Selbststeuern unter Segeln - Peter Foerthmann - E-Book

Selbststeuern unter Segeln E-Book

Peter Foerthmann

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Beschreibung

Sie wollen Ihr Schiff mit Autopilot oder Windsteueranlage ausrüsten, sind aber unsicher in Ihrer Entscheidung? Dann ist dies das richtige Buch für Sie. Peter Foerthmann, Konstrukteur und Hersteller der Windpilot-Windsteueranlagen, beschäftigt sich seit 28 Jahren mit dem Thema. Als Segler und Praktiker hat er in seinem Buch eine Materialsammlung zusammengetragen, die derart umfänglich und praxisbezogen bislang wohl nicht veröffentlicht wurde. - Welche Systeme sind für die Küstensegelei geeignet, welche mehr fürs Regattasegeln? - Wo liegen die Grenzen der Einsetzbarkeit in Bezug auf Seegangverhältnisse und Stromverbrauch? - Was bedeutet Gierdämpfung? - Warum sind Windsteuersysteme für ULDB-Jachten ungeeignet? - Wie kann ein Katamaran gesteuert werden ohne Stromverbrauchsprobleme? - Warum ist guter Segeltrimm so wichtig für jede Art von Selbststeuerung? - Was muß bedacht werden bei Schiffskauf oder Bau? - Macht es Sinn, ein Windsteuersystem selbst zu bauen? Diese und viele andere Fragen werden in diesem Buch erschöpfend beantwortet. Ohne auf komplizierte Grafiken oder unverständliches Fachchinesisch zurückzugreifen, präsentiert der Autor umfassende und fundierte Informationen sowie zahlreiche leicht verständliche Tipps für die Selbststeuer-Praxis.

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Peter Foerthmann

SELBSTSTEUERN UNTER SEGELN

Autopiloten und Windsteuersysteme

Copyright: © 2021 Peter Foerthmann

Lektorat: Erik Kinting – www.buchlektorat.net

Umschlag & Satz: Sabine Abels – www.e-book-erstellung.de

Bildrechte:

Peter Foerthmann: Titel, 9, 11, 16, 30, 31, 66, 85, 92, 100, 101, 102, 107, 109, 113, 116, 118, 119, 123, 125, 126, 130 oben, 134, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 145 oben / unten, 148, 150, 151, 153, 154, 159, 163, 164, 167 alle drei, 168 alle drei, 169 oben / mitte, 171, 172, 174, 175, 181, 183, 185, 188, 189, 192, 196, 199, 200, 201, 202, 206, 209, 212, 213, 220, 222, 226, 228, 230, 231, 233, 235, 251

S.23 / 24 Hasler: Foerthmann, Windpilot: John Adam, Aries: Wilfried Erdmann, Nick Franklin

Yann Cariou: S. 14

Wolfgang Quix: S. 17

Raymarine: S. 37, 47

Simrad: S. 50, S. 67

John Adam: S. 90, S. 106

Ingo Gorodiski: S. 94

Hydrovane: S. 110, S. 114

Scanmar Marine Inc.: S. 130 unten

Klaas de Dood: S. 160

Egenolf van Stein Callenfels: S. 169 unten

Kai Greiser: S. 176, S. 210, S. 245

Jimmy Cornell: S. 204

Michael Segebarth: S. 217

Harry Schank: S. 219

Wilhelm Greiff: S. 223

Kenichi Horie: S. 229

Tom Cunliffe: S. 237

Verlag und Druck:

tredition GmbH

Halenreie 40-44

22359 Hamburg

978-3-347-30398-0 (Paperback)

978-3-347-30399-7 (Hardcover)

978-3-347-30400-0 (e-Book)

Das Werk, einschlielich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar.

