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Menschen an Bord - Was wäre die Seefahrt ohne Seeleute? Im ersten Band seiner "Seemannsschicksale" hat der ehemalige Heimleiter des größten deutschen Seemannsheimes in Hamburg am Krayenkamp, Diakon Jürgen Ruszkowski, über 50 Lebensläufe und Erlebnisberichte von Fahrensleuten aus aller Welt präsentiert, im zweiten Band 16 weitere aus jüngster Geschichte und Gegenwart. - In diesem dritten Band werden erneut einige Seeleute in authentischen Lebensberichten vorgestellt. Woher stammen sie? Wie kamen sie zur Seefahrt? Was erlebten sie an Bord und auf ihren Reisen? Außerdem enthält dieser Band einige historische maritime Texte. Ein Schifffahrtsjournalist urteilt über Band 1: "In der Sprache des Seemannes, abenteuerlich und enga-giert. Storys von der Backschaftskiste voll Lebenslust, Leid und Tragik. Menschenschicksale voll von Hochs und Tiefs."
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Seitenzahl: 433
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Jürgen Ruszkowski
Seefahrerportraits und Erlebnisberichte von See
Seemannsschicksale - maritime gelbe Buchreihe - Band 3
Dieses eBook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort
Das tragische Ende eines Spritschmugglerkapitäns aus Deutschland
Der Krieg verhinderte die seemännische Karriere
Kapitän Wolfgang Schmidt
Vier Monate Stippvisite in der Seefahrt
Heizraum-Erlebnisse des Gerd Peters
Matrose Dieter Hahn
Matrose Andreas Guhr
Schmierer Peter Jackisch
Schmierer auf Kühlschiffen und Schiffsbetriebsmeister auf Tankern weltweit
André Krüger
Nautiker zwischen Asien und Mitteleuropa
Gerechtigkeit und Emanzipation
Motorenwart Michael Grausnick
Ein Nautiker aus Ghana
Vom Sklavenhändler zum Prediger
Hans und Heinz Kirch
Weitere Informationen
Maritime gelbe Buchreihe „Zeitzeugen des Alltags“
Impressum
Vorwort
zum 3. Band der maritimen gelben Buchreihe „Zeitzeugen des Alltags“
Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche, ein 140-Betten-Hotel für Fahrensleute. In dieser Arbeit lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.
Die Seefahrt brachte in Jahrhunderten eine eigene Kultur hervor, die mit dem Einzug der Hochtechnologie und des Containers an Bord und dem dramatischen Sterben des Seemannsberufes in Europa in den 1980er Jahren auszusterben drohte. Träger dieser Kultur sind Menschen.
Im Februar 1992 kam mir daher der Gedanke, meine Erlebnisse bei den Begegnungen mit den Seeleuten des alten Schlages und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzutragen.
Menschen, die in den letzten Jahrzehnten in der Seefahrt arbeiteten, die in weit geringerer Anzahl noch heute an Bord tätig sind, die mir im Seemannsheim begegneten, habe ich in dem ersten Band „Seemannsschicksale“ in kurzen, aber aufschlussreichen Portraits und Lebensläufen vorgestellt: Wie kamen sie zur Seefahrt? Was haben sie an Bord und in den Häfen der Welt erlebt? Wie geht es ihnen heute? Welche Perspektiven sehen sie für sich und für den Beruf des Seemanns? Das Schicksal dieser Menschen soll nicht in Vergessenheit geraten.
Bei den Interviews mit den Seeleuten hatte ich gemerkt, dass mir altbekannte Gäste des Seemannsheimes durch die intensiven Gespräche erst richtig bekannt wurden. Die erste Auflage erschien unter dem Titel: „Seemannslos - heimatlos“, eine erweiterte als „Seemannsschicksale“. Insgesamt brachte ich bisher über 3.400 Exemplare an maritim interessierte Leser. Mutmachende Rückmeldungen von Lesern ermutigten mich zur Herausgabe weiterer Bände.
Ich erhielt etliche Zuschriften als Reaktionen zu meinen Büchern. Ein Schifffahrts-Fachjournalist:
„...heute kam Ihr Buch per Post an - und ich habe es gleich in einem Rutsch komplett durchgelesen. Einfach toll! In der Sprache des Seemannes, abenteuerlich und engagiert. Storys von der Backschaftskiste und voll von Lebenslust, Leid und Tragik. Dieses Buch sollte man den Politikern und Reedern um die Ohren klatschen. Menschenschicksale voll von Hochs und Tiefs. Ich hoffe, dass das Buch eine große Verbreitung findet und mitVorurteilen aufräumt. Da ich in der Schifffahrts-Journalistikbranche ganz gut engagiert bin, werde ich gerne dazu beitragen, dass Ihr Buch eine große Verbreitung findet... Ich bestelle hiermit noch fünf weitere Exemplare... Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit dem Buch,–das wirklich seinesgleichen sucht...“
Ein Hamburger Kapitän stellte mir seine mit Hilfe von jahrelangen Tagebuchaufzeichnungen erstellten Memoiren zur Verfügung, die ich redigierte und als Band 5 in der Reihe „Seemannsschicksale“ veröffentlichte. Auch dieses Buch, „Ein Leben auf See“, stieß auf reges Interesse, und der VdKS Hamburg ermutigte mich mit der Meinung, diese Reihe „Seemannsschicksale“ sollte unbedingt fortgesetzt werden. Darum stelle ich mit diesem Band 3 weitere Seemannsschicksale von gestern und heute vor. Historische Einblendungen, wie die Storm-Novelle und der Newton-Beitrag in diesem Band oder mein Band 4 „Seemannsschicksale unter Segeln“, sollen das Bild des Seemannes abrunden. Es entstand daraus inzwischen die gelbe Zeitzeugen-Buchreihe mit mehreren Dutzend Titeln (siehe Liste am Ende des Buches).
Obwohl im letzten Vierteljahrhundert Zehntausende deutscher Seeleute freigesetzt wurden und in Landberufe abwandern mussten, ist die Seefahrt ohne die Menschen an Bord nicht zu denken. Langlebige Vorurteile in der Gesellschaft gegenüber den Seeleuten treffen heute nach meinen jahrzehntelangen Erfahrungen nur noch sehr eingeschränkt zu. Wer in unserer Zeit in der Seefahrt beruflich bestehen will, muss fachlich qualifiziert, aus bestem Edelholz geschnitzt und sehr anpassungs- und widerstandsfähig sein.
Allen, die an der Erstellung dieser Portraitsammlungen mitgewirkt haben, die mir aus Ihrem Leben erzählten, von ihren Fahrten berichteten, die sich mit der Veröffentlichung einverstanden erklärten, die mir Text- und Bildmaterial zur Verfügung stellten, sei herzlich gedankt, ebenso Herrn Egbert Kaschner (†) für das Korrekturlesen.
Hamburg, 2002 / 2014Jürgen Ruszkowski
Das tragische Ende eines Spritschmugglerkapitäns aus Deutschland
Karl Louis Wisnagrotzky
stammte aus Ostpreußen, wo er am 27.Oktober 1886 in Königsberg das Licht der Welt erblickte. Wann seine seemännische Karriere begann und wo er sein Kapitänspatent erwarb, ist nicht mehr zu recherchieren, er muss den Seemannsberuf aber mindestens 10 Jahre lang ausgeübt haben. Als junger Mann lebte er anscheinend eine Weile als Farmer im afrikanischen Kamerun. Er soll auch Fuhrunternehmer gewesen sein.
In Berlin ehelichte er die Klara Elisabeth Melanie Felgentreff, *19.11.1890, deren Bruder er vor dem Ertrinken gerettet hatte. Sie überlebte ihn bis zum 11.04.1976. Mit ihr hatte er sieben Kinder.
Später lebte er aber noch mit einer zweiten Frau, der aus Lerwick von den Shetlands stammenden und in London wohnenden Margaret Edwardson in Bigamie und hatte mit ihr ein Kind.
