Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Wolfgang Blanke, geb. 1948 in Münster NRW, Buchautor und freier Maler (u.a. "Aussteigen oder von der Philosophie des Fahrtensegelns") kauft günstig mittels heimischem PC über das Internet eine Segelyacht nördlich von New York, segelt im Herbst von dort entlang der Küste und durch den Intracoastal Waterway nach Florida und zu den Bahamas der Sonne entgegen. In diesen sechs Monaten erfährt er das Land aus neuer Perspektive, gewinnt gute Freunde und wundert sich, warum nicht mehr Deutsche dieses so einfach zu erobernde Paradies auf diese Weise bereisen. Kontrastreicher, bequemer und trotzdem anspruchsvoll ist selten ein Yachtrevier auf dieser Erde.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 170
Veröffentlichungsjahr: 2013
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Wolfgang Blanke
Segeln
USA Ostküste
und Bahamas
Erfahrungsbericht und Ratgeber
Books on Demand
for Donna
Einleitung
Traumland USA?
Das Revier der großen Kontraste
Kurzinformation USA Ostküste
Vom Barnegat Inlet bis Norfolk
Von Norfolk nach Florida
Von Florida zu den Bahamas
Tückisches Paradies
Exumas
Von Nassau nach Fort Lauderdale
Anhang
Charter oder Kauf?
Technische Daten von „Duet“
Kostenaufstellung „Duet“
Geld
Wetter
Marinas und Ankerplätze
Infomaterial
Einkaufen
Versicherung und Registrierung
Visum
Kommunikation
Entfernungen
Zum Autor
Bilder
Dieses Buch ist Erlebnisbericht, Reiseführer und Ratgeber. Alle, die mit dem Gedanken spielen, das Revier Ostküste der USA für sich zu entdecken, sollten es lesen, denn es wird ihnen Ähnliches passieren, sie werden die gleichen Probleme und Freuden haben, denn man hört diese Geschichten immer wieder in den Kreisen der Yachties, wobei natürlich die Entscheidung für ein Motorboot oder Segelboot entsprechende Akzente setzt. Das ist eine Frage des Geschmacks, der Bequemlichkeit und der Weltanschauung. Bis heute ist mir jedenfalls immer noch nicht ganz klar, warum so verschwindend wenige Deutsche diesen Törn fahren – ich glaube, es hat sich einfach noch nicht herumgesprochen.
Kuhardt, 09.02.2007
„…bin dann online gegangen und habe die Seiten mit den second hand Segelyachten gedownloaded, habe dann mit call-by-call Billigtarif dem Skipper meiner Traumyacht in seiner Mailbox meine Handynummer hinterlassen – mein erster Kontakt zu meinem Boot – cool“. Es ist ja alles so einfach geworden, und die Supermacht hat uns fest im Griff: Supermarkt, Jeans, T-Shirt, Windows, Internet, Hollywood, Hits. Warum also nicht gleich dorthin? Natürlich segeln. Der Gebrauchtbootmarkt ist extrem billig, im Internet kann man schauen, und die ganz Cleveren können dort sogar Schnäppchen ersteigern. Außerdem ist da noch dieser Traum zu träumen, von Freiheit, von unbegrenzten Möglichkeiten, von einer neuen Welt.
Es dauert also nicht lange und mein Handy klingelt: Bud Fuller ist erfreut, dass ich mich für seine „Duet“, eine Pearson 30 für 13 500 USD interessiere. Er will mir weitere Informationen per E-Mail senden, und er lädt mich ein, bei ihm und seiner Frau Kathy in ihrem Heim in Stamford zu wohnen, wenn ich komme, um das Boot anzuschauen. Seine freundschaftliche Art macht mich verlegen und unsicher. Das ist USA, rede ich mir ein, die sind da so, also gewöhne dich langsam wieder daran und pass dich gefälligst an. Plötzlich liegt in meiner Phantasie eine einladende lächelnde Welt vor mir, nette Kumpel, mein Boot, herrliche Küsten. Das Leben kann so einfach und schön sein. Also nix wie los.
Natürlich kontaktiere ich noch zwei weitere verlockende Angebote etwas weiter nördlich von Stamford, auch im Long Island Sound, nördlich von „Big Apple“, New York. Im Norden will ich starten, und es sollte Spätsommer oder Herbst sein, ich möchte dem Winter entfliehen und mit den Vögeln in den Süden ziehen. Und ich möchte frei sein in diesem Land, so wie mein Vater einst.
