Secret - Der geheime Verehrer - DJ Jamison - E-Book

Secret - Der geheime Verehrer E-Book

DJ Jamison

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Beschreibung

Du verdienst all die Küsse, die du willst … Benji, Ich möchte, dass du weißt, wie großartig du bist. Du wirst es mir nicht glauben, weil ich nur der beste Freund deines Bruders bin, aber es ist wahr. Jeden Tag wachsen meine Gefühle für dich, verwirrend aber unbestreitbar. Mit ein paar anonymen Liebesbeweisen habe ich endlich ein Ventil für all die Dinge, die ich nicht aussprechen kann. Und mit jedem Geschenk und jeder Notiz lächelst du. Für mich. Nicht für den Heterofreund deines Bruders, es ist etwas Neues. Etwas mehr. Etwas, das alles verändern wird, wenn wir beide den Mut finden, daran zu glauben. Ich muss dir nur gestehen, wer ich wirklich bin: Dein geheimer Verehrer  

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DJ Jamison

Secret – Der geheime Verehrer

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2022

http://www.deadsoft.de

© the author

Titel der Originalausgabe „Secret Admirer“

Übersetzung: Lisa Guthmann

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© railway fx – shutterstock

© G-Stock Studio – shutterstock

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-558-9

ISBN 978-3-96089-559-6 (ebook)

Inhalt:

Du verdienst all die Küsse, die du willst …

Benji,

Ich möchte, dass du weißt, wie großartig du bist. Du wirst es mir nicht glauben, weil ich nur der beste Freund deines Bruders bin, aber es ist wahr. Jeden Tag wachsen meine Gefühle für dich, verwirrend aber unbestreitbar.

Mit ein paar anonymen Liebesbeweisen habe ich endlich ein Ventil für all die Dinge, die ich nicht aussprechen kann. Und mit jedem Geschenk und jeder Notiz lächelst du. Für mich. Nicht für den Heterofreund deines Bruders, es ist etwas Neues. Etwas mehr. Etwas, das alles verändern wird, wenn wir beide den Mut finden, daran zu glauben.

Ich muss dir nur gestehen, wer ich wirklich bin:

Vorwort

Der geheime Verehrer würde ohne die Unterstützung meiner Autoren-Kolleginnen, besonders meines Sprint Teams, wahrscheinlich immer noch auf meinem Desktop verstauben. Danke Leute, dass ihr euch früh morgens die Zeit nehmt, damit wir zusammen schreiben können und unsere Bücher in die Welt hinaus bringen! Ich möchte außerdem meinen Betalesern Gwen, Anita, Susan und Michael danken, dass sie das Beste aus Dergeheime Verehrer herausgeholt haben: Auch möchte ich Posy Roberts für das Lektorat, Cate Ashwood für das Coverdesign und Gwen Martin für die Formatierung danken. Es braucht wirklich ein kleines Dorf, um ein wunderschönes Buch zusammenzustellen! Und dann seid da noch ihr, liebe Leser. Ich könnte all das nicht ohne euch tun. Deshalb, aus tiefstem Herzen, vielen Dank, dass ihr dieses Buch lest.

Kapitel 1

Benji

Ich spielte mit den Filmtickets in meiner Hand und suchte den Block nach meinem Date ab.

Mein erstes Date auf dem College. Mein erstes Date überhaupt.

Mein Magen zog sich zusammen. Ich war nicht gut in diesen Dingen, selbst unter den besten Umständen – und das hier waren bestimmt nicht die besten Umstände. Mein Date war zu spät. Viel zu spät.

Auf der Highschool war ich der einzige schwule Junge gewesen – zumindest der einzige geoutete – also hatte ich keinen zwingenden Druck gehabt, jemanden zu daten. Es hatte einfach keine Optionen gegeben. Das hätte einige Jungs vielleicht deprimiert. Mich aber nicht. Der Junge, auf den ich stand, war sowieso unerreichbar. Also bin ich die meisten Abende in meinem Zimmer geblieben, habe gezeichnet, Animes geschaut und die Welt durch Geschichten und Kunst erlebt.

Aber ich war nicht mehr auf der Highschool. Ich war auf dem College und versuchte, ein neues Leben anzufangen als der ältere, reifere, elegantere Benjamin McKenzie.

Ich wollte den ängstlichen Benji zurücklassen und endlich als freier Künstler meine Flügel ausbreiten. Eine Vision, die mein älterer Bruder mir in den Kopf gesetzt hatte, um mich dazu zu bringen, das kleine College zweihundert Meilen von Zuhause zu besuchen.

Natürlich hätte Jeremy hier sein sollen, um mir das Fliegen beizubringen. Aber er hatte in letzter Minute ein Angebot für ein Stipendium in Chicago erhalten – zu gut, um es abzulehnen, nur um seinem kleinen Bruder die Hand zu halten. Ich war nicht sauer gewesen. Es war eine super Gelegenheit für ihn. Aber Jeremy war derjenige, der mich überredet hatte, hier zu studieren. Er hatte mir versprochen, mein Sicherheitsnetz zu sein. Und jetzt war er nicht hier.

Nur sein bester Freund. Sein umwerfender, unerreichbarer bester Freund.

Denk nicht an Ace, denk an Kaleb.

Kaleb, der nirgendwo zu sehen war, egal, wie angestrengt ich in die Menge der Leute starrte, die sich zwischen den Restaurants und Bars bewegte. Ich war nicht direkt auf dem Campus, aber nah genug, dass die Straßen mit Leuten Mitte zwanzig gefüllt waren, die abhängen oder vögeln wollten. Oder beides. Vielleicht hätte ich etwas Besseres vorschlagen sollen. Ein Konzert, oder … sich bei ihm zu treffen für das Offensichtliche. Aber ich war so unerfahren, dass es schon peinlich war. Stattdessen hatte ich mich für die sichere Variante entschieden: einen Film.

