Seewölfe - Piraten der Weltmeere 514 - Davis J. Harbord - E-Book

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 514 E-Book

Davis J. Harbord

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Beschreibung

Die Entfernung zu der spanischen Kriegsgaleone im Kielwasser der "Empress" mochte etwas mehr als zweihundert Yards betragen. Batuti überbrückte sie mit seinem Schuss mühelos. Er brauchte sich nicht einmal anzustrengen. Außerdem segelte die Galeone dem Pfeil entgegen. Er schlug auf der Back des Spaniers ein und explodierte mit infernalischem Krach. Zwei behelmte Spanier durchbrachen die vordere Balustrade und stürzten hinunter aufs Galionsdeck. Auf der Back wurde gebrüllt, als ginge die Welt unter. Die "Empress" vergrößerte inzwischen die Distanz zur Galeone, was für Batuti kein Handicap war. Er feuerte jetzt mit Brandpfeilen, assistiert von Philip junior, der ihm die Pfeile zureichte...

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Impressum© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,Pabel ebook, Rastatt.eISBN: 978-3-95439-922-2Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

Davis J. Harbord

Südwärts!

Sie waren eine harte Crew – und nichts hielt sie auf

Philip junior stand ganz vorn auf der kleinen Back der „Empress of Sea II.“ und blickte über das glitzernde Wasser. Die „Empress“ zog über Steuerbordbug aufkreuzend ostwärts. Hinter ihr segelte die „Isabella“. Das Ziel beider Schiffe war die Negril Beach an der Westküste Jamaikas. Dort wartete wieder eine Perlentruhe auf die Arwenacks. So im Vorbeisegeln würden sie den Schatz mitnehmen – es gab keinen della Rocca mehr, und auch seine wüste Horde hatte mit der „Bonifacio“ ihre letzte Reise angetreten, in die Hölle vermutlich.

Philip junior zuckte kaum merklich zusammen. Dann nahm er den Kieker ans Auge und spähte hindurch. Ja, da schwamm etwas voraus auf dem Wasser, und ein paar Möwen hackten darauf herum.

„Voraus treibender Gegenstand!“ rief Philip nach achtern.

„Schon wieder eine tote Wasserleiche!“ murmelte Old Donegal dumpf …

Die Hauptpersonen des Romans:

Old Donegal – Der Kapitän der „Empress of Sea“ zeigt sich wieder einmal dickköpfig und schafft damit Probleme.

Philip Hasard Killigrew – Der Seewolf trifft eine Entscheidung, die überraschende Folgen haben wird.

Der Kutscher – Der Feldscher der „Isabella“ braucht viel Diplomatie, um zum Ziel zu gelangen.

Donegal Daniel O’Flynn – übernimmt ein eigenes Schiff und eine Aufgabe, die sich als schwierig herausstellt.

Edwin Carberry – In Puerto Cabello knabbert eine Schöne an seinem Ohrläppchen und erzählt ihm eine böse Geschichte.

Mac Pellew – Der Griesgram vom Dienst droht, „Sir Jöhnchen“ Pfefferkörner in den Hintern zu schießen.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1.

Hasard junior kicherte verhalten. Martin Correa und Nils Larsen sandten einen Blick zum Himmel auf, einen ergebenen Blick, der besagte, daß sie den Teufel tun würden, ihren Kapitän zu korrigieren.

Anders Sven Nyberg, der fünfte Mann der kleinen „Empress“-Crew. Er schnappte: „Es gibt keine toten Wasserleichen, verdammt und verzwirnt!“

„Doch“, sagte der Alte stur, „voraus, Philip hat eine gemeldet. Warum regst du dich denn so auf?“

„Er hat einen treibenden Gegenstand gemeldet“, fauchte Sven Nyberg, „keine tote Wasserleiche, und ’ne Wasserleiche ist immer tot, ’ne Leiche auch. Daß Leichen auch noch tot sein sollen, ist völlig überflüssig, weil sie’s nämlich sind.“

„Mir doch egal“, sagte Old Donegal brummig und nölte was, das sich wie „Korinthenkacker“ anhörte.

Sven Nyberg holte Luft. In seinen blauen Augen war ein fast rötlicher Schimmer zu sehen – vor Wut, versteht sich.

