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Dr. Michael Vigdorowitsch zeigt mit seinem Buch eine universelle Herangehensweise, Geschäfts- und Kundenverhältnisse unter dem Aspekt der Dienstleistung zu betrachten und zu entwickeln. Branchenübergreifend und mit starkem Praxisbezug werden die grundlegenden Methoden zur Lösung typischer Aufgaben des Service-Managements vorgestellt und strukturell an drei unterschiedliche Reifegrade des Unternehmens angepasst. Auf anschauliche Weise werden so die wichtigsten Faktoren dargestellt, die einen nachhaltigen und am Kunden ausgerichteten Service auszeichnen. Der Autor ist seit über 15 Jahren in der Unternehmensführung sowie in der Beratung tätig. Zu seinen zahlreichen Kunden zählen auch etliche Branchenführer der Marktwirtschaft Russlands.
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Seitenzahl: 275
Veröffentlichungsjahr: 2017
Michael Vigdorowitsch
Service. Erfolgreich. Managen.
Michael Vigdorowitsch
Service. Erfolgreich. Managen.
Das Handbuch für jeden Geschäftsführer
Tectum Verlag
Michael Vigdorowitsch
Service. Erfolgreich. Managen. Das Handbuch für jeden Geschäftsführer
© Tectum – ein Verlag in der Nomos Verlagsgesellschaft, Baden Baden, 2017
ISBN: 978-3-8288-6888-5
(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Werk unter der ISBN 978-3-8288-3925-0 im Tectum Verlag erschienen.)
Umschlagabbildung: istockphoto.com © IvelinRadkov
Satz und Layout: Heike Amthor, Fernwald
Besuchen Sie uns im Internet www.tectum-verlag.de
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Meinen Eltern
Prof. Dr. Liudmila Je. Tsygankova und
Prof. Dr. Vladimir I. Vigdorovich
und auch
meinen ehemaligen Kollegen
bei der Finanzgruppe Life
gewidmet
INHALT
VORWORT
EINFÜHRUNG
DIE STRUKTUR DIESES BUCHS
REIFEGRAD 1: JUGEND
Service um uns her
Bestimmungsfaktoren für den Erfolg einer Dienstleistung im Alltag
Zum Glossar
Service-Anatomie
Heuristische Überlegungen
Die vier tragenden Säulen
Funktionalität
Qualität
Preis
Dienstleistungen für den Massenvertrieb und für Prominente (VIPs)
Loyalität oder die Mechanik der Hauptgleichung des Servicemanagements
Definitionen des Begriffs »Service« (»Dienstleistung«)
Service: Entwicklung und Approbation
Wie sieht ein Service aus?
Das Herausarbeiten einer Dienstleistung
Servicevereinbarung
Servicevereinbarung in der Approbationsphase
Leistung des Service und Instandhaltung
Abschluss und Begleitung einer Servicevereinbarung
Moment der Wahrheit, einziger Ansprechpartner und Ohja!-Service
Das organisatorische Betriebssystem der Serviceübergabe
REIFEGRAD 2: MITTLERES ALTER
Vermessungsarbeiten
Die Qualität einer Leistung: das prozesshafte Herangehen
Die Qualität einer Leistung: die emotionale Herangehensweise
Nutzvolumen
Nettoserviceprämie und Rückfluss pro Service
ROIim Dienstleistungs-Management
Zerlegung der gefühlsmäßigen Einschätzungen
Das organisatorische Betriebssystem des Qualitätsmanagements von Dienstleistungen
Service-Unterstützung
Kundenunterstützung
Serviceunterstützung
Service: Planung und Strategie
Die Balanced Scorecard eines Dienstleistungsunternehmens
Die auf Hypothesen beruhende Planung
Finanzberichte zwecks Verwaltung eines Dienstleistungsunternehmens
REIFEGRAD 3: REIFE
Service und Betriebsleistung
Ausstoß
Wirtschaftlichkeit
Effizienz
Arbeitsproduktivität
Der »magische« Koeffizient
Das Service-Quadrat
Service und Teammanagement
Aufbau eines Service-Teams
Auf die Produktion und Bereitstellung von Dienstleistungen orientierte individuelle und Team-Leistungskennzahlen