Zusammen mit Frau Klara betrieb er in Hamburg für einige Zeit ein Fischgeschäft. Klara soll Schwierigkeiten gehabt haben, mit dem Kleingeld wirtschaftlich umzugehen, so dass Karl nicht genug davon heranschaffen konnte. So kam er auf die Idee, es mit Schmuggelgeschäften zu versuchen. In einer Zeit großer wirtschaftlicher Not und Massenarbeitslosigkeit, in der Tausende deutscher Seeleute vergeblich auf eine neue Arbeit an Bord eines Schiffes warteten, versuchte er es auf diesem riskanten Wege, sich durchzuschlagen. Aus Eifersucht soll Klara der Hamburger Polizei einen Tipp gegeben haben, die Karl daraufhin auf der Elbe auflauerte. Aber der war gewitzt und konnte dank seinem schnellen Boot entkommen.
Tragisch endete aber sein Schmugglergeschäft, als er es 1931 in großem Format an der norwegischen Küste bei Nacht und Sturm versuchte. Die norwegischen Zoll- und Polizeibehörden waren ihm schon längere Zeit auf der Spur. Ein Fahndungsfoto der Osloer Polizei weist ihn als gebrochen norwegisch sprechenden deutschen Kapitän und Maschinisten („tyske skibskaptein og maskinist“) aus, 1,67 m, mittelgroßer Körperbau, auf einem Unterarm mit Palme und Schlange tätowiert, der verdächtig sei, nördlich der Lofoten Sprit geschmuggelt zu haben.
Bereits 1928 betrieb Karl Wisnagrotzky offenbar dieses Geschäft mit der 62 Tonnen großen, unter deutscher Flagge fahrenden DIANA, registriert in Oldenham. Nach den Recherchen der „Shetland News“ hatte das Schiff eine gemischte ausländische Mannschaft an Bord, mit nur einem Briten sowie einem Kanadier, und stand unter dem Kommando von Kapitän Karl Wisnagrotzky. Die DIANA traf am 23. Mai 1928 in Lerwick ein, angeblich aus Island kommend, und verließ den Hafen am 24. Mai nach Antwerpen. Am 10. Dezember 1928 kam sie aus Antwerpen über Island zurück und fuhr zwei Tage später wieder nach Island, von wo sie am 21. Dezember zurückkehrte. Am 7. Februar 1929 fuhr sie nach Aberdeen zur Überholung. In diesem Jahr war die Besatzung des Schiffes zu den Weihnachtsfeiertagen und über Neujahr in Lerwick.
Der nächste Besuch eines in ähnliche Geschäfte verwickelten Schiffes in Lerwick erfolgte am 30. Dezember 1930, als die ANTON, von Island kommend, unter der Flagge von Panama eintraf. Sie war als von Panama stammend ausgewiesen durch ein vorläufiges Nationalitäts-Zertifikat, ausgestellt von einem Konsul von Panama, obgleich das Schiff ohne Zweifel niemals in der Republik Panama gewesen sein dürfte. Ihre Tonnage belief sich auf 54, und sie stand unter dem Kommando des belgischen Kapitäns van Huyesse, der Erste Offizier war Karl Wisnagrotzky, der vorher Kapitän auf der DIANA war. Die ANTON fuhr am 20. Januar 1931 nach Antwerpen ab. Sie kam am 2. Februar zurück und hatte nun eine gemischte ausländische Mannschaft an Bord, darunter ein Kanadier und ein junger Engländer, ein Neffe des Eigners. Während einer Ausreise entstand auf See eine Unruhe und als das Schiff an einem frühen Morgen in Alexandra Wharf vor Anker ging, war Tumult auf dem Schiff zu beobachten, wobei, wie behauptet wurde, Schüsse fielen und auch Messer gebraucht wurden. In der Folge reiste der Kapitän auf einem örtlichen Postdampfer in südlicher Richtung ab und die ANTON fuhr am 15. Februar unter anderer Führung nach Gent.
Der letzte der Alkohol-Schmuggler, der in Lerwick aufkreuzte, war das deutsche Schiff, WOBKE, 92 Tonnen, registriert in Emden, unter dem Kommando des Kapitäns Wisnagrotzky (vorher auf DIANA und ANTON). Sie traf am 8. August 1931 ein. Ihre Besatzung bestand hauptsächlich aus Deutschen. Nur ein Mann aus Lerwick war darunter, Magnus Edwardson, der vorher nach Antwerpen gereist war, um sich dort anheuern zu lassen. Das Schiff kam aus Antwerpen und hatte, wie berichtet wurde, 2000 Kisten oder Flaschen reinen Alkohol an Bord. Die WOBKE verließ Lerwick am 10. August mit Zielangabe Island und kehrte am 20. September zurück, um am 26. wieder nach Antwerpen auszulaufen. Nach ihrer Rückkehr wurde ihr Name, während sie an den Docks in Lerwick lag, in den frühen Morgenstunden des 5. Oktober in VENUS geändert und die Flagge von Panama gehisst.
Diese VENUS ex WOBKE war im Oktober 1903 als Fischdampfer PREUSSEN bei der Werft G. Seebeck AG in Wesermünde unter der Bau-Nr. 199 vom Stapel gelaufen und am 8. Januar 1904 mit dem Unterscheidungssignal QHRN für die Deutsche Dampfschifffahrtsgesellschaft „Nordsee“, Bremen, mit Heimathafen Nordenham in Dienst gestellt worden. Sie maß 41,25 m Länge, 6,88 m Breite, 2,99 m Tiefgang, hatte eine 3fache Expansionsmaschine mit 2 Feuern, mit einer Leistung von 420 PS und konnte eine Geschwindigkeit von 9,8 Knoten entwickeln. Seit dem 7. September 1915 war sie für die Kaiserliche Marine-Vorposten-Flottille im Kriegsdienst. Am 7.12.1918 erfolgte die Rückgabe. Seit Februar 1928 fuhr sie unter dem Namen WOBKE.
Gegen Ende Oktober 1931 wurden neun Deutsche, die die Mehrheit der Besatzung bildeten, ausbezahlt und reisten auf einem Postdampfer über Aberdeen in ihre Heimat. Daraufhin wurden Seeleute aus Lerwick eingestellt, um die freigewordenen Plätze auszufüllen. Sie machten ihre erste Ausreise mit dem Schiff am 10. November. Die VENUS kehrte am 22. November zurück, nachdem ihre Steuerketten während eines schweren Sturmes auf See beschädigt worden waren. Eigentümer der VENUS war die Firma Barnett & Bittles, Panama, zu erreichen unter der Adresse J. C. Freeman, 110 Leadenhall Street, London.
14 Tage, bevor sie Lerwick verließ, bestellte die VENUS 120 Tonnen Kohle, war aber bereits voll beladen, als sie 60 Tonnen an Bord genommen hatte. Sie fuhr am Donnerstag, dem 2. Dezember in der Frühe ab, ohne weitere Kohlen zu bunkern.
Bei der Strandung seines Schiffes VENUS am 12. Dezember 1931 bei schwerem Sturm beim Leuchtturm Hindenes in der Nähe von Måløy ist Kapitän Karl Wisnagrotzky während einer seiner riskanten Schmuggelfahrten ums Leben gekommen.
LLOYD’S wöchentlichen Unfallberichten aus Dezember 1931, die sich vermutlich überwiegend auf Reuter-Meldungen beziehen, ist zur Strandung der VENUS zu entnehmen:
– Bergen, 12. Dezember 1931 – Fischdampfer VENUS bei schlechtem Wetter nördlich von Florø vollständig zertrümmert. Vier Besatzungsmitglieder ertrunken; ein Rettungsboot mit 7 Mann der Besatzung noch nicht gefunden.