Langweilig, oder? So viel zum Thema Reife. Ich hätte eine Kunstausstellung vorgeschlagen, aber wir hatten mehrere Nachmittage zusammen an Kunstprojekten gearbeitet. Es fühlte sich ein bisschen so an, als hätten wir das alles schon hundertmal gesehen. Außerdem liebte ich das historische Kino. Es war elegant. Und es hätte perfekt zu einem Filmstudenten wie Kaleb gepasst, aber … Vielleicht war ich der Einzige, der so dachte, denn Kaleb war – immer – noch – nicht – hier!

Hinter mir ragte ein großes Vordach mit einem roten Schriftzug auf. Innen gab es Marmorböden, samtbezogene Sessel und Detailarbeiten aus Messing, die das historische Kino von den anderen, moderneren abhob. Es war wunderschön. Edel.

Einsam.

Ich sah zum millionsten Mal auf mein Handy. Keine Anrufe. Keine Nachrichten. Meine Augen wanderten über die Worte, die ich ihm geschrieben hatte: von ruhig, über fragend, bis zu fast schon verzweifelt. Unfähig, noch eine Nachricht zu schreiben, drückte ich stattdessen auf das Anrufsymbol.

Die Mailbox sprang sofort an. Ich wartete fünf Minuten und versuchte es noch einmal, mit demselben Ergebnis. Als ich die Nachrichten erneut durchging, merkte ich, dass nur die Hälfte als zugestellt markiert war.

Omfg! Hat er mich geblockt?

Ich starrte auf mein Handy mit dem Gefühl, verraten worden zu sein. Duzende kleine Hinweise machten auf einmal Sinn. Kalebs verführerische Einladung, dass wir zusammen an unseren Kunstprojekten arbeiten können. Seine Frustration mit seinem Projekt, seine Sorge um die Noten, sein mildes Lächeln, als ich ihm ein bisschen zu sehr geholfen habe.

Ich bin verarscht worden, oder? Natürlich.

Ich ballte die Faust so sehr, dass die Tickets zerknickten.

Warum sonst hätte ein so süßer Typ wie Kaleb mich um ein Date gebeten? Er war eine ganz andere Liga. Mit seinem weichen roten Haar und den Sommersprossen im Gesicht, die ein bisschen zu … sommersprossig waren, war ich im Gegenzug alles andere als ein Hauptgewinn. Irgendwo tief in mir hatte ich geahnt, dass er mich vielleicht nur als eine Art Dankeschön um ein Date gebeten hatte. Dass er nicht wirklich an mir interessiert war. Aber das hier war so viel schlimmer. Er hatte kein Date zum Dank geplant; er hatte überhaupt kein Date geplant.

Ich war so, so dumm.

„Benji?“

Und jetzt war meine Erniedrigung komplett.

Ace Collins, der unmöglich perfekte beste Freund meines Bruders lief auf mich zu, ein breites Lächeln auf seinem hübschen Frat-Boy Gesicht. Sein karamellblondes Haar – eine natürliche Farbe, die ihn nicht wie ein bunter Hund aussehen ließ – war vorne stylisch zerzaust. Seine haselnussbraunen Augen mit goldenen und grünen Sprenkeln reflektierten seine schlichte Freude.

Von allen Menschen, die ich jetzt hätte treffen können…

Mein Gesicht wurde warm und ich wusste, dass ich mein Erröten nicht verstecken konnte. Ich senkte meinen Kopf und starrte auf unsere Füße. Aces Schuhe waren etwas abgewetzt und seine Jeans ausgefranst, aber bei ihm sah es gut aus. An ihm sah alles gut aus.

„Schaust du dir einen Film an?“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Heute kein Hoodie“, sang er und zupfte an den Ärmeln meines Hemdes. „Warte, hast du ein Date?“

Ich hielt es nicht aus. Ich drehte mich auf dem Absatz um und ging schnellen Schrittes den Block hinunter. Er konnte leicht mit mir Schritt halten, selbst als ich mich ins Zeug legte. Scheißkurze Beine. Er war gute zehn Zentimeter größer als ich, und ich war einfach winzig. Ich wartete immer noch auf einen Wachstumsschub, der wohl nie kommen würde.

„Hey, warte, was ist los?“

Meine Hand ballte sich zur Faust und zerdrückte die Tickets. Wenn das so weiterging, waren sie am Ende nicht weiter als ein Klumpen aufgelöstes Papier. Ace griff nach meiner Hand, öffnete sie und offenbarte meine Schande. Zwei Tickets für einen Film, der vor vierzig Minuten begonnen hatte.

Ich hatte die ganze Zeit hier herumgestanden, wie ein Idiot. Ich hätte nach Hause gehen sollen, nicht warten und hoffen wie ein Blödmann.

Ace nahm die Tickets und las die Details. Er warf einen Blick zurück zum Kino. Er stellte keine Fragen.

„Los, lass uns ins Ice House gehen“, sagte er. Ich blickte überrascht auf und sah, wie er die Tickets in seine Jeanstasche stopfte. „Männerprobleme verlangen nach Eiscreme.“

Meine Kehle schnürte sich zu. Ich wollte verschwinden, aber ich konnte seine Bitte nicht abschlagen, wenn ich mich so miserabel fühlte. Dark Chocolate-Eis mit Karamell war Pflicht. „Okay.“

Ace legte seinen Arm um meine Schultern und zog mich an sich, während wir gingen, und da hätte ich fast nachgegeben. Sich an seiner Schulter auszuweinen würde sich gut anfühlen. Er würde da sein, eine ruhige Präsenz, die alles akzeptiert, egal was ich loswerden würde. Ace war schon immer gut darin gewesen. Ich hatte ihn drei lange Jahre nicht gesehen, nachdem er mit meinem Bruder den Highschool-Abschluss gemacht hatte, aber als ich auf dem Campus aufgetaucht war, hatte er unsere alte Beziehung wiederaufleben lassen, ein seltsamer Mix aus Bruder und Freund, als ob es nie eine Unterbrechung gegeben hatte.

Wenn er über die Dinge Bescheid wüsste, die ich früher über ihn gedacht habe, würde er schreiend die Flucht ergreifen.