Philip vorn auf der Back drehte sich etwas nach achtern. Er grinste. Und er rief: „Treibender Gegenstand hat Ähnlichkeit mit aufgesplittertem Pökelfaß! Da sitzen Möwen drauf und zerren dicke Brocken raus!“

Sven Nybergs Augen glitzerten. „Also keine Wasserleiche!“

„Pökelfaß, eh?“ Old Donegal rieb sich die Nase. „Übernimm mal die Pinne, Mister Nyberg!“

„Wieso das denn?“

„Muß mir das mal anschauen.“ Old Donegal reckte den Hals. „Kurs auf das Pökelfaß, klar?“

„Klar.“ Sven Nyberg übernahm die Pinne und starrte hinter Old Donegal her, der sich ein Spektiv geschnappt hatte und auf die Kuhl stieg. Poch – poch, klopfte sein Holzbein über die Planken. Aber er kletterte nicht auf die kleine Back, sondern wandte sich nach Backbord zum Großwant der derzeitigen Luvseite.

Sven Nyberg runzelte die Stirn, als der Alte das Spektiv in den Gürtel schob, nach dem Want griff und sich auf das Schanzkleid hangelte.

„He, Old Donegal!“ rief Sven Nyberg. „Willst du da etwa auf entern?“

„Halt’s Maul, du Grünschnabel!“

Sven Nybergs Augen kriegten wieder ihren rötlichen Stich. Seine linke Hand ballte sich zur Faust, die rechte Hand krallte sich um die Pinne, daß die Fingerknöchel weiß hervortraten.

Der Alte zog sich an dem vorderen und achteren Wantstrang hoch, den linken Fuß des gesunden Beins jeweils auf die nächste Webeleine setzend, also auf die Quersprosse zwischen den beiden Wantsträngen. Sein Holzbein, rechts, schleifte er mit – bei dieser Turnerei ein zweckloses Ding, denn die Zwinge ganz unten war zu schmal, um mit ihr Platz auf der Webeleine zu finden. Die ersetzte keine Fußsohle.

Martin Correa und Nils Larsen starrten verbissen zu dem Hampelmann hoch. Hasard junior kicherte nicht mehr. Er hatte die Lippen zusammengepreßt. Grandpa war schon ein knorriger Kerl und so hart wie Eisen, aber daß er in den Wanten herumturnte, war Käse mit Quark.

Sven Nyberg donnerte: „Bist du wahnsinnig, du sturer Ochse?“

Old Donegal peilte schräg zu ihm runter. „Mister Nyberg, ich verwarne dich!“

„Du brichst dir das Genick!“ schrie Sven Nyberg.

Da wurde auch Old Donegal wild. Er hatte heute seinen bockigen Tag.

„Ist das mein Genick oder deins?“ brüllte er nach unten. „Bin ich hier der Kapitän oder nicht? Gebe ich die Befehle oder wer?“

„Ich muster ab!“ brüllte Sven Nyberg zurück. „Das ist ein Irrenkahn! Mir reicht’s!“

Der Alte kletterte weiter und verkündete gleichzeitig, daß er dem Mister Nyberg die Ohren langziehen und den Arsch breitklopfen werde, sobald er wieder unten sei, und dann werde der Mister Nyberg unterm Kiel durchgeholt und zum Trocknen an der Besangaffel aufgehängt. Jawohl!

Sven Nyberg schnappte nach Luft.

Nils Larsen zischte ihm zu: „Laß ihn, Sven, reg dich ab! Der hat heute voll aufgebraßt und will uns zeigen, wie ein Admiral von Mast zu Mast hüpft.“

„Und dabei auf die Schnauze fällt“, sagte Sven Nyberg kochend vor Zorn über soviel Unvernunft ihres Alten.

Auf der „Isabella“ hatten sie schon gespitzt, was sich da an Bord der „Empress“ abspielte. Die Brüllerei war ja nicht zu überhören. Der „treibende Gegenstand“ mit den herumflatternden Möwen weit voraus war ebenfalls gesichtet worden. Jack Finnegan, der im Vormars der „Isabella“ Ausguck hielt, hatte ihn nach achtern gemeldet.

Schon gar nicht war zu übersehen, daß Old Donegal Daniel O’Flynn im Luvwant des Großmastes Kletterübungen veranstaltete.

„Was hat den denn gebissen?“ sagte Edwin Carberry fassungslos und verblüfft zugleich. Das hieß viel bei ihm, denn wenn jemand mit den absonderlichen Mucken des Old O’Flynn vertraut war, dann er, der Profos der „Isabella“.