– Oslo, 12. Dezember 1931 –Elf britische Seeleute, Besatzungsmitglieder des Trawlers VENUS, der vor der Küste Norwegens sank, werden als vermisst gemeldet. Ihre Namen werden angegeben als: 2. Offizier Georg Hunter, 2. Ingenieur Forbes, Heizer Sim, Davidson, Corkish und Edwardson, Laurende Hunter, O’Neil und Irvine. Die Namen der beiden anderen wurden nicht übermittelt. Der Kapitän Wisnagrotzky und ein Mannschaftsmitglied namens Beir (Schreibweise unterschiedlich: Beyer, Beier) werden auch vermisst. Die Meldung über das Wrack wurde von zwei erschöpften Seeleuten gemacht, die auf einem Floß in der Nähe von Måløy zwischen Florø und Stadt im Bezirk Sogn, nördlich von Bergen an Land getrieben wurden. Die beiden waren der 1. Offizier Savage und der 1. Ingenieur Ehault (Schreibweise unterschiedlich: Ehalt).Bei ihnen befanden sich die Leichen von vier ihrer Kameraden. Sie geben an, dass der Trawler, zu dem sie gehörten, auf Grund gelaufen und gesunken ist. Die Polizei teilte mit, dass sie einen deutschen Trawler mit dem Namen VENUS suchte, der verdächtigt wird, ein Rum-Schmuggelschiff zu sein, dessen Kapitän den gleichen Namen habe, wie der des schiffbrüchigen Trawlers. Von diesem Schiff wurde berichtet, dass es Lerwick am 1. Dezember mit fast 5000 Gallonen Schnaps an Bord verlassen habe. Es wurde vor ein paar Tagen von einem Boot der Küstenwache gefunden, die 20 Schüsse auf es abfeuerte, es gelang ihm aber, zu entkommen. Es scheint so, dass mindestens 17 Mannschaftsmitglieder entweder tot oder vermisst sind. Eins der beiden Rettungsboote, in dem die Mannschaft zu entkommen versuchte, schlug um, und sechs Mann ertranken. Das zweite Boot kenterte auch, aber sieben Mann an Bord bekamen es wieder zu fassen und trieben dahin. Sie litten unter der Kälte, und der Kapitän starb und wurde in die See gespült. Vier andere starben kurz danach. – Reuter
– Oslo, 12. Dezember – Der Polizeichef von Måløy gibt an, dass die beiden Überlebenden gestanden haben, dass es sich bei dem untergegangenen Schiff um das Schmugglerschiff VENUS handelte. Sie werden vorläufig bis zur gerichtlichen Seefahrtsuntersuchung unter Polizeiaufsicht gestellt und werden dann nach Christiansund überstellt, weil der Oberkommissar der Schmuggelabteilung vermutet, dass das Schiff 3000 Gallonen Schnaps angelandet hat. Der Trawler lief auf Felsen, während er draußen auf See war, wurde aber durch Pumpen schwimmend gehalten. Nachdem er jedoch ein zweites mal auf Grund lief, ging er unter und liegt nun in 15 Faden Tiefe unter Wasser. Wenn die See ruhiger ist, wird ein Taucher hinabsteigen. Die Mannschaft versuchte, in zwei Booten und treibenden Wrackteilen zu entkommen. Beim Herausklettern aus dem Trawler brach sich der Kapitän den Arm und ertrank. – Reuter
– Oslo, 13. Dezember – Fässer mit insgesamt etwa 2000 Litern Alkohol sind von dem Wrack der VENUS an die Oberfläche getrieben. Daher glaubt man, dass das Schiff allmählich zerbricht. – Reuter
– Oslo, 14. Dezember –Die Überreste eines zweiten Rettungsbootes der VENUS und andere Wrackteile sind an die Küste gespült worden. – Reuter
– London, 14. Dezember – Es besteht die Auffassung, dass der Trawler VENUS, der nördlich von Florø Schiffbruch erlitten hat, der frühere deutsche Trawler WOBKE war. Während er in Lerwick lag, wechselte er seinen Namen und wurde unter panamesischer Flagge eingetragen. Er blieb ungefähr sechs Wochen in Lerwick, währenddessen der Kapitän eine neue Mannschaft aus Leuten des Ortes anheuerte.
– Oslo, 15. Dezember –Dass der Trawler VENUS weder von einem Küstenwachboot oder irgend einem anderen Schiff verfolgt noch beschossen wurde, wurde heute in Måløy unmissverständlich von Herrn Savage, dem englischen Hauptschiffsoffizier des vermutlichen Schmuggelschiffes VENUS, bei der Eröffnung der Befragung zum Verlust des Schiffes ausgesagt. Im Verlauf seiner Zeugenaussage sagte Herr Savage aus, dass das Boot Rotterdam am 5. September in Richtung Lerwick verlassen hatte und am 1. Dezember von Lerwick lossegelte und sich von dem Datum an bis zum Zeitpunkt des Schiffbruchs in der Nordsee aufgehalten hatte, obgleich Savage nicht genau wusste, wo. Was die Ladung der VENUS anbetraf, sagte Savage, dass sie 1800 Kanister mit jeweils zwei Gallonen Alkohol transportierte. Bis zum Zeitpunkt des Schiffbruchs war nichts von der Ladung gelöscht worden. Die Steuerbehörde in Lerwick hatte die Ladung versiegelt, setzte Savage fort, und erst eine halbe Stunde, bevor die VENUS sank, wurden die Siegel aufgebrochen.
Es war die Absicht der Mannschaft gewesen, die Kanister zu benutzen, um ein Floß zu bauen. Als man wusste, dass das Schiff sank, befahl der Kapitän fünf Mann der Besatzung, das Rettungsboot zu nehmen und in Richtung auf den Leuchtturm zu rudern. Kurz nachdem das Boot zu Wasser gelassen war, schlug es um und die Leute wurden ins Meer geworfen. Savage fügte hinzu, dass sie nicht genug Rettungswesten für alle gehabt hätten. Aus den Alkoholkanistern wurden zwei Flöße gebaut, und diese waren stark genug, um jeweils vier Mann zu tragen. Während der ganzen Zeit trieb das Schiff allmählich der Küste zu und in der Hoffnung, es zu retten, befahl der Kapitän, den Anker zu werfen. Er wurde auf 55 Faden Tiefe ins Wasser gelassen, aber er hielt nicht, und das Schiff trieb weiterhin breitseits auf den Leuchtturm zu. Einmal sah es so aus, als würden sie nicht stranden, aber plötzlich lief die VENUS auf einem Felsen und legte sich auf die Seite, und die ganze Mannschaft wurde ins Wasser geschleudert. Savage und dem Heizer Davidson gelang es, auf das gleiche Wrackteil zu kommen, und während sie dahintrieben, sahen sie den Kapitän und den Ersten Ingenieur im Wasser, aber sie konnten nichts tun, um ihnen zu helfen. Savage erklärte, dass er sich an nichts erinnern könnte, was von dem Moment an geschehen sei, als er ins Wasser geschleudert wurde. - Reuter
* * *
Die Zeitungen in ganz Europa waren im Dezember 1931 voll von sensationeller Berichterstattung.
berichteten am 17. Dezember 1931 ausführlich und fußen dabei offenbar auf obige Reuter-Meldungen.
Hier einige Auszüge:
Panama-Dampfer VENUS sinkt an der norwegischen Küste
Seit den Tagen des Weltkrieges und der großen Schlachten in Frankreich und Flandern ist noch nicht wieder eine so tragische Nachricht in Lerwick bekannt geworden wie diejenige vom dramatischen und urplötzlichen Verlust des unter panamesischer Flagge verkehrenden Dampfers VENUS am letzten Sonnabend und dem Tod von 11 Mann der 13köpfigen Besatzung, von denen 9 aus dieser Stadt stammen.
Das Ausbleiben von genauen Informationen und Einzelheiten verursachte am Wochenende größte Ungewissheit und Verängstigung, aber es sickerte bald durch, dass der erste Bericht, alle Leute aus Lerwick seien umgekommen, nur zu wahr ist und Schrecken und Argwohn, die sich am Sonnabend Abend und am ganzen Sonntag verbreitet hatten, verwandelten sich am Montag in Trauer und viele Familien hatten einen schmerzlichen Verlust zu beklagen.
Die erste Nachricht, dass der VENUS irgendetwas zugestoßen sei, enthielt ein Telegramm an das Büro der „Shetland News“ von einer Londoner Zeitung, die nach Einzelheiten über die Mannschaft des Schiffes fragte. Etwas später erhielten die Familien von Besatzungsangehörigen ein Telegramm von der Gattin des Kapitäns, Margaret Edwardson, die in London wohnt und aus Lerwick stammt, mit der Frage, ob es Überlebende gebe, und eine erneute Nachricht, dass es deren zwei seien. Die Neuigkeit verbreitete sich mit Windeseile in der Stadt und verursachte eine furchtbare Sensation. Einige der Angehörigen hörten von dem Verlust ihrer Männer auf der Geschäftsstraße oder während sie gerade ihrem Tagewerk nachgingen, und es ergriff sie natürlicherweise Kummer und Bestürzung.