Leiter vs. Anführer
Service-Management bei unbeliebten Dienstleistungen
Service-Mathematik
Arbeitsproduktivität und Personalausgaben
Wanderung über das Service-Quadrat
Der Einfluss von Zwischenfällen auf das Geschäft
Das einfachste differentiale Modell des Loyalitätsmanagements
VORWORT
Dieses Buch verdankt seine Entstehung einer rein praktischen Erfahrung. Mir wurde vom Inhaber einer großen Bankgruppe, die später zur Finanzgruppegeworden war,die Aufgabe gestellt, die firmeninterne Infrastruktur, die die gegenseitige Service-Bedienung von Abteilungen beinhaltete, vom Anfang an zu entwickeln, zu implementieren und weiter instandzuhalten. Die Besonderheit dabei bezog sich auf die Forderung, diese Infrastruktur organisch mit der zu jenem Zeitpunkt unter meiner Koordinierung in einer Basisversion entwickelten Transferpreisbildung zu verflechten. Mein und meiner Kollegen erster Versuch, dazu bereits gemachte Erfahrungen europa- und weltweit zu finden, scheiterte. Zu jenem Zeitpunkt verfügte ich über solide praktische Management- und Beratungserfahrungen in den Bereichen Software-Entwicklung, Unternehmens-Finanzmanagement und Arbeitsorganisation, darunter für solche Branchenführer (Projekte zu Beginn 2000er Jahre) wie die Fluggesellschaft Aeroflot, das Educational Center Orlyonok, Gasprom[1], das Diamantenförderunternehmen AlRosa sowie den Konzern Rosenergoatom. Diese Erfahrungen waren hinsichtlich der neuen Aufgabe aber leider nur in einem begrenzten Umfang zu gebrauchen. Mittlerweile neige ich zu der Auffassung, dass eine der Voraussetzungen für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts analytische Fähigkeiten und Grundlagenkenntnisse in der Modellierung von Prozessen waren, mit denen mich meine Alma Mater, eine der prominentesten russischen Universitäten, das Moscow Engineering Physics Institute (Technical University) [2] und dessen Lehrstuhl Nr. 31 »Angewandte Mathematische Physik«, ausgerüstet hatte. Als das Projekt begann, hatte ich gerade meine Dissertation [3] über die Modellierung von parallel laufenden Prozessen verteidigt und fühlte viel Elan und eine große Bereitschaft in mir, neue Herausforderungen anzunehmen.
Es zeigte sich, dass die Gesamtaufgabe zahlreiche Teilaufgaben beinhaltete. Eine methodische Herangehensweise von Anfang an, Mangel an Spezialisten auf dem Arbeitsmarkt, unzählige firmeninterne Verhandlungen im Rahmen der vorliegenden Unternehmenskultur, in denen nur Argumentation und auf keinen Fall Anordnung oder Befehl galten, parallel laufende Ausbildung in wesentlichen Bereichen [4] wurden über mehrere Jahre zum täglichen Brot der Arbeitsgruppe, die später auf Unternehmensebene den inoffiziellen Namen Office SLA (Service Level Agreements) bekam.
Zu Beginn des Jahres 2013 hatte Office SLA seinen 5. Jahrestag gefeiert. Die Finanzgruppe verfügte damals über ein Filialnetz in ganz Russland und das Gesamtpersonal belief sich auf gut 13.000 Mitarbeiter aller denkbaren und undenkbaren Profile, Berufe und Fachgebiete, war sozusagen ein »Leckerbissen«. Am Ende des Jahres 2014 fanden die einzelnen Teile der Finanzgruppe ihre neuen Besitzer.
Als Anführer von Office SLA und des ganzen Projekts fühlte ich immer das innere Bedürfnis, das an Erfahrungen reiche Projekt der Öffentlichkeit inhaltlich mitzuteilen. Meines Erachtens sind zahlreiche methodische, verfahrenstechnische und Management-Erfindungen und -Entdeckungen, die bei dem Projekt gemacht wurden, für andere Unternehmen immer noch von Wert.
