Seidenfessel - Kira Maeda - E-Book

Seidenfessel E-Book

Kira Maeda

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Beschreibung

Isabelle Lérands Bruder ist in Tokio verschwunden, weshalb Isabelle nach Japan reist, um ihren Bruder zu finden. Ihre Nachforschungen führen sie zur japanischen Mafia, der Yakuza. Sie gibt sich als Reporterin aus, die über den Clan, für den ihr Bruder gearbeitet haben soll, recherchiert. Ein Fehler, denn sie wird von dem Yakuza Toshi gekidnappt! Er tötet sie jedoch nicht, sondern bietet ihr Informationen an. Allerdings knüpft er daran eine Bedingung: Toshi stellt Isabelle über den Zeitraum eines Monats erotische Aufgaben. Versagt sie, wird er sie an die Mitglieder seines Yakuza-Clans verraten. Trotz der stetig präsenten Gefahr und der Sorge um ihren Bruder verfällt Isabelle Toshis Ausstrahlung und seinen erotischen Spielen immer mehr ... Ein romantischer BDSM-Roman.

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Seitenzahl: 352

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KIRA MAEDA

SEIDENFESSEL

EROTISCHER ROMAN

© 2009 Plaisir d’Amour Verlag, LautertalPlaisir d’Amour VerlagPostfach 11 68D-64684 [email protected]© Coverfotos: Coka - Fotolia; Chuongy - FotoliaCoverlayout: Christoph SpittlerISBN ePub: 978-3-86495-013-1

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Für unaufgefordert auf dem Postweg eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung.

PROLOG

Er ließ sich auf seinem Sessel nieder. Das Büro, das ihm als neues Oberhaupt des Clans zugewiesen worden war, nahm fast ein Viertel des Stockwerks ein. Er konnte von hier aus über ganz Shinjuku-ku sehen. Zwischen den Hochhäusern, flackernden Bildschirmen und Reklametafeln befand sich seine zukünftige Welt. Die Welt der Yakuza, der japanischen Mafia. Nichts, was ehrbare Bürger der Megacity Tokio offen aussprechen würden; aber er fühlte sich auf seltsame Weise wohl hier. Und das, obwohl er kaum Zeit gehabt hatte, sich daran zu gewöhnen. Es war noch nicht lange her, dass Masaburo, sein Vorgänger, ihn unter seine Fittiche genommen hatte. Er hatte ihn in den Yamanote-Clan eingeführt, ihn den richtigen Leuten vorgestellt und ihm die Grundzüge der japanischen Mafia erklärt. Alles mit dem Ziel, ihn zu seinem Nachfolger zu machen. Der Tag seines Antritts war früher gekommen, als er oder Masaburo gedacht hatten. Der alte Mann war einem Herzinfarkt erlegen und hatte ihm vor seinem Tod die Leitung des Clans übertragen.

Es klopfte, und er wurde aus seinen Gedanken gerissen. Toshinaka Isami trat ein. Der hochgewachsene Yakuza war eine respekteinflößende Gestalt. Er besaß die besondere Fähigkeit, Menschen mit nur einem Blick kontrollieren zu können. Für den zukünftigen Anführer der Familie Yamanote war allerdings viel wichtiger, dass Toshinaka für seine Loyalität bekannt war. Er wusste das zu schätzen, und Toshinaka gehörte zu den wenigen Yakuza, denen er vertrauen konnte.

Der ältere Mann verneigte sich. „Konban wa, Oyabun“, grüßte er.

Das Oberhaupt des Clans erwiderte seinen Abendgruß.

„Konban wa, Isami-san“, sagte er. „Was gibt es?“

Der Yakuza lächelte schmal. Eine sehr seltene Geste bei ihm. „Sie ist angekommen.“

„So früh schon?“

„Sie wollte wohl keine Zeit verlieren.“ Toshinaka schien der Gedanke zu amüsieren.

Sein Chef erwiderte das Lächeln ein wenig schief. „Dann fängt es jetzt also an?“

Toshinaka nickte. „Es beginnt, Oyabun.“

KAPITEL 1

Die Hitze war erdrückend. Isabelle Lérand spürte sie nur zu deutlich, als sie aus dem Hotelfoyer trat. Obwohl es bereits nach zwanzig Uhr war, hatten die sommerliche Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit Tokio noch fest in ihrem Griff. Selbst die Luft schien an Isabelles Körper zu kleben.

