Seewölfe - Piraten der Weltmeere 146 - Kelly Kevin - E-Book

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 146 E-Book

Kelly Kevin

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Beschreibung

El Vasco, der baskische Rebellenführer, hatte gewußt, warum er auf dem Plateau in den Bergen sein Hauptquartier errichtet hatte. Denn dieses Plateau war eine von der Natur geschaffene Festung - trotzig, uneinnehmbar und niemals zu stürmen. Und genau dorthin brachte er seine Gefangenen: Philip Hasard Killigrew, Al Conroy und Sam Roskill sowie die beiden Geusen Jan Joerdans und Friso Eyck, die durch schändlichen Verrat in seine Hände gefallen waren. Aber wenn El Vasco dachte, seine Gefangenen in dem Rebellennest sicher zu haben, dann hatte er sich getäuscht, denn er wußte nichts von den beiden Söhnen Hasards, die es gelernt hatten, als Seiltänzer über einem Abgrund spazierenzugehen...

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Impressum© 1976/2015 Pabel-Moewig Verlag KG,Pabel ebook, Rastatt.ISBN: 978-3-95439-470-8Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

1.

Der Wagen rumpelte.

Über dem kantabrischen Bergland strahlte und glitzerte ein prächtiger Sternenhimmel. Aber Philip Hasard Killigrew, den sie den Seewolf nannten, hatte keinen Sinn für die romantische Schönheit der Nacht.

Wütend und verbissen zerrte er an den Stricken, die ihn fesselten.

Sein Kopf, sein Rücken, seine Schultern schmerzten, es gab überhaupt wenige Stellen an seinem Körper, die nicht scheußlich wehtaten. Aber das beeindruckte ihn nicht besonders. Was zählten ein paar Schrammen im Vergleich zu dem, was vor ihm lag? Denn das war nicht mehr und nicht weniger als die Aussicht, an seine spanischen Todfeinde verschachert zu werden wie eine Ware.

Hasard biß die Zähne zusammen und drehte die Hände in den Fesseln.

Blut lief über seine Gelenke, doch auch darauf achtete er nicht. Die Plane, die seine Gegner über den offenen Bauernwagen geworfen hatten, war etwas verrutscht. Jemand stöhnte dumpf. Der Seewolf war nicht der einzige Gefangene, der in dem holpernden Wagen transportiert wurde, aber er war der einzige, der bisher das Bewußtsein wiedererlangt hatte.

Halb über seinen Beinen lag Al Conroy, der schwarzhaarige Stückmeister der „Isabella“.

Sam Roskill war es, der gestöhnt hatte.

Zu Hasards Linker lag, ebenfalls an Händen und Füßen gefesselt, der holländische Kapitän Jan Joerdans. Sein Schiff, die „Hoek van Holland“, war genau wie die „Isabella“ in einer versteckten Bucht in der Nähe von Bilbao vor Anker gegangen. Und der fünfte Gefangene, Steuermann der im Sturm gescheiterten „Anneke Bouts“, hieß Friso Eyck und gehörte ebenfalls zu den Holländern, die als tollkühne Wassergemsen für die Freiheit ihres Vaterlandes kämpften.

Der Seewolf knirschte mit den Zähnen, als er an die Ereignisse der vergangenen Tage dachte.

Ein knüppelharter Sturm hatte die „Isabella“ von ihrem Kurs gen England abgebracht und tief in den Golf von Biscaya getrieben. Die entfesselten Elemente setzten ihnen zu und beschädigten ihr Schiff. Noch bevor sie reparieren konnten, sichteten sie fünf spanische Galeonen, die aus einem der Häfen an der baskischen Küste liefen. Für die vom Sturm zerraufte und ganz und gar nicht gefechtsklare „Isabella“ hatte es schlecht ausgesehen. Da rauschte die „Hoek van Holland“ heran, schlug sich der Übermacht zum Trotz auf die Seite der Engländer, und gemeinsam war es ihnen gelungen, drei spanische Galeonen zu versenken und die beiden anderen in die Flucht zu schlagen.