Er liebte den alten Zausel herzinniglich, was ihn nie hinderte, mit ihm in ständiger Fehde zu liegen. Doch jetzt hielt Carberry gewissermaßen die Luft an. Am liebsten hätte er weggeschaut. Das mit anzusehen war schlimmer als der kreischende Schmerz in einem hohlen Backenzahn, wenn Kaltluft über das Loch pfiff.

Smoky betrachtete die Turnerei Old Donegals aus einem völlig anderen Blickwinkel, der mit seiner Wettsucht zusammenhing.

Er sagte: „Ist doch klar, Ed. Er hat mit Sven gewettet, daß er als einbeiniger alter Knochen immer noch Manneskraft genug hat, um jungen Hüpfern zu zeigen, wie man auf dem Großtopp einen Handstand drückt, einhändig natürlich.“

Carberry ächzte.

„Smoky“, brachte er mühsam heraus, „Smoky, du bist der dusseligste Blödmann, der je auf den Planken der ‚Isabella‘ gestanden hat. Du bist so was von bescheuert, daß mir die Spucke sauer wird!“ Und dann pumpte sich der Profos mit Luft voll und röhrte: „Dieser Urgroßvater da drüben ist einbeinig! Ein bemooster Methusalem ist das! Der stammt noch aus der Zeit, als sich unsere Ahnen mit der Steinaxt die Bärte abschnitten und sie ihren Frauen zum Geburtstag als Fußwärmer schenkten! Jawohl, so ist das! Da gibt’s überhaupt nichts zu grinsen!“

Paddy Rogers, der mit dem schnellen Denken etwas Schwierigkeiten hatte, war mehr an den Fuß wärmern als an Old O’Flynn interessiert und wollte jetzt wissen, ob die abgeschnittenen Bärte zu dem genannten Zweck gespleißt werden müßten, oder ob man mit ihnen einfach nur die Schuhe auspolsterte.

Carberry starrte den rothaarigen, bulligen Paddy an, als wüchsen dem Radieschen aus den Nasenlöchern.

„Spinnst du, Mister Rogers?“

Das verneinte Paddy Rogers mit treuherziger Miene, aber die Fußwärmer ließen ihm keine Ruhe, und so wiederholte er seine Frage. Auf die brauchte der Profos aber nicht mehr einzugehen.

Denn jetzt verkündete Smoky triumphierend, Old Donegal sei bis unter die Saling geklettert.

„Ha!“ rief er begeistert. „Da siehst du, was Manneskraft vermag! Wetten, daß er auf dem Topp gleich den einhändigen Handstand drückt?“

„Idiot!“ knurrte Carberry.

„Sind das nun gespleißte Fußwärmer?“ fragte Paddy Rogers beharrlich. „Oder wie? Und sind Barthaare wärmer als andere Haare?“

Aus dem breiten Brustkasten Carberrys stieg dumpfes Grollen. Mit seinem einen Blick rammte er Paddy Rogers durch die Planken bis aufs Kielschwein, mit dem anderen zerfetzte er Smoky in der Luft. Und dann ließ er die beiden stehen und stieg auf die Back, um dem „Urgroßvater“ näher zu sein, der zu diesem Zeitpunkt mit dem linken Fuß auf einer Webeleine balancierte, den rechten Unterarm um ein Want geschlungen hatte und mit der linken Hand am Gurt herumfummelte, wo sein Spektiv steckte.

Von wegen einhändiger Handstand!

Old Donegal zerrte am Spektiv, verdrehte gleichzeitig den Kopf schräg nach rechts unten und blaffte: „Einen halben Strich nach Steuerbord, Mister Nyberg, du rammst sonst das Pökelfaß!“

„Darauf sollte ich Kurs halten!“ brüllte Sven Nyberg erbost zurück.

„Mister Nyberg! Hiermit erteile ich dir eine zweite Verwarnung! Abfallen, sagte ich. Einen Strich abfallen!“

„Ich denke, ’n halben Strich?“

„Nein, noch besser zwei Strich, damit ich das Objekt besser beobachten kann!“ Die weißen Haare des Alten flatterten im Fahrtwind. Endlich hatte er das Spektiv aus dem Gurt gezerrt und schwenkte es wie einen Marschallstab, um es ans Auge zu setzen. Ans linke? Oder ans rechte?

Sie starrten alle zu ihm hoch. In dieser verdwarsten Position hatte schon ein ganz normaler zweibeiniger Mann Schwierigkeiten, sich festzuhalten und gleichzeitig durch den Kieker zu spähen. Und diesen Kieker hielt man üblicherweise mit beiden Händen, damit er nicht vorm Auge herumwackelte.