Sie war froh, ihr langes, rotes Haar zu einem einfachen Zopf hochgebunden zu haben. Die Strähnen hätten sonst an ihrem schweißnassen Hals geklebt. Ihr Blick folgte den Japanerinnen, die in Grüppchen oder alleine an ihr vorbei über die Straße gingen. Sie sahen aus, als würde ihnen die Hitze nicht das Geringste ausmachen, und Isabelle beneidete sie darum. Sie sehnte sich bereits jetzt nach der Klimaanlage ihres Hotelzimmers zurück. Aber es half nichts – sie war verabredet und wollte auf keinen Fall zu spät kommen. Isabelle kannte sich kaum in Tokio aus – und immerhin ging es hier nicht um einen einfachen Urlaub. Sie war aus einem bestimmten Grund nach Japan gekommen.

Seit zwei Stunden befand sie sich jetzt in diesem fremden Land und fühlte sich zum einen fasziniert, zum anderen ausgeschlossen. Mit ihrer auffälligen Haarfarbe und der hohen, schlanken Gestalt fiel sie inmitten der kleineren Tokioterinnen sofort auf. Isabelle war es gewohnt, dass ihr in Deutschland ab und an ein Mann und zuweilen auch eine Frau nachsahen, aber hier hatte sie das Gefühl, permanent angestarrt zu werden, auch wenn sie niemals direkten Blickkontakt mit einer anderen Person hatte.

Kaum im Hotel angekommen, hatte sie die verschwitzte Reisekleidung gegen ein leichteres Leinenkleid mit Knopfleiste getauscht. Es war leicht, bequem, und Isabelle wusste, dass ihr größter Vorzug – ihre langen, gebräunten Beine – durch den hellen Stoff am besten zur Geltung kamen. Unter der Dusche hatte sie zuvor den zwölfstündigen Flug von ihrem Körper gespült. Diese verdammte Hitze machte ihr das Nachdenken schwer, aber sie brauchte jetzt einen kühlen Kopf.

Isabelle zog aus ihrer Handtasche einen zusammengefalteten Zettel. Darauf fand sie die Wegbeschreibung zu einer Adresse, die etwas außerhalb lag. Shins alte Adresse.

Sie atmete tief durch und steckte den Zettel wieder ein. Shin, dieser Kindskopf. Seinetwegen hatte sie sich auf den Weg nach Tokio gemacht. Er war ihr Halbbruder aus der ersten Ehe ihrer Mutter. Im Gegensatz zu Isabelle hatte er einen japanischen Vater, mit dem er dann vor einigen Jahren in dessen Heimat zurückgekehrt war. Zuvor hatten die beiden Halbgeschwister viel Zeit miteinander verbracht, und wenn sie auch verschiedene Väter hatten, so war Shin doch immer ihr großer Bruder gewesen.

Das Verhältnis war über die Jahre und trotz der Kilometer nie abgebrochen. Zwar wurden die Anrufe und E-Mails seltener, aber mindestens einmal im Monat bekam Isabelle Nachricht aus Tokio. Bis diese Meldungen plötzlich ausblieben. Anfangs hatte sie sich noch nichts dabei gedacht. Nach dem zweiten Monat war sie jedoch unruhig geworden. Ihre Anrufe nahm nur noch der Anrufbeantworter entgegen, bis auch der eines Tages verstummte. Isabelle hatte daraufhin die Koffer gepackt und ein Flugticket nach Japan gekauft. Ihre Freundin Julia, mit der sie zusammen eine Event-Agentur leitete, hatte sich bereit erklärt, in der Zeit auf ihre Wohnung aufzupassen. Isabelle wusste nicht, wie lange es dauern würde, bis sie Shin fand. Wenn sie ihn denn fand … Sie schüttelte den Kopf. Nein, so durfte sie nicht denken! Im Augenblick musste sie sich auf die Suche nach ihrem Bruder konzentrieren.