In diesem Zusammenhang gibt es viele Personen, bei denen ich mich bedanken möchte. Dazu gehören meine ehemaligen Kollegen beim Office SLA Helen Tschertkova, Irina Makarowa, Tanja Os’mina (Arbusowa), Anna Demtschenko, Alexej Nikolskij (alle Moskau), Ilja Ovejan, Anton Boguzkiy, Irina Tuaewa, Olga Orlowa, Jekaterina Martynowa (alle Saratow), Alexandra Gochfeld, Elena Golubewa, Waleria Romanowa, Jewgenia Andarzshanowa (alle Jekaterinburg), Jewgenij Jarlikow (Kaluga). Jaroslaw Alexejew (Risikomanagement), Sergej Schilow (HR), Wyatscheslaw Kasanzev (Corporate Business) und Sergey Kalatschyow (Inkasso; alle Moskau) leisteten bei diesem Projekt eine sehr große Unterstützung dauerhaft, organisatorisch und konjunkturell. Auch gilt mein Dank dem ITIL-Experten Alexej Lelekow (Moskau) für die methodische Unterstützung während des Projekts und meiner Arbeit an diesem Buch, dem Unternehmenscoach Dmitrij Dimitriew (Moskau, Leipzig) für die Vermittlung theoretischer Kenntnisse und praktischer Fertigkeiten in Emotional Intelligence und Teamleitung, Sergej Leontiev (Moskau, Wien) für die Aufgabenstellung, Dr. Alexander Zsheleznyak, meinem Freund seit Studentenzeiten Dr. Eldar Bikmaew, Eduard Pantelejew (alle Moskau), Andrej Zolotuchin, Boris Djakonow (beide Jekaterinburg) und Dmitrij Dylnow (Saratow) für zahlreiche praktisch zu bewältigende Herausforderungen, Alexej Pimenow für eine effektive und systembildende Arbeit im Cluster von Service-Abteilungen »Business-Plattform«.
Hoch einzuschätzen sind auch die Beiträge zu einzelnen methodischen Problemen, die mein mehrjähriger Partner bei verschiedenen Projekten, Helmut Brunner (Vation Technology, Diedorf, Bayern), leistete. Weitere Anstöße zu meiner Arbeit an diesem Buch verdanke ich Georg Breydy (Köln) und Dr. Gerhard Massenbauer (Wien). Die große organisatorische Unterstützung von Dr. Leonid A. Leontiev (Wien) ist unbedingt zu erwähnen.
Einen unschätzbaren Anteil, nicht zuletzt Geduld, haben meine Ehefrau Tanja, die zugleich Autorin mehrerer Zeichnungen ist, und mein Sohn Leonid.
Der bewanderte und an Erfahrungen reiche Redakteur und Germanist Hans Peter Müller (Wiesbaden) trug sehr dazu bei, der abschließenden Version des Buchs die angemessene sprachliche Gestalt zu geben.
Dr. Michael Vigdorowitsch Düsseldorf, November 2016.
1 Genauer gesagt, dessen damaligen Schlüsselunternehmen Gaskomplektimpex.
2 Mittlerweile National Research Nuclear University MEPhI (eng.mephi.ru).
3 Während einer Diskussion zum Stand und den Perspektiven der deutsch-russischen branchenbezogenen Hochschulkooperation auf der 9. Deutsch-Russischen Rohstoffkonferenz in Düsseldorf am 25.11.2016 bestand bei den Teilnehmern Übereinstimmung, dass für Russland die Unterscheidung »kleiner« bzw. »großer« Doktor zu machen ist, wobei »großer« Doktor dem deutschen Dr. habil. entspricht. Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion waren Prof. Dr. Rudolf Kawalla (Prorektor Forschung der TU Bergakademie Freiberg), Prof. Dr. Kretschmann (Präsident der TFH Georg Agricola Bochum), Prof. Dr. Marian Paschke (Direktor am Institut für Seerecht und Seehandelsrecht der Universität Hamburg), Prof. Dr. Vadim Petrov (Prorektor der Nationalen Universität für Wissenschaft und Technologie Moskau, MISIS), Prof. Dr. Oleg Kazanin (Dekan der St. Petersburger Bergbauuniversität).
4 DarunterService Offerings and Agreements(EXIN, Niederlande), mehrjährige UnternehmensprogrammeLeadership, Emotional Intelligenceusw.
EINFÜHRUNG
Jeder Fachbereich legt bis zu seiner Reife einen bestimmten Weg zurück. Diese Reife wird normalerweise mit einem erzielten Standard dieses Bereichs assoziiert.
Standards, die eine gewisse Zeit Gültigkeit haben, werden entweder widerlegt oder weiterentwickelt, bis sie einen Grad an Reife erlangt haben, der sich als Standard zumindest über längere Zeit hält.
Service-Management stellt solch einen Bereich dar.
Service-Management umfasst ziemlich viele allgemeine Faktoren und Aspekte, die von keinem konkreten Bereich abhängig sind. Die Kenntnis dieser Regelmäßigkeiten hilft dabei, die Reife der entsprechenden Managementprozesse in einer gewünschten Dienstleistungsbranche und, noch umfassender, in fast jeder Produktionsbranche zu erreichen.