INHALT

Vorwort: Jimmy Cornell

Vorwort des Autors

Einführung

Die Geschichte der Selbststeuerung

Das erste Windsteuersystem

Der erste Cockpit Autopilot

Mensch, Autopilot oder Windpilot

Autopiloten

Funktionsweise

Die Komponenten eines Autopiloten

Bediengerät

Zentraleinheit

Kurscomputer

Kompass

Ruderlageanzeiger

Windfahnensensor

Integrierte Systeme

Die Antriebseinheit

Die Systemarten

Cockpit-Piloten

Pinnen-Piloten

Rad-Piloten

Einbau-Piloten

Auswahl eines Autopiloten

Stromverbrauch

Grenzen der Einsetzbarkeit von Autopiloten

Extremsegeln

Einsatzgebiete

Fehlersuche

Zusammenfassung

Windsteuersysteme

Die Windfahne

Die V-Fahne

Die H-Fahne

Marcel Gianoli

Das Getriebe

Das Ruder

Pendelruder

Trim-Tab (Flettnerruder)

Vorbalancierung eines Ruders

Die Systemarten

Nur-Windfahne-Systeme

Funktionsweise

Hilfsrudersysteme

Funktionsweise

Kategorien der Hilfsrudersysteme

Vorteile der Hilfsrudersysteme

Nachteile der Hilfsrudersysteme

Bei Montage zu bedenken

Trim-Tab-Systeme für Hilfsruderbetrieb

Funktionsweise

Vorteile

Nachteile

Bei der Montage zu bedenken

Trim-Tab-Systeme für Hauptruderbetrieb

Funktionsweise

Pendelrudersysteme

Funktionsweise

Warum Servoprinzip?

Gierdämpfung

Die Schubstange

Kraftübertragung

Crossbar

Leinenzuglänge 25 cm

Leinenübertragung auf Pinne

Pinnensteuerung Feintrimm

Leinenübertragung auf Radsteuerung

Radadapter Feintrimm

Radadapter Überlastschutz

Radadapter Befestigung am Rad

Übertragung auf Notpinne

Übertragung auf hydraulische Radsteuerung

Übertragung auf Notpinne bei hydraulischer Radsteuerung

Überlastungsschutz

Das Pendelruder: Material, Profil, Balanceanteil

Verstellbarkeit der Windfahne zur Windrichtung

Windfahne für Leichtwind oder Schwerwetter

Bedienfreundlichkeit

Montagefreundlichkeit

Montageplatz

Abnehmbarkeit

Irrtümer

Handling

Handlingfehler

Abmessungen und Gewicht

Vorteile der Pendelrudersysteme

Nachteile von Pendelrudersystemen

Verwendung eines

Pendelrudersystems als Notruder

Doppelrudersysteme

Funktionsweise

Systemeignung

Verwendung bei mechanischer Radsteuerung

Verwendung bei Hydrauliksteuerung

Montageplatz

Einsatzgebiet

Grenzen aller Windsteuersysteme

BOC- und Vendee-Globe-Hochseeregatten

Systemauswahl – Entscheidungskriterien

Material

Lagerung

Wartung

Selbstbau einer Windsteueranlage

Schiffe und Selbststeuerung

Besegelung einer Blauwasserjacht

Segelführung im Passat

Bootstypen

Langkieler

Gemäßigter Langkieler

Kurzkiel mit Balanceruder

Kielschwerter und Integralschwerter

Multihulls

Rigg: Sloop, Cutter, Yawl oder Ketsch

Schiffsgröße

Badeleiter, Badeplattform, Davids

Zusammenfassung

Synthese Autopilot/Windsteuersystem

Fazit

Auf einen Blick

Autopilot contra Windpilot

Autopilot Vorteile

Autopilot Nachteile

Windsteuersystem Vorteile

Windsteuersystem Nachteile

Auswahlkriterien von Selbststeuersystemen, Schiffen

Autopilot

Windsteuersystem

Synthese von Cockpit-Pilot und Windsteuersystem

Schiffstypen

Trends

Ganz praktisch

Schlussbemerkung

Technische Informationen

Systemhersteller von A–Z

Literaturhinweise

VORWORTJIMMY CORNELL

Ist es nicht merkwürdig, dass alle Blauwassersegler eine ausgeprägte Abneigung gegen das Rudergehen haben? Sie empfinden endlose Ruderwachen auf See als Strafe, der sie mit Tricks und Raffinesse zu entgehen suchen. Sicherlich kann ohne Übertreibung gesagt werden, dass erst die Entwicklung von Autopiloten und Windsteuersystemen die Karawane der Blauwassersegler auf den Weltmeeren in Bewegung gebracht hat. Die Sklaverei endloser Ruderwachen war vorbei, selbst ausgedehnte Ozean-Passagen wurden plötzlich selbst mit kleinster Crew möglich.