Das Unglück, das so unerwartet plötzlich und in diesem Ausmaß eingetreten ist, war das einzige Gesprächsthema am Samstag Abend. Eine große Menschenmenge, die ihrer gewohnten Wochenendbeschäftigung nachging, war auf der Geschäftsstraße, und Hausfrauen machten ihre Besorgungen und Einkäufe zum Weihnachtsfest. Es war gerade zu dieser Tageszeit, als die Nachricht sich von Mund zu Mund fortpflanzte, die VENUS sei untergegangen und alle Besatzungsmitglieder mit ihr. Die VENUS wie auch ihre Offiziere und Mannschaften waren den meisten der Einwohner von Lerwick gut bekannt, und die Tatsache, dass sie dem Schiff erst seit einigen Wochen angehörten und sich diesmal erst auf ihrer zweiten Ausreise mit der VENUS befanden, machte das Unglück noch tragischer, als es an sich schon ist.
Angst und Ungewissheit gehen über in Kummer.
Spannung, Angst und Argwohn verbreiteten sich zum Wochenende und ein großer Teil der Ungewissheit ist dem Mangel an genauen Nachrichten zuzuschreiben. Ein Telegramm, das am Samstag Abend eintraf, enthielt das Wort „tot“ und verursachte das Gerücht, die VENUS sei von einem Zollschiff beschossen und die Mannschaft dabei getötet worden. Es wurde auch festgestellt, dass es noch andere Schiffe gleichen Namens gibt, und natürlich schöpften die Familien der Larwick-Leute nun die Hoffnung, es möchte vielleicht eines dieser anderen Schiffe gleichen Namens sein. Die Angst der Familien, deren Männer es betraf, und die Unsicherheit setzte sich auch den ganzen Sonntag über fort bis zum Montag, als authentische Nachrichten bekannt wurden. Ein junger Mann aus Lerwick, der aus Yarmouth zurückkehrte, brachte eine Samstag-Abend-Sportzeitung mit, die eine kurze Nachricht über den Untergang der VENUS aus Oslo enthielt, sowie eine namentliche Aufstellung, die, obwohl einige Namen nicht genau geschrieben waren, doch Gewissheit gab über die Mannschaft der VENUS sowie der Leute aus Lerwick. Erst dann wurde den Angehörigen das Furchtbare des Geschehens klar; ihre Männer und Söhne waren nicht mehr am Leben. Ihre letzten geringen Hoffnungen waren vernichtet, und die Furcht und der Schrecken, die sie seit Samstag erfasst hatten, verwandelten sich nun in Kummer und schmerzliche Enttäuschung, die, wenn auch in geringerem Ausmaß, von der ganzen Bevölkerung geteilt wurde, die ihre aufrichtige Teilnahme denen bekundete, die auf so tragische und grausame Weise ihrer Angehörigen durch den Tod beraubt worden sind.
Das schwerste Unglück seit Jahren.
Wie schon festgestellt, ist dieses Unglück das schwerste, das die Stadt seit vielen Jahren betroffen hat. Verluste waren während des Krieges unvermeidlich und man musste mit ihnen rechnen, sie ereigneten sich leider viel zu oft. Aber doch erscheint der Verlust von neun Seeleuten in einem winzigen Schiff für ein Seefahrervolk wie das von Shetland - Lerwick einbezogen – von dem etwa 3.500 Söhne in der Handelsmarine Dienst tun, als ein furchtbarer Schlag, wie er ihr noch nie zuvor zugefügt wurde und schuf eine schmerzliche Sensation.
Wie das Unglück geschah.
Das Schiff ging im Sturm unter – Rum-Schmuggel in Norwegen?
Der folgende Bericht ist der Zeitung ... (Name unleserlich) entnommen:
Oslo/Norwegen, 13.Dezember 1931. Erschöpft durch die Kälte und die See, der sie lange ausgesetzt waren, und völlig niedergeschlagen durch das Unglück waren der 1. Offizier Walter Savage und der 1. Ingenieur Georg Ehalt (Schreibweise unterschiedlich: alias Erhault), ein Deutscher, die beiden Überlebenden des Fischdampfers VENUS, der an der norwegischen Küste gesunken ist, bisher noch nicht in der Lage, die Vorgänge, die zum Untergang führten, aufzuklären. Alle anderen Besatzungsmitglieder des Schiffes, das, wie festgestellt wurde, in London registriert ist, sind entweder vermisst oder tot. Es heißt, dass neun Mann britische Seeleute seien und ihre Namen sind diese: John Corkish (65), Heizer, William Davidson (30), Heizer, Magnus Edwardson (27), Matrose, William Forbes (24), 2. Maschinist, 2. Ingenieur, Hugh (Georg) Hunter (30), 2. Offizier, sein Bruder Laurance Hunter (32), Matrose, James Irvire (24), Charles O’Neill (22), Matrose, Decksmann, Peter Sim (28), Heizer. Fünf der Männer waren verheiratet und hatten eine eigene Familie.
Der Kapitän, ein Deutscher oder Pole, Wisnagrotzky, und ein deutsches Mitglieder der Besatzung, namens Beyer, sind auch vermisst.
In einem Boot ans Ufer getrieben.
Die Ursache des Unglücks war, wie man jetzt erfährt, der furchtbare Sturm, der an der Küste Norwegens Ende der letzten Woche gewütet hat. Savage und Ehalt, die auf den brüchigen Überresten eines Bootes in Atløy – zwischen Forø und Stadt nördlich von Bergen an Land getrieben wurden, haben, nachdem sie das Bewusstsein wiedererlangten, zum Verlust des Schiffes erste Aussagen gemacht und wurden unter Polizeiaufsicht gestellt.
Die Annahme, dass die VENUS gesunken sei, weil sie von einem Küstenwachschiff beschossen wurde, ist nun durch die zuständigen Stellen widerlegt, obwohl noch vermutet wird, dass es die VENUS war, mit der ein norwegisches Küstenwachschiff in der Nacht vom Montag zum Dienstag der vergangenen Woche zusammengetroffen ist und auf die das Wachschiff Schüsse abgegeben hat.
In einem Interview mit einem Zeitungsreporter sagte der zuständige Zolloffizier, er glaube nicht, dass die VENUS infolge des Beschießens gesunken sei. Das Küstenwachschiff traf auf ein unbekanntes Schiff in einer sehr dunklen Nacht sieben Meilen vom Sletringen-Leuchturm entfernt, der auf der Insel Frøya vor dem Trondheimfjord steht.
Die Küstenschutzpolizei rief das Schiff an und forderte es auf anzuhalten, aber es nahm davon keine Notiz, worauf drei Warnschüsse abgegeben wurden. Das geheimnisvolle Schiff setzte seine Fahrt mit unverminderter Geschwindigkeit fort, und die Küstenschutzpolizisten geben dann 15 Schüsse in schneller Aufeinanderfolge in Richtung auf das Schiff ab. Es behielt seinen Kurs bei und verschwand schließlich in der Dunkelheit. Dieser Vorfall ereignete sich sieben Meilen vom Land und noch drei Meilen innerhalb der norwegischen Küstengewässer.
Vermutlich Alkohol-Schmuggler.
Der zuständige Zolloffizier behauptet, dass viel zu viel Zeit seit diesem Vorfall verstrichen sei, als dass der Beschuss den Untergang der VENUS verursacht haben könnte. Die Zollbehörde glaubt jedoch, dass das gesunkene Schiff ein Alkoholschmuggler war. Sie vermutet, das Schiff kam aus Rotterdam mit Kurs über Lerwick zu den Shetlands.
Ein Bevollmächtigter des britischen Konsuls in Bergen ist heute Abend nach Magløy abgereist und wird morgen eine Untersuchung beginnen, von welcher eine Aufklärung der geheimnisvollen Vorgänge erwartet wird. Die Behörden bereiten auch die Entsendung eines Tauchers zur VENUS vor, die 15 Faden tief im Wasser liegt, oder sie werden versuchen, sie zu heben, um die wahren Ursachen des Unglücks zu erforschen.
Leichname identifiziert.
Nach den Aussagen des Ortspolizisten war Savage, der nach seinem furchtbaren Erlebnis unter einer nervösen Erschöpfung leidet, nicht imstande, die vier toten Körper seiner Kameraden zu identifizieren. Ehalt jedoch glaubt, dass es die von Edwardson, Davidson, O’Neill und dem Deutschen Beyer sind.
Schnapsflaschen schwimmen auf der See.