„Soll ich ihm in den Arsch treten?“

Ich schnaubte. „Nein.“

„Ich würde sofort.“

„Ist schon okay. Es war meine Schuld.“

„Wie deine Schuld?“

„Ich hätte niemals glauben dürfen, dass er mich wirklich mag“, murmelte ich. „Das war dumm von mir.“

„Hat er dich nach einem Date gefragt?“, wollte Ace wissen und wir blieben stehen.

„Ja, aber …“

Er unterbrach mich. „Wusste er wo und wann?“

„Ja.“

„Dann ist er ein Arsch, der dich sitzen gelassen hat, und das ist nicht cool. Aber das ist sein Problem. Du verdienst etwas Besseres.“

Ich schnaubte. „Ja, klar.“

„Und ob“, beharrte er. „Du hast eine Menge zu bieten.“

Blasse Haut und ein Klappergestell. Jep, ich war wirklich heiß.

„Du bist mit Jeremy befreundet“, sagte ich abweisend. „Du musst diese netten Dinge sagen. Das bedeutet gar nichts. Das hätte genauso gut mein Bruder sagen können.“

Ace machte einen Schritt auf mich zu, seine Augen auf mich gerichtet. „Tja, aber ich bin nicht dein Bruder. Und ich finde, du bist ziemlich cool. Schlau, süß und ein verdammt guter Künstler.“

Ich kicherte verlegen und rollte mit den Augen.

„Ich meine das ernst.“

„Okay“, sagte ich. „Eins Plus mit Sternchen für den Versuch.“

„Benji …“

„Können wir bitte einfach nur Eis essen gehen?“, bat ich und gestikulierte zu dem Laden zwei Türen weiter. „Ich brauche Schokolade gerade mehr als Komplimente.“

Aces Lächeln erstarb ein bisschen, was mir sofort ein schlechtes Gewissen machte, aber er nickte. „Klar, alles, was du willst. Geht auf mich.“

Nicht alles. Was ich wirklich wollte, war, dass Ace all die süßen Worte auch meinte. Aber als hetero Freund meines Bruders hatte er mich nie wirklich so wahrgenommen. Und dennoch war er für mich immer der Mann meiner Träume gewesen.

Selbst als ich meine Ansprüche hinuntergeschraubt hatte, ging alles den Bach hinunter. Das College war nicht das wundervolle neue Leben, das ich mir vorgestellt hatte. Es stellte sich heraus, dass du deiner Persönlichkeit nicht entfliehen kannst, egal, wo du hingehst.

Ace

Ich sah auf meine unbeantworteten Nachrichten und runzelte die Stirn. Benji antwortete eigentlich immer schnell, wenn er nicht gerade im Unterricht war, aber er hatte das ganze Wochenende lang meine Nachrichten ignoriert. Wahrscheinlich war er schlecht drauf wegen dem Arschloch, das ihn sitzen gelassen hatte.

Ich wünschte wirklich, ich wüsste, wer der Typ war. Ich würde ihn nicht zusammenschlagen oder so, ich würde ihn einfach nur ansehen und versuchen, herauszufinden, was Benji in ihm sah. Und ich würde dafür sorgen, dass er wusste, was für einen großartigen Typen er verpasst hatte. Denn Benji war großartig.

Ich habe ihn schon als Kind immer gemocht: spindeldürr, aber immer ein Lächeln im Gesicht.

Er war immer noch schmal, aber hat ein bisschen zugelegt mit einem süßen kleinen Po, den er mit Skinny Jeans betonte. Aber das Lächeln hatte Freitagabend gefehlt, und es war verdammt schade. Niemand sollte diese Freude trüben, denn wenn er glücklich war, konnte er jeden verdammten Raum erhellen.

„Wenn du noch intensiver auf dieses Handy starrst, zerbrichst du noch den Bildschirm.“

Ich erschrak bei der Stimme meiner Kollegin. „Sorry“, sagte ich und stopfte das Handy in die Tasche meiner Jeans. „Ich mache mir nur Sorgen um einen Freund.“

Sie hob eine Augenbraue. „Einen Freund oder einen Freund? Das sah sehr besorgt aus.“

„Einen Freund“, entgegnete ich trocken.

Sandra versuchte schon seit Monaten, meine romantischen Interessen aus mir herauszubekommen. Ich hatte nicht versucht, mysteriös zu sein, aber ich habe niemanden mehr gedatet, seit ich im All Occasions Boutique and Flower Shop angefangen habe. Ich habe auch nicht auf die Flirtversuche von Sandra oder denen der Kunden reagiert. Ich brauchte diesen Job, um meinen Lebensunterhalt zu finanzieren, und ich würde ihn nicht für eine Affäre riskieren. Als das Flirten nicht funktioniert hat, hatte Sandra mich zur Seite genommen, um mir zu erzählen, dass sie einen schwulen Cousin hatte, der einen Freund wie mich lieben würde.

Ich hatte freundlich gelächelt, erwidert, dass ich momentan nicht an einer Beziehung interessiert wäre, und hatte weitergearbeitet.

Sandra hatte nicht weiter nachgefragt oder voreilige Schlüsse gezogen, aber hin und wieder versuchte sie, mir Informationen zu entlocken. Es war ein bisschen zu einem Spiel zwischen uns geworden. Wenn sie mich direkt fragen würde, würde ich ihr vielleicht sagen, dass ich immer schon hetero gewesen war. Aber sie fragte nicht, und ich sagte nichts.

Vielleicht auch, weil, obwohl ich bisher immer nur Frauen gedatet habe, ich mir nicht sicher war, dass ich es immer tun würde.

Seit Kurzem zog ich neue Möglichkeiten in Betracht …

Die Idee von Benji als mehr als nur einem Freund ließ ein neugieriges kleines Flattern in meinem Bauch aufsteigen. Ich hatte ihn Freitagabend nicht angelogen, als ich ihn süß genannt hatte. Benji war hinreißend. Aber … nicht auf eine sexuelle Weise. Ich habe nicht wirklich so über ihn gedacht. Aber jetzt, da der Gedanke in meinem Kopf Form angenommen hat, fokussierte sich mein inneres Auge auf seinen Mund. Ob ein Kuss mit Benji wirklich so schlimm wäre? Irrelevant. Ich konnte nichts mit dem kleinen Bruder meines besten Freundes anfangen, besonders nicht, wenn ich mir überhaupt nicht im Klaren war, was zum Teufel ich überhaupt empfand. Ich würde niemals dieser Typ sein, besonders nicht mit Benji.