Nach einer Weltumsegelung von 70.000 sm mit einer Aries, einer zweiten von 40.000 sm mit einer Hydrovane und nunmehr 50.000 sm mit einer Windpilot wird mich niemand der Übertreibung beschuldigen, wenn ich behaupte, dass ein Windsteuersystem an Bord einer Blauwasserjacht heute zu den wichtigsten Ausrüstungsgegenständen überhaupt zählt. – Erstaunlicherweise gibt es eine ganze Reihe von Seglern, die das anders sehen; vielleicht weil sie technikverliebt ihre Pushbutton-Mentalität einfach mit an Bord nehmen. Ein gewählter Kurs wird durch Knopfruck bestätigt – so einfach kann Seefahrt sein. Klar, dass dies schnell Freunde gewinnt. Allerdings dauert diese Liebesbeziehung meist nur bis zu dem Tag, an dem die Maschine nicht mehr anspringt, weil die Batterie leer ist.

Nachdem ich endlose, teils herzerweichende Geschichten zu diesem Thema im Laufe vieler ARC- und anderer Rallys habe anhören müssen, ist es mir gelungen, Peter Foerthmann zu überreden, nach Las Palmas zu kommen und in der Vorbereitungphase des ARC den Teilnehmern über die Vor- und Nachteile von Selbststeuersystemen zu sprechen. Seine Vorträge und Workshops waren von Anfang an ein Erfolg, nicht nur, weil er sich in diesem Bereich wahrscheinlich besser auskennt als irgendein anderer auf der Welt, sondern vor allem, weil er über Autopiloten und Windsteuersysteme im Allgemeinen und Besonderen sachverständig und fair informiert, ohne sein eigenes Produkt in den Vordergrund zu stellen.

Es macht mir besonderes Vergnügen, zu sehen, dass Peter Foerthmann meinem Rat gefolgt ist und sein Wissen aufgeschrieben hat. Systematisch, anschaulich und leicht verständlich werden sämtliche Systeme auf den folgenden Seiten beschrieben. Dabei wird schnell deutlich, dass jeder eiserne Steuermann stets klaren physikalischen Regeln folgt. Als Erfinder, Systementwickler und Hersteller seiner eigenen Produktlinie hat gezeigt, dass sein Name zu Recht in einem Atemzug mit denen von Blondie Hasler, Marcel Gianoli oder Nick Franklin genannt werden sollte. Dieses Buch bestätigt, was die Segler auf den Weltmeeren schon wissen: Peter Foerthmann ist die Autorität für Windsteuersysteme.

Jimmy Cornell

VORWORTDES AUTORS

Wer hätte je gedacht, dass sich die Welt so schnell ändern könnte – in nur einer Generation? Schiffe, die gestern noch modern waren, sind heute bereits Klassiker. Galten früher Echolot, Funkpeiler, Sextant und UKW als Komplettausrüstung für eine seegehende Jacht, so ist heute das Angebot an Navigationsgeräten und Ausrüstung für den Segler nahezu unüberschaubar geworden. GPS, EPIRB, Inmarsat, Plotter, Radar, Kurzwelle sowie On-Board-Internet-Zugang sind bereits fast selbstverständlich. Das Reisen auf See ist sicherer und einfacher geworden. Auch das Angebot an Segelliteratur ist riesig, jeder Fachbereich wurde vielfach gründlich untersucht. Kaum zu glauben, dass über das Thema Selbststeuerungvon Segeljachten weltweit nur eine Handvoll Bücher geschrieben worden sind.

