Selena II oder Auch wir sind Aliens! Fast überall! - Ulli Kammigan - E-Book

Selena II oder Auch wir sind Aliens! Fast überall! E-Book

Ulli Kammigan

5,0

Beschreibung

Im zweiten Teil der Geschichte begibt sich der Protagonist mit seinen beiden Begleiterinnen auf die Suche nach fremden Zivilisationen. Es ist die Geschichte eines Mannes und zweier attraktiver und starker Frauen, die auf engem Raum miteinander auskommen müssen. Sie stoßen auf ihrer Reise durch die Galaxie auf Welten, die der Erde in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien gleichen und auf die rücksichtsloseste und aggressivste sowie die sanfteste und friedlichste Rasse. Als die beiden dann aufeinander treffen, müssen die drei etwas unternehmen, denn sie sind die Einzigen, die der Aggressivität etwas entgegenzusetzen haben. Hilfe von der Erde können sie nicht holen, denn als sie dorthin zurückkehren, stockt ihnen vor Entsetzen der Atem.

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Vom selben Autor sind erschienen:

SELENA oder Aliens sind auch nur Menschen

1. Band der SELENA-Trilogie

SELENA und die irdischen Außerirdischen

3. Band der SELENA-Trilogie

KAPITELVERZEICHNIS

Ménage à Trois

Exoplaneten

In Stein gemeißelt

Die Heilige Maneta

Lysistrata

Grün und Blau

Gefangen

Die Suche

Diamanten – die besten Freunde eines Mädchens (»diamonds are a girl’s best friends«)

Gea

Das leuchtende Wasser

Zurück auf der Erde

Aus der Zeit gefallen

Kampf um Gea

Verfolgungsrennen in den Tod

Rückkehr

MÉNAGE À TROIS

Wer bin ich eigentlich? Und was mache ich hier?

Schon die erste Frage ist nicht einfach zu beantworten. Ich bin 33 Jahre alt und Schriftsteller, jedenfalls nach meiner Meinung und der meiner Verlegerin – eine Zeitlang, bis mein zweites Buch herauskam. Das interessierte kein Schwein, und meine Verlegerin meinte, ich sollte das Wort »Schriftsteller« im Zusammenhang mit mir besser nicht mehr benutzen. Es lief auf einen Kompromiss zwischen mir und mir hinaus, und ich bezeichnete mich fortan als »arbeitslosen Schriftsteller«.

Für meine Freunde in der näheren Umgebung bin ich also ein Mann, schlank und dunkelhaarig, nicht sonderlich groß und Deutscher. Wobei letzteres überhaupt keine Bedeutung hat, denn für fast alle Menschen auf der Erde bin ich ein Alien und für einen durchgeknallten General der amerikanischen Armee außerdem der Staatsfeind Nummer eins, den man, im Gegensatz zu der letzten Nummer eins, einem ebenfalls durchgeknallten Islamisten namens Osama Bin Laden, unbedingt lebendig in die Hände bekommen wollte, worauf man bei Herrn Bin Laden keinen großen Wert gelegt hatte. Doch alles das hat ebenfalls keine Bedeutung, weil die Amerikaner Lichtjahre entfernt sind, und das ist kein blöder Spruch, sondern Realität.

Was die nähere Umgebung angeht, so ist dieser Begriff ein kleines bisschen weiter gefasst als das, was man üblicherweise darunter versteht. Unter der näheren Umgebung verstehe ich den Bereich von 23 Billionen Kilometern, das ist eine Dreiundzwanzig mit zwölf Nullen, also etwas größer als mein Stadtteil, in dem ich bisher mein Leben verbrachte.

Realität ist bedauerlicherweise auch, dass mein Freundeskreis innerhalb dieser definierten näheren Umgebung aus nur zwei Personen weiblichen Geschlechts besteht sowie einer dritten Unperson. Die erste, Viviane, ist eine junge ehemalige Astronautin, sehr französisch, sehr hübsch und sehr traurig. Die zweite heißt Nadine, ist noch etwas jünger, noch französischer und noch hübscher, und ich liebe sie wahnsinnig. Selena, die dritte, ist ebenfalls weiblich, jedenfalls habe ich es so beschlossen, kein bisschen französisch, nicht einmal menschlich und hat einen Hang zu Übertreibungen. Sie ist ein Computer und hat Sachen drauf, davon träumt man nicht einmal.

Was ich mache?

Das ist etwas einfacher zu beantworten. Ich mache nichts. Ich schaue mir nichts an; besser, ich schaue mich im Nichts um. Denn um mich herum ist nichts, jedenfalls, wenn man von den ersten zwanzig Metern absieht. Im engeren Kreis um mich ist natürlich doch etwas, denn sonst wäre ich gar nicht da. Um mich herum ist eine Kugel, und wir vier befinden uns in derselben. Diese Kugel ist ein Raumschiff, das mir vor etlichen Monaten auf der Erde zugeflogen ist. Einfach so!

Doch das mit dem Nichts stimmt nicht so ganz. Wenn man es genau nimmt, ist hier draußen doch etwas. Sogar sehr viel. Es wimmelt nur so von subatomaren Teilchen wie Photonen, Leptonen, Mesonen oder Tachyonen, und ab und zu kommt auch das eine oder andere Higgs-Boson vorbei und lässt anfragen, ob irgendwer ein bisschen Masse brauche, es hätte zurzeit einen günstigen Restposten anzubieten. Allein die Neutrinos denken nicht daran, sich irgendwie zu äußern. Die knallen nicht nur einfach so durch uns hindurch, sondern scheren sich einen Deut um ganze Planeten, die sie ohne mit der Wimper zu zucken und ohne sich in ihrer Bahn ablenken zu lassen, durchqueren. Doch alle diese Teilchen sind so klein, dass man Schwierigkeiten hat, ihre Existenz nachzuweisen. Wenn man dann sogar die Teilchen der dunklen Materie und deren Antiteilchen mitzählt, dann herrscht da draußen sogar ein ziemliches Gedränge, aber auch von denen weiß man nicht, ob es sie überhaupt gibt. Doch neunundneunzigkomma... – und jetzt kommen fünfzehn Neunen – Prozent von dem da draußen ist tatsächlich nichts.

