Bootsbau - Gestern und Heute - Peter Foerthmann - E-Book

Bootsbau - Gestern und Heute E-Book

Peter Foerthmann

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Beschreibung

In der Welt der Blauwassersegler wird Peter Foerthmann seit Jahrzehnten zurate gezogen, wenn es um Steuerfragen geht. Als Entwickler, Produzent sowie weltweiter Ansprechpartner in der komplexen Materie von Windsteuersystemen ist seine Expertise international gefragt. Bei einigen Dutzend eigenen, zudem Tausenden von schwimmenden Schwänen, die er beruflich ausgerüstet hat, ist in einem halben Jahrhundert geballtes Fachwissen zusammengekommen. Der besondere Fokus auf wichtige Merkmale von für weltweite Fahrten geeigneten Schiffen allerdings machte es verlockend, die Boote von gestern mit den heutigen zu vergleichen. Dieses Buch benennt die Achillesfersen heutiger Konstruktionen und konstatiert, wie Schiffe auszusehen haben die, wenngleich von gestern, auch morgen noch von heute sind, jedenfalls wenn man willig und bereit ist, beim Segeln zwischen Spaß und Ernst zu unterscheiden, anstatt nur auf das Glück zu vertrauen, dem man die Entscheidung über die unversehrte Ankunft nach langer Reise überlässt.

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Seitenzahl: 98

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Peter Foerthmann

Bootsbau – Gestern und Heute

Trends, Präferenzen und Prioritäten

Copyright: © 2020 Peter Foerthmann

Lektorat: Erik Kinting – www.buchlektorat.net

Umschlag & Satz: Sabine Abels – www.e-book-erstellung.de

Cartoons: Inga Beitz–Svechtarov

Fotos:

Peter Foerthmann: 13, 42, 46, 49, 56, 58, 59, 60, 61, 62, 74, 79, 99, 121,127

23, Edward Burnett

37, René Bornmann

51, Sebastian Groth

66, Kai Greiser

67, Jörg Jonas

93, Jimmy Cornell

101, Harry Schank

109, Sybille + Christian Uehr

122, Christian Heusinger

125, Sepp Koch

153, Rainer Woehl

Verlag und Druck:

tredition GmbH

Halenreie 40-44

22359 Hamburg

978-3-347-23765-0 (Paperback)

978-3-347-23766-7 (Hardcover)

978-3-347-23767-4 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

PROLOG

BOOTSBAU – VOM HANDWERK ZUR INDUSTRIE

Materialien und Verarbeitung

Lebensdauer und Wartungsaufwand

Rationalisierung – Schlüssel für Wertschöpfung

Einzelbau/Serienbau

Einsatzgebiet und tatsächliche Verwendung

Bootsbau und der Markt

Wertigkeit und Wiederverkauf

Klassenvereinigungen

Der Gebrauchtmarkt

Schiffe aus Metall

Vertriebskosten

DAS RUDER

Schein und Wirklichkeit

Das Wasser hat eben doch Balken

Beratung: USA versus EU

Der Trend zur Vernunft

Futter für die Augen

DIE STEUERUNG

Pinnensteuerung

Radsteuerung

Golden Globe Race

Gefährliches Fahrwasser

Notpinne

DER ANTRIEB

Wellenantrieb

Z-Drives

Saildrives

Fakten

ACHILLESFERSEN

Es müssen nicht immer Balken sein

Murphys Gesetz

Weiche Balken

HECKVERZIERUNGEN

Windsteuersysteme

Sternstunden

Örtliche Festigkeiten

Badeleiter

Gangway

Badeplattform

Davits

Dingi

AB-Motor

Antennen

Windgenerator, Solarpaneele

Geräteträger

Bimini

Rettungsinsel

Wassergenerator

Das Optimum

DIE BLAUWASSER BERATUNG

Das Diktat zum Inserat

Die Generalfrage

DIE SÄULEN DER INFORMATIONSBESCHAFFUNG

Mundpropaganda – Word of Mouth

Sponsoring

Die Besserwisser

Media

Blauwasserseminare

Die Bezahlschranke

MEIN TRAUM

Segeln als Spaß oder Ernst?