Jimmy Cornell, den ich im Verlauf von vielen ARC-Veranstaltungen kennengelernt hatte, fragte mich irgendwann auf den Stegen von Las Palmas, ob ich über mein Lieblingssthema einen Vortrag halten könne. Klar konnte ich. »Auch in Englisch?«, war die nächste Frage und etwas unsicherer meine Antwort: »Auch in Englisch.« Und so fand ich mich wenige Tage später im vornehmen Congress Centre von Las Palmas, leicht weich in den Knien, vor versammelter Mannschaft der ARC-Teilnehmer wieder. Ein Simultan-Dolmetscher übersetzte ins Deutsche, damit auch deutsche Segler mich verstehen konnten.

Nun, die Sache hatte Folgen, die bis heute nachwirken. Jimmy, wie immer kraftvoll und direkt, duldete keinen Widerspruch, als er das alles ins Rollen brachte. Und so begann ich das Mosaik eines besonderen Kapitels über das Segeln zusammenzutragen. Keine leichte Entscheidung, gibt es doch kaum ein sensibleres Thema für einen Hersteller von Windsteuersystemen – aber eben auch kein Besseres, denn nur wenige Fachbereiche der Segelei sind ähnlich logisch nachvollziehbar. Sämtliche Steuerautomaten folgen denselben physikalischen Spielregeln, keines von ihnen kann hexen und blau färben.

Dieses Buch, so hoffe ich, räumt auf mit alten Vorurteilen und falschen Vermutungen, bringt Systematik über einen teils mystisch verklärten Fachbereich der Segelei und nennt Fakten, die Sie leicht nachvollziehen können, auch wenn Physik früher nicht Ihr Lieblingsfach gewesen ist. Ziel des Buches ist es, Ihnen Enttäuschungen auf See zu ersparen, zum Beispiel die endlose Qual langer Ruderwachen bei Nacht und üblem Wetter, nur weil der eiserne Gustaf ausgestiegen ist. Ein Glücksfall wäre es, wenn Sie noch Zeit hätten Planungsfehler, oder sagen wir besser Denkfehler, an Bord Ihrer eigenen Jacht zu korrigieren, bevor Sie auslaufen. Denn natürlich ist es besser, Sie bemerken einen Fehler an Land, als mitten auf See, wenn die Arme vom Steuern sind werden und die Augen müde.

Bedanken möchte ich mich bei Jimmy Cornell, dessen Worte Setz dich hin und schreib. ich heute noch hören kann, auch wenn in meinem Kopf nun kein Stein mehr auf dem anderen geblieben ist.

Vielen Dank für Ihr Interesse. Wenn dieses Buch dazu beitragen kann, Ihr Leben an Bord zu vereinfachen, ohne an Land zu bleiben, dann hat es seinen Zweck erfüllt.

Peter Foerthmann

EINFÜHRUNG

Ist das Selbststeuern eine Angelegenheit des 20. Jahrhunderts? Ein Schiff zu steuern, ohne selbst das Ruder in der Hand zu halten? Tatsächlich hat diese Idee erst spät den Geist der Erfinder beflügelt.

Capitaine de Frégate Hermione.

Soweit die Geschichte zurückreicht, haben Menschen die Meere besegelt, sei es um Handel zu betreiben, für Eroberungen oder um Kriege zu führen. Crew war immer reichlich vorhanden und sie war billig. Alle Arbeiten an Deck, im Rigg und am Anker wurde mit Muskelkraft erledigt. Wo die nicht ausreichte, wurden Leinen durch Blöcke oder Klappläufer mehrfach geschoren und der Anker wurde mithilfe der Untersetzung des Ankerspills an langen Spaken von Hand gehievt. Auf den Groseglern der letzten Generation – der Wettbewerb gegen die zunehmend gröere Flotte der Dampfschiffe war bereits verloren – gab es kleine Hilfsmaschinen, ebenfalls dampfgetrieben, zur Unterstützung der Crew bei ihrer harten Decksarbeit. Dennoch: Gesteuert wurde in drei Wachgängen, stets von Hand. Je nach Wind und Wetter standen bis zu vier Steuerleute an zwei Doppelrädern, um die Last am Ruder zu halten. Konnte das Ruder in ruhiger See mit einer Leine gelascht werden, galt dies bereits als enorme Erleichterung, denn elektrische oder hydraulische Unterstützung waren unbekannt.