Kurz: Wir befinden uns im interstellaren Raum, etwa dreieinhalb Lichtjahre von der Erde entfernt und suchen nach bewohnten Planeten, denn das ist der eigentliche Auftrag des Raumschiffes, das allerdings seiner Besatzung verlustig gegangen ist, nur, weil die sich nicht vorstellen konnte, das es so etwas wie Aggressivität gibt, die sich auch noch gegen sie gerichtet hatte. Diese Aggressivität war von den Bewohnern der Erde des späten Mittelalters ausgegangen, die sich wiederum nicht vorstellen konnten, dass es so etwas wie Aliens gibt und daher alles Fremdartige einfach abmurksten. Ohne seine Besatzung konnte das Raumschiff allerdings keinen Kontakt zu seinem Heimatplaneten herstellen und tat dann ganz allein das, wozu es bestimmt war: Nach fremden Zivilisationen suchen. Es suchte 20 Jahre erfolglos und kehrte dann zur Erde zurück, weil es den Kontakt zu intelligentem Leben brauchte. Es war so konstruiert. Auf der Erde waren in der Zeit aufgrund der Einstein’schen Relativitätstheorie fast 500 Jahre vergangen – man nennt das Zeitdilatation, und der Bordcomputer holte sich eine neue Besatzung. Das waren wir.

Die Menschen der Erde hatten inzwischen zwar das Mittelalter überwunden, aber leider nicht die Aggressivität. Und die richtete sich gegen uns. Man wollte mit allen Mitteln an die Technik des Raumschiffes kommen, und dafür jagte man uns und erschoss schließlich Ben, einen ehemaligen CIA-Agenten, der sich uns angeschlossen hatte. Darüber war nun Viviane sehr sehr traurig, denn sie hatte Ben geliebt. Sie war es auch, die den Ausschlag für die Entscheidung gab, die Erde zu verlassen. Sie hatte die Nase voll von der Aggressivität der Menschen des 21. Jahrhunderts.

Selena, der Computer des Raumschiffes, hatte die Datenbanken der Raumforschung angezapft, die nach Exoplaneten suchte und auch schon einige gefunden hatte. Die hatten wir dann abgeklappert, denn Entfernungen spielen für das Raumschiff fast keine Rolle; es bewegt sich außerhalb von Sonnensystemen im fünfdimensionalen Raum und nutzt die Erkenntnisse der Quantenphysik, die besagen, dass ein Teilchen sich gleichzeitig an verschiedenen Stellen aufhalten kann.

Doch die Suche erwies sich als Pleite. Die von der Erde entdeckten oder vermuteten Planeten waren riesige Gasplaneten, die entweder zu dicht um ihre Sonne kreisten oder sich in einer Entfernung zu ihrem Zentralgestirn befanden, die der des Jupiters und Saturns in unserem Sonnensystem entsprach. Jedenfalls fanden wir kaum Planeten, die sich in der habitablen Zone befinden; das ist der Entfernungsbereich zur Sonne, in dem Wasser in flüssiger Form vorkommt, eine der Grundvoraussetzungen für Leben. Die wenigen dort befindlichen Planeten hatten kein Vorkommen von Wasser geschweige denn Leben.

Also müssen wir selber suchen.

Mit Hilfe von Selenas Sensoren beobachte ich die Helligkeit von Sternen und hoffe auf minimale Schwankungen in der Lichtintensität, die durch den möglichen Transit eines Begleiters entstehen, also durch das Vorbeiziehen eines Planeten vor seiner Sonne. Diese Methode haben auch die Wissenschaftler auf der Erde angewandt.

Selena merkt, was ich mache, und unterbricht mich mit ihrer wie immer sehr feminin klingenden Stimme.

»Ich glaube, Florian, du machst etwas falsch.«

»Wieso, ich mache das, was man auf der Erde auch gemacht hat, um Exoplaneten zu finden.«

»Das ist ja wohl eine bescheuerte Methode. Die spinnen, die Wissenschaftler auf deiner Erde!«

Ich bin völlig überrascht. Was sind denn das für Ausdrücke, die da von Selena kommen! Sie muss sich wohl zu lange mit den Menschen und ihren literarischen Ergüssen beschäftigt haben. So hat sie noch nie gesprochen!

Sie fährt fort.

»Was glaubst du wohl, wie lange es dauert, bis du so einen Transit beobachten kannst? Nimm das Beispiel deiner Erde. Theoretisch geschieht so ein Transit einmal im Jahr, und das kannst du nur beobachten, wenn du dich exakt in der gleichen Ebene befindest, die von der Sonne und der Erde gebildet wird. Planeten umkreisen in der Regel natürlich ihre Sonne zumeist in der gleichen Ebene und unsere Galaxie ist auch relativ flach. Im Schnitt ist sie nur dreitausend Lichtjahre dick, im Zentrum allerdings sechzehntausend; somit befinden sich längst nicht alle Sterne in einer Ebene. Bei Sonnen, deren Planetenebene auch nur um den Bruchteil eines Grades von unserer abweicht, wirst du daher nie ein Transit beobachten können. Da gibt es eine bessere Methode. Du weißt, dass Planeten auf Grund der Schwerkraft ihres Zentralgestirns um sie kreisen. Aber auch die Schwerkraft der Planeten wirkt sich auf die Sonnen aus, wenn auch nur sehr gering. Sonnen, die ein Planetensystem besitzen, werden von der Schwerkraft der Trabanten ganz geringfügig in ihrer Bahn beeinflusst. Sie haben eine Art Unwucht. Ihr Menschen würdet sagen: Sie eiern ein bisschen. Und aus dem Grad des Eierns kann man Rückschlüsse auf die Anzahl, Größe und Entfernung ihrer Trabanten ziehen, wenn man, so wie wir, nicht nur viel über die Gravitation weiß, sondern sie sogar beherrscht.«

Selena hat mich überzeugt. Also machen wir uns auf und suchen nach Sonnen mit Unregelmäßigkeiten in ihrer Bahn.

