Seewölfe - Piraten der Weltmeere 736 - Davis J. Harbord - E-Book

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 736 E-Book

Davis J. Harbord

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Beschreibung

Der Grieche wich zurück, in der linken Hand ein Messer, in der Rechten den Degen. Schweiß strömte über sein Gesicht und tropfte von den Enden seines Sichelbartes. Sein vorher graues Gesicht war rot verfärbt. In den schwarzen Augen glitzerte unverhüllte Mordlust. Ein blitzschneller Ausfall der Roten Korsarin, ein fast noch schnellerer Hieb nach rechts, kurz und knapp aus dem Handgelenk, und schon flog das Messer davon. Und in der linken Hand des Griechen klaffte eine tiefe Wunde. Er jaulte den Himmel an und glich in diesem Moment wirklich einem Köter. Doch dann verstummte das Jaulen abrupt, als die Rote Korsarin wieder angriff...

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Impressum© 1976/2021 Pabel-Moewig Verlag KG,Pabel ebook, Rastatt.eISBN: 978-3-96688-158-6Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

Davis J. Harbord

Tödlicher Stahl

Eine Frau mit dem Degen? Da können die Piraten nur hohnlachen …

Bevor die Karavelle des Nikos Dragumis nach Steuerbord kenterte – auf dieser Seite von den Culverinenkugeln der „Flecha“ und „Adelante“ zerhackt –, hatte sich der Grieche bereits ins Wasser fallen lassen, und zwar an der Backbordseite, wo ihn der Rumpf seines Schiffes gegen Kugeln und Splitter abschirmte. Dort auch, in Höhe der Kuhl, lag immer noch das Beiboot der Karavelle längsseits, und der Grieche überlegte, ob er sich in das Boot retten solle.

Aber etwas Merkwürdiges passierte. Als die Karavelle nach Steuerbord zu krängen begann, zog sie die Jolle mit, so daß sich deren Bug immer mehr aus dem Wasser hob, und zwar an der Vorleine, die sich spannte wie eine Bogensaite. Fast trug die Karavelle die Jolle jetzt huckepack auf ihrer Backbordseite. Doch dann brach die Vorleine. Die Jolle überschlug sich nach hinten und klatschte kieloben ins Wasser …

Die Hauptpersonen des Romans:

Nikos Dragumis – genannt der Grieche, wird mit einem Gegner konfrontiert, vor dem er das Hasenpanier ergreift.

Djerba – sein Bootsmann folgt ihm wie ein treuer Hund, weiß aber nicht, daß ihn sein Herr schnöde im Stich lassen wird.

Licata – ein blonder Sizilianer, der plötzlich begreift, daß er das Ruder seines Lebensschiffs herumwerfen muß.

Juan de Zarate – der Kommandant der „Almeria“ hat es mit zwei Gefangenen zu tun, die das reine Gift sind.

Siri-Tong – die Rote Korsarin stellt sich zum Degenkampf und zeigt ihre Fechtkunst.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Fast wäre der Grieche im Wasser von der Jolle erschlagen worden, denn er war auf sie zugeschwommen. Dann begriff er instinktiv, daß sie ihm auch im Zustand des Kielobenschwimmens eine Chance bot, sich zu retten, eine kleine Chance, aber in dieser katastrophalen Situation war sie besser als gar nichts.

Er untertauchte die Jolle, und als er den Kopf wieder aus dem Wasser streckte, befand er sich zwischen zwei Ruderbänken und hatte ein gewölbtes Dach über sich. Da schwamm er also in einem Hohlraum, der von allen Seiten in Schulterhöhe von Wasser umschlossen war und genug Luft zum Atmen in sich barg. Er hielt sich an den Ruderbänken fest und lauschte.

Die Geräusche waren in seltsamer Weise verzerrt, aber doch zu unterscheiden – das dumpfe Donnern der Culverinen, das Belfern der Drehbassen und das Peitschen der Musketen- und Tromblonschüsse. Und er hörte die Schreie der Kumpane, die im Wasser von Musketenkugeln getroffen wurden.

Eine höllische Angst packte ihn, als er plötzlich daran dachte, daß es hier auch Haie gab. Waren sie nicht immer dort zur Stelle, wo Verletzte im Wasser trieben?

Er tastete mit der rechten Hand nach unten an seine Hüfte. Ja, das zweischneidige Messer steckte noch dort. Er zog es aus der Lederscheide und behielt es in der rechten Hand. Die Panik, die in ihm hochgeschossen war, wich etwas.