Eine große Anzahl Schnapsflaschen schwimmt in der Nähe des Wracks. Als die Mannschaft versuchte, sich in zwei Booten und auf abgebrochenen Schiffsplanken in Sicherheit zu bringen, brach sich der Kapitän einen Arm und ertrank. Eines der Rettungsboote kenterte in der stürmischen See, und sechs Mann gingen dabei verloren. Das zweite Boot kenterte ebenfalls, aber die sieben Mann, die darin waren, vermochten sich daran festzuhalten und trieben auf die offene See hinaus. Die Kälte war furchtbar, und zwei weitere Männer starben bald. Zwei andere starben ebenfalls kurz nachdem sie von Fischern, die das treibende Boot bemerkt hatten, an Land gebracht worden waren.
Die toten Seeleute aus Lerwick.
Die Mannschaft der VENUS bestand aus 13 Offizieren und Mannschaften, 9 der Mannschaft waren Shetlander und stammten aus Lerwick. Die anderen waren Kapitän Karl Wisnagrotzky, Deutscher oder Pole, 38 Jahre alt, verheiratet mit Margaret Edwardson, die in London, 168, Mitchehan Lane wohnt. Erster Offizier Walter D. Savage, Engländer, 38 Jahre alt, verheiratet, London. Erster Ingenieur Georg Erhault, Deutscher, verheiratet, und John Beyer (Schreibweise verschieden: Beir, Beier), Koch, verheiratet. Kapitän Wisnagrotzky übte seinen Beruf schon zehn Jahre lang aus und beabsichtigte, vom nächsten Jahr an nicht mehr zur See zu fahren.
Die Einzelheiten der Leute aus Lerwick sind die folgenden:
William Forbes, 25, ledig, Sohn von Herrn und Frau Forbes, Freefield. Er hatte See-Erfahrung, als Heizer war er während der Sommermonate auf dem lokalen Postdampfer ST. MAGNUS tätig.
Hugh (George) Hunter, 30, ledig, Sohn des verstorbenen Mr. Laurence Hunter und der Frau Hunter, Fox Lane, Lerwick. Sein Beruf war Seemann, und erst vor einigen Monaten kehrte er heim, nachdem er 11 Jahre fern der Heimat auf einem Öltanker Dienst tat. Er war Maschinist auf der VENUS und war der Bruder des
Laurance Hunter, 32, verheiratet, Market Street, Lerwick, der vorher 4 Jahre auf See war und einige Zeit, bevor er sich auf der VENUS anheuern ließ, in Lerwick arbeitete. Er hinterlässt eine Witwe.
James Irvine, 24, verheiratet, Quendale Lane. Er war Arbeiter und hinterlässt eine Witwe und ein Kind. Irvine war verheiratet mit Thomasina Edwardson, der Schwester von Frau Wisnagrotzky.
Charles O’Neill, 22, ledig, Sohn von Mr. James O’Neill, Park Lane, war vorher schon Seemann, zuletzt auf S.S. „ST. RAYFORD“.
Peter Sim, 28, ledig, Sohn von Mr. John Sim, 6, Quendale Lane, war vorher Heizer auf dem Heringsfischer „MAUD EVELYN“. Sim war ein Mitglied des Thistle Football Club. Er war ein kraft- und geistvoller Spieler und war Mittelstürmer 1924 in dem Meisterschaftstreffen gegen Orkney.
William Davidson, 30, verheiratet, North Roadside, Sohn von Herrn und Frau William Davidson, 50, Baewick Road. Er tat während des Krieges auf See Dienst und half später seinem Vater, der ein Fuhrgeschäft hatte. Später hatte er selbst ein Fuhrwerk und übte diesen Beruf noch bis vor einigen Monaten aus. Er hinterlässt seine junge Frau und zwei Kinder.
Magnus Edwardson, 27, verheiratet, Navy Lane, war bis zum letzten Sommer ständig als Bäcker tätig, als er hier fortzog und sich nach Antwerpen begab, um sich auf der „WOBKE“ anheuern zu lassen. Seine Schwester ist die Ehefrau des Kapitäns Wisnagrotzky. Er hinterlässt eine Frau und drei Kinder.
John Corkish, 65, Witwer, 5, Park Lane, gebürtig von der Insel Man. Er ist früher als junger Mann zur See gefahren und war später Arbeiter. Er war Spezialist im Anfertigen der Explosivstoffe, die zum Sprengen verwandt werden. Er hinterlässt einen Sohn von seiner ersten Frau, Harry Corkish.
Erwardson verließ seine Arbeitsstelle in der Stadt, um sich auf der VENUS anheuern zu lassen, aber die übrigen 8 waren vorher arbeitslos, und es ist nicht zweifelhaft, dass sie sich nur darum als Seemann verdingten, um dadurch wieder in Arbeit und Lohn zu kommen. Wenn sie eine andere und günstigere Arbeit gefunden hätten, würden sie wohl diese genommen haben, aber sie waren froh über die Möglichkeit, eine lohnende Beschäftigung zu bekommen.
In Anerkennung ihres persönlichen Wagemutes und der Gefahr, in die sie sich begaben, ist es besonders tragisch, dass sie nun jetzt ihr Leben lassen mussten. Wir sind sicher, dass den Familien und Angehörigen der Männer von der ganzen Stadt aufrichtige Sympathie und Anteilnahme zu ihrem schmerzlichen Verlust zum Ausdruck gebracht wird.
Es versteht sich von selbst, dass den hinterbliebenen Frauen der verheirateten Männer die Witwenrente gezahlt werden muss.
Die Beerdigung der Opfer fand am Mittwoch in Norwegen statt. Als ein Zeichen der Wertschätzung für Peter Sim wurde das Liga-Meisterschaftsspiel zwischen Thistle und Soallowy verlegt.
Alkohol-Schmuggel.
Da gibt es so gut wie keine Zweifel, dass diese Schiffe, unter welchem Namen sie auch immer segelten, sich mit solchen Geschäften befassten, die man mit Alkohol-Schmuggel bezeichnet und dass Lerwick ein Anlegehafen für sie war. Es scheint jedoch, dass sie vollkommen berechtigt waren, diesen Hafen zu benutzen, vorausgesetzt, dass ihre Ladungen versiegelt waren und dass sie sich andererseits den britischen Zollvorschriften fügten, was sie auch allem Anschein nach beachtet haben, da niemals irgend eine Aktion seitens der Zollbehörden gegen die Schiffe unternommen worden ist. Im Februar, als die ANTON in Alexandra Wharf lag, befahl ihr die Hafenverwaltung, außerhalb des Hafens vor Anker zu gehen, da, wie festgestellt worden war, ihre Ladung leicht entzündbar war, damit im Falle eines Brandes die Hafenanlagen nicht durch Feuer oder Explosion beschädigt würden.
Ein Mitglied der Hafenverwaltung war auch der Meinung, dass die Verwaltung dem Geschäft, mit dem sich das Schiff befasste, Vorschub leistete, wenn es ihm gestatten würde, längsseits anzulegen. Führende Männer der Öffentlichkeit haben sich heftig dagegen ausgesprochen, dass Lerwick Schiffen, die Alkohol an Bord führen, Vergünstigungen gewährt, und es wurde angeregt, dass die britische Regierung in Übereinstimmung mit den Regierungen der Länder, in denen vermutlich der Alkohol entladen wird, eine gemeinsame Aktion gegen diese Praktiken unternehmen müsse. Aber ohne internationale oder andere Vollmacht kann nichts unternommen werden, da nichts dagegen einzuwenden ist, dass Schiffe, die einer befreundeten Macht gehören, in Lerwick anlegen, wenn ihre Ladung und Papiere in Ordnung sind.
Den Mannschaften der Schiffe werden gute Löhne gezahlt, die mit 16 bis 20 £ im Monat festgesetzt sind. Sie lassen sich jedoch nie im Zollamt, sondern nur an Bord des Schiffes anheuern, dem sie sich anschließen wollen.
Es ist bedauerlich, dass bereits einen Tag, bevor die VENUS zurückerwartet wurde – am Freitag letzter Woche – die ersten Nachrichten aus Norwegen eintrafen. Sonnabend war dann der schwarze Tag, als die ersten Nachrichten von der Tragödie in der Stadt bekannt wurden.