Mein Vater war Mitbegründer der Amerikanistik in Deutschland, die sich anfänglich in den 1950ger Jahren gegen die bis dahin dominierende Anglistik durchsetzen musste. Aber die USA entwickelten eine derartige wirtschaftliche, militärische, politische und kulturelle Macht, dass dieser Fachbereich an den Universitäten in Deutschland immer mehr an Bedeutung gewann. Als amerikanischer Kriegsgefangener hatte mein Vater allerhand Vergünstigungen genossen, da er nachweisen konnte, dass er bereits vor dem Krieg in den USA ein Stipendium hatte, und über das Land und die Sprache eine Veröffentlichung vorlegen konnte. Seine Begeisterung übertrug sich auch auf mich. Viele Reisen, Erfahrungen und Entwicklungen in den USA ließen dann allerdings auch kritische Fragen entstehen, sie führten zu heftigen Auseinandersetzungen. Heute bin ich sicher, dass auch mein Vater, wenn er denn noch lebte, die USA in einem ganz anderen Licht sehen würde. George W. Bush hätte ganz wesentlich an der Zerstörung seines amerikanischen Traums beigetragen.
Inzwischen habe ich einen Mieter für den Gastbereich meines Hauses gefunden, er soll den Kater füttern und die Heizung überwachen. Die Prozedur eines Antrags für ein halbjähriges Visum für die USA ist abschreckend. Dann fliege ich eben nach drei Monaten über Weihnachten zurück. Die Flüge sind billig, und meine Leute werden sich freuen.
Im abendlichen Landeanflug auf New York am Montag, 15.09.2003, sehe ich die zerlappten Gestade des Long Island Sounds, unter mir Villen mit Gärten und Pools, fast endloser Reichtum, unterbrochen von mehrspurigen Straßen im Rechtecknetz, dahinter die beleuchtete Whitestone Bridge über dem East River.
Das wird mein erstes großes Ziel sein, nehme ich mir vor, und ich freue mich wie ein Kind auf ein neues Spielzeug. Der Immigration Officer aber mag mein Vorhaben überhaupt nicht, ohne Adresse komme ich nicht rein ins Land. Aber wie soll ich eine Adresse haben, wenn ich auf einem Boot wohnen werde, das segelt auf dem Meer oder bestenfalls von Hafen zu Hafen! Na gut, dann eben die Adresse des Verkäufers.
Er macht mir diesen Vorschlag, da solche Exoten wie ich nicht vom System erfasst wurden. Endlich bin ich draußen vor dem lebendigen Kennedy Airport Terminal, warte kurz auf den Avis-Mietwagen-Zubringerbus, 20 Minuten später habe ich einen fast neuen Chevy, Koffer rein und los in den nächtlichen Regen, hinein in den Verkehr, auf die Interstate 95 Northbound. In den Villenvierteln von Stamford ca. 30 Meilen weiter im Norden hilft mir die kleine aus dem Internet ausgedruckte Karte, sie bringt mich vor die Tür des Ehepaars Fuller, die eben die letzten Gäste eines großen Abschiedsfestes verabschieden, denn sie wollen am nächsten Morgen in ihr Winterdomizil nach Kalifornien.
So komme ich um Mitternacht in den Genuss einiger übrig gelassener Häppchen, trinke kalifornischen Wein und halte die Unterlagen von „Duet“, einer zehn Meter Segelyacht Baujahr 1978, in den Händen. 13 500 USD für so viel Schiff und Ausrüstung, ich kann es kaum glauben. Die Fullers machen einen sehr zuverlässigen Eindruck – es ist traumhaft. Aber ich habe das Auto für eine Woche gemietet, will noch hinauf nach Mystic Seaport, dem Mekka der Segler und Schiffsliebhaber, will auch noch einen Blick auf andere Angebote werfen, und ich muss schließlich die 20 000 USD holen, die ich meinem Freund Jörg in Providence, Rhode Island, überwiesen hatte, da es unmöglich war, als Kunde einer großen amerikanischen Bank von Deutschland aus in den USA ein Konto zu eröffnen.
Also fuhr ich am nächsten Morgen nach tiefem Schlaf im herrschaftlichen Gästeapartment und einem guten amerikanischen Frühstück bei Fullers hinaus in die heiße Septembersonne, mit dem klimatisierten Auto, Tempomat und Automatikgetriebe ein Vergnügen.