Heute wußte der Seewolf, daß sie besser daran getan hätten, die beiden restlichen Galeonen nicht zu schonen, sondern sich mit allem auf sie zu stürzen, was sie hatten.

Die Spanier waren zu einem Verband gestoßen, der im Golf von Biscaya Jagd auf holländische Schiffe veranstaltete.

Sie hatten die „Oranje“ versenkt, das Schiff Marius van Helders. Und dabei war es ihnen gelungen, den legendären Geusenkapitän gefangenzunehmen, noch ehe er Gelegenheit hatte, seine Pläne in die Tat umzusetzen und sich mit der „Hoek van Holland“ und der „Anneke Bouts“ zu treffen.

Die „Anneke Bouts“ war ohnehin im Sturm auf einem Riff zerschellt.

Zufällig hatten die Seewölfe das Wrack gesichtet und die Überlebenden an Bord genommen. Der „Oranje“ konnten sie nicht mehr helfen, sie kamen zu spät. Aber die Seewölfe hatten nicht den selbstlosen Mut vergessen, mit dem ihnen Jan Joerdans in dem Gefecht gegen die spanische Übermacht zur Hilfe geeilt war – und deshalb beschlossen sie, den Geusen dabei zu helfen, ihren Anführer Marius van Helder aus der Festung von Bilbao zu befreien.

Ein Unternehmen, das bisher nur eine Folge gezeigt hatte: Philip Hasard Killigrew und seine kleine Gruppe hilflos und gefesselt auf den Bauernkarren zu befördern, der über die abenteuerlichen Pfade des kantabrischen Gebirges rumpelte.

Der Seewolf fluchte innerlich.

Die Fesseln an seinen Händen hatten sich um eine Winzigkeit gelokkert, und er verdoppelte seine Anstrengungen. Dabei arbeiteten immer noch seine Gedanken, suchten, tasteten, zerlegten die Situation auf der Suche nach einem Fehler, den er eventuell begangen hatte.

Aber da war kein Fehler.

Keiner außer der Tatsache, daß Jan Joerdans und Friso Eyck den falschen Leuten getraut hatten.

Die beiden Holländer und die drei Seewölfe waren als Spähtrupp an Land gegangen. Jan Joerdans’ Geusen und die Männer der gescheiterten „Anneke Bouts“ operierten schon länger im Golf von Biscaya, sie hatten Kontakt mit baskischen Rebellen, die ebenfalls gegen die Spanier kämpften. Die Basken hatten sogar einen unterirdischen Gang angelegt, der in die äußere Festungsanlage führte, und zwar von einer Schenke mit dem Namen „Linterna Roja“ aus. Miranda Lleones, die Wirtstochter, hatte ihnen den Eingang dieses geheimen Wegs geöffnet.

Aber Mirandas Vater war von den Spaniern verhaftet worden, ebenso wie einige baskische Rebellen, unter anderem der Bruder des legendären El Vasco. Weder die Wassergeusen noch die Seewölfe hatten ahnen können, daß der Rebellenführer in dieser Situation nur noch an sich selbst dachte und sich den Teufel darum scherte, daß Holländer und Engländer seine Verbündeten waren.

El Vasco wollte den Seewolf und den Geusenkapitän Jan Joerdans gegen baskische Gefangene eintauschen!

Zwei Dutzend Rebellen hatten Hasard und seine kleine Gruppe in der Schenke erwartet und überwältigt, denn auch die Seewölfe und die Wassergeusen waren keine Übermenschen. Deutlich erinnerte sich Hasard des wilden Geschreis, der wirbelnden Fäuste, der herabzuckenden Holzknüppel. Er hatte eine Menge einstecken müssen, genau, wie Joerdans und Friso Eyck, genau wie Sam Roskill und Al Conroy, die er mitgenommen hatte, weil sie am besten als Spanier gelten konnten. Jetzt lagen sie gefesselt und zum Teil noch bewußtlos auf dem offenen Wagen, den Basken ausgeliefert, die sie an die Spanier verschachern wollten.

Hasard preßte die Zähne aufeinander, spannte sich – und registrierte den harten Ruck, der von seinen Gelenken durch alle Muskeln des Körpers lief.

Einer der Stricke war gerissen.