Am Montag wurde folgendes Privattelegramm im Nachrichtenraum ausgehängt und verursachte große Aufregung:
„Reading Room Lerwick – Venus untergegangen – Bitte übermitteln Sie meine Anteilnahme – Wenn ich irgend etwas helfen kann, lassen Sie es mich bitte wissen – Mc Dowell, Jeanville, Dumfries.“
Wurde nicht auf die VENUS gefeuert?
„THE SHETLAND NEWS“ erhielten spät am Montag Abend ein Pressetelegramm, das die letzten Einzelheiten des Unglücks enthielt. Abschriften davon wurden am nächsten Morgen in verschiedenen Schaufenstern ausgehängt und im Laufe des Tages von einer großen Menschenmenge eifrigst studiert. Es wurde festgestellt, dass Savage und Ehalt, die beiden Überlebenden, in Gewahrsam gehalten wurden und dass bewaffnete Posten vor ihren Hotelzimmern aufgestellt waren. Am Mittwoch erhielten wir aus Oslo das folgende Telegramm:
„Am Dienstag berichtete Savage vor einem Seegericht, dass die ... – unleserlich – ...
…Die Maschinen waren gestoppt. Sie drehte gegen Land und lief ein zweites Mal auf Grund. Alle Männer waren nun im Wasser. Diejenigen, die sich auf Boote oder Planken retten konnten, hörten die anderen schreien, konnten aber nichts tun. Savage bestritt energisch, dass ein Zollschiff geschossen hatte.“
Ein oder zwei Rettungsboote?
Bevor vollständige Informationen zu erlangen waren, wurden Kombinationen angestellt, wie es kommen konnte, dass keiner der neun Shetland-Leute gerettet werden konnte, besonders, da mindestens drei von ihnen, Sim, Forbes und Edwardson, gute Schwimmer waren. Es wurden Vermutungen angestellt, dass sie vielleicht verwundet worden seien, einige deuteten an, eventuell durch Gewehrfeuer, aber dies wird von den norwegischen Behörden und dem 1. Offizier Savage abgestritten, die VENUS sei nicht beschossen worden.
Dagegen stehen jedoch Berichte aus Norwegen im Widerspruch, von denen einer besagte, es seien 20 Schüsse auf die VENUS abgegeben und einige Treffer beobachtet worden. Es sei weiterhin bemerkt worden, dass das Schiff sogar ziemlich durchlöchert worden sei, sich auf die offene See hinausarbeitete und dann verloren ging. Der Kapitän wurde, so wird berichtet, von den Wellen heruntergespült. Er hatte sich vorher einen Arm gebrochen. Die Geschichte, dass die VENUS das Schiff sei, auf das geschossen worden ist, sollte aber mit Vorbehalt aufgenommen werden, bis genaue Informationen zu erlangen sind.
Als die VENUS Lerwick verließ, nahm sie als Rettungsboot einen kleinen Kahn an Bord, der früher als Motorboot im Hafen Verwendung fand. Er war nur 18 Fuß (5,5 m) lang und wurde von erfahrenen Seeleuten als völlig ausreichend zur Lebensrettung bei allen möglicherweise eintretenden Unglücksfällen bei stürmischem Wetter und rauer See angesehen. Das erste Boot, das die VENUS besaß, wurde während eines Sturmes zerstört, als das Schiff an den Docks lag. Wie kam es, dass die VENUS zwei Rettungsboote hatte, als das Unglück geschah? Das ist die Frage, die in dieser Woche gestellt wurde, und dieses Geheimnis bedarf noch der Aufklärung.
Wo das Unglück geschah.
Das Unglück ereignete sich 61.57° nördlicher Breite und 5,3° östlicher Länge, ungefähr 200 Meilen nordostwärts von „Bressay Light“. Der Punkt ist unmittelbar am Eingang zum Nord Fjord, südlich der Stadt-Halbinsel an der Westküste Norwegens. Dieser Teil der Küste, bis auf eine Entfernung von 6 Meilen jenseits der äußersten, der Küste vorgelagerten Insel, ist buchstäblich übersät von zackigen Felsen und unter der Wasseroberfläche gelagerten Riffen und ist einer der gefährlichsten Küstenabschnitte Norwegens.
Eine Seekarte von der norwegischen Küste in der Umgebung von Florø wurde in dieser Woche im Nachrichtenraum ausgehängt.
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Das Hamburger Abendblatt (oder Fremdenblatt?) berichtete am 16.12.1931:
Das Geheimnis des Spritschmugglers „VENUS“
Das Meer als Zeuge.
In diesem Falle war es nicht die Sonne, die sonst alles an den Tag bringt, sondern das Meer.
In den letzten Tagen gingen die wildesten Beschreibungen und Nachrichten durch die Presse, die von dem Untergang des Spritschmugglers VENUS an der norwegischen Küste handelten. Wenn auch gegenüber früher, namentlich zur Zeit der Inflation, der Preis für alles, was Alkohol hieß, oder danach roch, erheblich gesunken ist, dass nach Ansicht der „Fachleute“ kein Segen mehr in dem Geschäft liegt, wenn die Abwehrmaßnahmen der Zollbehörden derart ausgebildet worden sind, dass der Spritschmuggler bei jeder Gelegenheit Gefahr läuft, ein Loch in die Weste zu bekommen, so hat dies einigen Unentwegten doch noch nicht den Gefallen an diesem Gewerbe verdorben.
Und zumal zur Weihnachts- und Neujahrszeit steigt der Bedarf in den trockenen und halbtrockenen Ländern nach etwas Magenstärkung mit alkoholischem Einschlag genau wie bei uns. Das ist dann wieder die Zeit für den Spritschmuggler, in See zu gehen. Irgend ein altes Fahrzeug ist immer zur Hand, den Sprit gibt es in allen Ländern für billiges Geld in den Freihäfen, und einige Leute, die bei einer solchen Gelegenheit einen guten Schnitt machen können, sind bei dem augenblicklichen Überangebot schnell beisammen.
So kam auch die Unternehmung der VENUS zustande. Wie Lloyds List aus Norwegen meldet, soll es sich bei der VENUS um einen ehemaligen deutschen Fischdampfer WOPKE handeln. Dieses Fahrzeug ist aber bei der Schiffsregister-Behörde nicht zu ermitteln. Tatsache ist jedenfalls, dass das Schiff eines Tages in Lerwick erschien und dort ungefähr sechs Wochen gelegen hat. Während dieser Zeit hat der Kapitän die Flagge und den Namen gewechselt und das Schiff unter Panama-Flagge gebracht. Eine neue Besatzung kam an Bord, und die VENUS ging in See.
Wieweit das Schiff sein Ziel erreichte, ist allerdings noch nicht bekannt, denn es strandete nördlich von Floro, wobei der größte Teil der Besatzung das Leben verlor. Nur zwei Mann wurden gerettet, und die hüllen sich der Behörde gegenüber in tiefstes Schweigen. Sie gaben nicht zu, dass es sich um einen Spritschmuggler gehandelt habe, ihnen war nichts bekannt von einem Feuergefecht mit Zollbeamten kurz vor der Strandung, das Gedächtnis war eben durch den Verlust des Schiffes ausgeschaltet.
Aber sie hatten nicht mit der Tücke der See gerechnet. Das Wrack der VENUS lag auf Felsengrund und stieß bei dem schweren Seegang in der letzten Zeit unter Wasser ständig so hart auf, dass es auseinanderbrach, und siehe da... Eine ganze Ladung Fässer trieb an Land, die nicht etwa Hartbrot oder Salzfleisch enthielten, sondern den schönsten 96prozentigen Sprit. Bis jetzt hat man 2000 Liter des ersehnten Getränks geborgen, der nun allerdings in Hände gelangt ist, für die er nicht bestimmt war.
Diese unfreiwillige Zeugenaussage des Meeres hat auf das Gedächtnis der Überlebenden sehr auffrischend gewirkt, denn sie haben eine ganze Menge Zugeständnisse gemacht, die die Behörde bisher vergeblich von ihnen zu erlangen suchte. Aber aus der Haft hat man sie doch noch nicht entlassen. Man möchte noch einige Kleinigkeiten von ihnen wissen, so z. B., ob die kürzlich an Land beschlagnahmten 3000 Gallonen Sprit auch von der VENUS stammen.
Das fehlende Rettungsboot und andere Wrackteile sind an Land angetrieben. Sobald das Meer es erlaubt, soll ein Taucher das gesunkene Schiff besichtigen. gkl.