EPILOG

PROLOG

Kaum ein Thema kann besser polarisieren, als Gedanken zur Qualität Schiff gewordener Träume, die in einem Seglerleben eine zentrale Rolle spielen, denn die Wahl für oder gegen ein Schiff hat Konsequenzen – wer A sagt, muss den Rest des Alphabets auch deklinieren können. Das gilt für finanzielle Leidensbereitschaft, handwerkliches Geschick und Lernfähigkeit ebenso wie für den Gehorsam der zwangsverbundenen Familie, die aushalten muss, was auf der Brücke kommandiert und als Richtlinie in Kunststoff, Alu oder Blech gegossen oder verschweißt wird – mitgefangen, mitgelitten oder, mit Glück, das Gegenteil. Ein komplexes Thema, bei dem es erstaunt, dass viele Argumente nur selten erörtert werden. Eine polarisierende Diskussion über früher ist besser bzw. modern ist schlechter greift erheblich zu kurz, auch wenn dies z. B. in einer Forengemeinde mit Spitzfindigkeiten und vorhandenen Fronten schnell außer Rand und Band geraten und die Feinde eigener Erkenntnisse schnell stigmatisiert oder gar beschimpft werden. Turbulentes Fahrwasser eben.

Erstaunlich eigentlich, dass darüber so wenig in der Fachpresse zu lesen ist. Hat das vielleicht mit Rücksichtnahmen gegenüber einer Anzeigenkundschaft zu tun, von der man vielleicht ein wenig abhängig geworden ist? Es wäre vermutlich die alte Geschichte vom Händewaschen – einer Hand und der zweiten.

So finden wir kritische Betrachtungsweisen zum Bootsbau nur in Randbereichen, wenn z. B. Stehhöhen, Kojenlängen oder individuelle Geschmackssachen benannt werden, wohingegen die Grundsätzlichkeiten eines Schiffes selten im Fokus stehen oder gar Gegenstand akribisch vergleichender Untersuchungen werden. Zum Beispiel einer Untersuchung über Designtrends. – Heißes Thema? Mitnichten, denn es handelt sich um den Kern des Ganzen: den Bootsbau und seinen Wandel von einer Handwerkskunst zu industrieller Bootsbauweise, insbesondere die Auswirkungen auf Qualität und Preis der Ware. Spätestens hier kann jeder Segler mitreden, denn kaum ein Sachgebiet bringt die Gemüter so zum Kochen, wie die Diskussion über den Vergleich von früher gegenüber heute.

Untersuchen wir den Fall …

BOOTSBAU – VOM HANDWERK ZUR INDUSTRIE

Unbestritten, dass Segeln erst mit der Einführung serieller glasfaserverstärkter Kunststoffe (GFK) zum Breitensport geraten konnte. Je kleiner das Boot, desto größer der Markt sowie mögliche Stückzahlen – Optimist-Jollen und Laser wurden in sechsstelligen Stückzahlen gebaut. Bei Dickschiffen ist die Stückzahl vergleichsweise rührend, das Wertschöpfungspotenzial hingegen enorm viel interessanter – weil ein OPTI weder Stehhöhe, Maschine noch eine Toilette aufzuweisen hat.

Unvergessen, dass die damals geringe Zahl der Anbieter europäischer Boote auf Messen ihre Schiffe dutzendfach verkaufen konnten – pro Messe und Schiff. Unvergessen die Geschichte von Peter Schmidt, meinem abendlichen Skat-Pendent während der Interboot in Friedrichshafen in den 70er-Jahren, der im Verlauf einer schnellen Messewoche über 30 Sirius-Jachten hat verkaufen können – und vor Übermut kaum noch laufen konnte.

In den 70ern und 80ern herrschte Goldgräberstimmung. Die Segler haben den Werften die Türen eingerannt, mit ihrer Nachfrage Atemlosigkeit erzeugt und in der Folge für steile Absatzkurven gesorgt. Brian Meerloo und seine Männer haben in England unter der Marke Cobramold UK die Leisure-Jachten zu Tausenden produziert, Styrol galt damals vermutlich noch als ungefährlich und Absauganlagen waren eher unbekannt.

Schöner Zufall, dass der Gründer meiner Firma – John Adam – im Jahre 1968 bei Brian um ein Schiffchen bat, hernach mit einer Leisure 17 dann nach Westen segelte, wo er unfreiwillig – weil schlafend – an der kubanischen Küste gestrandet ist. Im dortigen Gefängnis reifte vermutlich der Entschluss zur Gründung der Firma Windpilot – immerhin hatte die erste Anlage ihren Test mit Bravour bestanden und Augen haben Windsteuersysteme auch heute nicht. Johns Story war in Deutschland damals eine Sensation. Profis hätten eine Markteinführung für Leisure-Jachten nicht besser erfinden und koordinieren können. Der Mythos der Marke strahlt heute noch – nach immerhin 4.000 gebauten Schiffen, die fast alle noch lebendig sind. Abgeschweift? Macht nichts – gehört dazu.