„Was macht dir denn Sorgen wegen deinem Freund?“, fragte Sandra.

Ich zögerte. „Ach, nur Dating Drama.“

Als sie mir ein Zeichen gab, weiterzusprechen, packte ich aus. Es war ja nicht so, als ob sie Benji kannte. Also verletzte ich auch sein Vertrauen nicht.

„Er wurde bei einem Date sitzen gelassen, und er schien ziemlich verletzt. Er würde das vor mir nie zugeben, aber ich hab’s gespürt, weißt du? Er ist immer ziemlich bescheiden, aber er schien zu glauben, dass er diese Behandlung verdient hat. Und das hat er wirklich nicht. Außerdem hat er das ganze Wochenende nicht auf meine Nachrichten geantwortet.“

„Er braucht wahrscheinlich einfach Zeit zum Trübsal blasen.“

„Ja.“ Ich kaute an meiner Lippe. Das Ding war, ich wollte nicht, dass Benji Trübsal blies. Ich wollte es besser machen. „Ich wünschte nur, ich wüsste, wie ich ihn aufheitern kann.“

„Steht er auf Frauen?“

Ich sah keinen Grund, es ihr nicht zu sagen. „Er ist schwul.“

„Schade, dass du kein Interesse an ihm hast“, sagte sie in einem neckischen Tonfall. „Die beste Art, über jemanden hinwegzukommen, ist, jemand besseren zu finden.“

Ich grinste schief. „Netter Versuch, aber ich verrate meine Geheimnisse nicht so leicht.“

Sie lachte. „In Ordnung, aber es stimmt. Vielleicht kannst du ihn mit jemandem verkuppeln?“

Ich hasste die Idee sofort. Benji mit jemandem verkuppeln? Nein. Wen könnte ich überhaupt für ihn finden? Ich kannte nur ein paar Jungs auf dem Campus, die auf Männer standen. Ich hatte einen Kurs mit Pete, aber ich kannte ihn nicht gut genug, um ihn zu fragen. Und Jonas aus der Studentenverbindung stand außer Frage. Benji hatte ihn getroffen und sie haben sich gut verstanden, aber Jonas war ein Player. Das Letzte, was ich brauchte, war Benji, der noch mehr verletzt wurde, als er es eh schon war.

Nein. Die Vorstellung von einem von ihnen mit Benji fühlte sich total falsch an.

Ich schüttelte den Kopf und sagte: „Ich überleg mir schon was.“

„Du könntest ihm Blumen schicken“, sagte sie. „Ich liebe es immer, welche zu bekommen. Es ist mir sogar egal, von wem. Sie geben mir das Gefühl, etwas Besonderes zu sein.“

Ich wusste nicht, wie Benji über Blumen dachte, aber es war eine interessante Idee. Ein Geschenk, um ihn darauf aufmerksam zu machen, dass er geschätzt wurde. Es durfte allerdings nicht von mir kommen. Ich konnte immer noch Benjis Worte von Freitagabend hören. Eins Plus mit Sternchen für den Versuch. Er hatte nicht geglaubt, dass ich es ernst meinte. Wenn ich ihm ein Geschenk schickte, würde er es nur als Trostpreis abtun.

Ich wollte ihn zum Lächeln bringen. Ihn dazu bringen, zu sehen, dass er die Aufmerksamkeit mehr als wert war.

Wenn er mir nicht glaubte, dann vielleicht jemand anderem.

Jemand Anonymen, wie einem … einem geheimen Verehrer.

Kapitel 2

Benji

Kaleb sah mich nicht an. Er saß da, kaute auf seinem Stift herum und konzentrierte sich intensiv auf Professor Greene. Ein bisschen zu intensiv.

Ich hatte einen Stuhl im hinteren Teil des Kursraumes gewählt, weit entfernt von meinem angestammten Platz in der zweiten Reihe. Ich wollte Kaleb um alles in der Welt aus dem Weg gehen, aber es schien so, als ob der dasselbe versuchte. Er hatte einen Platz in der ersten Reihe gewählt, vielleicht um mich so am besten nicht zu sehen? Eine mutigere Person würde ihn wahrscheinlich darauf ansprechen, aber allein die Idee daran machte mich nervös. Ich war froh, dass Kaleb mir aus dem Weg ging. Immerhin zog er mich nicht damit auf. Dafür brauchte ich ihn auch nicht; meine Gedanken schafften das schon ganz allein.

Sie wiederholten immer wieder den Moment, als ich vor dem Theater stand, auf die Uhr sah und wusste, dass er nicht kommen würde. Und dann Aces sanftes Mitleid, was sich schrecklich angefühlt hatte, denn er war die letzte Person, von der ich wollte, dass sie sah, wie tief ich in meiner Coolness gesunken war. Aber er hatte es gesehen. Und er war süß und fürsorglich gewesen, wie immer. Sehr brüderlich. Was das Letzte war, was ich wollte.

Ich seufzte, als der Professor sein Seminar beendete, und packte meine Sachen, um zu gehen. Ich würde von Ace niemals das bekommen, was ich wollte, und ich musste aufhören, das auf ihn zu projizieren. Er war ein guter Freund, und er passte immer auf mich auf. Zumindest jetzt, da ich hier war. In den drei Jahren zwischen seinem Highschool-Abschluss und meinem schien er mich nicht vermisst zu haben.

Du bist nur der kleine Bruder seines Kumpels. Vergiss das nicht.

Als wir gehen konnten, sah ich auf mein Handy und zuckte zusammen, als ich die ganzen Nachrichten sah, die ich das Wochenende über ignoriert hatte.

Du bist der egoistische kleine Bruder seines Kumpels, korrigierte ich. Ace verdient etwas Besseres.