Es war finster in dem Hohlraum, der ihn einerseits beschützte, andererseits bedrückte. Er schwitzte, und er fror. Vergeblich versuchte er sich daran zu erinnern, wie das Boot gelegen hatte, als er abgetaucht war. Es fiel ihm nicht ein. Hatte der Vorsteven zum Land oder zu der kenternden Karavelle gewiesen? Verdammt, warum hatte er sich das nicht gemerkt! Es war wichtig, denn mit Wassertreten könnte er versuchen, das Boot in Richtung Strand zu treiben.

Das scharfe, fetzende Geräusch riß ihn aus seinen Überlegungen. Etwas Heißes sauste an ihm vorbei und schlug mit einem trockenen Laut ins Holz – offenbar in die Seitenbeplankung. Aber in welche?

Er wandte den Kopf nach rechts, und da war ein winziger Lichtstrahl, der durch ein kreisrundes Loch fiel, ein Loch, das eine Musketenkugel gestanzt hatte. Sie hatte auf der einen Seite die Beplankung durchschlagen, war an ihm vorbeigepfiffen und in der anderen Bordseite steckengeblieben.

Wahnsinn! dachte er und stieß zischend die Luft aus. Um eine knappe Fingerbreite hatte ihn die Kugel verfehlt.

Doch jetzt konnte er sich orientieren. Das bißchen Licht durch das Musketenloch ließ ihn erkennen, daß er sich zwischen der zweiten und der dritten Mittelducht befand, den Rücken dem Vorsteven und das Gesicht dem Heck zugewandt. Das Kugelloch war auf der Backbordseite der Jolle, etwa zwei Handbreiten über der Wasserlinie – über der jetzigen Wasserlinie, verbesserte er sich, denn die Jolle lag ja kieloben.

Er hangelte nach Backbord, mußte sich etwas ducken und konnte jetzt durch das Loch spähen.

Da war die See – aus diesem Blickwinkel ein bewegtes Wasser, glitzernd und funkelnd und rötlich überhaucht. Rötlich?

Ja, rötlich. Der obere Rand der Sonne stand an der Kimm, und damit war die Lage des Bootes klar: seine Backbordseite wies nach Osten, der Vorsteven also nach Norden und die Steuerbordseite zum Land. Dort erstreckte sich der Strand der südlichen Ostseite von Eleuthera.

Er atmete tief durch und drehte die Jolle um neunzig Grad nach Westen, so daß ihr Bug jetzt zum Strand gerichtet war. Er war ein bulliger Mann mit den Kräften eines Stiers, aber er mußte sich mächtig anstrengen, um die Jolle im Wasser herumzuhebeln.

Noch immer krachten die Schüsse, hatten sich aber etwas nach Süden verlagert. Was dann folgte, war eine jähe, schmetternde Explosion, deren Druckwelle das Boot wie verrückt tanzen ließ. Da mußte eine Pulverkammer in die Luft geflogen sein. Die Karavelle von Einauge? Möglich.

Der Grieche grinste hart. Wenn sich Einauge noch an Bord befunden hatte, dann war er geradewegs in die Hölle gerast – so es die gab.

Kaum war das Tanzen der Jolle abgeklungen, stieß etwas an deren Steuerbordseite, die Jolle schaukelte, unter Wasser bewegte sich irgendwas, und plötzlich tauchte ein Kopf vor der Heckducht auf. Vom linken Ohr dieses Kopfes fehlte die Hälfte.

Djerba!

Sein Bootsmann spie keuchend einen Strahl Wasser aus, drehte dann den Kopf, entdeckte ihn – und seine Augen weiteten sich ungläubig. Offenbar hatte er seinen Kapitän längst aufgegeben und war überrascht, hier unter der Jolle auf ihn zu stoßen.

„Ich bin noch nicht hinüber“, knurrte der Grieche. „Wie sieht’s draußen aus?“

Draußen! Er meinte das, was sich außerhalb der Jolle befand.

„Beschissen“, erwiderte Djerba und wischte sich die triefenden Haare aus dem Gesicht. „Unsere Karavelle ist gerade gesunken. Auch die von Barca.“ Er schniefte. „Der Kahn von Einauge ist in die Luft geflogen – er mit. Er war noch an Bord. Diese spanischen Bastarde haben uns ganz schön den Bart versengt.“

Das war noch milde ausgedrückt.

Sie lauschten, denn plötzlich waren keine Schüsse mehr zu hören.

„Ob sie abziehen?“ Es war mehr eine Frage, die sich der Grieche selbst gestellt hatte, aber Djerba holte Luft und tauchte weg.

