualität bringen?«

Seine Augenbrauen schnellen hoch, das erste Anzeichen von Überraschung, das er zeigt, seit Clay vor zwei Stunden seinen ersten Chocolate Martini bestellt hat. »Old Fashioned? Nicht etwas eher … dem Anlass Entsprechendes wie Sex on the Beach?«

Ich sehe wieder zu der rehäugigen Brünetten, zu ihrer dünnen, hochgeschlossenen schwarzen Bluse und der Kamee an ihrem Kragen. »Nein, definitiv Old Fashioned.«

»Das nenn ich den ersten Schritt«, kräht Clay und klatscht mir auf den Rücken, während er sich seiner White-Chocolate-Monstrosität widmet. »Ich wusste, dass du es draufhast.«

»Sagt der Mann, der sich eine Auszeit von den Frauen nimmt.« Ich neige mein Glas und trinke den letzten Schluck Whiskey.

»Hey, Lucinda war durchgeknallt. Heiß und smart, aber absolut komplett durchgeknallt. Nach dem wilden Ritt hat ein Mann das Recht auf ein bisschen Frieden und Einsamkeit.«

Das kann ich ihm nicht vorwerfen, da ich Zeuge von mehr als nur ein paar der Ausraster der bezaubernden, aber außerordentlich anstrengenden Lucinda war. Ausraster, von denen ich mir ziemlich sicher bin, dass die Frau gegenüber – mit ihrer sehr pragmatischen Kurzhaarfrisur und dem sogar noch pragmatischeren Mangel an Penis-Dekoration – nicht im Geringsten dazu fähig wäre. Ich will nicht lügen, nach acht Jahren in der NFL ist eine unanstrengende Frau ein reizvoller Gedanke.

Und sie ist eine reizvolle Frau. Sehr, sehr reizvoll.

Der Barkeeper bringt mir einen frischen Whiskey, unmittelbar bevor die Kellnerin das Tablett mit den Old-Fashioned-Cocktails nimmt und damit zu der Junggesellinnenparty geht. Die zukünftige Braut quietscht, als die Drinks ankommen, und der ganze Tisch starrt Clay und mich an, mit großen Augen und interessierten Gesichtern, während sie mein Mädchen anstupsen.

Was natürlich der oberste Grund ist, eine Frau nicht anzusprechen, wenn sie mit ihren Freundinnen unterwegs ist. Selbst wenn sie die Verbindung wohlwollend betrachten, ist es wie ein Spießrutenlauf, auf sie zuzugehen. Furchtbar viel Aufwand für einen One-Night-Stand.

Trotzdem, irgendetwas an dieser Frau sagt mir, dass sie es wert ist.

Ich lächle sie breit an, während ich mein Glas hebe, um der Braut stumm zuzuprosten. Dann trinke ich einen Schluck, bevor ich mich wieder zur Bar umdrehe und darauf warte, dass sie zu mir kommt wie eine Motte zum Licht.

Ich kann es kaum erwarten, zusammen mit ihr zu brennen.

Aber lange Sekunden verstreichen, und sie ist immer noch nicht da. Was ich nicht verstehe. Ich habe mein Interesse gezeigt. Ich habe sogar den ersten Schritt getan, was normalerweise nicht nötig ist. Ich habe ihre Freundinnen in diesen ersten Schritt mit einbezogen. Das sollte ein leichter Lauf in die Endzone sein.

Ich will mich umdrehen, will sehen, was sie macht. Aber so verzweifelt bin ich nicht, egal, wie sehr ich diese perfekten Lippen von ihr lecken möchte.

Außer dass ich doch so verzweifelt bin, denn während Clay über Gott weiß was schwafelt, kann ich nicht anders, als über die Schulter zu sehen. Unsere Blicke treffen sich, und mein Herz schlägt mir plötzlich bis zum Hals. Denn anstatt interessiert oder geschmeichelt auszusehen oder irgendeine der anderen Reaktionen zu zeigen, die ich erwartet hatte, sieht sie blass aus, getroffen.