Isabelle blieb stehen und suchte nach dem Schild, das auf die Bahnstation verwies. Sie überquerte die Straße mit mindestens hundert anderen Menschen. Man wurde von der Menge einfach mitgerissen. Auf ihrem Weg durch die Straßen Tokios kam sie an den verschiedensten Imbissbuden vorbei. In der schweren, erhitzten Luft trafen sie die exotischen Gerüche von frittiertem Gemüse, gebratenem Fleisch und Crêpes umso stärker, und Isabelle hörte ihren Magen deutlich knurren. Sie zwang sich aber weiterzugehen. In Deutschland war gerade Mittagszeit, aber sie hatte keine Zeit, um sich in eine der Buden zu setzen; sie musste sich beeilen.

Ihre hohen Schuhe klickten auf dem Asphalt, als sie ihren Schritt beschleunigte. Bald kam auch der Bahnsteig in Sicht. Isabelle ging die Betontreppe hinauf und fand sich auf einem sehr schmalen Steg mit mehreren Japanern wieder. Die meisten hörten Musik oder tippten etwas in ihre Handys, einige andere unterhielten sich. Hier und da konnte sie einen vertrauten Wortfetzen auffangen. Shin hatte ihr damals ein wenig Japanisch beigebracht und sie immer wieder mit japanischem Rock und Pop versorgt. Für Isabelle war es damals ein lustiges Spiel gewesen, die fremden Schriftzeichen und Worte zu lernen. Der Unterricht lag viele Jahre zurück, aber im Stillen dankte sie ihrem Bruder dafür. Ohne jede Sprachkenntnis wäre sie wohl vollkommen hilflos bei ihrer Suche.

Ein Glöckchen ertönte, eine Frauenstimme wies auf den ankommenden Zug hin, und es kam Bewegung in die Menschenmenge. Mit lautem Hupen fuhr der Zug ein. Als er hielt, strömten die Menschen zielstrebig hinein. Isabelle folgte ihnen einfach, erhaschte dabei einen Blick auf den Namen der Bahn und entspannte sich ein wenig. Sie war richtig.

Isabelle atmete tief ein. Im Zug gab es eine Klimaanlage, aber durch die Menschenmenge im Waggon war davon kaum etwas zu merken. Sie hielt sich an einer Haltevorrichtung fest, merkte aber, wie sich immer mehr Personen hineindrängten, so dass sie sich kaum noch bewegen konnte. Endlich schlossen sich die Türen, und Isabelle tat dasselbe für einen Moment mit ihren Augen, um das Gefühl aufsteigender Panik, hervorgerufen durch die Enge, zu bekämpfen. Die schwüle Hitze hatte ihren Körper bereits wieder mit einer feinen Schweißschicht überzogen, und sie wurde durch das Ruckeln der Bahn immer wieder sanft gegen die Haltestange gepresst.

Sie hatte niemals unter Platzangst gelitten, aber die Unruhe in ihr wurde stärker. Vielleicht sollte sie an der nächsten Haltestelle aussteigen und auf einen weniger vollen Zug warten? Aber vielleicht würde es dann nur noch voller werden?

Hoffnungsvoll sah sie auf. Über ihr war eine Anzeigetafel angebracht, die sowohl in japanischer als auch englischer Schrift die nachfolgenden Haltestellen anzeigte. Sie zählte nach – noch fünf Bahnhöfe.

Der Zug fuhr in die nächste Station ein, und ein Großteil der Leute stieg aus. Isabelle gewann mehr Platz und seufzte erleichtert, als der Zug wieder anfuhr. Hoffentlich war die Fahrt bald vorbei.

Um sich die Zeit zu vertreiben, sah sie aus dem Zugfenster. Glitzernde Hochhausfassaden rasten in raschem Wechsel an ihr vorüber. Der Anblick lullte sie ein. Wenn es nur nicht so heiß gewesen wäre!

Verstohlen fuhr sie sich mit der Hand über den schlanken Hals. Die Berührung sandte Schauer durch ihren Körper. Die Schwüle schien jeden Gedanken zu ersticken. Isabelle reagierte ganz instinktiv; ihre Hand verharrte nicht am Kragen des Kleids, sondern glitt tiefer und streifte eine harte Brustwarze unter dem Leinenstoff. Isabelle unterdrückte ein leises Stöhnen. Hastig sah sie zur Seite, ob irgendjemand etwas bemerkt hatte, obwohl sie ja mit dem Rücken zum Waggoninneren stand. Aber jeder schien mit etwas anderem beschäftigt zu sein, egal ob mit Schminke, Manga oder Handy.