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Der Krieg verhinderte die seemännische Karriere
OskarKlebschwurde am 20.4.1920 geboren und stammt aus Mathiashof-Kantrek im Kreis Cammin in Hinterpommern. Er berichtet über seinen Traumberuf:
„‚Seefahrt tut not!’“ Dieser Aufruf ging seinerzeit vor dem 2. Weltkrieg durch die Presse. Ich schrieb auf die Anzeige nach Hamburg, Harvestehuder Weg, und bekam einen Fragebogen zugeschickt. Nicht nur Abenteuerlust, sondern vor allem der Wunsch, etwas von dieser schönen Welt zu sehen, beflügelte mich.
Ich war dafür vorgesehen, zu Hause Erbhofbauer zu werden. Meine Eltern waren deshalb dagegen, dass ich Seemann werden wollte und lehnten ihre Einwilligung und Unterschrift zunächst ab, so dass ich wochenlang darum kämpfen musste. Da ich nicht aufgab, durfte ich im August 1937 endlich doch eine seemännische Vorschule auf dem Eisbrecher PREUSSEN machen. Die dafür geforderten 52 Mark konnte ich von meinen Eltern jedoch nicht bekommen, denn wir waren zu Hause sechs Kinder, und es fehlte an Geld. So war ich gezwungen, mir den Betrag selbst zu verdienen, indem ich im Wald Blaubeeren pflückte, Kienzapfen sammelte und Forstarbeiten verrichtete.
Beim Eintreffen in Stettin erschloss sich für mich eine neue Welt, die ich zuvor nicht gekannt hatte: Großstadt mit Straßenbahnen, Hafen und Schiffen. Die Einführung in das Seemännische begann unter Kapitän Bolze, einem gebürtigen Hamburger. Nach 14 Tagen wurde ich dem Bootsmann als Hilfsausbilder für die 30 Schüler zugeteilt, was mich auch etwas stolz machte.
Am 7. September 1937 war es so weit, dass mich der Kapitän zum Segelfrachtschiff KÄTHE JÜRGENSEN im Stettiner Netzehafen schickte. Ich hätte mir damals lieber ein schöneres Schiff, etwa einen Passagierdampfer, als diesen Schoner gewünscht. Doch mein Kapitän Bolze meinte: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre, und du musst einmal Segelschiffszeit nachweisen können, um auf die Seefahrtschule gehen zu können. Du hast das Zeug dazu und wirst mal sicher ein Kapitän werden wie ich.“ So musste ich doch in den sprichwörtlichen sauren Apfel beißen.
Die KÄTHE JÜRGENSEN, damals geführt von Kapitän Engelmann, war ein abenteuerliches Schiff von 500 Tonnen. Wir schipperten mit dem Schoner zu fast allen Ländern im Bereich der Ost- und Nordsee und nahmen als Fracht überwiegend Holz, Kohle und Zement. Die erste Reise von Stettin nach Umeå in Schweden mit einer Ladung Koks bei Windstärke 7 bis 9 dauerte 4 ½ Tage und war die grausamste Zeit meiner Seefahrt. Dabei erlebte ich meine erste Seekrankheit mit Erbrechen und zitternden Knien. Salzwasser hatte ich nicht nur auf den Lippen, sondern am ganzen Körper. Diese erste Reise wurde mir eine bittere Pille. Es ging anschließend weiter nach Finnland, wo wir in Vaasa eine Holzladung an Bord nahmen, um diese bei fast spiegelglatter See nach Totness in Süd-England zu bringen. Bei dieser Reise bekam ich wieder Mut und Freude an der Seefahrt.
Wir wurden als Besatzung eines deutschen Schiffes mit dem Heimathafen Hamburg in den fremden Ländern oftmals freudig und liebevoll empfangen, nicht zuletzt von der Jugend und besonders den Mädels. Es kam zu Bekanntschaften, die so schön waren, dass ich sie nie mehr vergessen konnte. Das Abschiednehmen mit einem Ahoi wurde oft schwer. Einmal kamen wir von Skin in Norwegen mit einer Ladung Zelluloseballen, teilweise auch als Deckslast, die nach Frankreich ging, im Skagerrak in einen Sturm. Mit Schlagseite mussten wir Esbjerg als Nothafen auflaufen. Nach Tagen setzten wir die Fahrt in Richtung Brest fort, und dort war es wieder sehr schön. Nach 11 Monaten Fahrzeit musterte ich am 23. Juli 1938 in Itzehoe als Jungmann ab, verließ dieses Schiff, mit dem ich doch so viele harte und auch schöne Stunden erlebt hatte, und fuhr nach Hause.
In meinem kleinen Heimatdörflein fand ich Besinnlichkeit und Freude mit meinen Lieben. Ich übte wieder mal Landwirtschaft und half zu Hause bei der Ernte. Auch diese Zeit war für mich erlebnisreich im Kontakt mit der inzwischen herangewachsenen Dorfjugend und den auf den Bauernhöfen eingesetzten Arbeitsmaiden. Die Sehnsucht nach Abenteuern trieb mich aber bald wieder fort, und ich bestieg am 9. August 1938 in Stettin einen 2.000-Tonnen-Dampfer, der als Frachtschiff auf der Ost- und Nordsee verkehrte. Der Kapitän, Paul Daunehl, war für mich ein lieber Vaterersatz. Nach vielen schönen Fahrten verließ ich dieses Schiff am 25. April 1939 in Holtenau als Leichtmatrose und kehrte wieder heim. In der elterlichen Landwirtschaft half ich wieder nach Kräften, bis mich erneut die Sehnsucht packte und ich am 22. Mai 1939 in Stettin als Leichtmatrose den Bäderdampfer ODIN bestieg. Es war ein kleines, schönes Schiff, geführt von Kapitän Reichert. Mit diesem Bäderschiff fuhren wir von Stettin über das Oderhaff nach Swinemünde und weiter über Ahlbeck und Sassnitz über die Ostsee nach Kopenhagen und zurück. Leider sollte der Dampfer dann als Zielschiff zum Torpedo-Übungsschießen eingesetzt und in Wilhelmshaven stationiert werden. Dieses war gegen meinen Willen, denn ich wollte ja in der zivilen Seefahrt tätig sein. Da ich noch nicht beim Militär gedient hatte, konnte ich nach anfänglichem Ärger doch abmustern.
So stand ich am 15.6.1939 wieder in Wilhelmshaven mit meinem Seesack auf dem Bahnhof. Dort konnte ich auf einem Anschlag lesen, dass die Hochseefischerei in Wesermünde dringend Leute suche. Ein Telefonanruf zur Heuerstelle in Wesermünde ermunterte mich zum Kommen. Ich fuhr mit dem nächsten Zug nach Wesermünde und begab mich zum Seemannsheim. Dort wurde ich herzlich empfangen, und konnte hier essen und übernachten. Dieses Heim war ja für uns Seeleute eine Art Ersatzmutter.