Der Seewolf lächelte grimmig. Mit gleichmäßig wachsender Kraft drückte er die Hände auseinander. Auch die restlichen Stricke lockerten sich. Hasard hätte die Fesseln abschütteln können, doch vorher schickte er einen prüfenden Blick zu den beiden Männern auf dem Kutschbock.

Einer von ihnen sah sich gerade um.

Harad erstarrte, aber er wußte sofort, daß der Baske zu viel gesehen hatte. Sein Gesicht verzerrte sich. Er rief etwas in seinem für den Seewolf unverständlichen Eskuara, und der aus drei Wagen bestehende Konvoi blieb schlagartig stehen.

Philip Hasard Killigrew gab einen Fluch von sich, der selbst für einen ehrlichen Seemann ziemlich lästerlich war.

Mit verzweifelter Hast versuchte er, auch seine Fußfesseln loszuknüpfen. Er hatte keine Chance und wußte genau, daß er es nicht schnell genug schaffen würde. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, blindlings gegen die Fesseln zu kämpfen, vielleicht hätte er warten sollen, bis auch Sam, Al und die beiden Geusen aus der Bewußtlosigkeit erwachten. Jetzt nutzten diese Überlegungen nichts mehr. Seine Gegner rückten heran, noch bevor er sich von den Stricken befreit hatte. Ihm blieb nur übrig, Al Conroy mit den gefesselten Füßen kräftig in die Rippen zu stoßen, um ihn möglicherweise doch noch zu wecken.

„Verdammter Bastard!“ fluchte einer der Basken auf Spanisch.

„Mistkerl!“ knirschte Hasard böse.

Dabei zog er die Beine an, streckte die Knie – und schnellte sich mit aller Kraft über die Seitenwand des Wagens weg den Angreifern entgegen.

Der Kampf war kurz.

In der Schenke hatten Seewölfe und Geusen die baskischen Rebellen zwar ziemlich dezimiert, doch es blieb immer noch ein Dutzend einsatzfähiger Gegner übrig. Zu viele, als daß Hasard die Chance gehabt hätte, einem von ihnen das Messer zu entreißen und seine Fußfesseln durchzuschneiden. Er versuchte es und schlug einen der Burschen blitzschnell bewußtlos, aber da waren schon die Männer von den anderen Wagen heran und stürzten sich auf ihn.

Sie brauchten immerhin noch fünf Minuten, um mit ihm fertigzuwerden.

Als er wieder auf dem Wagen lag, konnte er noch ein paar Körperstellen mehr zählen, die ihm teuflisch – wehtaten. Und vor allem war er so verschnürt, daß zumindest für die nächsten Stunden jeder Gedanke an Flucht ausschied.

Alles in allem, fand er, hätten die Aussichten gar nicht trüber sein können.

Die „Isabella“ dümpelte friedlich im ruhigen Wasser der Bucht.

In einiger Entfernung war der Schatten der „Hoek van Holland“ zu sehen. Die beiden Schiffe verschmolzen fast mit der Dunkelheit. Genau wie das Boot, das sich in diesem Augenblick von der Bordwand der „Hoek van Holland“ löste und zur „Isabella“ gepullt wurde.

Ben Brighton, Dan O’Flynn und Big Old Shane empfingen die Holländer an der Jakobsleiter. Bis auf Old O’Flynn und Jeff Bowie, die auf dem Achterkastell Ankerwache gingen, hatte sich die gesamte Crew auf der Kuhl versammelt. Die Zwillinge kauerten in Gesellschaft des Schimpansen Arwenack in den Wanten, mit ernsten Gesichtern. Sie konnten inzwischen genug Englisch, um die Situation zu verstehen. Ihr Vater war mit einem Spähtrupp an Land gegangen, hatte sich mitten unter seine Feinde gewagt, um herauszufinden, wo der Holländer steckte, den sie befreien wollten, und die Männer sorgten sich, weil die Gruppe längst hätte zurück sein müssen.

Sorgen bereiteten sich auch die Geusen, die von Jan Joerdans’ Steuermann Pieter Ameland angeführt wurden.