Isabelle sah wieder aus dem Fenster, als sie plötzlich eine flüchtige Berührung am Rücken spürte. „Sind Sie sicher, dass das ein angemessenes Verhalten in einem Zug ist?“, raunte eine tiefe männliche Stimme in ihr Ohr. Es war perfektes Deutsch mit einem ganz schwachen Akzent.

Verwirrt und beschämt, weil der Mann sie offensichtlich gesehen hatte, wollte Isabelle über die Schulter sehen, war aber plötzlich so eingeklemmt, dass sie sich kaum rühren konnte. In der Fensterscheibe vor sich sah sie das Spiegelbild des Fremden. Er überragte sie noch, denn sein Gesicht konnte sie nicht sehen; das Glas war zu Ende. Was sie aber sah, waren breite Schultern in einem teuer wirkenden grauen Anzug. Der Besitzer des Anzugs besaß Geschmack, denn die gemusterte Krawatte harmonierte perfekt mit dem Hemd darunter. Anstand schien er jedoch nicht zu besitzen, denn sonst würde er sich nicht so unverschämt an sie pressen.

Der Mann hinter ihr bückte sich etwas. Sie sah ein kantiges, glatt rasiertes Kinn und kühn geschwungene Lippen, die zu einem anzüglichen Lächeln verzogen waren. Sein Atem war noch heißer als die Luft und er streifte ihr Ohr. Der markante Duft eines betörenden Aftershaves stieg in ihre Nase. Isabelle presste ihre vollen Lippen zusammen. Die Nähe dieses Fremden löste die Spannung, die die Hitze in ihr verursachte, nicht. Im Gegenteil.

Ihre Hand, die bisher ruhig auf ihrem Oberschenkel gelegen hatte, strich abwesend darüber. Sie wusste, dass er sie beobachtete, aber es kühlte sie nicht ab. Isabelle konnte nicht verhindern, dass ihre Finger zwischen ihre Beine krochen. Den Blick hielt sie stur aus dem Fenster gerichtet. Auch dann noch, als ihre Fingerkuppe auf die Stelle drückte, an der ihre Klitoris lag.

Unbemerkt von den Leuten um sie herum legte sich eine große Hand auf ihre Hüfte. „Die Hitze macht Ihnen zu schaffen, nicht wahr?“, raunte diese warme Stimme wieder in ihr Ohr. „Der japanische Sommer ist manchmal wirklich schwer zu ertragen. Wenn der frische Schweiß den Körper glitschig macht …“ Seine Finger fanden den Weg durch die Knopfleiste des Kleides zwischen ihre Schenkel. Erschreckend geübt hatte er seinen Zeige- und Mittelfinger unter den Stoff ihres Höschens geschoben. „Nass“, fügte er hinzu.

Isabelle musste sich auf die Lippen beißen, um nicht aufzustöhnen. Was tat sie hier? Sie ließ sich am anderen Ende der Welt von einem wildfremden Mann befingern und genoss es auch noch? Sie spielte mit dem Gedanken, sich zu befreien, aber in diesem Moment umkreiste seine Fingerkuppe ihren Kitzler mit sanftem Druck. Der Zug ruckte und hielt an. Leute stiegen aus. Bevor sie entdeckt werden konnten, trat der Fremde ein wenig zur Seite und schirmte sie gegen unwillkommene Blicke ab. Seine Finger waren noch immer zwischen ihren Beinen vergraben.

Der Zug fuhr wieder an, und das Rattern wurde zum Rhythmus, indem er seine Hand bewegte und sich in sie schob.

Isabelles ganzer Körper stand unter Spannung. Der Gedanke zu gehen wurde einfach von ihrer Lust ausgeschaltet. Ihre Hand lag auf seiner, aber sie hielt ihn nicht zurück.

„Benutz mich“, murmelte er. Noch immer schaukelte der Waggon im leichten Takt, wiegte sie beide hin und her. „Zeig mir, wie du es haben willst.“

Seine Stimme war rauer geworden, und Isabelle glaubte, ein leises Zittern darin zu hören. Ein weiterer Lustschauer lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf seine Berührung, die ihr solche Lust bereitete. „Zeig es mir“, forderte er. Er wusste, dass sie es ihm sagen, zeigen würde. Er war gewohnt zu bekommen, was er wollte.