Das ergibt keinen Sinn, und ich kann nicht anders, als mich zu fragen, ob in den letzten paar Minuten irgendetwas anderes passiert ist. Aber nein, sie schaut mich direkt an, und für eine Sekunde, nur eine Sekunde, sieht es aus, als hätte sie Tränen in den Augen.

Dann schiebt sie den Stuhl zurück, bricht den Blickkontakt ab und rennt praktisch zu den Toiletten im hinteren Bereich der Bar.

What. The. Fuck?

Kapitel 3

Sage

Ich bin ein Trottel. Ein absoluter, kompletter Volltrottel, und das habe ich allein mir selbst zuzuschreiben.

Was habe ich mir bloß dabei gedacht, mir auch nur eine Sekunde lang vorzustellen, dass er mit mir geflirtet hätte? Schlimmer noch, dass er an mir interessiert wäre? Männer wie er würdigen Frauen wie mich keines zweiten Blickes. Das habe ich vor langer Zeit gelernt, und nichts, was in den letzten zehn Jahren passiert ist, hat mich eines Besseren belehrt.

Ich wäre fast gestorben, als er diese Runde Old Fashioned rübergeschickt hat. Wäre am liebsten im Erdboden versunken. Die meisten der anderen Frauen waren entzückt über das, was sie »einen Drink mit so viel Klasse« nannten, aber es war schwer zu übersehen, dass er sich über mich lustig machte. Dass er mich altmodisch und wahrscheinlich auch verklemmt nannte.

Ich meine, wer trägt eine hochgeschlossene Bluse und eine weite Hose zu einem Junggesellinnenabschied? Wer weigert sich, an lächerlichem, schwanzlastigem Partytreiben teilzunehmen? Wer ist so langweilig, an einem Abend gerade mal drei Drinks und auf keinen Fall mehr zu trinken, wenn es sogar einen Fahrdienst gibt?

Eine Spießerin wie ich.

Dieses alte Lied habe ich schon mein ganzes Leben lang gehört, angefangen von meiner Mom, die mich für die langweiligste Person auf dem ganzen Planeten hält. Normalerweise stört mich das nicht – genau genommen gefällt es mir sogar. Die Welt braucht Spießer wie mich, um die Ecken und Kanten von Leuten wie meiner Mutter auszugleichen. Wir sorgen dafür, dass Rechnungen bezahlt werden und das Licht funktioniert, während alles um uns herum auf einer fliegenden Yogamatte zur Hölle fährt.

Ich bin stolz auf meine Normalität, stolz darauf, dass es mir trotz der flatterhaftesten Juchhu-auf-nach-Indien-um-den-richtigen-Guru-zu-finden-Mutter der Welt gelungen ist, zu einer verantwortungsbewussten, respektablen Person heranzuwachsen.

Aber an verantwortungsbewusst und respektabel ist nichts Aufregendes. Daran ist nichts sexy. Das weiß ich. Das habe ich immer gewusst. Trotzdem dachte ich heute Abend, nur eine Minute lang, dass Hot Stuff vielleicht tatsächlich an mir interessiert wäre. Dachte ausnahmsweise, dass er vielleicht mehr gesehen hätte als die langweilige alte Spießerin – oder falls das alles war, was er sah, dass es ihm vielleicht egal wäre, dass ich so bin. Doch dann schickte er diese Drinks rüber, um sich über mich zu amüsieren.

Arschloch.

Um ehrlich zu sein, bin ich mir nicht sicher, ob ich damit mich oder ihn meine. Ich bin schließlich diejenige, die ihn angesehen hat. Ich bin diejenige, die ihm den ganzen Abend lang schöne Augen gemacht hat. Und ich bin diejenige, die dumm genug war, sich einzureden, dass ein Typ wie er – ein Typ, dem »risikofreudig« ins Gesicht geschrieben steht – mehr von mir wollen könnte als einen guten Lacher.

Ja, ich bin definitiv das Arschloch in dieser Gleichung.