Abseits der Autobahn taste ich mich entlang der gemütlichen Neuenglandküste durch bildhübsche Orte an verzweigten Buchten, blicke auf stille Häfen, umgeben von saftigem Grün, und auf elegante Marinas, treffe aufgeschlossene unglaublich freundliche Menschen – fast ein Problem für mich, darauf entsprechend zu reagieren, da ich das in meinem deutschen Umfeld nicht gewöhnt bin. In Mystic finde ich ein preisgünstiges Motel aus dem Couponbook des Verkehrsvereins, schwimme einige Runden im riesigen Pool und fahre dann zum Abendessen in ein All-you-can-eat-Lokal, denn mein Appetit ist immens. Ich habe es geschafft, ich bin im Traumland USA, alles läuft wie geschmiert und ohne Probleme, und vor mir liegt ein noch viel größerer Traum nun greifbar nahe. Es ist wahnsinnig, wie schön das Leben doch sein kann.
Gerade jetzt, im Indian Summer, atmen Mystik und das Museumsdorf diese mystische Atmosphäre im Spannungsfeld von Tod und Leben, Gefahr und Faszination des Meeres, die Stille und Heimeligkeit dieses geschützten Hafens in dieser idyllischen Bucht.
Es riecht nach Teer und Ölfarbe, altes Holz wird überhaucht von Moos und Erde, und darüber weht die Salzluft. Nirgendwo in der Welt wird die Seele der Seefahrt so zelebriert. Ich klettere in Frachtseglern und Walfängern des 19. Jh. herum, krieche bis hinunter in die Bilge, schaue in die Gesichter der ausgestopften Seemänner die müde, aber unverdrossen aufschauen aus ihrer klammen Bunk, wochenlang im schweren Wetter, wochenlang ungewaschen, die Neufundlandbänke türmen die See, was soll man machen, irgendwann kehren sie heim, wo sie kaum noch jemand kennt. Faszinierend auch die große Halle aus dem 18. Jh., in der noch im traditionellen Handwerk die seetüchtigen Neufundlandklipper gebaut werden. Wo erlebt man heute noch diese Art der Holzverarbeitung? Oder die Seilerei, hier werden wirklich noch Jute, Hanf und Sisal gedreht. In der alten Apotheke reiben Frauen in entsprechender Tracht duftende Kräuter im Mörser, versetzen sie mit Ölen und Emulsionen. Und so gehe ich einen Tag lang auf Zeitreise, erfrische mich in der Brauerei – ja, und das ist wieder typisch: Das Bier in diesem perfekt nachempfundenen Schankraum mit Kellner aus dem 18. Jh. kommt im Plastikbecher. In diesem weiten Museumsareal erlebe ich im Kino eine dokumentarische Seeschlacht, alte Filmfragmente zeigen Schiffsuntergänge und viel Blut und Leid. In der Bibliothek habe ich kostenlosen Zugang zum Internet und kann meine E-Mails beantworten.
Im Radio und im Fernsehen wird der vielleicht für dieses Jahr letzte Hurrikan „Isabell“ verfolgt. Er kommt sehr weit in den Norden. Im Hafen werden alle Boote gesichert, auf Reede legen sich Schiffe an spezielle Moorings. Rollfocks werden abgenommen. In der Nacht werde ich vom gegen die Fenster peitschenden Regen geweckt, die Klimaanlage ist kaum noch zu hören. Draußen im gelben Licht der Parkanlage biegen sich die riesigen alten Eichen. Ich bin froh, noch kein Boot zu haben.
Der Morgen ist kühl und grau. Die beiden alternativen Yachten in den leicht zerzausten Häfen sind zwar noch wesentlich billiger, aber auch kleiner und schlechter ausgestattet. Langsam erweist sich das erste Angebot als Volltreffer. Nun, die Würfel sind gefallen.
Das Ehepaar Fuller in ihrer Winterresidenz in Kalifornien ist froh, dass ich „Duet“ kaufen will, Bud nimmt den nächsten Flieger zurück nach New York.
Drei Tage später bin ich bei Janet und Jörg in Providence, Rhode Island. Die beiden Tiermediziner leben in einem verwunschenen Spukschloss am See.