Ich tippte eine schnelle Antwort, während ich das Gebäude verließ. Seminar ist gerade vorbei. Mir geht’s gut. Fühl’ mich nur dumm.

Seine Antwort kam schnell. Du bist nicht dumm; er ist dumm.

Ich lachte und verdrehte die Augen, obwohl Ace es nicht sehen konnte. Seine schnelle Verteidigung war süß, auch wenn sie nicht der Wahrheit entsprach.

Ich nahm meine Tasche und ging zurück zum Wohnheim. Auf halbem Weg bekam ich eine neue Nachricht von Ace.

Mittagessen?

Ich hatte eigentlich vorgehabt, mich nach der schlaflosen Nacht in meinem Zimmer aufs Ohr zu legen, allerdings musste ich mir wieder eingestehen, dass ich zu diesem Typen nie Nein sagen konnte. Ich sollte schon etwas essen, also …

Ja, klar. Wo treffen wir uns?

Mein Telefon klingelte erneut, während ich die Treppen zum zweiten Stock hinaufstieg. Mein Zimmer war das dritte auf der rechten Seite.

Ich komm bei dir vorbei.

Ich ging hinein und ließ meine Tasche neben dem kleinen Tisch am Ende meines Bettes fallen. Auf dem Tisch lag mein von Regenbogen-Stickern übersäter Laptop – weil pride – und eine Tasse voller Marker und Buntstifte. Meine teuren Graphit-Stifte bewahrte ich in einer Box in der Schublade auf. Aber ich kritzelte gern mit Markern, weshalb meine Finger regelmäßig voller roter, blauer und schwarzer Tinte waren.

Ich ging einen halben Schritt Richtung Bett, um mich zu setzen, solange ich auf Ace wartete, und hielt inne. Ein kleiner Korb stand mitten auf der Matratze.

Er fiel mir gleich auf, da mein Bett ordentlich gemacht war und ich sonst nie Dinge darauf liegen ließ. Auf der der anderen Seite des Zimmers türmten sich Wäscheberge auf Dres Bett. Ich schwor, mein Mitbewohner schlief auf seinen eigenen Klamotten, rollte aus dem Bett und zog irgendetwas davon an. Es war irgendwie gleichzeitig beeindruckend und ekelig. Aber meine Seite des Zimmers war immer ordentlich aufgeräumt.

Ich ging einen Schritt vor und lugte in den Korb. Er war bis oben hin voll mit Küssen – die glitzernden, in Folie verpackten Schokoladen-Kisses von Hershey’s in Rot, Silber und Gold – mit einer kleinen Karte obendrauf, wie bei einem Blumenstrauß.

Ich hob sie auf und las.

Benji,

du verdienst alle Küsse, die du willst. Das hier ist nur ein Vorgeschmack darauf, wie süß ich dich finde.

Dein geheimer Verehrer

Ace

Die Tür war offen, als ich bei Benjis Zimmer ankam. Das Herz schlug mir bis zum Hals und ich schob mich durch die Tür, unsicher, wie er auf das Geschenk reagieren würde, das ich ihm hinterlassen hatte. Er stand neben dem Bett in Skinny Jeans und seinem typischen Hoodie – schwarz mit einem weißen Samurai Schwert aufgenäht – ein verblüffter Ausdruck auf seinem Gesicht.

„Hey“, sagte ich bemüht beiläufig. „Fertig fürs Mittagessen?“

Es war natürlich nicht der wirkliche Grund, weshalb ich vorbeigekommen war, aber es gab mir eine Entschuldigung, hier zu sein, um seine Reaktion zu sehen. Ich hoffte, das Geschenk würde ihn aufheitern. Wenn er es seltsam fand, würde ich mich selbst ohrfeigen. Ich hatte mit der Idee gespielt, seit Sandra sie vorgeschlagen hatte, unsicher, ob ich es tun sollte, aber … Ich wollte einfach, dass Benji wusste, dass ihn jemand toll fand. Und er würde es nie glauben, hätte ich es ihm selbst gesagt.

Benji ließ eine kleine, rote Karte auf sein Bett fallen und drehte sich zu mir um. „Oh, ähm …“

Mein Blick ging an ihm vorbei zu der Karte. Zu dem Geschenkkorb. Ich wusste bereits, was darin war. Ein Dutzend Hershey Kisses, der Inhalt von zwei Paketen, die ich heute Morgen im Supermarkt gekauft hatte.

Es wäre vielleicht besser gewesen, es zu ignorieren – mein anonymes Geschenk – aber ich konnte nicht anders. Ich ging durch den Raum, nahm die Karte in die Hand, las meine eigene Nachricht – geschrieben in einer Schreibschrift, die sonst nicht mein Stil war. Ich konnte es nicht riskieren, dass Benji meine Handschrift erkannte. Das hier war sowieso schon riskant genug. Verrückt. Weil ich Benji nicht einfach Geschenke machen konnte, nicht so. Ich konnte nicht sein geheimer Verehrer sein, nicht wirklich. Das waren wir nicht und würden es nie sein.

Ich wollte ihn nur wieder lächeln sehen.

Mein Herz klopfte wild, als ich die kurze Nachricht las. Da stand es, schwarz auf weiß. Auch ohne meinen Namen fühlte es sich wie ein Geständnis an. Eins, das ich nicht ablegen sollte – konnte.

„Geheimer Verehrer, huh?“, fragte ich, überrascht darüber, wie cool und ruhig ich mich anhörte.

„Es ist einfach hier aufgetaucht“, sagte Benji. „Ich weiß nicht wann … Wahrscheinlich, als ich im Seminar war. Dre hat wieder vergessen, abzuschließen, also hätte jeder einfach reinkommen können.“

Eigentlich war ich hineingeschlüpft, als Dre gerade auf dem Flur duschen war, weil ich nicht wusste, ob sich eine andere Gelegenheit bieten würde. Es wurde regelmäßig darauf hingewiesen, dass wir abschließen sollten, aber den meisten Leuten war es egal, wenn sie nicht das Gebäude verließen. Zum Glück hatte Dre anscheinend den kleinen Zusatz im Raum bei seiner Rückkehr nicht bemerkt. Ich hatte nicht gewartet, um auf Nummer sicher zu gehen. Dre war cool und so, aber ich konnte niemandem dieses Geheimnis anvertrauen. Es war zu wichtig.