„Irgend etwas muß passiert sein.“ Ameland sprach fließend Englisch, genau wie die meisten seiner Kameraden, denn England hatte den Wassergeusen schon vor langer Zeit seine Häfen geöffnet. „Jan und Friso wissen, daß wir nicht stillhalten werden. Und ich nehme an, der Seewolf weiß es auch.“

„Sicher.“ Ed Carberry rieb sich über sein zernarbtes Rammkinn. „Freiwillig bleiben sie nicht so lange weg, das steht fest. Verdammt, ich hätte gute Lust, dieses elende Nest in Klump zu schießen und …“

„Hast du den Verstand verloren?“ fragte Dan O’Flynn. „Es nutzt uns einen Dreck, Portugalete oder Bilbao anzugreifen.“

„Glaubst du, das weiß ich nicht, du grüner Hering? Hast du eine bessere Idee? Willst du vielleicht auf deinem verdammten Affenarsch sitzen bleiben und warten, was, wie?“

„Nicht so laut“, warnte Ben Brighton. „Wir liegen an der spanischen Küste, vergeßt das nicht.“

„Als ob man das vergessen könnte“, knurrte der rothaarige Ferris Tukker. „Wir müssen was unternehmen, Ben. Und zwar sofort.“

„Richtig. Aber wir können nichts tun, solange wir nicht wissen, was passiert ist. Ich schlage ein zweites Spähtruppunternehmen vor.“

„Einverstanden“, sagte Pieter Ameland sofort.

„Aber das sollte dann ein etwas größerer Trupp sein“, ließ sich Dan vernehmen. „Mindestens zwölf Mann, meine ich. Stark genug, um Hasard und die anderen notfalls irgendwo heraushauen zu können.“

„Genau!“

„Wie wär’s, wenn wir ein paar Brandsätze mitnähmen?“

„Und mit Flaschenbomben können wir uns eindecken …“

Die Stimmen schwirrten durcheinander. Ben Brighton hob beschwichtigend die Hand.

„Die Brandsätze nutzen in der Stadt nicht viel. Mit den Flaschenbomben ist es etwas anderes. Ed, ich schlage vor, daß du und Ameland jeweils fünf Mann aussucht und ihr sofort aufbrecht.“

„Genau! Und dann sollen die Drecksdons nur antanzen! Dan, Ferris, Stenmark, Matt …“

Der Profos stockte.

Sein Blick war auf den Schiffsjungen Bill gefallen, der ihn beschwörend anstarrte. Der Moses hatte in letzter Zeit mehr als einmal bewiesen, daß er mit seinen siebzehn Jahren ein vollwertiger Mann war. Und als vollwertiger Mann hatte er auch das Recht, nicht immer aus der vordersten Linie herausgehalten zu werden, weil sich die anderen immer noch für ihn verantwortlich fühlten.

„… und Bill“, vollendete Carberry. „Macht das Boot klar! Hopp-hopp, ihr Rübenschweine! Ein bißchen schneller, oder ich ziehe euch die Haut in Streifen vom Hintern und nagele sie an die Kombüse.“

Die Holländer grinsten.

Sie kannten Carberrys Lieblingsspruch bereits. Genau wie den wütenden Protest des Kutschers, der den Profos aufforderte, die Hautstreifen sonstwohin zu nageln, weil er, verdammt noch mal, keine Lust habe, in einer solcherart verzierten Kombüse zu kochen.

Pieter Ameland hatte seine Leute bereits beisammen: Marten Routs, Rogier Kerkhove, Henk Bakker von der „Oranje“ und zwei schweigsame, stämmige Brüder, die schon ihr halbes Leben gegen die Spanier gekämpft hatten. Die Männer pullten noch einmal zur „Hoek van Holland“ hinüber, um ihren Kameraden Bescheid zu geben, und inzwischen war auch das Beiboot der „Isabella“ abgefiert worden.

Minuten später kletterten die beiden Gruppen die Klippen hinauf, um den langen Marsch nach Portugalete anzutreten.

Die Wagen hielten am Fuß einer Felswand, die schroff in den Sternenhimmel ragte.