Ich bin gerade mit Selena damit beschäftigt, Sonnen mit Planetensystemen ausfindig zu machen, als Viviane und Nadine sich kichernd von hinten meinem Platz nähern. Sie führen irgendetwas im Schilde und bauen sich links und rechts von mir auf.

»Florian, was machst du gerade?« Nadines Stimme ist honigsüß.

»Ich suche nach eiernden Sonnen.«

Nadine schaut Viviane irritiert an.

»Viviane, WONACH sucht er?«

»Er sucht nach eiernden Sonnen!«

»Eiernde Sonnen? Hat er sie noch alle? Was meinst du, Viviane, sollten wir nicht mal lieber bei ihm nach sonnigen Eiern suchen?«

Damit fangen beide an, mir Hemd und Hose aufzuknöpfen. Bevor ich mich versehe, sind wir drei nackt und mit Dingen beschäftigt, die eher wenig mit der Suche nach eiernden Sonnen zu tun haben.

Erschöpft und mit einem zufriedenen Ausdruck im Gesicht steht Viviane auf.

»Ich lass euch jetzt allein.«

Ich komme nur langsam in die Wirklichkeit zurück.

»Nadine, was war das denn? Das habt ihr doch miteinander abgesprochen!«

»Ja, Florian, das haben wir. Nun gut, ich erzähl es dir: Vorhin kam Viviane zu mir und druckste etwas herum. Ich hatte schon so eine Ahnung, was mit ihr los war. Wir sind nämlich inzwischen etliche Wochen zu dritt in diesem Raumschiff unterwegs, und Vivianes Trauer um Ben hat sich auch schon ein bisschen gelegt. Für sie ist es sicherlich nicht leicht, mit ansehen zu müssen, wie glücklich wir beide miteinander sind, und sie bekommt natürlich auch mit, wenn wir Sex haben. Viviane ist schließlich eine ganz normale Frau, für die Sex zum Leben gehört wie Essen und Trinken. Also bot ich ihr an, dich ein bisschen mit ihr zu teilen. Schließlich ist sie eine sehr attraktive Frau, und ich weiß, dass auch du sie sehr gern hast und ich war mir sicher, dass unsere Liebe das abkann. Dann beschlossen wir, nicht lange darüber nachzudenken und es gleich auszuprobieren. Ja, und das haben wir eben gemacht, und es scheint, als habe es auch dir gefallen.«

Ich bin perplex.

»Also, Nadine, ihr hättet mich zumindest fragen können. Einfach so über mich zu entscheiden! Ich bin doch kein Handelsobjekt!«

Nadine schaut mich spitzbübisch an.

»Das ist ja ganz was Neues, dass du dich so zierst. Wie war es denn vor vielen Monaten mit Kaloua? Da hattest du doch auch keine Skrupel.«

»Mit Kaloua? Das war ganz etwas anderes, Sie war eine Heilerin, und jede ihrer Berührungen ließ ganze Schauer über den Körper laufen. Übrigens auch bei dir. Egal, wie und wo sie uns berührte. Viviane hingegen ging bei ihren Berührungen sehr gezielt zur Sache. Sie wusste sogar sehr genau, womit sie mich so richtig in Fahrt bringen konnte. Hast du ihr das etwa auch erzählt?«

Nadine lacht laut auf.

»Florian, ich glaube, von Frauen verstehst du wirklich nicht viel. Viviane ist, genau wie ich, Französin, und Französinnen muss man so etwas nicht erklären. Das können sie von Haus aus, das wird ihnen sozusagen mit der Muttermilch eingeflößt.

Außerdem, was hättest du denn gesagt, wenn wir dich gefragt hätten?«

Etwas verlegen druckse ich herum.

»Ich hätte natürlich nicht abgelehnt, ich mag Viviane sehr gern und sie ist ja fast so attraktiv wie du.«

»Dein Glück, dass du das Wörtchen ›fast‹ eingefügt hast. Ich hätte dir sonst einen schmerzhaften Tritt in deine Männlichkeit verpasst. Also wo ist das Problem? Du magst Viviane, ich mag sie und wir hatten vorhin offensichtlich viel Spaß miteinander. Ich wusste gar nicht, dass du so ein Sensibelchen bist. Aber ich glaube, deswegen mag ich dich. Es ist wirklich süß, wie du dich zierst.«

Dann küsst Nadine mich zärtlich, und ehe wir uns versehen haben wir erneut Sex miteinander.

Die Tage vergehen mit der Suche nach Sonnen mit Planetensystemen. Auch Nadine und Viviane beteiligen sich daran. Wir sind euphorisch, denn wir haben bereits eine größere Anzahl gefunden, bei denen die Vermutung naheliegt, dass sich sogar Planeten in der habitablen Zone befinden und legen eine Reihenfolge fest, nach der wir die Systeme absuchen wollen. Selena dämpft unsere Begeisterung.

»Ihr wisst, dass ich schon nach Planeten gesucht habe, bevor ich auf eure Erde zurückgekehrt bin. Ich habe über fünfzigtausend Systeme abgesucht, von denen etwa tausend Planeten besaßen, auf denen Wasser in flüssiger Form vorkam. Es gab davon sogar welche, die Leben trugen, aber kein einziges Mal war es intelligentes Leben. Tatsächlich ist die Zahl der Sonnen, die Planeten besitzen, bei der Vielzahl der Sonnen in unserer Galaxie unvorstellbar groß. Sogar die Anzahl der Planeten, die sich in der habitablen Zone befinden, ist gewaltig. Aber das Problem ist die Gleichzeitigkeit. Unsere Milchstraße gibt es seit etwa 13,2 Milliarden Jahren und seit etwas weniger als dreizehn Milliarden Jahren gibt es Sonnen. In diesem Zeitraum sind auch die Planeten entstanden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich innerhalb dieser riesigen Zeitspanne intelligentes Leben zur gleichen Zeit entwickelt hat, ist daher nicht sonderlich groß. Möglicherweise gab es Zivilisationen vor Millionen von Jahren und vielleicht gibt es welche erst in Millionen von Jahren. Also seid nicht allzu euphorisch. Selbstverständlich werden wir suchen, aber stellt euch auf einen langen Zeitraum ein.«

Trotz des Dämpfers von Selena arbeiten wir weiter und sie unterstützt uns natürlich.