Für einen Moment, nur einen einzigen Moment, brennen heiße Tränen in meinen Augen. Ungeduldig wische ich sie weg, dann stürze ich geradewegs zur Toilette, damit ich ein wenig Privatsphäre bekomme. Ich brauche nur eine Minute, um mich wieder zu fangen, eine Minute, um mich daran zu erinnern, dass es mir egal ist, was Hot Stuff von mir denkt. Oder was irgendeine der Frauen auf diesem Junggesellinnenabschied von mir denkt. Ich bin der einzige Grund, warum die meisten von ihnen eine Arbeit haben. Wenn ich das Studio in den ach so unfähigen Händen meiner Mutter gelassen hätte, wäre es schon vor langer Zeit pleitegegangen.

Ich bin schon beinahe bei den Toiletten angelangt, beinahe in Sicherheit, als mich jemand am Ellbogen fasst. Da ich erwarte, dass es Autumn ist oder vielleicht Skye, bin ich ein bisschen überrascht über den starken Griff – sogar noch bevor ich mich umdrehe und feststelle, dass ich hochblicke, und höher und höher, in die schönsten zartbitterschokoladenbraunen Augen, die ich je gesehen habe.

Heilige Scheiße, muss ich unwillkürlich denken, als ich zu Hot Stuff hochstarre.

Heilige Scheiße, er ist mir von der Bar gefolgt.

Heilige Scheiße, aus der Nähe ist er sogar noch heißer.

Heilige Scheiße, seine Hand an meinem Ellbogen fühlt sich viel besser an, als sie sollte.

Ich will meinen Arm zurückziehen, doch sein Griff verstärkt sich ein klein wenig. Nicht genug, um wehzutun, keineswegs, aber genug, um mich dort zu halten, wo ich bin. Andererseits könnte das auch an der Weise liegen, wie sein Daumen sanft die empfindsame Haut meiner Ellenbeuge streichelt.

Es fühlt sich gut an – überraschend gut –, und einen Atemzug lang spüre ich, wie ich mich meinem eigenen Willen zum Trotz entspanne. Aber dann erinnere ich mich, wer er ist und warum er der letzte Mensch ist, bei dem ich mich entspannen sollte. Ich verenge die Augen, drücke den Rücken durch und sage: »Es geht mir gut, danke.« Frost trieft aus jedem Wort.

Bei dem Tonfall geht eine seiner Augenbrauen hoch. »Bist du sicher? Du hast deinen Drink nicht angerührt.«

»Deswegen bist du mir ernsthaft gefolgt? Um Salz in die Wunde zu streuen?«

Seine zweite Augenbraue hebt sich wie die erste. »In welche Wunde genau soll ich Salz streuen?«

»Du brauchst dich nicht dumm zu stellen. Ich hab schon kapiert. Ich werde heute Abend nicht mehr in deine Richtung sehen, versprochen.«

»Na, das wäre schade«, sagt er und kommt einen Schritt näher. Vielleicht zwei. »Wenn man bedenkt, dass ich versucht habe, dich dazu zu bringen, mehr zu tun, als den ganzen Abend in meine Richtung zu sehen.«

»Ich weiß nicht, was du meinst.«

»Offensichtlich.« Er beugt sich herunter – und ich muss zugeben, schon allein das lässt mir ein wenig die Knie weich werden. Ich bin barfuß eins achtzig groß, eins achtundachtzig mit den Absätzen, die ich heute Abend trage. Ich will ehrlich sein. Die Tatsache, dass er immer noch auf mich heruntersehen muss, ist ein absolut krasser Anturner.

Sein Gesicht ist jetzt nur ein paar Zentimeter von meinem entfernt, sein Körper noch weniger. Ich sollte mich durch seine Nähe bedroht fühlen – er ist nicht nur größer, sondern wiegt auch noch an die fünfunddreißig Kilo mehr als ich. Aber obwohl er mir dicht auf die Pelle rückt, fühlt es sich nicht schlecht an. Vielleicht, weil hinter mir genug freier Raum ist, falls ich mich entscheide zurückzutreten? Oder vielleicht, weil trotz seiner Größe und Nähe die einzige Stelle, an der er mich immer noch berührt, dieses federleichte Streicheln an der Innenseite meines Ellbogens ist.

