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SEELENRAUB – Zwischen Therapie und Verlangen Ein Psychothriller trifft auf verbotene Leidenschaft. Und nichts bleibt heil. Ava betritt die Praxis des charismatischen Psychologen Elias Lehmann mit einem Ziel: Kontrolle zurückzugewinnen. Über sich selbst. Über ihre Vergangenheit. Doch sie trifft auf einen Mann, der gefährlich gut darin ist, Masken zu lesen – und selbst eine trägt, die niemand durchdringen soll. Was als Therapie beginnt, wird zu einem dunklen Machtspiel. Zwischen Wahrheit und Täuschung. Nähe und Manipulation. Beide glauben, das Spiel zu beherrschen. Beide unterschätzen, wie tief das andere bereits in ihrem Innersten wühlt. Wer kontrolliert hier eigentlich wen? Und wie viel bleibt von dir, wenn jemand beginnt, deine Seele zu stehlen? Ein aufwühlender Psychothriller mit dunkler Liebesnote – voller Spannung, Obsession und der einen Frage, die alles zerstört: Was, wenn Verlangen deine größte Schwäche ist – und deine gefährlichste Waffe?
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Seelenraub
Zwischen Therapie und VerlangenvonFinja LindholmTriggerwarnung:Dieser Roman enthält Darstellungen psychischer Gewalt, Manipulation, traumatischer Erfahrungen sowie Grenzüberschreitungen im therapeutischen Kontext.Die Geschichte thematisiert komplexe Dynamiken zwischen Macht, Kontrolle und Verlangen – nicht zur Verherrlichung, sondern zur literarischen Verarbeitung.Bitte lies mit Achtsamkeit, wenn dich solche Inhalte emotional belasten könnten.
Es roch nach Desinfektionsmittel und kaltem Metall. Nicht dem frischen, klinisch-reinen Geruch aus Zahnarztpraxen. Sondern diesem anderen. Dem dumpfen, der sich an die Haut legte wie Angst. Wie ein alter Mantel, den man ablegen wollte, aber nicht durfte.
Sie saß auf der Pritsche, die Hände in den Schoß gefaltet. Nicht gefesselt. Nicht wirklich. Nur ruhiggestellt von innen. Ein Kribbeln ging durch ihre Finger, als wären sie zu lange eingeschlafen.
Draußen vor der Tür flackerte eine Neonröhre. Immer das gleiche Geräusch. Summen, flackern, summen. Pause. Flackern. Ihr Herz synchronisierte sich mit dem Rhythmus. Oder war es andersherum?
Ihre Lippen waren spröde. Sie spürte sie kaum. Aber sie bewegte sie. Leise. Kaum hörbar. Ein Name? Ein Satz? Eine Erinnerung? Niemand hörte zu. Niemand sollte zuhören. Noch nicht.
Die Wände waren weiß. Nicht warmweiß. Krankenhausweiß. Mit kleinen Sprenkeln. Eine Delle unter dem Fenster. Vielleicht hatte jemand getreten. Vielleicht war sie es gewesen.
Sie wusste nicht mehr, wie lange sie schon hier war.
Ein Tag? Zwei? Oder doch nur Stunden?
Ein Mann war gekommen. Braunhaarig, hager. Trug einen Kittel, aber lächelte zu viel. Zu weich. Seine Fragen waren wie Nadeln. Klein, fein, fast schmerzlos – aber sie hinterließen Spuren.
„Warum sind Sie hier, Frau West?“
Sie hatte geschwiegen.
Das war ihre erste Antwort gewesen. Und ihre beste.
Sie erinnerte sich an das Glas auf dem Boden. An die Splitter in ihrer Hand. An den Moment, in dem sie dachte: Ich könnte einfach aufhören. Aufhören zu denken. Zu atmen. Zu sein.
Aber sie hatte nicht aufgehört. Hatte den Hörer genommen. Die Nummer gewählt. Selbst. Ganz allein. Ein letzter Rest von Kontrolle.
Kontrolle war etwas Seltsames. Manchmal fühlte sie sich an wie Macht. Manchmal wie Wahnsinn.
„Sie sind nicht verrückt.“ Der Satz war gefallen, als ob das jemand sagen müsste. Damit sie nicht auf dumme Gedanken kam. Dabei waren die Gedanken nicht das Problem. Die Gedanken waren der einzige Ort, an dem sie noch lebte.
Eine Krankenschwester hatte ihre Tasche durchsucht. Ihre Sachen weggelegt. Kein Lipgloss. Kein Spiegel. Keine Schere. Nicht mal ein Kugelschreiber.