Service Management ist heute in unserer arbeitsteiligen Gesellschaft generell ein wenig strukturiertes Thema, Standards sind noch nicht ausgereift. Die Ursache dafür liegt in der Komplexität des Themas, das viele Faktoren und Aspekte umfasst, die nicht nur einer einzigen Fachrichtung zuzuordnen sind. Wer sich der Verbindung der Faktoren widmet und diese in einen Sinnzusammenhang stellen kann, schafft Standards für Dienstleistungen aber auch für Produktionsmanagementprozesse.
Bisher vollzog sich die Erforschung auf die Weise, dass Branche für Branche in Begriffen von Regelmäßigkeiten / Standards untersucht und beschrieben wurden. Der Durchbruch auf dem Niveau eines echten Fachbereichstandards, der weltweit verbreitet wurde, fand, in den Bereichen Informationstechnologie und Telekommunikation (ITIL® [5], COBIT® [6]) statt. Der Nachteil dieses Herangehens besteht aber darin, dass es grundsätzlich um die WAS-Beschreibung geht, die Umsetzung – das WIE – obliegt dem jeweiligen Unternehmen [7]. Diese Herangehensweise stellt einen sogenannten Rahmenstandard dar und konzentriert sich auf die Beschreibung des Rahmens, mit dem das Objekt des Servicemanagements zwar beschrieben wird, ohne aber einen Weg aufzuzeigen, wie das praktisch geschehen soll oder kann. Das ist ein Rahmenstandard, der vom Anwender individuell mit Leben zu erfüllen ist – ebenso könnte man Autos in einem Autohaus auch als leere Karosserie anbieten und es dem Kunden überlassen, Motor und Getriebe einzubauen. Das ist möglich, aber schwierig auf breiter Basis umzusetzen.
Deshalb handelt dieses Buch nicht von IT
Genauer gesagt, ist dieses Buch keiner IT gewidmet, sondern der Kunst, das Serviceportfolio und die entsprechend versiert angepassten Produktionsphasen vernünftig und klug umzusetzen, bereitzustellen und Ergebnisse zu messen, sodass in diesem Portfolio ganz unterschiedliche Dienstleistungen, darunter Marketing, Administrierung, Buchhaltung, Instandhaltung, HR-Verwaltung, auch IT, usw., eigene Plätze einnehmen und eine standardisierte Behandlung erfahren.
Wenn Sie, verehrter Leser, zahlreiche Internet-Foren unter dem Titel oder Untertitel »Service-Management« besuchen, entdecken Sie, dass es sich bei 90 % der Foren um IT-Foren und nur bei 10 % um allgemeine Foren handelt. Dies entspricht der obengenannten Situation. Das Eindringen der Kunst »Service-Management« in die Unternehmenswirtschaft wird durchTabelle 1dargestellt.
Tabelle 1 Das Eindringen der Kunst »Service-Management« in die Firmenwirtschaft
Das bedeutet, statt eines konkreten geschäftlichen Nutzens bekommt ein Unternehmen nur Rahmenanforderungen für IT und Telekom geliefert. Das ist ganz weit entfernt von den konkreten Managementerfahrungen eines Unternehmens, denn es fehlt an einem konkreten WIE. Ein bloßer Rahmen ergibt nur Sinn, wenn er das WAS so klar beschreibt, dass die Umsetzung in ein WIE einfach ist. In der Praxis besteht das Problem häufig darin, dass bei komplexen Managementaufgaben ein bloßer Rahmen vielfach nicht genügt, um eine unternehmensgerechte Umsetzung auf inhaltlicher Ebene zu ermöglichen. In der konkreten Umsetzung sind die Umsetzer des WIE auf klare Schnittstellen mit der Rahmenstandardebene angewiesen, andernfalls kommt es in der Umsetzung zu Verzögerungen und widersprüchlichen, im Extremfall sogar chaotischen Handlungen.
Wenn jemand den WIE-Bereich konkret bestimmt, ohne den WAS-Bereich zu beschreiben, erzeugt das Chaos und nicht Integration.
Die in diesem Buch dargestellte Herangehensweise wandelt die oben beschriebene Situation in Folgendes um: die Ebenen WAS und WIE können vereint werden, um das Servicemanagement effizienter zu gestalten und zu verbessern (Tabelle 2).
Tabelle 2 Die vereinten Ebenen WAS und WIE der dargestellten Herangehensweise
Dadurch lassen sich
—die Instrumente dem Publikum übergeben, die die Rahmenbedingungen für effektives auf unternehmensinterne und externe Kunden zielendes Service-Management bereichsunabhängig entwickeln helfen (blaue Felder);
—die grundlegenden Methoden beschreiben, die sich effektiv für konkrete Fachbereiche ausarbeiten lassen (grüne Felder).