Seiltänzern und Artisten war zuzutrauen, daß sie, einbeinig auf schwankender Unterlage, vielleicht mit einer Rumpfbeuge durchs abgegrätschte andere Bein nach achtern peilten – eine Glanzleistung des fahrenden Volks auf den Stadtmärkten –, aber Old Donegal war kein Seiltänzer, Artist schon gar nicht.

Hasard und Philip junior kannten sich da aus, hatten sie doch, entführt, verschleppt und verkauft, ihre ersten Lebensjahre bei einer Gauklertruppe verbracht, von der ihre Zwillingsähnlichkeit zu den tollsten Tricks – auf dem Seil – ausgenutzt worden war.

Doch Grandpa versuchte dort oben Unmögliches. Sie wechselten beide einen verstörten Blick, und jeder sah bei dem anderen, daß er die Oberzähne in die Unterlippe vergraben hatte. Und in ihre beiden Augen, die so eisblau wie die ihres Vaters waren, erkannten sie den gleichen Gedanken: Das kann nicht gutgehen!

Carberry hatte recht.

Und Smokys Kundgebungen über Manneskraft, junge Hüpfer und einhändig gedrückte Handstände auf dem Masttopp waren so falsch wie ein angeklebter Bart.

Über mit der Steinaxt gekappte Bärte grübelte Paddy Rogers indessen immer noch nach, wie es so seine Art war.

Um alle diese Beschreibungen nicht auswuchern zu lassen: Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, Schwiegersohn des Old O’Flynn, hatte genauso wie seine Zwillingssöhne Oberkiefer und Unterkiefer zusammengepreßt. Nur das Licht in seinen eisblauen Augen war dunkler als bei seinen beiden Söhnen. Auch der Ausdruck in seinem scharfkantigen Gesicht war härter. Er verhieß nichts Gutes.

Dabei konnte er nichts tun.

Dort voraus segelte die „Empress“. Er stand auf dem Achterdeck der „Isabella“, von der „Empress“ an die neunzig Yards Luftlinie entfernt, zu weit entfernt, um etwas zu verhindern.

So passierte es.

Old Donegal war sich unschlüssig, ob er den Kieker ans linke oder rechte Auge setzen sollte. Klar, das Want hatte mehr als Körperbreite. Wenn er das Spektiv mit beiden Händen halten wollte, mußte er den rechten Arm vom Want lösen.

Das tat er.

Vielleicht geschah das etwas zu ruckartig. Jedenfalls rutschte er mit dem linken Fuß von der Webeleine, hing plötzlich am hinteren Want, versuchte noch, mit den Händen die erreichbare Webeleine zu packen – das Spektiv flog ins Wasser –, er schaffte den rettenden Zugriff nicht und sauste abwärts.

Daß er schrie, hörten nur die entsetzten Zuschauer.

Er krachte auf die Kuhlplanken der „Empress“ wie eine überreife Kokosnuß. Wie gut, daß man nichts spürt, wenn etwas zu Bruch geht. Im ersten Moment jedenfalls.

Edwin Carberry auf der Back der „Isabella“ senkte den Kopf, und niemand hörte, was er dem großen Kapitän im Himmel versprach, so er fürsorglich den Daumen dazwischengehalten habe.

Herr, sagte er still, du weißt, daß ich ein alter Sünder bin. Aber laß meinen alten Donegal nicht auf diese Weise von uns gehen. Du weißt ganz genau, daß er und ich Freunde sind, Brüder, die du nicht trennen darfst. Wenn du das tust, dann kündige ich dir den Gehorsam auf. Aber wenn er sich nicht das Genick gebrochen hat, dann, das schwöre ich dir, trinke ich ein Rumfaß weniger!

Er war doch ein Schlitzohr, dieser Profos, weil er dem Herrn nicht offenbarte, von wie vielen Rumfässern die Rede war. Denn sollte er das Methusalemalter Old Donegals erreichen, würde er den karibischen Rumvorräten bereits erheblichen Schaden zugefügt haben, so daß ein Rumfaß, auf das er verzichtet hatte, ein lächerlicher Schnips war, eine Bagatelle im Meer der karibischen Seligkeit.

Vielleicht hätte der Profos versucht, den Herrn auch noch mit einem zweiten Rumfaß als Zugabe zu belatschern, aber da riß ihn Philip Hasard Killigrews Stimme aus seiner Versunkenheit. Na, diese Stimme, die mal wieder den Klang von zerberstenden Eisschollen hatte.