Ava hatte gelächelt. Innerlich. Denn sie wusste: Das echte Schneiden passierte woanders.
In Köpfen. In Worten.
Nicht in Blut.
Sie hatte sich an die Wand gelehnt und die Augen geschlossen. Und dann war da wieder dieses Bild gewesen. Nicht greifbar, aber immer da.
Der Spiegel. Und dahinter – Augen. Nicht ihre.
Sie wusste, dass sie jemanden finden musste. Nicht, um geheilt zu werden. Nicht, um besser zu werden. Sondern um zu verstehen. Zu erkennen, wer der Spiegel war – und wer das Gesicht dahinter.
Sie hatte Geschichten gehört von einem Therapeuten. Privat. Unnahbar. Hochqualifiziert. Kein gewöhnlicher. Einer, der Fragen stellte, die schnitten. Einer, der Frauen behandelte, bei denen andere aufgegeben hatten.
Er sollte gefährlich sein.
Oder genial.
Oder beides.
„Ich möchte verlegt werden.“ Ihre Stimme hatte nicht gezittert. „In die Praxis von Dr. Elias Lehmann.“
Die Krankenschwester hatte sie schräg angesehen. Der Arzt hatte gestutzt. Und dann hatten sie es tatsächlich notiert. Vielleicht, weil sie dabei gelächelt hatte. Vielleicht, weil es klang, als wüsste sie, was sie tat.
Aber das tat sie nicht.
Nicht wirklich.
Oder doch?
Sie wusste nur eines: Wenn jemand sie sehen konnte – wirklich sehen – dann er. Und wenn jemand zerstören konnte, was in ihr noch stand, dann auch er.
Der Rest war Schweigen. Ein Flackern. Ein Summen. Ein Name, den sie sich selbst nicht laut zu sagen traute.
Noch nicht.
Aber bald.
Sehr bald.
Der Raum war kontrolliert. Nichts war zufällig. Kein Geräusch, kein Geruch, kein Lichtstrahl, der zu viel offenbarte. Die matte Farbgestaltung – dunkles Grau, keine Spiegel, kein Fenster – dämpfte jede Bewegung, jeden Atemzug. Die Uhr war entfernt worden, nicht weil sie störte, sondern weil sie etwas verraten konnte: Nervosität. Ungeduld. Erwartung.
Zwei Stühle. Ein niedriger Tisch. Zwei Gläser Wasser, exakt gleich gefüllt. Eine Akte. Verschlossen. Auf seinen Knien.
Elias wartete. Auf den Moment. Nicht auf sie. Auf das Erste, das bricht. Immer brach etwas. Er hörte die Schritte vor der Tür, bevor sie sich öffnete. Kein Zögern, kein schüchternes Tasten. Die Türklinke wurde fest gedrückt, dann trat sie ein.
Ava Lorenz.
Er erkannte sie, bevor er sie bewusst ansah. Nicht an ihrem Gesicht – sondern an dem, was sie nicht versteckte.
Blasse Haut, dunkle Augenringe, schlichte Kleidung. Jeans, übergroßer Pullover, die Haare zu einem chaotischen Knoten geschlungen. Kein Schmuck. Kein Lippenstift. Keine sichtbare Abwehr. Und dennoch war alles an ihr eine Grenze.
Sie ließ den Blick durch den Raum gleiten, als würde sie überprüfen, wie real er war. Wie ein Tier, das zu oft in falsche Käfige geführt worden war. Ihre Augen blieben kurz auf den Wassergläsern liegen. Dann auf ihm.
Sie setzte sich, ohne dass er etwas gesagt hatte.
„Frau Lorenz?“, fragte er.
„Ava“, sagte sie. Die Stimme klar, aber weich. Fast zu weich.
Er nickte, ließ sich Zeit. Ihre Art zu sitzen – nicht aufrecht, aber auch nicht nachlässig – verriet Kontrolle. Nicht über sich selbst, sondern über das, was andere sehen sollten.
„Wie fühlen Sie sich?“, fragte er.
„Wie jemand, der beobachtet wird.“
Ein leichter Hauch von Ironie. Nicht spöttisch. Eher präzise.
Elias ließ seine Hände ineinander gleiten, die Finger ruhig, wie ein Automatismus. Er hatte diesen Satz schon oft gehört. Aber selten in genau diesem Ton.