Wir haben gerade beschlossen, das erste Sonnensystem unserer Liste aufzusuchen, als Viviane den Kommandoraum betritt.

Mit aufreizenden Hüftbewegungen und einem verschmitzten Lächeln kommt sie auf mich zu und baut sich, beide Hände in die Hüften gestemmt, breitbeinig vor mir auf.

»Florian, kann ich deine Erlaubnis bekommen, Sex mit dir zu haben?«

Mir bleibt der Mund vor Verblüffung offen stehen. Aus dem Hintergrund kommt ein leises Kichern. Es dauert eine Zeit, bis ich meine Sprache wiedergefunden habe.

»NADINE! DU HAST GEPETZT!«

»Klar habe ich gepetzt. Es war einfach süß, wie du dich geziert hast. Das musste ich natürlich unbedingt Viviane erzählen.«

Dann lachen wir alle drei und es wird eine sehr sehr fröhliche »Ménage-à-trois«.

EXOPLANETEN

Wir nähern uns dem ersten Planeten in einer habitablen Zone. Er ist nur unwesentlich größer als die Erde und besitzt Wasser in flüssiger Form. Auch eine Atmosphäre ist vorhanden. Nur der größte Teil des Wassers befindet sich in der Atmosphäre. Es gibt auch festes Land, das allerdings sehr instabil ist. Es regnet ununterbrochen, wobei man es kaum als Regen im üblichen Sinne bezeichnen kann. Das Wasser fällt in ungeheuren Mengen vom Himmel und der feste Boden wird ständig von Vulkanausbrüchen erschüttert und ist so heiß, dass das Wasser sofort wieder verdampft und in die Atmosphäre aufsteigt.

»Da sind wir wohl etwa zwei Milliarden Jahre zu früh gekommen«, bemerkt Selena trocken, »so etwa sah nämlich euer Heimatplanet damals aus.«

Eine Landung ist bei diesen Turbulenzen ausgeschlossen und wir fliegen weiter.

Die folgenden fünfundzwanzig Planeten sind ebenso enttäuschend. Wir erleben gleichermaßen die Erde in ihren verschiedenen frühen Stadien, lange bevor es Leben als komplexere Formen gab. Leben in seinen Anfängen ist gelegentlich zwar auszumachen – zweimal kann Viviane Proben von Wasser entnehmen und darin einfache Zellstrukturen entdecken, die bereits einen Zellkern besitzen, sogenannte Eukaryoten, die haben sogar schon eine DNS, die von einer Zellhaut geschützt wird – aber ihnen fehlt etwas Wesentliches, nämlich der Mund. Daher sind sie nicht sonderlich gesprächig, und so lange zu warten, bis sie sich so weit entwickelt haben, dass sie uns freundlich begrüßen können, darauf haben wir keine Lust. Das würde nämlich nach Vivianes Aussage etwa eine Milliarde Jahre dauern, aber auch nur, wenn die Evolution auf diesem Planeten ähnlich wie auf der Erde verlaufen würde.

Dann mache ich mich bei den beiden Frauen unbeliebt. Mit einem hinterhältigen Grinsen frage ich Viviane: »Kann es sein, dass diese Eukaryoten vielleicht weiblich sind?«

»So ein Quatsch, Florian. So weit ist die Evolution noch lange nicht. Was soll die Frage?«

»Naja, wenn sie weiblich wären, würde es deutlich weniger als eine Milliarde Jahre dauern. Welche Frau kann denn schon so lange ihr Mundwerk halten?«

Die Knuffe kommen so heftig von beiden Seiten, dass mir die Luft wegbleibt, und im Chor verkünden beide: »Noch so’n Spruch und du wirst heute Nacht nicht mehr wissen, ob du Männlein oder Weiblein bist! Komm du uns unter die Bettdecke!«

Der sechsundzwanzigste Planet lässt hoffen. Er liegt in der habitablen Zone und besteht zu großen Teilen aus Wasser. Die Atmosphäre enthält fast vierzig Prozent Sauerstoff, der Rest ist Stickstoff mit kleinen Anteilen an Helium. Das Land macht etwa dreißig Prozent der Oberfläche aus, besteht nur aus einem Kontinent, der von verschiedenen kleinen und größeren Inseln eingefasst wird und von vielen aktiven Vulkanen durchzogen ist. Hier wachsen Moose und Flechten sowie Farne, aber alles ist überdimensional groß. Es gibt Baumfarne und so etwas Ähnliches wie Koniferen und tierisches Leben. Das ist ebenfalls riesengroß: Auf dem Boden krabbeln zwei Meter lange Gliederfüßler sowie spinnenähnliche Tiere, groß wie Feldhasen, in der Luft schwirren Insekten, und wir werden von Libellen mit Flügelspannweiten von fast fünfzig Zentimetern attackiert. Das Riesenwachstum muss eine Folge des hohen Sauerstoffgehalts sein. Wir haben zur Sicherheit unsere Raumanzüge an, wir wollen kein Risiko eingehen, daher können sie uns nichts anhaben. Größere Tiere an Land gibt es nicht, weder Vögel, noch Reptilien oder gar Säugetiere – dachten wir, bis Nadines Bein sich in dem Rachen eines drei Meter langen Untiers befindet, das eine Kreuzung aus einem Riesenlurch und einem Krokodil zu sein scheint. Es ist plötzlich aus dem Wasser aufgetaucht und hat zugeschnappt. Nadines Anzug wurde schlagartig hart, härter als jedes Metall auf der Erde. Das schafft auch der gewaltige Kiefer des Untiers nicht zu verformen. Bevor das Tier Nadine jedoch ins Wasser ziehen kann hat sie ihren Strahler gezogen und das Ungeheuer liegt betäubt halb im Wasser und halb an Land. Nur mit Mühe und unseren Strahlern als Hebel gelingt es uns, den Kiefer zu öffnen, damit Nadine das unversehrte Bein herausziehen kann.

Viviane untersucht das Tier.