Ich warf die Karte zurück auf das Bett und sah auf. Benji hatte den Kopf gesenkt, seine Wangen ein leuchtendes Pink, doch er konnte das aufkommende Lächeln nicht unterdrücken.

Dieses süße Lächeln stieg mir sofort zu Kopf, und ich holte tief Luft, um mich zu beruhigen. Ich rempelte ihn spielerisch in die Seite und meinte: „Siehst du? Ich hab’ doch gesagt, der Blödmann hat verloren.“

Benjis riss den Kopf hoch. „Du glaubst nicht, dass er das war, oder? Vielleicht tut es ihm leid.“

Ich bereute es, von ihm angefangen zu haben. Das Letzte, was ich wollte, war, dass Benji dieser Theorie nachhing, nur um wieder enttäuscht zu werden. „Hätte er nicht die Karte unterschrieben, wenn es eine Entschuldigung wäre?“

Benji seufzte. „Ja, wahrscheinlich. Er hat mich quasi während des gesamten Seminars ignoriert, also …“

Ich wollte es fast zurücknehmen und ihm zustimmen, dass der Arsch sich vielleicht schlecht fühlte, weil er Benji versetzt hatte. Verdammt, er sollte sich schlecht fühlen. Benji war der süßeste Typ, den ich je getroffen hatte. Nie auch nur ein unfreundliches oder unbedachtes Wort. Talentiert. Ich würde mein linkes Ei für einen winzigen Teil seines künstlerischen Talents verkaufen.

Und süß. Das hatte mich zuerst umgehauen. Ich hatte nicht gedacht, dass er solche Auswirkungen auf mich haben würde, als ich damals zugestimmt hatte, ihn auf dem Campus zu begrüßen. Der kleine Benji McKenzie hat mir den Atem verschlagen. Der kleine Rowdy war verschwunden, und an seiner Stelle war ein schlanker, hübscher Mann getreten, der aussah wie ein Charakter aus einer der Anime-Serien, die er so gern sah: Haut wie Alabaster, dichtes, rotbraunes Haar, und die grünsten Augen, die ich je gesehen hatte.

Seufz.

Yeah. Ich flog wirklich auf einen Typen. Nicht nur irgendeinen Typ, sondern Jeremys Bruder.

Er war nicht der erste Typ, der mir je aufgefallen ist, nein, das hab ich Jonas und dem süßen Jungen zu verdanken, die nach einer Party auf dem Flur des Verbindungshauses miteinander rumgemacht haben. Sein Date, ein Typ mit dunklen Haaren und hellblauen Augen, hatte mich über Jonas Schulter hinweg direkt angeschaut, und es war, als ob dieser eine Blick all seine Lust transportierte. Ich war zurück auf mein Zimmer gegangen, hart und verwirrt, und als ich mich immer noch unbefriedigt schlafen gelegt hatte, nachdem ich mir zu meinen Lieblingspornoclips schnell einen runtergeholt hatte, träumte ich von dem abstrakten Gefühl eines harten Schwanzes, der sich an meinem rieb.

Jep, ich war offiziell bi-curious, zumindest körperlich. Aber ich hatte nie eine emotionale Anziehung zu einem Mann gespürt … bis jetzt.

Ich hatte Wochen damit verbracht, Benji kennenzulernen, ihn auf dem Campus zu treffen – manchmal zufällig, manchmal nicht. Ich tat Jeremy nur einen Gefallen, indem ich auf seinen kleinen Bruder aufpasse … Bis ich es nicht mehr tat. Ab einem bestimmten Punkt tat ich mir selbst den Gefallen. Ich fing an, selbst Zeit mit Benji verbringen zu wollen. Wann genau sich das verändert hatte, konnte ich nicht sagen.

Ich wusste nicht, was das über mich aussagte. Wusste nicht, wie ich mich fühlen wollte. Was ich tun sollte. Ich wusste nur, dass Benji alle möglichen Gefühle in mir weckte, und ich nicht wusste, wohin damit.

Oder auch nicht.

Bis ich dieses Lächeln sah.

Ich hatte endlich ein Ventil für meine Gefühle. Ich hatte Benji nur aufmuntern und ihm zeigen wollen, dass er mehr als diesen Loser verdiente, der ihn nicht zu schätzen wusste. Aber ich hatte so viel mehr bekommen. Ein Lächeln von Benji; etwas, das ich als mein eigenes, besonderes Geschenk ansah.

„Wer könnte es sein?“, überlegte Benji.

„Wer weiß? Freu dich einfach über die Küsse.“

Er lächelte wieder, und es war sogar breiter als die erste, überraschte Reaktion der Freude.

„Du hast recht.“ Er steckte seine Hand in den Korb und zog eine Handvoll heraus. „Ich liebe Schokolade.“

Ich lächelte. „Wer tut das nicht?“

Benji grinste. „Du willst welche von meinen Küssen, oder?“

Mein Mund wurde trocken. „Wie kommst du darauf?“

„Hier.“ Er legte drei der Süßigkeiten in meine Handfläche. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal Küsse mit dem großen Ace Collins teilen würde.“

Ich lachte nervös. „Tja, erzähl’ das bloß nicht deinem Bruder. Der wird mir in den Arsch treten.“

Benji verdrehte die Augen. „Als ob er mir das jemals glauben würde. Da werde ich eher vom Blitz getroffen.“

Wenn er nur wüsste…

„Du wirst nicht vom Blitz getroffen“, spöttelte ich, als Dre ins Zimmer kam und seinen Rucksack auf den Wäscheberg seines Bettes fallen ließ.

„Soll es Gewittern?“, fragte er.

Benji schnaubte. „Nope, nur eine Metapher.“

„Ich komm einfach nicht klar mit euch Geisteswissenschaftlern“, sagte Dre.

„Willst du mit zum Mittagessen?“, fragte ich ihn.