„Das stimmt. Ich beobachte Sie. Aber nur, wenn Sie es zulassen.“
Sie antwortete nicht sofort. Ihr Blick war offen, aber nicht einladend. Sie musterte ihn. Direkt, ohne Provokation. Kein Spiel – oder doch?
„Was ist es, was Sie sehen wollen?“, fragte sie schließlich.
Er öffnete die Akte nicht. Noch nicht. Er würde es später tun, wenn sie nicht mehr damit rechnete.
„Nicht was. Wie“, sagte er. „Wie Menschen sich bewegen, wenn sie glauben, nicht mehr kämpfen zu müssen. Wie ihre Stimme sich verändert, wenn sie kurz davor sind, die Wahrheit zu sagen.“
Sie lächelte nicht. Aber ihr Blick verengte sich leicht, als würde sie etwas prüfen.
„Und was ist, wenn die Wahrheit selbst eine Lüge ist?“
„Dann sind Sie mir einen Schritt voraus.“
Sie lehnte sich zurück. Nicht weit. Nur einen Hauch – wie ein Test, ob er folgen würde. Er tat es nicht. Er blieb reglos. Nur innerlich zog sich etwas zusammen.
„Wie viele Patientinnen haben Sie vor mir gesehen?“, fragte sie.
„Insgesamt?“
„In diesem Raum.“
„Genug.“
„Genug um was?“
„Um zu wissen, dass jede Begegnung gefährlich ist.“
Etwas in ihrem Gesicht veränderte sich. Kein Ausdruck. Kein Lächeln. Nur ein leises inneres Kippen. Sie spürte es auch.
Er fuhr fort: „Menschen zeigen nur das, was sie kontrollieren können. Der Rest… tritt aus Versehen hervor. Im Zittern einer Hand. In der Wiederholung eines Wortes. Oder in einem Blick, der zu lang hält.“
Ihr Blick hielt. Zu lang. Absichtlich.
„Und was passiert, wenn der Therapeut etwas zeigt, das er nicht kontrollieren kann?“
Die Luft zwischen ihnen spannte sich. Kein Drama. Kein Lärm. Nur ein Ziehen – wie ein Muskel, der kurz vor dem Reißen steht.
„Dann“, sagte Elias ruhig, „endet das Gespräch.“
Ava blinzelte einmal. Nicht nervös. Überlegt. „Sie glauben, dass Sie die Kontrolle haben.“
„Ich glaube“, sagte er, „dass Kontrolle nicht in Worten liegt.“
Ein kurzes, fast unhörbares Lachen. Wie aus Reflex. „Das sagen Männer, die daran gewöhnt sind, sie zu behalten.“
Er schwieg.Lange.Er wollte wissen, ob sie es aushielt.
Sie hielt es aus.
Er öffnete die Akte. Schließlich. Langsam. Sie sah nicht hin. Sie wusste, was darin stand.
„Schlafstörungen. Dissoziation. Flashbacks. Suizidgedanken“, las er leise. Dann sah er wieder zu ihr. „Welche Diagnose glauben Sie selbst, verdient zu haben?“
„Keine.“
„Warum?“
„Weil das hier keine Krankheit ist. Es ist ein Zustand.“
„Und wie lange schon?“
„Seit ich weiß, dass Männer wie Sie Therapie anbieten.“
Wieder eine Stille. Aber keine Leere. Diese Frau redete nicht zu viel. Und wenn sie sprach, war jedes Wort eine Prüfung.
Elias lehnte sich zurück. Dieses Mal deutlich. Er wollte sehen, wie sie reagierte, wenn er Raum einnahm.
Sie ließ es zu. Noch.
„Was erwarten Sie von dieser Therapie?“, fragte er.
„Nichts.“
„Nichts?“
„Nichts ist besser als Illusion.“
„Und wozu dann kommen?“
„Weil nichts manchmal ehrlicher ist als Hoffnung.“
Jetzt schwieg er. Sie hatte nicht gelogen. Nicht in einem einzigen Satz. Und das war gefährlich. Weil Wahrheit in reiner Form selten vorkam – und fast nie ohne Absicht.
Er studierte ihr Gesicht. Die Härte, die nicht aus Trotz bestand. Die Stille, die nicht leer war. Sie erinnerte ihn an etwas. An jemanden. Vielleicht an sich selbst.
„Was sehen Sie, wenn Sie mich ansehen?“, fragte er.
Sie antwortete sofort. „Ein Mann, der gelernt hat, nicht zu fühlen. Aber vergessen hat, dass man dabei stirbt.“
Der Satz blieb zwischen ihnen stehen wie eine Drohung. Er fühlte etwas. Nicht Wut. Nicht Scham. Etwas Tieferes. Etwas Altes.