Zu dieser Zeit, den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts, war der Segelsport ein überwiegend elitärer Sport. Seesegeln mit Jachten war etwas für die Reichen, die Arbeit an Deck eine Mannschaftsveranstaltung. Niemand wäre je auf die Idee gekommen, den schönsten Platz and Bord, den Platz am Ruder, durch einen Automaten zu ersetzen. Erst der Siegeszug der Dampfmaschine und der damit verbundene stark ansteigende internationale Personen- und Warenverkehr machte irgendwann, Mitte des 20. Jahrhunderts, ganz unspektakulär den menschlichen Rudergänger zunehmend unnötig: Der erste Autopilot wurde im Jahre 1950 erfunden! Bereits kurze Zeit später war ein starker elektrohydraulischer Autopilot bereits Selbstverständlichkeit bei jedem Schiffsneubau. Das Ruderrad war auf diesen Schiffen zwar noch vorhanden, jedoch befanden sich seitlich davon die immer mehr genutzten Knöpfe zur direkten Betätigung der Rudermaschine. In der Berufsschifffahrt und Fischerei wurden nahezu sämtliche Arbeiten an und unter Deck bereits sehr früh mit elektrischer oder hydraulischer Unterstützung erledigt: Ladegeschirr, Ankerspill, Festmacherwinschen, Luken öffnen und schlieen sowie Netze einholen. Jedes Schiff wurde schnell zu einem komplexen System von Stromgeneratoren und Verbrauchern und solange die Hauptmaschine lief, war Energie im Überfluss verfügbar.

Ohne Übertreibung kann gesagt werden, dass heute die gesamte Berufsschifffahrt und Fischerei auf den Meeren dieser Welt ausschlielich von Autopiloten gesteuert wird, eine Tatsache, die keinen Blauwassersegler kalt lassen sollte, denn selbst ein aufmerksamer Wachgänger auf der Brücke eines mit 22 kn dahinrauschenden Containerschiffes wird nicht verhindern können, dass sein Schiff noch eine ganze Weile weiter geradeaus fährt, bevor es dann mit sanftem Bogen zur Seite dreht. Ein Frachter in der Kimm ist schnell heran, zumal die Augenhöhe auf einer Segeljacht nur wenig über null beträgt. Kollisionen zwischen Segeljacht und Containerschiff, immer wieder Gegenstand zynisch deftiger Karikaturen von Mike Peyton, sind der Albtraum jeden SeglerHorrorstorys in Büchern und Magazinen enden fast regelmäig mit einem Ende der Jacht bei den Fischen. Die Geschichte von einem schlafenden Solosegler, der aus Versehen einen Fischkutter aufgespiet hatte, füllte die Weltpresse. Aber so sensationell und auergewöhnlich dieser Vorfall auch war, er hatte ein juristisches Nachspiel.

Ozeanriese wie die Queen Mary 2 werden auf See nur von einem Automaten gesteuert.

Natürlich ist es verlockend, die Einhand-Segelei vor diesem Hintergrund als höchst gefährlich zu verurteilen, insbesondere weil ja jeder Skipper irgendwann mal schlafen muss. Viel zu leicht hingegen wird übersehen, dass nahezu die gesamte Frachtschifffahrt dieser Erde regelmäig nur dem Augenpaar einer einsamen Brückenwache anvertraut ist und wenn die zufallen, ist das Ergebnis ungleich gefährlicher: ein Geisterschiff und groe Gefahr für jeden unglücklichen Segler der, auf Radarschirmen unsichtbar, zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort dahinsegelt, denn, nicht wahr, ein AIS (Automatic Identification System) ist auch nur hilfreich, solange es eingeschaltet ist, wie Boris Herrmann zu seinem Nachteil in der VENDÉE 2020 hat erfahren müssen.

Ein schlafender Rudergänger kann Pech haben, wenn er zur falschen Zeit schläft.

Aber die Zeit menschlicher Rudergänger auf See ist unwiederbringlich vorbei. Eiserne Steuerleute arbeiten zuverlässiger und werden nicht müde. Sie haben den Menschen, jedenfalls am Ruder eines Schiffes, schlicht überflüssig gemacht, ihn einfach ersetzt.