„Nah. Ich leg mich aufs Ohr vor meinem nächsten Kurs.“

Er zog seine Schuhe aus, der Geruch war nicht besonders angenehm. Ich fing Benjis Blick auf und nickte in Richtung Tür. „Mittagessen?“

Benji rümpfte die Nase. „Gute Idee.“

Benji

Ich dachte immer noch über meinen geheimen Verehrer nach, als ich mich auf meinen üblichen Platz im Vorlesungssaal für Kunstgeschichte fallen ließ. Der riesige Kurs hatte mich in meinen ersten Wochen überfordert. Ich fühlte mich wie ein unwichtiges Staubkorn in einem Universum voller fremder Gesichter.

Bis zu dem Tag, an dem sich Tracy neben mich setzte.

Sie hatte mich auserkoren, meinte, sie müsste neben jemandem sitzen, der nicht unausstehlich oder verbohrt war, und ich sah qualifiziert dafür aus. Wie jeder gute introvertierte Mensch klammerte ich mich sofort an diese Rettungsleine und ließ nicht mehr los. In einem Sturm nimmt man jeden Hafen, hab ich recht? Und es stellte sich heraus, dass Tracy mit ihrer Fähigkeit zum Mitschreiben und jedem noch so langweiligen Thema Aufmerksamkeit zu schenken, eine ziemlich gute Verbündete war. Meine Augen tendierten dazu, glasig zu werden, meine Gedanken schweiften ab und ehe ich mich’s versah, zeichnete ich. Ich versuchte dabei am Rand meines Heftes zu bleiben, aber manchmal wanderte ich auch in mein Buch, oder einmal sogar auf meinen Arm. Es war keine bewusste Entscheidung, ich ließ mich einfach treiben, aber es war nicht so gut für meine Auffassungsgabe.

„O Gott, mein Wochenende war ein Desaster.“ Tracy seufzte, als sie sich auf den Platz neben mir fallen ließ. „Ich bin nach Hause gefahren, um meine Eltern zu besuchen, und die haben mich genervt, dass ich mehr Freunde finden soll.“

Tracy war blond, hübsch und aufgeschlossen. Ich schaute sie verwirrt an. „Hast du keine Freunde?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Nicht wirklich. Ist mir einfach egal.“

Wow. Wie würde sich das wohl anfühlen? Wenn einem das egal ist?

Ihre Miene hellte sich auf. „Oh, vielleicht sollte ich dich nächstes Mal mitnehmen!“

„Mich?“

„Wir sind Freunde, oder?“

„Klar …“ Wir waren nett zueinander. In Kunstgeschichte. Außerhalb der Uni hatten wir nicht wirklich miteinander zu tun, aber ich hätte nichts dagegen gehabt.

„Wie auch immer, wie war dein Wochenende?“, fragte sie, während sie ihr Heft und drei Gelstifte in Pink, Lila und Türkis aus der Tasche holte. Sie behauptete immer, dass die verschiedenen Farben ihr dabei halfen, ihre Notizen besser zu organisieren. Ich war der Meinung, es war einfach ein Vorwand, um hübsche Farben zu benutzen. Tracy schien gegen die Stereotype eines ‚hübschen Mädchens‘ anzukämpfen, was okay für mich war, aber sie malte trotzdem Herzchen über ihr I. Ich fand das charmant. Wenn es deinem Herzen nach bunten Farben und hübschen Buchstaben verlangte, dann sollte man ihm folgen, fand ich.

„Mein Wochenende war schlimmer als deins“, meinte ich mürrisch, und spürte wieder denselben Stich der Ablehnung, als ich herausgefunden hatte, dass Kaleb meine Anrufe ignorierte. Er war so ein … ein … Mir fiel kein Wort für ihn ein, das schlecht genug war. Aber es war definitiv schlecht.

„Was ist passiert?“, fragte Tracy, aber in dem Moment trat der Professor ans Pult. „Vergiss den Gedanken nicht, wir reden später darüber.“

Ich rutschte tiefer in meinen Stuhl, holte einen Stift heraus und fing an, die ersten Stichpunkte vom Whiteboard abzuschreiben. Am Ende des Kurses fühlte sich mein Hirn wie Pudding an.

„Also, was ist am Wochenende passiert?“, fragte sie, als die Folter vorbei war und wir unsere Hefte wieder einpackten.

„Ich wurde von einem Date sitzen gelassen.“

„Ugh, das ist echt scheiße. Du gewinnst definitiv den Preis fürs schlimmste Wochenende.“

„Aber heute Morgen hab ich dieses Geschenk in meinem Zimmer gefunden …“

„Ja?“

„Es war angeblich von einem geheimen Verehrer.“

„Aww, jemand mag dich.“ Sie knuffte mich in die Schulter. „Na los!“

„Vielleicht? Irgendwie schwer zu glauben.“

„Nein, überhaupt nicht. Du bist niedlich.“

„Ach, halt die Klappe.“

Sie lachte. „Wer glaubst du, ist es?“

„Keine Ahnung.“

Ich stand auf und schwang meinen Rucksack über die Schulter. Tracy folge mir aus dem Raum hinaus in den Flur. „Du musst doch eine Idee haben. Es muss schon jemand sein, mit dem du redest, oder?“

Ich zuckte hilflos mit den Schultern. „Ich hab auch nicht so viele Freunde. Ich hab echt keine Ahnung.“

Sie tippte mit dem Finger an ihre Lippe. „Okay, hier ist deine Hausaufgabe. Mach eine Liste mit allen Leuten, die du regelmäßig siehst. Wir werden die Verdächtigen eingrenzen.“

„Werden wir, huh?“

Sie grinste. „Jap. Ich liebe ein gutes Rätsel!“

Tracy ging, bevor ich protestieren konnte. Es war eigentlich eine gute Idee, aber ich wusste nicht wirklich, wo ich anfangen sollte. Ich hing mit dem besten Freund meines Bruders ab, der mich als kleinen Bruder sah, und mein Mitbewohner hatte eine Freundin. Da waren ein paar Jungs im Wohnheim, die im Vorbeigehen mal ‚Hi‘ gesagt haben. Alles in allem hatte ich nicht wirklich viele Sozialkontakte.