Die Anforderungen eines Volkes, das aufs Wasser strömte, waren mit den Produktionsmethoden handwerklicher Bootsbaukunst nicht zu erfüllen. Konsumenten sind ungeduldige Menschen, das galt früher ebenso wie heute. Sitzt der Stachel erst im Fleisch, will man den Schwan seiner Träume flott unter dem Hosenboden haben. Erwachsene können wie Kinder sein: nervig, quengelig und ungeduldig. Geld spielt dann plötzlich nur eine Nebenrolle.

Kaum ein Wandel erfolgte derart radikal, wie jener im Bootsbau. Was unten war, wurde sprichwörtlich nach oben gewendet bzw. das Innere nach außen, denn Schiffe wurden fortan falsch herum gebaut – mit der Außenschale fängt heute alles an. Früher war es anders herum, weil Schiffe bis dato von innen nach außen gebaut worden sind. Obwohl Henry Ford das Fließband schon im Jahre 1914 eingeführt hatte, erwachte der Bootsbau erst vor rund 50 Jahren aus dem Dornröschenschlaf – das Volk hatte in den wirren Nachkriegszeiten nun mal ganz andere Sorgen.

Ein Bootsrumpf war früher eine komplexe Angelegenheit. Er bestand aus Kielschwein, Totholz, Vor- und Achtersteven, Springern, Decksbalken, Wrangen und Spanten im Dreivierteltakt. Ein solides Schiff, das mit daumendicken Planken zum Schluss wasserdicht verschraubt, verklebt, vernagelt, kalfatert und final vielfach lackiert, poliert und versiegelt worden ist. Ein fertiger Schiffs-Kasko war auch ohne Möbel schon schwimm- und segelfähig – eine steife Zelle, die Belastungen jeder Art souverän gewachsen war. Regattaschiffe wurden damals im ersten Leben – des Gewichtes wegen – vielfach nur mit Rohrkojen ausgestattet. Erst im zweiten Leben, also wenn als unmodern abgewertet, wurden sie sodann voll möbliert und erfuhren manches Mal die Metamorphose zum Fahrtenschiff. Der Eigner bestimmte, ob er mit Männer-Kerlen Seeschlachten schlagen oder samt Frau, Freundin oder Familie sein Schiff bewundern und bewegen wollte. Die Schiffe waren stark genug für beide Leben – die meisten von ihnen leben heute noch.

Die Proportion der Kosten für Schiffsrumpf zum fertigen Schiff war schmerzhaft, denn Bootsbauer konnten weder hexen noch blau färben – Holz biegen und verformen dauerte eben seine Zeit, auch wenn diese damals vergleichsweise preiswert zu kaufen war. Rationalisierung beim Rumpfbau wurde zum logischen Weg – und sie kann getrost als der Laster Anfang bezeichnet werden.

 

Materialien und Verarbeitung

War eine Negativform in glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) erst einmal hergestellt, konnten Schiffsschalen wie Brötchen vergleichsweise fix fertiggebacken werden – eine Arbeit, die plötzlich auch von Nicht-Bootsbauern zu erledigen war. War die Schale genügend ausgehärtet, folgte die Entformung, hernach der Bau der nächsten Schale, stets im Takt.

Es gehört zu den Besonderheiten der Modern Classics, dass ihre Rümpfe bereits aus GFK hergestellt, aber der Ausbau weiterhin handwerklich erledigt wurde – Bootsbauer blieben in Lohn und Arbeit, weil die Rationalisierung erst langsam alle Fertigungsbereiche erfassen sollte. Kein Geheimnis, dass ältere GFK-Schiffe meist erheblich solider hergestellt wurden, weil Stringer und Wrangen flächig und der Holzausbau stirnseitig mit dem Rumpf – durch Laminat – verbunden wurden. Das Ergebnis war meist ein steifes Schiff.

Meine Hanseaten – ich hatte drei in Folge – segelten unter Last stets leise schweigend, Knistern im Deck gab es nicht, wenn die Kavallerie der Päckchenlieger auf Helgoland Richtung Land zur Pommes- oder Zollfrei-Bude turnte. Singende Schiffe waren damals noch unbekannt.