Inzwischen waren die Gefangenen alle wieder bei Bewußtsein. Aber sie hatten keine Chance gehabt, etwas gegen ihre Fesseln zu unternehmen, da sie einer der Basken auf dem Kutschbock ständig im Auge behielt. Jetzt waren die Rebellen offenbar am Ziel. Hasard musterte mit schmalen Augen die Felswand, über deren Kante er den Widerschein von Lagerfeuern zu erkennen glaubte.

Ein Plateau.

Völlig unzugänglich, so weit der Seewolf erkennen konnte. Er beobachtete die Gestalten, die jetzt dort oben erschienen, und wenig später sah er die beiden baumelnden Strickleitern, die mit Hilfe von zwei Winden auf die Ebene hinuntergelassen wurden.

Ein paar von den Basken enterten hinauf, die anderen bewachten die Gefangenen mit schußbereiten Musketen. Friso Eycks verzerrtes Gesicht verriet, daß er innerlich kochte. Jan Joerdans war bleich: er fühlte sich verantwortlich für ihre Lage. Aber er hatte keinen Grund gehabt, den Basken plötzlich nicht mehr zu trauen, und hatte nicht ahnen können, daß der Anführer der Rebellen auch nicht vor heimtückischem Verrat zurückscheute, um seinen Bruder und seine Kameraden aus der spanischen Gefangenschaft zu befreien.

Oben auf dem Plateau gab es eine kurze Debatte. Untereinander verständigten sich die Basken in ihrer eigenen Sprache, die mit dem Spanischen wenig zu tun hatte. Hasard sah das Tau, das über die Felsenkante geworfen wurde. Er knirschte mit den Zähnen vor Erbitterung, aber er hatte nicht die leiseste Chance, sich zu wehren.

Zwei Basken zerrten ihn von dem Wagen, banden ihm das freie Ende des Taus um die Brust, und dann wurde er hochgehievt.

Den anderen erging es genauso. Wer noch keine Schrammen und Beulen davongetragen hatte, der empfing sie jetzt, denn die Basken fanden nichts dabei, ihre Gefangenen grob über die Felsen zu zerren. Hasard konnte Sam Roskill fluchen hören. Er selbst wurde bereits weitergeschleppt, quer über das unübersichtliche, zerklüftete Plateau bis zu einer Mulde, wo die Rebellen ihr Lager aufgeschlagen hatten.

Hütten und Zelte hoben sich im Widerschein der Feuer ab. Außerdem gab es eine Höhle, vor deren Eingang eine Plane hing und die offenbar ebenfalls als Unterkunft diente. Den westlichen Rand des Plateaus konnte Hasard nicht erkennen. Er wurde einfach fallengelassen, richtete sich auf und drückte sich mit dem Rücken an einem Felsblock hoch, weil er nicht vor seinen Gegnern am Boden liegen wollte.

Die anderen machten es genauso.

Keuchend und mit zusammengebissenen Zähnen lehnten sie an dem Felsen: fünf erschöpfte, blutende Männer, bei deren Anblick es Wunder nahm, daß sie sich überhaupt noch auf den Beinen halten konnten. El Vasco, der als letzter die Strickleiter hochenterte, starrte sie mit einem Ausdruck widerwilliger Bewunderung an. Langsam trat er näher: ein kleiner, breitschultriger Mann, in dessen zerfurchtem Gesicht kohlschwarze, fanatische Augen funkelten. Hasard hatte den Rebellenführer nur kurz in der „Linterna Roja“ gesehen und festgestellt, daß er ein zäher, gefährlicher Kämpfer war, aber nicht gerade zimperlich in der Wahl seiner Mittel.

Jan Joerdans spuckte aus.

„Verräterisches Schwein“, sagte er mit eisiger Verachtung in der Stimme.

Der Baske zuckte mit keiner Wimper. Sein Blick wanderte zu dem großen schwarzhaarigen Mann mit den eisblauen Augen hinüber.

„Du bist der, den sie ‘El Lobo del Mar‘ nennen?“ fragte er.

Hasard warf das Haar zurück. Auch er hatte den lebhaften Wunsch, vor seinem Gegenüber auszuspukken, aber er wußte, daß sie das nicht weiterbrachte.