Es fühlt sich gut an. Zu gut, weshalb ich ihm meinen Arm entreiße. Das Letzte, was ich will, ist, vor einem Kerl dahinzuschmelzen, der mich für altmodisch und langweilig hält.

»Ich muss zurück zur Party.«

»Das ist viel schwieriger, als ich es in Erinnerung habe«, murmelt er vor sich hin, so leise, dass ich nicht sicher bin, ob ich ihn richtig verstanden habe.

»Was?«, will ich wissen, überzeugt davon, dass er mich beleidigt hat.

Aber er schüttelt nur den Kopf, während er einen Schritt zurücktritt und mir bedeutet vorbeizugehen.

Ich bewege mich nicht.

Was absolut keinen Sinn ergibt. Das ist, was ich wollte, seit er meinen Arm genommen hat. Aber jetzt, da er mir nicht mehr im Weg steht, kann ich nichts anderes tun, als weiter zu ihm hochzustarren. Weiter in diese irren schwarzmagischen Augen zu blicken.

Daraufhin lächelt er ein wenig, als verstünde er, welche Wirkung er auf mich hat. Andererseits tut er das wahrscheinlich auch. Er ist der Typ Mann, dem die Frauen ihre Höschen zuwerfen – wenn sie sie noch tragen.

Weitere Sekunden verstreichen, und ich bewege mich nicht. Ich weiß nicht, warum, nur dass er groß und warm ist. Nah bei ihm zu stehen, gibt mir auf merkwürdige Weise ein Gefühl von Sicherheit. Vielleicht, weil er bereit ist, mich gehen zu lassen, entschlossen, sich zu vergewissern, dass ich mich mit ihm in diesem schmalen Korridor nicht gefangen fühle.

Entweder das, oder dieser dritte Drink hat meinen Hemmungen wirklich übel mitgespielt. So oder so, als er fragt: »Wie heißt du, Süße?«, mit einer tiefen, auf genau die richtige Weise rauen Stimme, kann ich nicht anders, als zu antworten: »Sage.«

»Schön, dich kennenzulernen, Sage.« Er nimmt meine Hand zu etwas, was man ein Händeschütteln nennen könnte, das sich aber mehr wie eine Liebkosung anfühlt. »Ich bin Shawn.«

»Auch schön, dich kennenzulernen.«

Ich sehe mit großen Augen zu, wie er meine Hand zu seinem Mund hebt und einen Kuss mitten auf meine Handfläche drückt. Mein Herz spielt verrückt, und mein Gehirn fängt an, mir in blinkend roten Lichtern GEFAHR zuzuschreien. Und trotzdem ziehe ich mich nicht zurück. Trotzdem lasse ich ihn meine Hand halten, selbst nachdem er die Lippen wieder von meiner Haut gelöst hat.

»Warum hast du dem Tisch eine Runde Old Fashioned ausgegeben?«, frage ich, zum Teil, um mich daran zu erinnern, was mich überhaupt hergetrieben hat, und zum Teil, weil ich wissen muss, ob meine Annahme richtig war.

Er sieht überrascht aus. »Anstatt nur dir einen auszugeben?«

»Anstatt irgendeinen anderen Drink auszugeben!«

Jetzt sieht er einfach nur verwirrt aus, aber das ist mehr als okay für mich. Höchste Zeit, dass es ihm auch so geht.

»Das war eine spontane Entscheidung«, sagt er nach ein paar Sekunden. »Ich schätze, ich habe Old Fashioned bestellt, weil du mich daran erinnerst.«

»Weil ich altmodisch bin?«, frage ich, als die Empörung wieder in mich zurückströmt, nun, da ich nicht mehr von seinem heißen Auftreten hypnotisiert bin.

»Ein bisschen«, stimmt er zu, während er mit der Kamee an meinem Hals spielt. »Und klassisch. Geschmeidig.« Er berührt meine Unterlippe mit einem schwieligen Finger. »Köstlich.«

Ich verschlucke fast meine Zunge.

»Alles okay?«, fragt er noch mal, und diesmal ist es beinahe ein Flüstern.