Selbst auf Revierfahrt werden Frachter und Fähren heute von Autopiloten gesteuert – erheblich präziser als ein Mensch das je könnte. Die Grofähren der Stena Line rauschen mit atemberaubender Fahrt durch engste Schärengewässer, wie von Geisterhand gesteuert von GPS-Impulsen einer speziell für diesen Einsatzbereich entwickelten Software.

Was für den Menschen bleibt? Überwachung, jedenfalls solange die Augen offenbleiben.

Die Geschichteder Selbststeuerung

In der Frühzeit des vorigen Jahrhunderts war die Einhand-Segelei eine Sache weniger Pioniere – Joshua Slocum war vielleicht der bekannteste. Die Legende dieses Mannes ist in den Köpfen der Segler lebendig geblieben. Nachbauten seiner berühmten Spray befahren heute alle Weltmeere, gilt sie doch immer noch manchen Seglern als Inbegriff eines soliden und seetüchtigen SchiffeEs ist überliefert, dass Slocum es geschafft hat, sein Schiff über eine gewisse Zeit sich selbst steuern zu lassen. Das Ruder wurde festgelascht oder über eine ausgeklügelte Leinenverbindung zwischen Schot und Hauptruder sogar ein wenig gesteuert. Die Last auf der Schot korrigierte dabei über Klappläufer den Gegenruderwinkel. Ein Verfahren, bei dem ganz bewusst auf einen Teil des Vortriebs eines Vorsegels verzichtet wurde, um es zu Steuerzwecken einzusetzen. Hilfreich war natürlich, dass die Spray einen Kiel hatte, der nahezu ebenso lang war wie die Wasserlinie dieses Schiffes.

Hambley Tregoning beschreibt im Jahre 1919 in einem Brief an die Yachting Monthly ein Verfahren, wie man die Pinne eines Bootes über Leinen mit einer Windfahne verbinden kann, um eine Steuerung zu erreichen. Für die Eigentümer von Modellsegelbooten war dies der perfekte Weg, ihre Spielzeuge fortan auf Kurs zu legen. Die Kraft einer kleinen Windfahne war ausreichend, um die geringe Ruderfläche eines kleinen Modellbootes zu bewegen, hingegen stellte sich recht schnell heraus, dass dies kein geeigneter Weg für fullsized Segelboote war, da eine Windfahne einfach nicht genügend Druck erzeugen konnte, um die Ruderpinne eines Schiffes wirkungsvoll zu bewegen.

Das ersteWindsteuersystem

Ironie der Geschichte: Das erste Windsteuersystem war auf einem Motorboot installiert. Der Franzose Marin Marie verwendete auf seiner spektakulären Reise von New York nach Le Havre im Jahre 1936 eine übergroe Windfahne, um sein Schiff zu steuern. Die Windfahne, gro wie ein Segel, war über Leinen mit dem Hauptruder seiner 14-Meter-Motorjacht Arielle verbunden. Sie kann heute noch im Musee de la Marine in Port Louis in Frankreich besichtigt werden.

1955 segelte der Engländer Ian Major singelhand mit seiner Buttercup von Europa in die Karibik. Er verwendete dabei eine Windfahne, die über eine Trim-Tab, eine Trimmklappe das Hauptruder bewegte. Diese Kombination war in der Frühzeit der Windsteuersysteme weitverbreitet.

Michael Henderson ging in gleichen Jahr einen anderen Weg. Auf seinem berühmten 17-Footer Mick the Miller steuerte eine Windfahne ein kleines Zusatzruder am Heck des Schiffes, während das Hauptruder zu Trimmzwecken verwendet und festgesetzt wurde. Harriet, the third Hand, wie Henderson sein System nannte, war ein voller Erfolg, sie steuerte mehr als 50 Prozent seiner Zeit auf See. Bernard Moitessier verwendete 1957 ebenfalls ein Trim-Tab-System, um seine Marie Threse zu steuern.

Im Jahre 1965 wurde auf der legendären Joshua dann ein vereinfachtes System eingesetzt: die Windfahne wurde nun direkt auf der Trim-Tab-Achse befestigt.