»Nach allem was ich sehen kann, ist es mehr Lurch als Krokodil, man könnte sagen, ein Lurch mit einem Krokodilsgebiss. Jedenfalls ist es eine Amphibie und kein Reptil. Wenn wir auf der Erde wären, würde ich es als den Meeresbewohner bezeichnen, der als erster das Land erobert hat, und wir würden uns im Übergang von Devon zum Karbon befinden, also vor etwa 350 Millionen Jahren.«

Plötzlich fängt die Erde an zu wackeln. Ein Erdbeben. Es ist so heftig, dass wir uns nicht auf den Beinen halten können, wir werden durchgeschüttelt und krallen uns an den Bäumen fest. Kurz darauf fegt ein Sturm über uns hinweg, wir liegen waagerecht in der Luft an einer riesigen Konifere hängend. In der Ferne hören wir ein Donnern: Der Vulkan, den wir am Horizont sehen konnten, spuckt Feuer, Lava und Asche in die Luft. Dann ist der Sturm urplötzlich vorbei. Unser Monsterlurch liegt immer noch da, aber dafür ist das Wasser weg. So weit wir blicken können, liegt der Meeresboden der weitläufigen Bucht frei. Algenwälder liegen flach auf dem Grund, dazwischen zappeln etliche Meeresbewohner.

Ich schreie: »Sofort zurück ins Schiff, da wird gleich ein Tsunami auf uns zukommen, der an Größe alles übertrifft, was wir uns vorstellen können, wenn man die gewaltige Menge Wasser sieht, die hier abgeflossen sein muss! Der Rückgang des Wassers ist ein typisches Anzeichen für einen Tsunami.«

Doch statt einer Wasserwand rast eine kilometerhohe Staubwolke auf uns zu, die den Himmel verdunkelt. Wir haben eben den Einstieg erreicht, da kommt auch das Wasser in einer hunderte von Metern hohen Wand zurück und reißt alles mit sich, Bäume werden entwurzelt, und das Schiff wird gegen den Vulkanhang geschleudert, aber Selena hat den Schutzschirm eingeschaltet; dadurch wird die Kollision abgemildert. Wir stehen noch in der Schleuse und werden durch den kleinen Raum geschleudert. Dann wird es ruhiger und Selenas Stimme ertönt.

»Wir sind aus dem Wasser raus und haben den Orbit erreicht.«

»Was war das denn?«, wollen wir von Selena wissen, als wir wieder im Kommando-Raum Platz genommen haben.

»Ich bin nicht sicher. Lasst uns den Planeten in Augenschein nehmen, vielleicht können wir die Ursache entdecken.«

Aus dem Weltraum sehen wir, dass sich Staubwolke und Tsunami ringförmig von einer Stelle ausbreiten. Die Wolke ist nach Selenas Berechnungen zehn Kilometer hoch und hüllt das Land, über das sie hinweggerast ist, in Dämmerung. Auch der der Wolke folgende Tsunami hat eine Höhe von fast einem Kilometer.

Die Erdkruste ist an vielen Stellen aufgerissen und aus den Spalten quillt glühende Lava. Dann erreichen wir die andere Seite und sehen unter uns einen Hexenkessel. Im Ozean klafft ein Loch von über fünfhundert Kilometern Durchmesser und fast zwei Kilometern Tiefe, in welches das Wasser in einer riesigen Kaskade hinabstürzt, unten auf heißes, flüssiges Gestein trifft und dort explosionsartig verdampft. In der Atmosphäre darüber toben zwischen Wolken und Wasserdampf gewaltige Gewitter, Blitze erhellen ohne Unterbrechung das Inferno.

»Das war der Einschlag eines Kometen von schätzungsweise neun Kilometern Durchmesser«, erklärt Selena, »das Meer war für ihn hier nicht mehr als eine Pfütze; er hat beim Eintritt in die Atmosphäre einen gewaltigen Sturm ausgelöst, beim Einschlag ungeheure Mengen von Wasser schlagartig zur Seite gedrückt und dann den Meeresboden aufgerissen. Dabei sind die Staubwolken entstanden, welche die Atmosphäre so mit Staub durchsetzen, dass der Planet für Jahrhunderte von dem größten Teil des Sonnenlichts abgeschnitten sein wird. Eure Amphibie hat sich umsonst die Mühe gemacht, das Land zu erobern. Sie wird, wie die meisten Arten auf diesem Planeten, aussterben, und der Planet wird möglicherweise für Jahrtausende vereisen.«

»Kommt mir irgendwie bekannt vor«, platzt es aus Viviane heraus. »Wenn wir in dreihundert bis dreihundertfünfzig Millionen Jahren hier wieder vorbeikommen, würden wir uns wahrscheinlich selbst begegnen.«

»Eher unwahrscheinlich«, bemerkt Selena trocken, »die Evolution müsste verrückt sein, so etwas wie euch noch einmal hervorzubringen. Entschuldigt bitte! Ich meine natürlich nicht euch persönlich, ich meine eher die Menschen der Erde allgemein.«

Und dann flötet sie: »Ihr seid mir nämlich inzwischen richtig an meinen Hauptprozessor gewachsen!«

Dass Selena gern übertreibt, wissen wir inzwischen, aber Sentimentalität ist etwas ganz Neues.

Wir verlassen den schwer getroffenen Himmelskörper und suchen weiter.

Nach drei weiteren Fehlschlägen haben wir wieder Hoffnung. Vor uns liegt ein vielversprechender Planet. Er ist blauweißgrün wie unsere Erde, hat eine Atmosphäre aus einem Stickstoff-Sauerstoff-Gemisch und besitzt große Ozeane aus Wasser. Beim Näherkommen sucht Selena nach Funk- oder Radiosignalen. Es gibt keine, also vermutlich auch kein höher entwickeltes Leben. Aber es gibt eine Vegetation auf dem Land, jedoch auch ausgedehnte Wüstengebiete. Dann scannt Selena die Oberfläche mit einem Falschfarbenscanner und wir sehen, dass das Land von Linien durchzogen ist.