Ihre Hand lag auf seiner und begann aktiver zu werden. Sie drückte zu, so dass seine Finger tiefer drangen, immer tiefer. Er rieb sie härter, schien zu spüren, dass sie mehr wollte, mehr brauchte!

Isabelle keuchte unmerklich auf, als ihr Höhepunkt sie überraschend traf. Ihr Körper verkrampfte sich, ihre Fingerknöchel wurden weiß, während sie nach Halt suchte. Ihre Knie schienen sie nicht mehr zu tragen. Mühsam hob sie den Kopf, der Zug hielt wieder, und Isabelle drehte sich um, um endlich sein Gesicht sehen zu können. Doch alles, was sie sah, war eine Woge aus dunklen Anzügen und Schuluniformen. Ihr fremder Liebhaber war verschwunden.

Er stieg die Stufen der Station hinab. In gemächlichem Tempo, ganz so wie jemand, der eine Arbeit gut erledigt hatte. Am Fuß der Treppe blieb er stehen und sah dem abfahrenden Zug nach. Im Fenster erschien das Gesicht einer rothaarigen Frau, die nach etwas zu suchen schien. Bevor sie in Richtung der Treppe sehen konnte, war das Fenster aus seinem Blickwinkel verschwunden.

Er lächelte und hob die rechte Hand vors Gesicht. Die Fingerkuppen glänzten noch von ihrer Lust. Er kostete, und sein Lächeln vertiefte sich; ihr Geschmack war würzig und gleichzeitig süß.

Es war einfacher gegangen, als er gedacht hatte. Ihr Anblick hatte ihn überrascht – aber mehr als nur zufrieden gestellt. Selten hatte er eine derart schöne Frau gesehen, ganz gleich, ob nun Asiatin oder westlicher Typ; Isabelle hatte etwas an sich, was ihn herausforderte. Etwas, das in ihrer Ausstrahlung begründet lag. Wie ein neugieriges Kind, das mutig genug war, ungewöhnliche Dinge auszuprobieren. Sie war perfekt. Alles verlief nach Plan. Er wusste, er würde die folgenden Tage mehr als nur genießen.

KAPITEL 2

An ihrem Zielbahnhof musste Isabelle sich erst einmal gegen die nächste Wand lehnen. Ihre Knie zitterten noch immer. Nicht nur wegen der Hitze, sondern vor allem wegen ihres kleinen Intermezzos im Zug. Sie konnte noch immer nicht klar denken.

Als sie vor einem Jahr in Berlin gewesen war, hatte ein Mann versucht, ihr an den Hintern zu greifen. Sie hatte sich umgedreht und ihm die Hand ins Gesicht geschlagen. Aber diesmal war es anders gewesen. War es die Hitze? Oder diese betörende Stimme? Isabelle wusste es nicht zu sagen.

Langsam legte sich das Zittern, und auch ihr Atem wurde ruhiger. Um sie herum waren noch immer Leute eifrig damit beschäftigt, von A nach B zu wandern. Straßenlärm dröhnte ihr in den Ohren, und der Gestank von Benzin und verbrannten Reifen drang in ihre Nase. Als Isabelle die Treppe des Bahnhofs herunterstieg, sah sie auch warum. Der Bahnhof lag direkt an einer riesigen Kreuzung, auf der abwechselnd Autos und Menschen die Straßen überquerten. Mittlerweile war es dunkel geworden, und alles um sie herum schien zu leuchten, zu blitzen oder sonst wie mit Lichteffekten auf sich aufmerksam zu machen.

Isabelle holte wieder den Zettel heraus und las die Instruktionen. Es war eine ausgedruckte E-Mail, die ihr Tomo, Shins Exfreundin geschrieben hatte. Sie hatten sich zwar erst durch Shin kennengelernt, aber mit den Jahren entstand daraus eine Freundschaft. Daher war auch Tomo die erste Person, an die Isabelle gedacht hatte, die ihr bei der Suche nach Shin helfen konnte. Aufmerksam las sie die Mail noch einmal durch. Da stand, dass sie unter dem großen Bildschirm warten sollte. Isabelle sah nach oben. Drei riesige Bildschirme hingen mehrere Meter hoch über ihr. Und welcher von denen sollte jetzt der Richtige sein?