Die Jolle dümpelte unruhig.

Der Grieche starrte zu der Stelle vor der Heckducht, wo Djerbas Kopf im Wasser verschwunden war. Ein paar Blasen blubberten dort noch hoch.

Und wieder dachte der Grieche an jene fürchterliche Schrecksekunde – damals im Mittelmeer, als sich Djerba in den tödlichen Säbelhieb geworfen hatte, in den Säbelhieb des Malteserritters, der seinen, Nikos Dragumis’ Hals vom Kopf vermutlich getrennt hätte. Djerba hatte den Hieb abgelenkt, aber von der Säbelklinge war ihm das halbe linke Ohr abrasiert worden. Und in der linken Schulter hatte Djerba noch heute eine tiefe Narbe.

Damals, als sie La Valetta überfallen hatten, waren es diese verdammten Malteserritter gewesen, von denen ihr Angriff abgeschlagen worden war – die einzige Niederlage, die er hatte hinnehmen müssen, seit er das Handwerk der Piraterie auf eigene Faust betrieb.

Ja, damals hatte er noch zwei Karavellen gehabt und sich mit ihnen zurückziehen können, auch wenn der größte Teil seiner Meute bei dem Angriff draufgegangen war.

Aber jetzt hatte er drei Karavellen verloren. Drei Karavellen! Und nichts weiter war ihm geblieben als eine kieloben treibende Jolle.

Djerba tauchte schnaubend im Cockpit vor der Heckducht auf, spie wieder einen Wasserstrahl aus und verkündete: „Die Hunde hauen ab und törnen südostwärts in Richtung der kleinen Insel.“

„Dann laß uns den Kahn an Land treiben“, sagte der Grieche verbissen.

Sie nickten sich zu, tauchten nach außen, bewegten sich zum Heck und schoben das Boot schwimmend in Richtung des Strandes. Ringsum trieben Schiffstrümmer, sogar ein Mast, zersplittert und zerfranst, war dabei – und Tote, aber auch Verwundete, die stöhnten und jammerten oder fluchten, während sie zum rettenden Strand paddelten. Drei hingen an einer Gräting und stritten sich, denn jeder beanspruchte sie für sich. Ein paar hatten es tatsächlich geschafft, bereits zum Land zu schwimmen. Sie hockten oder lagen keuchend im Sand, keiner kümmerte sich um den anderen. Der Schock steckte ihnen in den Knochen.

Es war eine Szenerie, wie sie trostloser nicht sein konnte. Die Niederlage war vollkommen. Dabei konnten die Überlebenden noch von Glück sprechen, daß die Spanier nicht landeten und sie auch noch umbrachten oder kurzerhand aufknüpften. Kokospalmen waren zur Genüge vorhanden, an denen sie hätten zappeln können.

Daß sich die Spanier nicht mehr um die Überlebenden kümmerten, unterstrich vielmehr die Trostlosigkeit ihrer Lage: es war nicht der Mühe wert, den Rest der Galgenvögel über den Jordan zu schicken, sie würden ohnehin über kurz oder lang ihr Dasein beenden, die Verwundeten vermutlich zuerst, die anderen, wenn sie die natürlichen Nahrungsmittelquellen der Insel aufgebraucht hatten.

Sie hatten bisher vom Seeraub gelebt, und das nicht schlecht. Aber um auf einer einsamen Insel zu überleben, abgeschnitten von jeder anderen Gesellschaft, dazu gehörte mehr als das Handwerk der Piraterie.

Der Grieche und Djerba spürten Grund unter den Füßen. Sie schoben die Jolle noch ein Stück weiter auf den Strand zu, bis sie selbst im knietiefen Wasser standen. Dann wandte sich der Grieche zu den Kerlen am Land um und befahl ihnen, ihm zu helfen, die Jolle umzudrehen und auf den Strand zu ziehen.

Sie saßen da wie gerupfte Geier, glotzten, und keiner rührte sich.