Modern Classics stehen heute hoch im Kurs, einfach weil sie als Synthese zweier Welten gelten, schöne Linien und traditionelles Handwerk mit modernen Materialien verknüpften und damit endlich die mit dem Segeln bis dato assoziierten Gerüche nach feuchtem Mief und muffigen Socken zu den Fischen schickte. Segeln geriet damit fortan auch zum Familienvergnügen, weil Damen gemeinhin nicht nur kleinere, sondern auch feinere Nasen haben. Segeln als Männersport hatte ausgedient. Schiffbau ist Schiefbau – darin besteht der Reiz einer jeden Jacht, deren Formensprache unser Blut in Wallung und unser Konto zur Verzweiflung bringt. Modern Classics garantieren, dass wir auch nach tiefem Schlaf mit schnellem Blick sofort erkennen, wo wir sind, nämlich keinesfalls zu Hause, denn: Rechte Winkel gibt es nicht. So gesehen war es eine wirklich schöne Zeit.

Traditionelle Formensprache war stets emotional, weil Funktion der Form folgte – und nicht umgekehrt. Heutiger Mainstream rennt anderen Erfordernissen hinterher, weil Marketing-Diktate Konzept und Produkt bestimmen und Formensprache nur noch der Wiedererkennung und Markenunterscheidung zu dienen scheint. Manchmal genügt bereits ein farbiger Streifen.

Mit Sicherheit waren die alten Schiffe stabiler, weil sie ein Rückgrat samt Rippen besaßen und damit gegen ungewöhnliche Begegnungen wie Ramming, Strandung oder Grundberührung besser gewappnet waren – nicht zu reden vom Hauptruder, das hinter dem Kiel in Abrahams Schoss immer bestens geschützt und zudem stabil gelagert war. Ein vergleichbares Rückgrat sucht man im modernen Jachtbau vergeblich, oder eleganter: Es wurde stillschweigend eliminiert, hier und da durch andere Bauteile ersetzt, weil man das Platz- und Raumangebot zunehmend als wichtiger erachtete. Besaßen Autos früher ein Chassis, trägt sich die Summe aller Bauteile heute gegenseitig … na ja, überspitzt gesagt.

Innenschalen und Formbauteile haben traditionellen Bootsbau zunehmend auch im Innenausbau überflüssig gemacht, weil Formen und Bauteile in Serie rasant zu erstellen und ebenso schnell im Rumpf zu installieren (zu verkleben) sind. Bootsbau erfolgt heute in modularer Bauweise, was Individualisierung ermöglicht und Kosten reduziert. Zudem können Formbauteile auch Rundungen ohne Aufpreis erfüllen und dem Auge des Betrachters ein wenig schmeicheln.

Aussteifung erfolgt heute durch Schotten, Innenschalen, Längsstringer und Fundamente, die in belasteten Bereichen dafür sorgen, dass der Kiel beim Kranen auch aus dem Wasser kommt, der Motor beim Schieben unter Last nicht durchs Schiff nach vorne wandert und Benutzer der Bordtoilette beim Segeln am Wind dort nicht bis zur Wende verhaftet werden, weil der Mast von oben die Tür unter Druck verklemmt. Gerät eine Konstruktion zu sehr extrem, werden metallene Verstärkungen eingebaut, um die Lasten zu verteilen und aufzufangen.

Glauben wir wirklich den allgemeinen Versicherungen, wenn uns die Qualität und Solidität moderner Schiffe als stetig wachsend versichert wird? Platz ist zum wichtigeren Argument geworden und so erwies es sich auch als praktisch, den stabilen Unterbau einer Jacht, ihr Gerüst und die Spanten, hinter den Innenschalen sukzessive wegzulassen.

Mit Raumwundern kann man Segler – und ihre femininen Regierungszentralen – wie Motten fangen, denn die Anzahl von Kojen geriet zum Maß der Segel-Dinge und Einflussgröße auf den Preis. Nicht zu vergessen, dass ein Großteil heutiger Schiffe vornehmlich den Anforderungen – und Diktaten – von Charterbetrieben Folge zu leisten haben, weil dort die Kojen wochenweise zu verkaufen sind. Wer macht sich schon Gedanken, wie diese Raumwunder zustande kommen? Wen interessiert ernsthaft, wie viel Konstruktion sich hinter Innenschalen versteckt – oder ob überhaupt? Alles eine Frage der Betrachtungsweise. Auch mit geschlossenen Augen kann man gut durchs Leben kommen.