Sie wollte gerade noch einmal nachsehen, ob sie auch wirklich am richtigen Bahnhof angekommen war, als sie jemand an der Schulter berührte. Isabelle drehte sich um und sah sich Tomos zierlicher Gestalt gegenüber. Sie war fast einen ganzen Kopf kleiner als Isabelle. Auf dem hübschen Gesicht lag ein Lächeln. Tomo besaß unglaublich langes, schwarzes Haar. Anders als die meisten jungen Japanerinnen färbte sie es nicht hellbraun, sondern trug es in immer neuen, außergewöhnlichen Frisuren. Heute hatte sie es zu zwei Zöpfen geflochten. Zusammen mit den herzförmig geschwungenen Lippen und den weichen Gesichtszügen glich ihre Erscheinung einer lasziven Lolita. Der knappe Rock mit Karomuster und die weit offene weiße Bluse rundeten das Bild perfekt ab. Dabei hatte Tomo, das wusste Isabelle von Shin, die 20 schon einige Zeit hinter sich gelassen.

„Isa-chan!“ Die Japanerin umarmte Isabelle und diese lächelte. Die verniedlichende Version ihres Namens hatte sie schon sehr lange nicht mehr gehört. Sie erwiderte die Umarmung, froh, die Freundin wiederzusehen. „Hallo, Tomo. Danke, dass du gekommen bist.“

Tomos große Augen weiteten sich. Isabelle bemerkte erst jetzt die blauen Kontaktlinsen darin und blinzelte überrascht. Anscheinend war das der letzte Schrei in Tokio. Shins Exfreundin war schon damals, als Isabelle sie kennengelernt hatte, verrückt nach der neuesten Mode gewesen. Egal, was es war, es musste schrill, bunt und auffällig sein; so liebte es die zierliche Japanerin. Das beste Beispiel dafür war die quietschbunte Plastikhandtasche, die im Halbdunkel zu leuchten schien.

„Lass das!“, wies Tomo sie streng zurecht. „Es ist selbstverständlich, dass ich herkomme und dir helfe!“ Sie zog einen Schmollmund, der Isabelle zum Lachen brachte. Tomo grinste nur, fasste sie am Arm, um sie vom Bahnhof fortzuziehen – mitten hinein in das Gewühl von Tokio. Mittlerweile war es fast dreiundzwanzig Uhr. Dennoch hatte die Aktivität in der Stadt nicht abgenommen. Das Gegenteil war der Fall. Tomo führte sie die Straße hinab zu einem Imbissstand. Es handelte sich dabei um einen einfachen Karren mit ausklappbarer Theke und einigen Hockern davor. In mehreren Pfannen brutzelte etwas, und der Duft ließ Isabelles Magen laut und deutlich knurren.

Tomo setzte sich auf einen der Hocker und bestellte etwas in schnellem Japanisch. Isabelle setzte sich neben die zierliche Freundin und bekam eine Flasche Asahi-Bier und eine Schüssel mit Suppe und langen Nudeln vor sich gestellt. Tomo schlürfte bereits genüsslich ihre Portion.

Isabelle nahm ein Paar der Einweg-Holzstäbchen aus dem bereitgestellten Becher und brach sie auseinander. Auf den langen Nudeln lag ein gebratenes Stück Fleisch und in Streifen geschnittenes Gemüse. Isabelle kostete davon und aß begeistert weiter.

„Schmecken die Ramen?“, erkundigte sich Tomo und nippte an ihrer Bierflasche. Isabelle nickte mit vollem Mund. Die Suppe war würzig, und das laute Schlürfen machte ihr Spaß. Tomo lachte und schob ihr einige süß-saure Rettichscheiben hin. Isabelle probierte auch davon. Die gelben Scheiben prickelten auf ihrer Zunge. Sie nahm einen Schluck Bier. „Nicht schlecht.“

Tomo gab einen zustimmenden Laut von sich. Nun schob sie ihre halbvolle Nudelschale zur Seite und knabberte an einem Stück Rettich. „Seit wann hast du nicht mehr von Shin gehört?“, fragte sie Isabelle direkt.