Jörg war ein Schüler von mir, hat in Ungarn studiert, Expeditionen durch Neuguinea unternommen und praktiziert nicht nur sehr erfolgreich, er liebt auch das Leben hier und wird Janet bald heiraten. Wie ein Vater seinem Sohn gibt er mir einen Scheck, damit ich mir das Spielzeug kaufen kann. Ein wenig Bargeld bekomme ich auch noch. Und dann am nächsten Tag darf ich mir sogar bei seiner Bank ein eigenes Konto einrichten.
Wow! Ich habe ein Konto in den USA! Und eine Kreditkarte! Ohne die ist man ja nichts.
Über Newport fahre ich langsam zurück, meinem Segelleben entgegen. Newport ist ein Muss für eine Seglerseele, genauso wie Mystic, es ist das Zentrum des Segelsports in den Neuenglandstaaten. Nirgendwo in der Welt gibt es so viele Marinas und Marinemuseen, Yachtbroker, Charterer, historische Yachten wie hier. Draußen in der Bucht ziehen die „Historischen“ wie Schwäne durch die Ankerlieger.
Hier in der Altstadt an der Pier schaue ich beim Fischessen auf das rege Treiben. Die Gassen sind eng, die Häuser klein und gemütlich. Ich fühle mich fast wie in Europa. Will und James sitzen auf der Veranda mit am Tisch und wollen Seekarten kaufen, streiten sich aber, ob es nicht günstiger wäre, die ganze Kartensoftware für den Laptop zu erwerben. Wir besuchen einen Buchhandel in einem alten Backsteinhaus. Verteilt auf viele Stockwerken findet sich in kleinen niedrigen Zimmern mit knarrenden Böden Seefahrtsliteratur für alle Länder und Meere der Welt. Das Angebot ist überwältigend, die Beratung kompetent und freundlich. Ich habe zwar noch kein Schiff, aber ich weiß, wo ich hin will, also kaufe ich ein Kartenheft und ein Handbuch – völlig unnötig, da mir Bud später Berge davon schenkt.
Beim Abschied von Newport fahre ich den berühmten Oceandrive entlang: Hier dokumentieren die bekannten Namen historischer Villen wie Vanderbilt, Astor, Morris oder Wetmore den alten amerikanischen Traum: Reichtum durch schnelle und fast ungebremste Ausbreitung, zügelloses Wachstum, Ausschöpfung aller Ressourcen. Diese Villen im palladischen Stil oder viktorianisch, historistisch oder luftig kolonial, sie übertreffen sich in Größe und Pracht. Die Rasenflächen sind gepflegt, die Anfahrtswege hinter den schmiedeeisernen Toren gesäumt von altem Baumbestand. Alle wenden ihre Beletage zum Meer. Unter den Klippen tost die Brandung des Atlantiks, und ein ständiger Hauch von Salz weht herüber. Die Götter auf dem Olymp hätten diese Wohnungen vorgezogen.
Abends im Motel werde ich wieder mit dem alltäglichen Amerika konfrontiert: In der Halle sitzen einige Untote vor dem Fernseher, sie sind von Schicksal und Schminke gezeichnet, alt und krank, geben sich trotzdem sexy. Vor meinem Fenster öffnet sich die Heckklappe eines Kombis, ein Kran schwingt aus, um einen elektrischen Rollstuhl aufzuladen. Ich liege auf dem Riesenbett und surfe durch 80 Fernsehprogramme – alle unglaublich seicht, eine Mischung aus Brutalität, gebremster puritanischer Erotik und Dummheit, ständig unterbrochen von Werbung. Diese schöne, blöde Glitzerwelt kontrastiert mit den auffällig vielen fetten Kranken da draußen. Und ich wundere mich, dass sich noch genug fähige Jungs finden für all diese Kriege in fernen Ländern, um die Quellen der Verschwendung zu sichern.
Am Sonntag, den 21.09.2003, treffe ich mich um 08.30 Uhr mit Bud in der Halloween Marina in Stamford und übernehme „Duet“. Ich gebe das Auto ab und verbringe einige Tage im Haus der Fullers, um das Boot kennen zu lernen, um es zu segeln und für einen Unterwasseranstrich aus dem Wasser zu holen.