Der Startschuss zum ersten OSTAR (Observer Singlehanded Transatlantic Race) am 11. Juni 1960 hingegen, kann als der Beginn der Ära der Windsteueranlagen bezeichnet werden. Keiner der fünf Teilnehmer – Francis Chichester, Blondie Hasler, Valentine Howells, David Lewis und Jean Lacombe – hätte das Ziel erreicht, ohne irgendeine Form von Windsteuersystem.

Miranda, so nannte Francis Chichester seine erste Windsteueranlage, bestand aus einer riesigen Windfahne von fast 4 m2, die von einem 12 kg schweren Gegengewicht ausbalanciert wurde und über Leinen und Umlenkblöcke direkt mit der Pinne verbunden war. Die riesige Windfahne führte allerdings recht häufig ein Eigenleben und Chichester veränderte bereits wenig später die Proportionen von Windfahne und Rudergröe.

Die Jester, das legendäre dschunken-geriggte Folkeboot von Blondie Hasler, hatte das erste Servo-Pendelrudersystem mit Differenzialgetriebe am Heck.

David Lewis und Valentine Howell benutzten einfache Trim-Tab-Systeme und Jean Lacombe ein gemeinsam mit Marcel Gianoli entwickeltes Trim-Tab-System mit variabler Kraftübertragung.

Hasler und Gianoli, ein Engländer und ein Franzose waren die beiden Schlüsselfiguren in der Entwicklung der Windsteuersysteme. Die Grundsätze der von diesen Männern entwickelten Systeme haben heute noch ihre Gültigkeit.

Das zweite OSTAR fand 1964 statt, wiederum wurde jedes Schiff von einem Windsteuersystem gesteuert. Sechs Teilnehmer hatten sich für ein Pendelrudersystem von Hasler entschieden, der bereits eine kleine Produktion aufgebaut hatte. In den Round Brittain Races 1966 und 1970 gehörten Windsteuersysteme zur Standardausrüstung sämtlicher Schiffe. Elektrische Autopiloten waren verboten.

1972 war das OSTAR-Teilnehmerfeld so gewaltig angewachsen, dass die Veranstalter für das darauf folgende Race im Jahre 1976 bereits eine Beschränkung der Teilnehmerzahl auf 100 Schiffe beschlos Nun waren auch elektrische Autopiloten erlaubt, Einbaumotoren und Generatoren hingegen blieben weiterhin verboten. In dieser Regatta nutzten viele Teilnehmer nun professionell gebaute Windsteuersysteme: 12 Hasler, 10 Atoms, 6 Aries, 4 Gunning. 2 QME, 2 elektrische Autopiloten, 2 Hilfsrudersysteme, 2 Quartermaster, 1 Hasler Trim-Tab. Keine der groen Einhand-Regatten wäre ohne Windsteuersysteme denkbar gewesen. Diese Regatten galten als die Initialzündung für ein neues Marktsegment: der professionellen Entwicklung und Produktion von Windsteuersystemen. Die Namen der Pioniere der frühen Jahre in England, Frankreich, Italien und Deutschland sind heute noch bekannt: Atoms, Aries, Gunning, Hydrovane, QME und Windpilot.

Das Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre, der Wechsel von Holzbootseinzelbau zum Groserienbau von Kunststoff Schiffen, beschleunigte naturgemä auch die Verbreitung der Windsteuersysteme. Segeln war nicht länger ein Sport nur für Eliten, sondern wuchs zum populären Freizeitvergnügen für jedermann. Der Traum von der Freiheit auf See wurde bald ein Massenphänomen.

Hier die Liste der Unternehmen, die sich zuerst mit der Entwicklung und dem Serienbau von Windsteuersystemen beschäftigt haben, in chronologischer Reihenfolge, entsprechend ihrer Markteinführung:

1962: Blondie Hasler, Hasler

1962: Marcel Gianoli, Mnop

1965: H. K. Wilkes, Quartermaster

1968: John Adam, Windpilot

1968: Pete Beard, QME

1968: Nick Franklin, Aries

1970: Henri Brun, Atoms

1970: Derek Daniels, Hydrovane

1972: Charron / Wache, Navik

1976: Boström / Knööss / Zettergren, Sailomat

Nick Franklin, der Gründer von Aries am Ruder seiner Jacht.