»Das erinnert mich an den Mars«, sagt Viviane, »auf dem man früher glaubte, Kanäle entdeckt zu haben, die Marskanäle. Aber wieso sehen wir die nicht auf den Monitoren?«

»Ich habe den Scanner so eingestellt, dass er Gebiete einfärbt, in denen der Anteil an Kalkstein und Eisenoxid erhöht ist. Das kann man mit bloßem Auge nicht sehen, denn eine dicke Sedimentschicht bedeckt diese Adern.«

Unter uns geht die Steppenlandschaft in Sandwüste über, es weht ein ständiger Wind, der die Dünen wandern lässt. Wir landen und Viviane klettert über die nächste Düne, dabei hält sie ihre Augen ständig auf den Boden gerichtet.

»Suchst du etwas?«, frage ich sie.

»Ja, wenn Dünen wandern, geben sie oft Dinge frei. In den Dünentälern ist die Chance besonders groß, Fossilien zu finden.«

Dann bückt sie sich und hält ein fingernagelgroßes Steinchen in der Hand.

»Schaut euch das mal an! Es sieht aus wie ein Stück Glas, das längere Zeit vom Sand poliert wurde oder im Wasser gelegen hat, denn es ist an den Rändern stumpf. Aber es ist bearbeitet worden, man kann einen Schliff erkennen. Glas kommt in der Natur so nicht vor. Also, wenn das Glas ist, dann muss es hier intelligente Wesen geben oder gegeben haben, die Glas herstellen konnten, denn es kann noch nicht so alt sein, da ein großer Teil der Oberfläche noch glänzend ist. Selena, kannst du das Steinchen analysieren?«

Es dauert keine drei Minuten dann kommt das Ergebnis.

»Ich muss euch leider enttäuschen. Es ist kein Glas. Ich habe weder Spuren von Siliziumdioxid, dem Hauptbestandteil von Glas, noch Natrium- oder Kalziumdioxid finden können. Dieses Steinchen ist höchst langweilig, denn es besteht nur aus einem einzigen Stoff. Es ist reiner kristalliner Kohlenstoff.«

»Reiner Kohlenstoff!«, rufen Nadine und Viviane gleichzeitig, »Selena, willst du damit sagen, dass wir einen Diamanten gefunden haben?«

»Ja, so nennt ihr auf der Erde solche Steine. Außerdem hast du Recht, Viviane, der Stein ist bearbeitet worden. Aber ich muss euch schon wieder enttäuschen. Diamanten gehören zu dem härtesten Stoff, den es gibt. Durch Erosion und Verwitterung ist ihm eigentlich nichts anzuhaben. Dieser Stein ist jedoch an einigen Stellen stumpf. Das bedeutet, dass sein Schliff vor vielen Millionen Jahren erfolgte. Die Wesen, die ihn bearbeitet haben, müssen vor Millionen von Jahren gelebt haben.«

»Einen Diamanten zu bearbeiten, bedeutet einen enormen Aufwand, man kann ihn eigentlich nur mit Diamantenstaub schleifen, diese Zivilisation muss also schon recht fortschrittlich gewesen sein. Da müssen doch noch Überreste zu finden sein. Lass uns weitersuchen«, drängt Viviane.

Wir drei suchen nun die Dünentäler ab, aber finden nichts Ungewöhnliches.

Also fliegen wir weiter. Es gibt keine hohen Berge, sondern nur Mittelgebirge und hügeliges Land. Das Fehlen von Gebirge deutet darauf hin, dass die Tektonik auf diesem Planeten zur Ruhe gekommen ist.

Dann liegt eine Wald- und Graslandschaft unter uns.

Viviane ist ganz aufgeregt; als Biologin will sie unbedingt die fremden Pflanzen untersuchen. Also landen wir auf einer Ebene, die mit einer grasähnlichen Pflanze überwuchert ist und in der vereinzelt Bäume stehen. Auch die sehen denen auf unserer Erde ähnlich.

Dann treffen wir auf Lebewesen. Tiere, Vögel und Insekten bevölkern das Land.

Selena versucht Kontakt zu ihnen aufzunehmen, stellt aber fest, dass das nicht möglich ist. Die Wesen besitzen keine Intelligenz im üblichen und von uns erwarteten Sinne. Viviane beobachtet die Tiere durch ihr Glas, einige kommen sogar dicht vorbei. Offenbar haben sie keine Scheu vor uns.

»Merkwürdig,« sagt sie, »sie sehen zwar anders aus als die Tiere unserer Erde, aber irgendwie erinnern sie mich an manche Arten bei uns. Schaut euch das Tier da vorn in der riesigen Gruppe an, es sieht aus wie ein Reh, aber es ist anders, eher wie ein mutiertes Reh. Und wenn ich die Landschaft betrachte, kommt es mir so vor, als hätte ich ein Déjà-vu.«

Dann sehen wir ein Rudel Tiere, die uns an Hyänen erinnern. Sie haben es offenbar auf eines der »Rehe« abgesehen. Wir beobachten sie bei der Jagd. Zwei Tiere setzen sich von der Gruppe ab und verschwinden. Die übrigen sechs bilden einen Halbkreis. In dieser Formation laufen sie auf das Rudel Rehe zu. Die Tiere springen in alle Richtungen davon, aber die Jäger lassen sich davon nicht irritieren und stürmen nur hinter einem Tier her, und zwar hinter demjenigen, welches genau in die Richtung läuft, in der die beiden anderen Jäger vorher verschwunden sind, und treiben es gezielt in einen Hohlweg. Auf beiden Seiten des Weges haben sich die beiden Tiere postiert und fangen das flüchtende Tier ab.

Wir sind erstaunt. Diese Methode setzt ein Maß an Intelligenz voraus, die vergleichbare Tiere unserer Erde nicht haben.

Dann kommt es noch verrückter. Die beiden Jäger haben das Tier zu Boden geworfen und das aufgeschlossene Rudel will sich über ihr Opfer her machen. Da stürzen aus dem Unterholz an die fünfzig Artgenossen des Opfers auf die Jäger und traktieren sie mit Tritten ihrer Hinterhufe. Sie sind in solcher Überzahl, dass das Rudel Raubtiere aufgibt und jaulend davonläuft. Die »Rehe« umringen ihr verletztes Mitglied, lecken dessen Wunden und helfen ihm beim Aufstehen. Es ist offensichtlich nicht lebensgefährlich verletzt.