„Sie kennen mich nicht“, sagte er.
„Noch nicht.“
Elias stand auf. Plötzlich. Ohne Ankündigung. Er trat zum Fenster – das keines war. Nur eine matte Glaswand. Außen Milchglas, innen Spiegel. Eine Grenze, die niemand durchdringen konnte.
Sie sah ihn nicht an. Aber sie wusste, was er tat. Sie fühlte es.
Er atmete flach. Nicht aus Anstrengung. Aus Konzentration. Er wollte etwas sagen. Aber es wäre zu früh gewesen.
Er drehte sich zurück zu ihr. Sein Blick war ruhig. Aber in seiner Brust begann etwas zu schlagen, das er zu lange ignoriert hatte.
„Wollen Sie weitermachen?“
„Ich bin noch nicht gegangen.“
Er setzte sich wieder. Langsam. Dann sagte er: „Ich werde Sie nicht retten.“
„Ich weiß.“
„Und ich werde Sie nicht manipulieren.“
„Aber ich werde es tun.“
Ein letzter Blick. Ein Moment zu lang. Dann stand sie auf. Ohne Anweisung. Ohne Entschuldigung. Sie ging zur Tür, legte die Hand an die Klinke – und drehte sich noch einmal um.
„Ich komme morgen wieder. Nicht, weil ich muss. Sondern weil ich wissen will, ob Sie lügen können.“
Die Tür fiel ins Schloss. Er war allein.
Und zum ersten Mal seit Monaten spürte Elias etwas, das er verdrängt hatte:Neugier. Oder war es Hunger?
Sie ging langsam die Flure entlang, obwohl es nichts zu sehen gab. Wände, Türen, Stille. Keine Fenster. Kein Ausgang. Nur das leise Summen von Licht und das gleichmäßige Klacken ihrer Schritte auf dem Boden.
Ihr Atem war flach, aber ruhig. Wie immer nach solchen Gesprächen. Nach Begegnungen, in denen etwas in ihr vibrierte, das sie nicht benennen konnte – aber auch nicht loswurde.
Er war anders. Nicht, weil er ruhig war. Oder weil er diesen therapiegerechten Blick hatte, der verstehen wollte. Sondern weil sie spürte, dass er nicht verstanden werden wollte.
Und das machte ihn gefährlich.
Sie blieb stehen, lehnte sich kurz an die Wand, schloss die Augen. Für einen Moment fühlte sie nichts – nur den Druck hinter den Rippen, der immer dann kam, wenn sie zu lange mit jemandem sprach, der ihr zu ähnlich war.
Die erste Narbe hatte kein Blut. Sie war ein Satz. Gesagt in einem Wohnzimmer, das nach Kaffee roch und nach Enttäuschung.
„Hör auf, so zu tun, als würde es dir schlecht gehen. Du willst doch nur Aufmerksamkeit.“
Sie war neun gewesen. Es war der Moment, in dem sie gelernt hatte, dass Gefühle gefährlich waren. Dass Wahrheit nicht zählte, wenn sie unbequem war. Dass man überleben konnte, wenn man ein Lächeln trug – und gleichzeitig alles in sich vergrub.
Sie rieb sich über die Stirn. Zu viel Licht. Zu wenig Schlaf. Die letzten Nächte hatten geflimmert. Kein richtiger Schlaf, nur Bruchstücke. Eine Straße, die sich verzog. Ein Mann ohne Gesicht. Und immer wieder dieser Spiegel, in dem sie sich selbst ansah – aber nicht wusste, ob sie die war, die da zurückblickte.
Sie zwang sich, weiterzugehen.
In ihrem Zimmer angekommen, schloss sie die Tür, ließ sich aufs Bett sinken. Kein Drang, sich auszuziehen. Kein Bedürfnis nach Ordnung. Nur Stille. Sie zog die Beine an, legte das Kinn auf die Knie und sah zur Decke.
Sein Gesicht war noch da. Elias. Er hatte kaum etwas gesagt. Und doch war jeder Satz ein Schnitt gewesen. Nicht tief. Aber scharf.
Sie hatte gespürt, wie er sie taxierte. Nicht wie ein Mann, der gefallen will. Sondern wie jemand, der wissen will, wo genau man bricht.
Sie mochte das. Nicht aus Masochismus. Sondern weil sie es kannte. Weil es das Einzige war, was sich ehrlich anfühlte.