Andererseits lehnt er sich diesmal vor, sodass sein Mund sehr, sehr nah an meinem Ohr ist. So nah, dass ich seinen Atem heiß an meiner Wange spüren kann.

Ich nicke ruckartig, weil mir dämmert, dass er mit diesem Drink nicht versucht hat, mich zu beleidigen. Er hat versucht, mich zu verführen.

Meine Beine – verdammt, meine ganze untere Körperhälfte – zerschmilzt bei dem Gedanken, und ich muss mich zusammenreißen, aufrecht stehen zu bleiben. Ich versuche, es zu verbergen, aber Shawn sieht es. Oder vielleicht spürt er es auch nur. So oder so weiten sich seine Pupillen, und der Atem stockt ihm in der Kehle, als würde sich die plötzliche geschmolzene Wärme, die mich durchfährt, auch durch seinen Körper arbeiten.

Seine Finger gleiten von meiner Kamee empor, streifen über meine Halsgrube, die Kontur meines Kiefers, den Schwung meiner Ohrmuschel. Ich keuche ein wenig auf, als er sanft mit Daumen und Zeigefinger in mein Ohrläppchen kneift. Keuche erneut auf, als er mein Kinn mit seiner großen, rauen Handfläche umschließt und mit dem Daumen über meine Unterlippe streichelt. Einmal, zweimal, dann immer wieder.

Es fühlt sich auf schockierende Weise gut an.

So gut, dass ich ein wenig ins Schwanken gerate.

So gut, dass ich mich an seinen Schultern festhalte, um das Gleichgewicht zu wahren – und um die Hitze seines Körpers unter meinen Handflächen zu spüren.

So gut, dass ich mich vorlehne, bis sich unsere Körper von den Schultern bis zu den Oberschenkeln hauchzart berühren.

Er stöhnt. Es ist etwas Leises, Gedämpftes, aber es ist definitiv ein Stöhnen. Sein Atem geht jetzt schneller, andererseits tut meiner das auch, als er mich langsam, langsam, langsam vorwärtszieht, bis ich zwischen dem tiefen V seiner Beine stehe. Als er langsam, langsam, langsam den Abstand zwischen unseren Mündern verringert.

Als er langsam, langsam, langsam seine Lippen auf meine presst.

Ein Feuerwerk geht tief in mir los. Es gibt kein anderes Wort, um die Explosion zu beschreiben, die mich bis ins Mark erschüttert. Die mich dazu bringt, die Hände in den seidigen Stoff seines Hemds zu krallen und mich seinem Körper entgegenzuwölben. Die mich dazu bringt, die Lippen fester auf seine zu pressen und den Mund zu öffnen, um seine dunkle Hitze willkommen zu heißen.

Ein Teil von mir – ein kleiner Teil – fühlt sich, als stünde ich neben mir und würde mich und das, was ich gerade tue, mit offenem Mund anstarren. Ich bin nicht der Typ Frau, die in einer Bar mit einem Kerl flirtet, geschweige denn, ihn küsst. Geschweige denn, sich in einem verzweifelten Streben nach mehr an ihn drängt.

Aber das ist genau das, was ich hier tue, und ich fühle mich nicht einmal schlecht deswegen. Wie kann ich das, wenn sich sein Mund, seine Berührung, sein Körper so unglaublich gut an mir anfühlen?

Seine freie Hand wandert zu meiner Hüfte, und ich keuche leicht auf bei der unerwarteten Berührung – dabei, wie gut sie sich anfühlt und wie warm seine Hand ist. Shawn hebt den Kopf bei dem Geräusch, und seine dunklen Augen suchen für ein, zwei lange Sekunde die meinen, wie um sich zu vergewissern, dass ich immer noch mit an Bord bin.

Das bin ich. Ich sollte es nicht sein, aber o Gott, das bin ich.

Ich lege eine Hand um seinen Nacken und ziehe ihn zu mir, bis sich unsere Lippen erneut treffen.

Daraufhin lächelt er. Ich kann es nicht sehen, aber ich kann spüren, wie sich sein Mund an meinem aufwärtsbewegt, unmittelbar bevor er seine Zunge über die Außenseite meiner Unterlippe gleiten lässt.