Bud hat mit unglaublicher Hingabe jedes Detail an Bord erklärt, die Maschine mit mir zusammen überholt, den Rumpf poliert und gewachst, die Ausrüstung und den Proviant in verschiedenen speziellen Märkten mit mir besorgt. Das ist unglaublich, der Mann hat das Boot zu einem für mich günstigen Preis verkauft und arbeitet auch noch eine Woche von früh bis spät daran! Und er schenkt mir noch Handbücher und viele Karten Richtung Süden! Das Boot ist eigentlich überkomplett ausgestattet: doppelter Satz Segel, Spi, noch original verpackte neue Genua, Rettungsinsel, Dingi mit Außenborder, Sonnensegel, Dodger, Autohelm, GPS, Loran, Kisten voller Werkzeug und Ersatzteile. Wir segeln gemeinsam einige Meilen zu einer Werft, das Boot wird aus dem Wasser gehoben, gereinigt und mit neuem Antifouling versehen. Bud kann nicht genug an seiner alten Liebe scheuern, schleifen, schrubben und wachsen. Dann die Maschine: Ölwechsel und neue Zündkerzen, jawohl, es ist ein Benziner, ein Atomic4, in den USA durchaus noch üblich trotz aller damit verbundenen Gefahren. Die 36 PS laufen wunderbar leise und frei von Vibrationen. Man muss eben einige besondere Sicherheitsmaßnahmen einhalten, z.B. muss vor dem Anlassen der Maschinenraum mit Luft durchgeblasen werden.
Ein „Schnüffler“ meldet dann in ca. drei Minuten reine Luft und Startbereitschaft. Es ist noch immer die erste Maschine, und sie ist seltener geworden, die Amerikaner bevorzugen nun auch den Diesel Innenbords. Aber dieser alte Motorblock hat kaum Rost, alle Leitungen sind neu, alles wirkt sehr gepflegt. Bud hatte, wie viele Skipper, immer Mühe, seine Frau an Bord zu locken, aber wenn sie sich breitschlagen ließ, fing das mit guter Bootspflege an und hörte mit einem opulenten Abendessen in einer Luxusmarina auf Long Island auf.
Endlich ist alles startklar, Bud hat zusammen mit mir einige wirklich gute Geschäfte und Supermärkte aufgesucht, um „Duet“ zu verproviantieren, alles ist gut an Bord verstaut, da fällt ihm ein, dass eine Versicherung wirklich notwendig wäre. Also beginnt eine hektische Telefoniererei. Boat US will aber schließlich nur mit Zeugnis eines vereidigten Gutachters mit sich reden lassen. Der kommt spontan vorbei, macht einige Digitalfotos von innen und außen, schaut in die Schiffspapiere, spricht die Fakten ins Diktiergerät, und noch am selben Abend drückt er mir das wunderbar mit Fotos ausgeschmückte Gutachten im Form einer Broschüre in die Hand. Die Versicherung ist ebenso informiert worden. Er bekommt 100 Dollar Cash, und wir trinken noch einen draußen auf der Veranda der Halloween Marina. Es riecht nach Wattenmeer, und drüben zwischen den Masten im Abendlicht liegt mein neues Zuhause. Es ist unglaublich, wie schnell und problemlos solche Dinge in den USA geregelt werden. Allerdings habe ich noch keine Steuern auf den Kaufpreis entrichtet, und ich habe das Boot nirgendwo angemeldet, und ich bin kein US Staatsbürger. Aber diese Tatsachen werden von Bud und mir geflissentlich übergangen. Von den daraus resultierenden bürokratischen Delikatessen und ihre lockeren amerikanischen Verdauungen später mehr.
Am Freitag, den 26.09., tuckere ich gegen Mittag vorsichtig aus der Marina hinaus in den Long Island Sound. Am Steg steht ein Mann mit Fotoapparat, der soeben ein Stück aus seinem Leben verabschiedet – aber man sagt ja auch: Die zwei glücklichsten Tage eines Skippers sind der Tag, an dem er sein Boot kauft, und der Tag, an dem er sein Boot verkauft.