Die rührte in ihrer Brühe. „Seit etwa acht Wochen.“

Tomo griff nach weiteren Rettichscheiben und hob die Hand, um bei dem Budenbesitzer ein weiteres Schälchen zu bestellen. „Bei mir hat er sich das letzte Mal vor einem Monat gemeldet“, sagte sie nachdenklich und kaute dabei. „Nach dem Vorfall im Club ist er verschwunden.“

Isabelle hatte ihre Flasche angehoben, hielt aber zwischen Theke und Mund inne. „Was ist passiert?“

Tomo wirkte mit einem Mal nervös. Sie versuchte eine einzelne Nudel mit ihren Stäbchen aufzunehmen und mied Isabelles Blick.

„Was für ein Vorfall?“, fragte Isabelle drängender. Wenn Shin darin verwickelt war, musste sie es wissen.

Tomo legte die Stäbchen zur Seite. „Shin hat früher in einem Club namens Dawn als Host gearbeitet.“

„Was ist ein Host?“, warf Isabelle ein. Sie ahnte es, da Tomo sie ungewohnt verschämt ansah, aber sie wollte sicher sein. „Wieso hat er mir nichts davon erzählt?“

„Hosts bleiben lieber unter sich. Sie reden nicht gern mit anderen über ihren Job.“

„Ist es gefährlich?“

Tomo lachte hell. „Nur für Frauenherzen.“

Isabelle seufzte und trank. „Ein Callboy also?“, fragte sie leise.

„Mhm“, erwiderte Tomo. „Ein Begleiter.“

Isabelle biss sich auf die Zunge. Shin, ein Callboy ...? „Was ist im Dawn passiert?“

„Es war vor dem Dawn“, korrigierte sich Tomo und legte die Stäbchen auf ihre Schüssel. „Damals gab es eine Prügelei. Shin war darin verwickelt und wurde mit anderen verhaftet. Danach habe ich ihn nicht mehr gesehen.“ Ihre Stimme war leise geworden. Isabelle berührte sanft Tomos Arm. Dass sie sich ebenso sehr um Shin sorgte wie Isabelle, hatte diese noch nicht wirklich bedacht.

„Denkst du, er ist im Gefängnis?“

Tomo schüttelte den Kopf; ihre Zöpfe wippten dabei. „Ich habe mich erkundigt. Er wurde nach seiner Vernehmung entlassen.“

Isabelle schob ihre Schale zur Seite. Es war noch etwas übrig, aber ihr war der Appetit vergangen. „Weiß jemand Näheres über die Prügelei?“

Tomo tippte sich mit der Fingerspitze gegen die vollen Lippen und zog einen Schmollmund. Die Geste hatte etwas Kindliches an sich, und Isabelle hätte fast gelacht, wäre das Gespräch nicht so ernst gewesen.

„Kyo müsste etwas wissen. Er war im Club Shins bester Freund.“

„Hast du ihn schon gefragt?“

„Nicht nach der Prügelei.“ In Tomos Augen trat ein schelmischer Ausdruck. Sie stand auf und zog Isabelle mit sich, nachdem sie bezahlt hatte. „Das holen wir jetzt nach, Isa-chan!“

KAPITEL 3

Tomo hatte ihnen ein Taxi herbeigewunken, das sie direkt in das Lichtermeer von Kabukichō im Stadtteil Shinjuku brachte. Das Viertel war das Zentrum der Host Clubs, erklärte Tomo, während sie durch die erleuchteten Straßen schlenderten. Überall glitzerte und leuchtete es; ein Club reihte sich an den anderen, dazu kamen Diskotheken und Restaurants. Isabelle wurde bei dem Anblick ganz schwindelig; man konnte nirgendwo hinsehen, ohne dass einem die Augen wehtaten oder es in den Ohren klang. Tomos Erklärungen konnte sie nur mit halbem Ohr folgen.

Ständig versuchte jemand, sie anzusprechen oder ihr bunt bedruckte Flyer und Hochglanzhefte in die Hand zu drücken. „Furchtbar, diese Scouts“, schnaubte Tomo und scheuchte einen jungen Mann weg. „Immer versuchen sie, einen in die Clubs zu zerren.“

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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