Wir kommen aus dem Staunen nicht heraus. Die überlegene Intelligenz der Jäger hat ihr Pendant gefunden in dem Verhalten der Opfer. Damit scheint das Gleichgewicht wiederhergestellt zu sein.

Aber weitere Anzeichen dafür, dass es hier einmal eine Zivilisation von intelligenten Wesen gegeben hat, finden wir nicht. Und wir können auch keine Erklärung für die merkwürdigen nicht sichtbaren Linien finden. Wir fliegen weiter.

Eine weite Buschlandschaft liegt unter uns, die von gewaltigen bewaldeten Hügeln in unregelmäßigen Abständen durchzogen ist. Sie liegen so verstreut, dass es kein abgetragenes Bergland sein kann, wie es überall sonst auf dem Planeten vorkommt.

»Irgendwie passen die hier nicht hin«, meint Viviane, als wir wieder auf dem Boden sind, »ich möchte zu gern wissen, wie die hier hinkommen und was sich unter ihnen verbirgt.«

»Dann sollten wir doch mal nachsehen«, kommt es von Selena, «ich schicke euch einen meiner kleinen Helfer hinunter, der ein paar Bohrungen vornimmt.«

Ein kleiner Roboter auf Rädern kommt aus dem Schiff, fährt den Hügel hinauf und fängt an zu bohren. Das Bohrgestänge ist nur strohhalmdünn und hat am unteren Ende einen Sensor, der den Boden analysieren kann.

Selena berichtet.

»Er ist jetzt in drei Metern Tiefe, es ist bisher alles Sedimentgestein. Nun ändert sich die Zusammensetzung. Geringe Mengen von Kalziumsilikaten, Sulfaten, Aluminium- und Eisenverbindungen. Immer mehr davon. Hauptsächlich Kalkstein, Ton, Sand und Eisenerz sowie große Mengen von Natrium-, Kalzium- und Siliziumdioxid. Das sind die Bestandteile von Beton und Glas. Der Hügel besteht unter der dicken Sedimentschicht zu großen Teilen aus zersetztem Beton und verwittertem Glas, von dem nur noch die chemischen Grundsubstanzen übrig sind. Er ist eindeutig nicht natürlichen Ursprungs. Ähnlich war es mit den Linien, die nur mit Hilfe von Falschfarbenbildern sichtbar wurden, weil sie ebenfalls unter einer Sedimentschicht lagen.

Und ich habe die Lösung auf Grund des Alters dieser Substanzen gefunden. Eure Archäologen auf der Erde würden begeistert sein, wenn sie hier zu graben anfingen. Sie würden nämlich in eine mögliche eigene Zukunft sehen, und wir sind etwa 700 Millionen Jahre zu spät gekommen. Es gab hier eine Zivilisation, die der auf eurer Erde sehr ähnlich war. Unter den großen Hügeln verbergen sich uralte verwitterte Städte, von denen nur noch die Grundsubstanzen übrig sind, und die sind etwa eine dreiviertel Milliarde Jahre alt. Auch ziehen sich unter der dicken Sedimentschicht uralte und völlig zersetzte Betonbänder durch die Landschaft. Das waren Straßen. Überhaupt befinden sich fast überall unter dem meterdicken Sedimentgestein Beton-, Bitumen- und Glasrückstände in unvorstellbaren Mengen. Die gesamte ehemalige Zivilisation ist von einer dicken Sedimentschicht bedeckt. Es gab hier früher auch Gebirge, aber die sind längst abgetragen und haben alles bedeckt. Und das, was du, Viviane, als ein Reh bezeichnet hast, war vermutlich vor 700 Millionen Jahren sogar einmal einem irdischen Reh sehr ähnlich. Die intelligenten Wesen dieses Planeten sind schon lange ausgestorben und die Natur hat sich so gründlich ihren Planeten zurückerobert, dass man nur mit großem Aufwand feststellen kann, dass es sie einmal gab.«

Wir sind bei Selenas Vortrag sehr nachdenklich geworden. So könnte auch die Erde in 700 Millionen Jahren aussehen und von den Menschen nichts übriggelassen haben.

»Was könnte die Ursache für das Aussterben gewesen sein, Selena?«

»Da gibt es tausend Möglichkeiten. Die wahrscheinlichste ist, dass sie die Ökologie ihres Planeten so nachhaltig störten, dass sie sich ihrer Lebensgrundlage beraubt haben. Das dürfte euch bekannt vorkommen, denn genau dasselbe haben auf der Erde vermutlich die Ureinwohner der Osterinsel gemacht: Sie haben durch Abholzen der Palmen und Bäume einen gewaltigen Raubbau an der Natur betrieben, die einsetzende Erosion hat ihnen dann den Rest gegeben und nur wenige haben überlebt. Aber was ist daran so Besonderes? Auch auf eurer Erde sind unendlich viele Arten entstanden und wieder ausgestorben, und wenn ihr euch Menschen nehmt, dann gibt es euch gerade einmal knapp eine Million Jahre, das ist ein Wimpernschlag im Verhältnis zur Erdgeschichte. Wenn ihr es noch 200 Millionen Jahre schaffen würdet, dann hättet ihr gerade einmal die Dinosaurier übertrumpft, aber das ist sehr unwahrscheinlich. Und im Moment bezweifle ich sogar, dass die Menschheit die nächsten fünfhundert Jahre überlebt, so wie ihr drauf seid und mit eurem Planeten umgeht.«

Selenas Antwort macht uns verlegen, denn sie hat recht. Es ist schon verrückt: Ein Computer beschämt uns! Das muss man sich einmal vergegenwärtigen!

»Nun blast keine Trübsal, noch lebt ihr ja, und wie ich in der letzten Zeit mitbekommen habe, offenbar sehr fröhlich.«

»SELENA! Du schaltest in Zukunft jeden Sensor ab, wenn wir Sex miteinander haben.«

»Zu Befehl, Käpt’n! Kopulation-Besichtigungs-Verbot!«

Mein Gott, wo hat sie bloß diese Ausdrucksweise her?