Ich machte mich auf den Rückweg zum Wohnheim. Anscheinend musste ich ja eine Liste machen. Ich würde ein paar Jungs aus dem Wohnheim draufschreiben, ein oder zwei Kommilitonen, mit denen ich mal ein Projekt gemacht hatte – aber nicht Kaleb. Ace hatte recht: Es machte keinen Sinn, dass er mich erst sitzen lässt und mir dann ein anonymes Geschenk macht, egal, wie sehr ich mir das auch wünschte.

Es würde nicht einfach werden, das herauszufinden. Ich konnte mir einfach niemanden vorstellen, der mich so sehr mochte, dass er sich solche Mühe machen würde.

Ace

An diesem Abend widerstand ich dem Drang, nach Benji zu sehen und versuchte zu vergessen, was für ein Idiot ich gewesen war. Ihm ein Geschenk zu geben, mit so einer Nachricht? So etwas machte ich nicht. Nicht einmal für Frauen. Nicht einmal für Sienna, meine ernsthafteste Freundin, die ich für ein ganzes Semester gedatet hatte, bevor ich festgestellt habe, dass wir nichts gemeinsam hatten.

Ich hatte nicht die beste Dating-Erfahrung, also sagte das nicht viel aus. Nach Sienna bin ich um die Häuser gezogen. Ich habe auf Partys Leute abgeschleppt, wenn mir danach war, aber mir selten die Mühe gemacht, auf Dates zu gehen. Ich hatte andere Prioritäten: mein Studium, mein Job, meine Studentenverbindung. Es war einfacher, dann nicht noch einer Person Rechte an meiner Zeit einzuräumen.

Jeremy nannte mich scherzhaft einen Player, aber das war es nicht. Ich konnte mir bisher nur keine Zukunft mit jemandem vorstellen. Wie konnte ich auch, wenn ich bisher kaum eine Zukunft für mich selbst gesehen habe? Wenn Jeremy mich nicht am Schopf gepackt hätte, wäre ich niemals aufs College gegangen, und schon gar nicht als Jahrgangsbester und mit einer Leitungsposition in der Verbindung. Ich hatte ihm viel zu verdanken, denn als Kind aus dem Wohnwagenpark am Stadtrand bestand meine Zukunft aus einer Sackgasse namens Niedriglohnjob. Das war alles, was ich in meiner Zukunft sah ohne das Talent für ein Sport-Stipendium.

Mit siebzehn hat Jeremy mir ganz allein bei der Recherche geholfen, um mich ohne die Hilfe meiner Eltern für Stipendien, Zuschüsse und Kredite zu bewerben. Dank ihm war ich auf bestem Weg im Mai einen Abschluss als Ingenieur in der Tasche zu haben. Das war meine Fahrkarte raus aus dem Wohnwagenpark in ein besseres Leben. Ich verdankte meinem besten Freund alles.

Weshalb du seinen kleinen Bruder auch nicht so ansehen solltest.

Egal wie sehr ich meine Gefühle auch verdrängte, sie suchten sich immer einen Weg hinaus. Vielleicht war das der Grund für das Geschenk des ‚geheimen Verehrers‘. Mein Weg raus.

Ich wusste bereits, dass ich es wieder tun würde, egal wie dumm es auch war. Es war nur die Frage, wann. Eine Faust hämmerte an meine Tür. „Yo, Ace! Wir gehen aus!“

Keith war einer der größten Trinker im Haus und immer für eine Party bereit. Ich schielte auf den Stapel Bücher, den ich noch durcharbeiten musste. Ich sollte mich wirklich nicht mitten in der Woche betrinken.

Die Tür schwang auf und Keith platze herein. „Hör auf, dir einen runterzuholen und sei mein Wingman! Die Mädels liegen dir zu Füßen!“

Eine Übertreibung. Ich verdrehte die Augen und stand auf. „Was hab ich von dem Deal?“

„Du wirst flachgelegt, Mann!“

Ich hob eine Braue. „Glaubst du, ich brauch dich dafür?“

„Fick dich. Ich geb dir ein paar Shots aus“, antwortete er. „Aber nur ein paar.“

Ich grinste. Das war genau das, was ich wollte. Als Student, der nicht von Mami und Papi finanziert wurde, musste ich mein Geld für wichtigere Dinge als den nächsten Kater sparen.

Für ein weiteres Geschenk für Benji, zum Beispiel.

Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Aber ich wollte darüber nicht nachdenken. Ich kam mir dumm, idiotisch und seltsam unwohl in meiner Haut vor. Nichts, was ein paar Tequila-Shots nicht beheben könnten – zumindest zeitweise.

Benji

Dre nahm noch eine Handvoll Hershey’s Kisses und ich sah ihn streng an. „Das sind die letzten für dich.“

Er schnaubte. „Aber ich helfe dir mit der Liste der Verdächtigen.“

Ich rollte mit den Augen. Dre hatte den Brief meines geheimen Verehrers gelesen, während ich im Unterricht gewesen war. Ich hätte ihn in meinem Schreibtisch verstecken sollen, aber natürlich hatte ich nicht klar denken können, als Ace da war und mich zum Mittagessen einlud.

Ich hatte vielleicht einen Haufen Süßigkeiten auf meinem Bett liegen gehabt, aber er war ein noch besserer Anblick gewesen. Mit knapp 1,87 überragte er mich. Er sah aus wie die typische Sportskanone einer Studentenverbindung: mit breitem Kiefer, athletischer Figur und einem Bizeps, der jeden schwulen Jungen zum Weinen bringen würde. Aber seine Tage als Sportskanone waren vorbei, er hatte schon in der Highschool mit Basketball aufgehört, und er war viel schlauer als der durchschnittliche Sportler. Okay, vielleicht dachte ich hier in Klischees, aber Ace war wirklich brillant, und ich war auch überhaupt nicht voreingenommen von seiner schwarzen Brille, die er zum Lernen trug und die ihn zehn Mal sexyer machte.