Einer, dessen Visage von einem Messerschnitt diagonal in zwei Hälften geteilt war, knurrte: „Dreh sie doch selber um, Grieche. Uns hast du nichts mehr zu befehlen, damit das klar ist.“

Djerba watete an Land, ging zu dem Kerl, schaute auf ihn hinunter und sagte: „Steh auf, mein Freund.“

„Troll dich“, erwiderte der Kerl, „du hast hier auch nichts mehr zu vermelden.“

„Na gut“, sagte Djerba gelassen und nickte, „werde mir’s merken – vor allem dann, wenn wir mit dem Boot diese Insel wieder verlassen. Dann darfst du nämlich zusehen, weil du hierbleibst, mein Freund.“

Der Kerl guckte verdutzt. Dann rappelte er sich hoch und sagte: „Ach so, das ist natürlich was anderes. Wenn ihr abhauen wollt, bin ich dabei.“

„Mal sehen“, sagte Djerba, nahm Maß und feuerte dem Kerl die brettharte rechte Faust unters Kinn. Es war ein mörderischer Schlag, der dem Messernarbigen den Kopf ins Genick riß. Er taumelte zurück, Djerba blieb dran, hieb ihm die Faust in den Magen, und als der Kerl zusammenknickte, flog ihm Djerbas Stiefelspitze entgegen. Sie traf punktgenau jene Stelle unter dem Kinn, wo auch die Faust gelandet war.

Der Messernarbige schlug wie ein gefällter Baum zu Boden und rührte sich nicht mehr.

Mit einem bösartigen Grinsen drehte sich Djerba zu den anderen Kerlen um. „Ist noch jemand der Ansicht, daß der Grieche oder ich nichts zu vermelden hätten? Er braucht es nur zu sagen.“

Sie schwiegen und sahen aus wie verprügelte Hunde. Dann stand einer auf und schlurfte zu der Jolle, wo sich der Grieche aufgebaut hatte, die Beine gegrätscht, die Arme über dem mächtigen Brustkasten verschränkt. In seinem Gesicht glitzerte verhaltene Wut.

„Hoch mit euch“, sagte Djerba zu den anderen Kerlen, es waren noch fünf, aber weitere Kerle wateten an Land und warfen sich erst mal hin, erschöpft, entnervt oder kaum in der Lage, das ganze Ausmaß der plötzlichen Katastrophe zu begreifen.

Die fünf Galgenvögel standen auf, bewegten sich mißmutig zu der Jolle und vermieden es, den Griechen anzusehen oder ihm zu nahe zu geraten.

„Dreht sie um“, knurrte der Grieche.

Sie gehorchten, wuchteten die Jolle auf den Kiel und zogen sie aus dem Wasser höher auf den sanft ansteigenden Strand. Das Musketenloch an der Backbordseite lag unter dem Wasserspiegel. Ein zurechtgeschnittener Astpflock würde genügen, das Loch abzudichten. Sobald das Holz später im Wasser aufquoll, würde kein Tropfen mehr durchsickern.

Diese Jolle war in ihrer desolaten Lage sozusagen Gold wert. Wenn es gelang, Segeltuch aus dem Wasser zu fischen, auch Spieren und Tauwerk, dann würde es möglich sein, sie mit einem Rigg zu versehen, um mit ihr segeln zu können.

Die sechs Kerle, welche die Jolle umgedreht und auf den Strand gezerrt hatten, waren unverletzt, schienen aber der Ansicht zu sein, genug getan zu haben. Jedenfalls ließen sie sich wieder im Sand nieder und taten so, als müßten sie verschnaufen.

Die Abreibung, die Djerba dem Messernarbigen verpaßt hatte, war wohl noch nicht deutlich genug gewesen, um ihnen zu demonstrieren, wer hier das Zepter schwang.

„Sammelt das Treibgut ein“, sagte der Grieche scharf. „Wir brauchen alles, was noch irgendwie verwertbar ist – Riemen, Segeltuch, Tauwerk, Spieren, Grätings, Öskellen, einfach alles, was ihr findet.“

„Und zu was soll das gut sein?“ fragte einer aufsässig, ein Kerl mit einem Geiergesicht und eng zusammenstehenden, stechenden Augen.

„Du hast hier nicht zu fragil, sondern zu gehorchen“, erwiderte der Grieche gefährlich leise.

„Ich frage aber“, sagte der Kerl trotzig.

Mit einem Panthersatz war der Grieche bei ihm, riß ihn hoch wie eine Strohpuppe und zu sich heran, wobei er gleichzeitig den Glatzkopf senkte, so daß der Kerl mit seinem Geiergesicht schmerzhaft gegen seinen Schädel prallte.

Der Kerl jaulte auf, und das Wasser schoß ihm in die Augen, aber der Schmerz vom Zusammenprall war nichts im Vergleich zu dem, was die Fäuste des Griechen anrichteten, der genau wußte, wo er treffen mußte und dabei auch Leber und Niere des Geiernasigen nicht aussparte, ganz abgesehen von hundsgemeinen Tiefschlägen.