John Adam in Weighmouth/England im Jahre 1968 mit der ersten Windpilot-Anlage an seiner Leisure 17.

Dieses Hasler-System auf einer Sparkman & Stephens ist nach 35 Jahren immer noch im Einsatz.

Der erste Cockpit Autopilot

Der erste Autopilot, der nicht für die Berufsschifffahrt eingesetzt wurde, ist wahrscheinlich der Tillermaster, eine für den Pinnenbetrieb verkleinerte Version eines Autopiloten, der1970 für Fischerboote hergestellt wurde.

Derek Fawcett, ehemals bei Lewmar beschäftigter Ingenieur, gründete im Jahre 1973 die Firma Nautech, die Autopiloten unter der Trademark Autohelm ausschlielich für Segel- und Motorboote produzierte. Insbesondere die preiswerten Cockpit-Piloten für Pinne oder Rad waren ursächlich für die schnell wachsende Popularität dieser Firma. Das Sortiment wurde alsbald ergänzt von starken Einbau-Piloten für jeden Verwendungszweck. Nach der Übernahme durch die US-Firma Raytheon erlangte das Unternehmen schnell Weltgeltung und hat nach Management-Buy-out im Jahre 2001 nun unter der Trademark Raymarine bis heute seine Führungsposition in diesem Marktsegment ausgebaut.

S, früher unter der Marke S bekannt, hat seine Ursprünge in der Berufsschifffahrt, insbesondere der Fischerei. Robuste Einbau-Piloten, die sich im Alltag auf See bewährt hatten, galten lange Zeit als richtungweisend, auch für den Einsatz in der Sportschifferei. Die Forderung, einen Autopiloten über Schnittstelle mit anderen Navigationsgeräten zu vernetzen, kam zuerst aus der Berufsschifffahrt und so ist es nicht verwunderlich, dass Robertson bereits 1987 Autopiloten mit NMEA-Schnittstelle in Serie produziert hat. Nach Übernahme von Navico im Jahre 1999 sowie B&G im Jahre 2003 verfügt Simrad heute über die gesamte Produktpalette vom Pinnen- und Rad-Piloten bis zu hochwertigen Einbau-Piloten und ist damit das zweite Schwergewicht in diesem Markt.

MENSCH, AUTOPILOT ODER WINDPILOT

Der Mensch, zumal der segelnde, ist ein genialer Automat, wenn er das Ruder eines Schiffes hält. Eine Vielzahl von Signalen kann er perfekt verarbeiten und so ein Schiff auf Kurs halten. Seine Sinne verarbeiten Informationen von scheinbarem Windeinfallswinkel, Kompasskurs, dem Stand der Segel, dem Wellen- und Wolken-Bild oder der Schräglage des Schiffes, dem Ruderdruck, den Navigationsdaten sowie dem gegnerischen Verkehr so perfekt, wie es kein Automat zu leisten vermag. Die Grenze menschlicher Leistungsfähigkeit jedoch ist immer dann erreicht, wenn Müdigkeit oder auch Unerfahrenheit das Steuerergebnis beeinträchtigen: Wenn die Augen zufallen, wird das Segeln gefährlich. Die Entwicklung automatischer Steuereinrichtungen war ein logischer Weg in Richtung bequemeren Segelns und weiterer Reisen. Windsteuersysteme waren vor 30 Jahren nahezu ausschlielich das Erkennungsmerkmal von Blauwasserseglern. Autopiloten hingegen haben den Markt von der anderen Seite erobert, der Seite des Normalseglers, der für seine Urlaubs- und Wochenendtrips steuerfreie Zeiten wünschte. Die Verwendung von Autopiloten im Blauwasserbereich war damals ebenso unvorstellbar wie der Einsatz klobiger Windsteuersysteme für den Törn von Kiel nach Marstal. Beide Systemarten hatten ihre klare Klientel.