IN STEIN GEMEIßELT

Der folgende Planet ist wieder sehr erdähnlich. Er liegt in der habitablen Zone, besitzt Ozeane aus flüssigem Wasser, und auf dem Land, das sich in mehrere Kontinente teilt, erkennen wir eine üppige Vegetation. Er hat, wie die Erde, einen Trabanten, der aber fast doppelt so groß ist wie der Mond und in einem größeren Abstand den Planeten umkreist. Größe und Abstand sorgen dafür, dass seine Auswirkungen auf den Planeten denen des Mondes auf die Erde entsprechen. Funk- oder Radiosignale sind nicht auszumachen. Es gibt vermutlich keine fortgeschrittene Zivilisation.

Wir nähern uns einem Hochgebirge, in dessen Tälern Selena Objekte ausgemacht hat, die eines nicht natürlichen Ursprungs sind. Beim Näherkommen erkennen wir Bauwerke aus Stein: Wälle, Mauern, Häuser und Plätze. Dazwischen bewegen sich menschliche Wesen. Wir gehen unter voller Tarnung so weit hinunter, dass Selena Verbindung zu deren Gehirnen aufnehmen kann. Sie sehen wie Menschen aus, haben eine Sprache und ein Sozialsystem. An der Spitze steht ein absolutistischer Herrscher, dann gibt es Priester und Adlige sowie das einfache Volk.

»Wenn ihr wirklich Kontakt zu ihnen aufnehmen wollt, dann müsst ihr die Raumanzüge anziehen. Ihr könnt zwar die Luft auf dem Planeten atmen, aber ihr würdet möglicherweise den Leuten mit euren Bakterien und Viren schaden, denn sie haben keinerlei Abwehrkräfte gegen die simpelsten Krankheiten«, warnt uns Selena.

Die Raumanzüge haben eine nur von innen durchsichtige Kugel für den Kopf. Der Körper steckt in einem hautengen, elastischen Stoff, der den Sauerstoff recyceln kann und extrem reißfest ist. Nicht einmal Gewehrkugeln können ihn durchdringen. Trotzdem wurde Nadine damals auf der Erde darin schwer verletzt als amerikanische Soldaten auf sie schossen, weil die Wucht des Kugelhagels den Anzug so stark verformte, dass ihre Knochen brachen und Gelenke sich verdrehten. Selena hatte daraufhin das Material zu einem »intelligenten« Stoff verändert. Er erkannte nun, wenn er schlagartig einer starken Verformung unterworfen wurde, wie zum Beispiel durch eine Gewehrkugel. Dann wurde er vorübergehend extrem hart und nicht verformbar, auch nicht durch die Kugel. Das hatte aber auch Nachteile. Nadine und ich waren mit Hilfe der fortschrittlichen Medizin der Erbauer-Rasse des Schiffes von Selena so verändert worden, dass wir bei einem Adrenalinausstoß unsere Umgebung in Zeitlupe wahrnehmen konnten, selbst aber »normal« reagierten. Gleichzeitig hatte sie ein paar »Baumängel der Evolution« beseitigt, daher waren unsere Körper erheblich leistungsfähiger und unser Reaktionsvermögen enorm schnell und damit zu schnell für den Anzugstoff. Er wechselte bei einer solchen Aktion in Sekundenbruchteilen ständig seine Elastizität und schränkte dadurch die Bewegungsfähigkeit ein. Nadine und ich konnten uns also in den Raumanzügen nur normal bewegen, aber Selena war unsere Sicherheit wichtiger. Und der Angriff des riesigen Lurches auf Nadine vor ein paar Tagen zeigte, dass sie recht gehabt hatte. Die Anzüge besitzen eine Sprechverbindung nach außen, so dass man kommunizieren kann. Man kann aber auch untereinander und mit dem Schiff in Verbindung treten.

Viviane und ich schlüpfen in die Anzüge. Es ist völlig klar, dass wir die Menschen keiner Gefahr durch Ansteckung aussetzen dürfen. Wir wissen, welch katastrophale Folgen die Ankunft der Weißen auf dem mittel- und südamerikanischen Kontinent der Erde und besonders in der Südsee hatte. Der größte Teil der Bevölkerung war damals von harmlosen europäischen Krankheiten wie Windpocken und Masern, aber auch Pocken dahingerafft worden.

Selena schaltet die Tarnung aus und wir landen mitten auf dem großen Platz zwischen den Bauwerken. Viviane und ich verlassen das Schiff durch die Schleuse unten und schweben mittels des Schwerkraftaufzuges auf die Oberfläche. Nadine bleibt zur Sicherheit im Schiff.

Die Menschen ringsherum liegen auf dem Boden, das Gesicht nach unten.

Hat der Schiffsantrieb etwa Schaden angerichtet?

Das kann eigentlich nicht sein; der Antischwerkraftantrieb ist völlig gefahrlos für jedes Lebewesen. Als wir auf die Liegenden zugehen, geht ein Stöhnen durch die Menge. Sie leben also, aber trauen sich nicht, uns anzublicken. Dann ertönt ein Geräusch von vielen Holzstäben, die gegeneinandergeschlagen werden. Zwischen den Gebäuden, die aus Steinen bestehen, die fast fugenlos, aber ohne jeden Mörtel aufeinandergeschichtet sind, erscheint eine Gruppe bunt gekleideter Menschen, die eine Sänfte tragen und sich auf uns zu bewegen, gefolgt von der Gruppe der »Musiker«. Die Sänfte wird abgestellt, ein Mann in kostbaren, mit Edelsteinen und Gold verzierten Gewändern steigt aus und wirft sich samt seinem Gefolge ebenfalls vor uns auf den Boden. Uns wird jetzt klar, was hier abläuft: Sie halten uns für Götter. Der Herrscher erhebt sich auf seine Knie und bietet uns mit blumigen Worten nicht nur Gastfreundschaft und sein Haus, sondern mir auch seine fünf Frauen und acht Töchter und Viviane seine zwölf Söhne an. Er hat kaum ausgesprochen, als in meinem Helm die leicht amüsierte Stimme Nadines ertönt, die sich aus dem Schiff meldet.

»Wehe, Florian! Denke nicht einmal daran!«