Ich bin allein und ich stehe am Ruder. Hochhäuser und Villen von Stamford versinken im Bleigrau des Long Island Sound. Ich stoppe die Maschine und segle bei schwachem Wind nach Süden, hinein in die Stille und Einsamkeit, die ich so lange gesucht habe. Am Abend, bereits im Dunkeln, erreiche ich einen Ankerplatz vor City Island. Im Süden ist der Himmel orangerot vom Lichtermeer Manhattans. Und dort sind auch die Lichterketten der Throgs- und Whitestonebrücke. Morgen muss ich da durch und auch durch diesen Großstadtmoloch. Nach allem, was ich gelesen habe, ist das mit den Tidenströmungen und Strudeln nicht so einfach. Ich bin schon lange nicht mehr auf eigenem Kiel gefahren, habe etwas Angst, denn alles ist neu. Aber jetzt ist es noch ruhig, ich trinke einen Wein im Cockpit und genieße die Stille angesichts dieser Riesenstadt am Horizont, genieße auch die Erwartung auf die Erfüllung eines Traums: einmal auf eigenem Kiel durch den East River mit dem Blick auf dieses großartige Panorama und dann noch an der Freiheitsstatue vorbei!
Der nächste Morgen findet mich überglücklich.
Der Anker hat gehalten, ich habe ruhig geschlafen und nach einem ausgiebigen Frühstück in der herrlich warmen Morgensonne so gegen 11.00 Uhr stimmt auch die Tidenplanung, und es geht Anker auf. Dieser Tag bedeutet einen Höhepunkt in meinem Leben: äußerste Konzentration und Spannung auf dem Weg entlang dem East River mit seinen Strömungen, Strudeln und Untiefen, gleichzeitig die Faszination beim Anblick dieser Metropole, des hektischen Verkehrs zu Wasser, am Ufer und in der Luft. Bei langsam laufender Maschine mit dem Strom und in günstigen Situationen mit halber Genua genieße ich diese großartige Strecke voller Gefahren und spektakulärer Anblicke: Hellgate, Millrock, die UNO, das Chrysler Building und – ich kann es immer noch nicht fassen, das World Trade Center fehlt wirklich. Und dann, viel zu schnell, Battery Park, die Freiheitsstatue und der weite Upper Bay. Ich möchte direkt hinter der Statue ankern, aber es ist zu windig und rau dort, leider, und so muss ich mich von diesem Spektakel trennen und in die Industrieruinenwelt des Kill van Kull flüchten. Hier im trüben engen Fahrwasser ist es schwierig, einen Ankerplatz zu finden.
Vorsichtig mit Echolot und Handlot taste ich mich zwischen zwei morsche Pfosten der alten Anlegestelle einer aufgegebenen Fabrik, binde mich dort fest und kann die grün schimmernde Freiheitsstatue in der Abendsonne und Manhattan gerade noch erkennen. Ich genieße also den Kontrast dieser Weltstadt vor einer Kulisse des Verfalls, mache mir ein reichhaltiges Abendessen mit Kartoffeln und Dosenfleisch, trinke guten Wein und erlebe das Aufleuchten des Lichtermeers im Hereinbrechen der Nacht. Die ganze Nacht hindurch dröhnen Schlepper mit riesigen Containerschiffen ganz dicht vorbei – eine Stadt, die niemals schläft.
Der Schlaf wird zusätzlich noch von heftigen Böen und Regenschauern gestört. Die Sprayhood hat eine undichte Stelle und der Kiel steckt jetzt bei Niedrigwasser im Schlamm. Müde und ärgerlich begegne ich einem nasskalten Morgen, der Wetterbericht verkündet noch mehr Regen. Also wage ich mich nicht auf den Atlantik, bleibe in diesem Loch und nutze den Sonntag, um all die vielen Dinge zu sichten, zu ordnen und um auch gründlich in den letzten Winkeln zu putzen. Es ist erstaunlich, wie groß ein kleines Boot unter diesem Aspekt sein kann. Und immer noch stoße ich auf überraschende Funde. Was hat nicht der Bud Fuller alles angeschafft und gesammelt! Hunderte von Schäkeln und Rollen, Dichtmittel, Reparaturtapes, Medikamente, Farben, Lacke, Pflegemittel. Ich habe noch nie an einem Sonntag so viel gearbeitet. Ein Tag reicht auch nicht aus, um die vielen Gebrauchsanweisungen und Handbücher zu lesen. In der Wanne unter dem Motorblock mischt sich Wasser mit Öl. Ich werde diesem Phänomen besondere Aufmerksamkeit schenken müssen. Es ist ebenso lebenswichtig, den Stoffwechsel des Schiffes wie den eigenen zu beachten. Ich werde weiterhin im „Salon“ schlafen und das Vorpiek als Abstellraum nutzen.