Am nächsten Morgen meldete ich mich in dem unten im Seemannsheim befindlichen Heuerbüro. Dort standen schon drei Mann in Rollkragenpullovern und langen Seestiefeln, die dringend Opfer suchten und mich freundlich grüßten. Ich war sportlich gekleidet und braun gebrannt und wurde sofort nach woher und wohin gefragt. Als sie von mir hörten, dass ich ein Schiff suche, fragten sie nach meinen Fahrzeiten. Als Vollmatrose wurde ich sofort auf ihrem Schiff, der LUDWIG SANDERS angeheuert und konnte noch am 16. Juni 1939 an Bord gehen. Der Kapitän, Hans Cassebohm, führte diesen Fischdampfer auf Delikatess-Fischfang nach Island. Für mich begann eine neue Art der Seefahrt, die ich bisher noch nicht kannte: Netze aussetzen und einholen, Fische schlachten, säubern und auf Eis legen. Es war für jedermann an Bord harte Arbeit. Wir bildeten als Besatzung eine Familie. Der Kapitän, unser „Oler“, war sehr beliebt. Drei Fangreisen, jeweils nach 20 Tagen zurück nach Wesermünde, machte ich mit. Mit dem Entladen im Heimathafen hatten wir keine Arbeit. Für jeweils 48 Stunden im Hafen war das Seemannsheim mein Zuhause und in der Kneipe Holmeyer fanden wir Erfrischung. Das Taxi 02 brachte mich vom Hafen für 1,50 Mark zu dem netten Tanzlokal Spiegelsaal und Kaffee Albrecht, wo wir schöne Stunden bei Tanz erleben konnten. Dann rief uns wieder die Pflicht. Bei der Ausfahrt stand ich immer mit dem Kapitän auf der Brücke am Ruder. Durch die Hafenschleuse am Lloyd-Kai, am Roten Sand, an Helgoland, Schottland, den Färöer-Inseln vorbei ging es nach Reykjavik. Vor der Küste von Schottland erreichte uns am 30. August 1938 ein Funkspruch, dass alle deutschen Schiffe umgehend ihren Heimathafen anlaufen müssten. So waren wir am 1. September wieder im Wesermünde, und der zweite Weltkrieg hatte begonnen. Mit diesem Schiff, umgerüstet als Vorpostenboot, gegen England zu fahren, widerstrebte mir. So musterte ich am 11.9.1939 endgültig aus der Seefahrt ab und fuhr mit meinem Seesack wieder nach Hause.“
Kapitän Wolfgang Schmidt
Wolfgang Schmidt wurde am 2. August 1926 in Hamburg als Sohn eines Reedereiangestellten geboren. Zunächst besuchte er die Volksschule, dann das Bismarckgymnasium, wo er 1944 das Abitur machte. Die Lust zur Seefahrt in ihm wurde offenbar durch seinen Vater geweckt, indem er ihn berufsbedingt häufig in den Hafen und auf Schiffe mitnahm. Am liebsten wäre er Schiffsarzt bei der Marine geworden, was durch den verlorenen Krieg vereitelt wurde.
Am 21.03.1944 begann er seine seemännische Laufbahn als Decksjunge auf der KEHRWIEDER, und er war ab dem 29.03.1944 auf dem Schulschiff DEUTSCHLAND. Ab 13.06.1945 fuhr er als Leichtmatrose auf der AAR, ab 15.02.1946 als Matrose auf der LUISE LEONHARDT, anschließend auf A. H. BOTH, TEUTOBURGER WALD, HEROS, RHEIN, WERNER und HAPARANDA. Dann folgte 1949/50 der Besuch der Seefahrtschule.
Ab 19.08.1950 fuhr Wolfgang Schmidt als 3. Offizier auf der FRIEDEN, der GLÜCKSBURG und vom 9.07.1951 bis 30.09.1951, sowie vom 1.10.1951 bis zum 3.10.1952 auf der ADOLF LEONHARD.
Der 1992 verstorbene, 1951 25jährige 2. Nautische Offizier der ADOLF LEONHARDT, Wolfgang Schmidt, berichtet über eine weihnachtliche Sturmhavarie der ADOLF LEONHARDT 1951:
Die Dünung nimmt zu, von Stunde zu Stunde. Der winterliche Atlantik will sich zum Weihnachtsfest 1951 von seiner unheimlichsten Seite zeigen. Auf der Kommandobrücke des 7.000 BRT großen Hamburger Motorfrachters ADOLF LEONHARDT ist es mit dem gewohnten Hin- und Hergehen schon längst vorbei.
Nicht einmal der breitbeinigste Seemannsschritt reicht aus, um notdürftig Gleichgewicht zu halten: so stampft und rollt, schlingert und giert das große Schiff, trotz der 12.000 Tonnen amerikanischer Feinkohle in den abgründigen Laderäumen, die es tief in die See drücken. Der 1. Offizier Maruhn hat die Brückenwache in dieser auffällig frühen Abenddämmerung. Aber auch Kapitän Wiese ist in das Ruderhaus gekommen, obwohl gerade der Weihnachtsabend anbricht und in den Messeräumen der Offiziere und Mannschaften mit Aufbietung aller nur denkbaren Befestigungsmittel versucht wird, richtiges Weihnachten herbeizuzaubern, denn Deutschland, die Heimat, ist noch weit – noch Tausende von Seemeilen. Die ADOLF LEONHARDT zieht mitten auf dem Atlantik ihre Schaumbahn, zwischen Norfolk an der nordamerikanischen Ostküste und dem Golf von Biscaya vor dem englischen Kanal.
Wieder setzt Kapitän Wiese das Glas vor die Augen, tastet den Horizont ab. „Das Wetter gefällt mir gar nicht, Maruhn. Die Sonne kann doch nach der Uhrzeit noch nicht untergegangen sein, aber es wird blauschwarz, von allen Himmelsrichtungen her. Haben Sie in den Jahren, seit Sie auf der Brücke stehen, schon mal so etwas gesehen?“ Maruhn schüttelt nur den Kopf. „Wenn der Pott nur auf Kurs zu halten wäre! Da hat man auf dem Schiff nun das Modernste, was es an Steueranlagen gibt, schon das geringste Antippen an das Ruderrad genügt, und die elektrische Rudermaschine springt wie der Blitz an, aber bei dieser unglaublichen Sturmsee rumpelt der Kahn so hin und her, dass alles Ruderlegen immer zu spät kommt. Ich habe es selbst ein paar mal versucht, aber ich kann’s auch nicht besser, als unser Rudermann. Die See kommt schräg achterlich – das Ruder hat die Brecher aus erster Hand – es muss heute gewaltige Stöße aushalten.“
Kapitän Wiese klopft an das Wetterglas. „Schlecht, sogar höchst bedenklich, wie das Barometer immer noch weiter fällt. Ausgerechnet am Weihnachtsabend! Gut dass unsere Muttis das nicht ahnen, was Maruhn? Sie lachen beide, und der Quartermeister, der Mann am Ruder, grinst mir. Seine Braut da oben im Holsteinischen, die stellt jetzt wohl gerade vorm Anzünden des Weihnachtsbaumes den Rundfunk an und hört von der Sturmwarnung für alle westeuropäischen Küsten: „Sturmtief aus dem Atlantik zieht in Richtung auf die Biscaya“. Never mind, was ein richtiger Seemann ist – das bisschen Sturm auf so einem sicheren, fast neuem Schiff, das erst seine vierte Reise macht, erst im September, vor vier Monaten, pieksauber von der Werft abgeliefert wurde!
Hauptsache, dass es einen ordentlich steifen Grog gibt nachher bei der Ablösung! Verdammt, es ist ja doch eine fürchterliche Quälerei für die Eingeweide, tagelang dieses unvorstellbare Aufbäumen des ganzen Schiffes und das tiefe Zurückschlagen in die Wellentäler, dass es selbst oben auf der Brücke aussieht, als sollte man in den Wasserbergen begraben werden!
Nach einem Rundblick steigt Kapitän Wiese wieder den anheimelnd eingerichteten Niedergang hinunter, der die Kapitäns- und Offiziersräume, die Lotsenkammer und das Badezimmer mit den Speiseräumen verbindet, und noch und noch ein Deck tiefer zu den Wohnkammern und Messen der Ingenieure, Aspiranten und Elektriker führt und weiter zur Kombüse, die aber eine richtige Großküche ist, gleich hinter dem Maschinenraumschacht. Sonst geht der Kapitän ja fast nie in die Küche, aber den Weihnachtsbraten muss er doch noch inspizieren. Heute duftet es anders, als wenn es Erbsensuppe, Labskaus oder Curryreis gibt. Beier, der erste Koch, ist voll wehmütiger Klagen. Breitbeinig pendelt er am Herd, sich mit beiden Händen festkrampfend. „Die schöne Suppe, die ich heute kochen wollte – unmöglich! Die Pötte kann ich festklemmen, die Suppe aber nicht. Auch der Braten wird wohl ziemlich trocken ausfallen. Die Sauce ist schon außenbords gelaufen.“ Er zeigt auf die glitschigen Bodenfliesen, wo manches hin- und hergluckst, was eigentlich nicht frei herumlaufen sollte. „Dann müssen wir die Kehlen eben auf andere Weise anfeuchten“, lacht der hünenhafte Kapitän. „Heißes Wasser genug? Der Steward soll bald die Rumbuddeln öffnen!“
Allmählich, trotz wild tobender See, trotz tiefschwarzer Sturmnacht zieht doch etwas weihnachtliche Stimmung in die Gemüter der Besatzung. Die Männer, die an Deck und in der Maschine ihren Dienst tun müssen, sind in ihren Gedanken schon ein paar Stunden voraus, und die Freiwachen lassen es sich munden, trotz allem.