„In den Wind und geit auf die Segel!“ Das galt Pete Ballie, dem Rudergänger der „Isabella“, sowie den Arwenacks.

Und: „Empress, bitte längsseits kommen!“ Das galt Old Donegals Mannen.

Martin Correa auf der „Empress“ zeigte klar und übernahm die Pinne, während Sven Nyberg zur Kuhl stürzte, wo bereits die Zwillinge bei dem Alten knieten und seinen Kopf stützten.

„Er lebt!“ flüsterte Philip junior und schaute zu Sven hoch.

Richtig, das stimmte. Das Genick hatte sich der alte Turner beim Sturz auf die Kuhlplanken nicht gebrochen. Auch nicht sein verdammtes Holzbein, was nicht weiter schlimm gewesen wäre, weil ihm Ferris Tucker ein neues geschnitzt hätte oder sogar noch eins in Reserve hatte, denn Old Donegal hatte einen ziemlichen Verschleiß an Holzbeinen.

Nein, das war alles soweit in Ordnung. Aber da war was mit dem linken Unterschenkel. Das war ganz deutlich zu sehen, jedenfalls ging das aus der Stellung des Hosenbeins hervor. Das war irgendwie verdreht und nicht so, wie es sein sollte. Ohne Frage, das linke Hosenbein war schief.

Sven Nyberg biß die Zähne zusammen. Er konnte sich schon vorstellen, was sich unter dem Hosenbein verbarg. Für einen kurzen Moment wurde ihm fast übel.

Old Donegal war von dem Aufprall auf die Planken für einige Sekunden die Luft weggeblieben. Vermutlich war er auch kurz weggetreten. Jetzt wurden seine Augen wieder lebendig, und er schielte zu Sven Nyberg hoch.

Er schnaufte ein bißchen. Und schon ging’s los: „Zwei Strich abfallen, hab ich gesagt …“ Kurze Pause. „Kannst du mir mal sagen, was du hier zu suchen hast, Mister Nyberg? Du solltest das Pökelfaß ansteuern …“

„Du bist abgestürzt, Martin steht jetzt am Ruder“, sagte Sven Nyberg gepreßt. „Hast du Schmerzen?“

„Ich? Schmerzen? Von was denn?“ Wieder Pause. Dann: „Abgestürzt? Wieso abgestürzt? Du spinnst wohl?“

Sven Nyberg wechselte einen schnellen Blick mit den Zwillingen. Hatte der Alte eine Gedächtnislücke? Hasard junior schüttelte unmerklich den Kopf, womit er sagen wollte, daß er das auch nicht verstehe.

„Du bist in den Backbordgroßwanten bis zur Saling hochgestiegen“, sagte Sven Nyberg, „um von dort aus mit dem Spektiv das Pökelfaß in Augenschein zu nehmen. Aber da bist du irgendwie abgerutscht und auf die Kuhl gestürzt.“

„Quatsch! Kann mir nie passieren, so was“, knurrte Old Donegal. „Ich bin schon auf ganz andere Masten gestiegen – die von der alten ‚Empress‘ waren doppelt so hoch. Damals, bei dem Sturm in der Java-See …“ Er verstummte und wurde weiß um die Nase! Er hatte sich nur etwas bewegt, und da war der Schmerz da und packte zu. „Uaahh“, gurgelte er, „verdammt, mein Bein …“ Er stieß zischend die Luft aus und wollte sich aufrichten.

Sven Nyberg drückte ihn nach unten, sehr sanft, und sagte beruhigend: „Bleib erst mal liegen, Old Donegal. Wahrscheinlich ist dein Bein verletzt. Der Kutscher wird sich darum kümmern. Wir gehen längsseits der ‚Isabella‘, und dann sehen wir weiter.“

Es war zum Auswachsen mit dem Alten. Der wurde zwar von Schmerzen gebeutelt, was ihn jedoch nicht hinderte, wieder den Kapitän, wenn nicht gar den Admiral hervorzukehren.

„Daß dich doch der Teufel hole, Mister Nyberg!“ fauchte er. „Du sollst das Pökelfaß ansteuern, hab ich befohlen. Dort gehst du längsseits, nicht bei der ‚Isabella‘! Hast du verstanden? Und der Kutscher soll bleiben, wo der Pfeffer wächst – ich brauche den Kerl nicht, verdammt noch mal! Ich …“