Alles zusammen bahnt einem Unternehmen den Weg zur reifen Serviceinfrastruktur und zur richtigen und effektiven Philosophie von Dienstleistungen, die auf Kunden ausgerichtet sind und die Firmeneffizienz dadurch erhöhen. Interne Abläufe werden dann effizienter gestaltet, Produktionsprozesse optimiert, die unternehmensinterne Kommunikation wird verbessert, um Abläufe fließender zu gestalten oder im Kundenservice Kundenorientierung zu demonstrieren.
Diskussionen, ob Schachspiel Sport, Wissenschaft oder Kunst ist, geraten in eine Sackgasse. Service-Management behandelt Menschen, Verfahren, gesellschaftliche Verhaltensnormen. Alle drei befinden sich in einer unaufhörlichen Spirale der Veränderung. Hinter dieser Bewegung bleibt heutzutage jede Theorie zurück. Es ist nicht wie im Sport, wo jemand überholt werden kann. Service-Management bezieht sich auf stetig neue Kombinationen, treffende Antworten und originelle Lösungen, genauso wie das Schachspiel. Deshalb halten wir es für eine Kunst.
Sie, verehrter Leser, sind für uns zur Zeit oder in der Zukunft ein führender Manager oder Manager der mittleren Ebene bzw. Inhaber eines Groß- oder mittelständischen Unternehmens. Möglicherweise ist es Ihnen vom Anfang an bewusst oder Sie begreifen es mit uns zusammen, dass Service-Management überall vorliegt: Kellner bedienen einen Gast im Restaurant, ein Betrieb liefert Antriebssysteme an einen Autokonzern, die Buchhaltung eines Unternehmens bearbeitet die Anforderungen anderer interner Abteilungen. In allen Fällen handelt es sich um Serviceübergabe, Serviceunterstützung, Servicekontrolle usw., insgesamt um Service-Management, darum, Ihr jetziges oder künftiges Unternehmen noch erfolgreicher, reibungsärmer und noch stärker auf die Kundenzufriedenheit ausgerichtet werden zu lassen.
Entdecken und erforschen Sie, verehrter Leser, mit uns Verhältnisse, Regelmäßigkeiten, Einflüsse und andere Aspekte, die einen Service erfolgreich machen, egal zu welcher Branche er gehört.
5 Die Schutzmarke von Axelos.
6 Die Schutzmarke von ISACA.
7 Die Begriffe WAS und WIE stammen von W. Vogt.Fit for BenefIT. Perseo Consult, 2002.
DIE STRUKTUR DIESES BUCHS
Dieses Buch besteht aus 3 Kapiteln, die sich am Reifegrad eines Unternehmens orientieren und entsprechend in »Jugend«, »Mittleres Alter« und »Reife« unterteilt sind. Je erfahrener eine Führungskraft ist, umso fortgeschrittenere Methoden wird sie anwenden können.
Das 1. Kapitel »Reifegrad 1: Jugend« beschreibt grundlegende Faktoren und Methoden, die bereits beim Entstehen eines service-gebundenen Unternehmens Teil der Praxis sein sollten.
Im 2. Kapitel »Reifegrad 2: Mittleres Alter« werden die weiteren Instrumente vorgestellt, die im mittleren Alter entsprechender Unternehmen normalerweise Anwendung finden sollten.
Das 3. Kapitel »Reifegrad 3: Reife« schließlich bezieht sich auf den Reifegrad, bei dem das Unternehmen aus seiner Geschichte und Erfahrung um die Notwendigkeit der Integrität sämtlicher interner Führungstechniken weiß und die Techniken des Service-Managements detailliert in das Führungsinstrumentarium einbaut.
REIFEGRAD 1: JUGEND
Wenn wir unsere Freunde und Kollegen fragen, wie eine Dienstleistung beschaffen sein soll, die sie von ihrem Anbieter erwarten, wird die absolute Mehrheit mit einem Verweis auf die Übergabephase der Dienstleistung antworten. Außerordentlich seltene Äußerungen der Art »Ich würde es besonders schätzen, wenn ein Anbieter zunächst meinen Bedarf ermittelte« signalisieren normalerweise ein spezifisches Verhältnis des Befragten zum Management von Dienstleistungen – privat oder geschäftlich. Jedoch ist die Übergabe eines Service nur die Spitze des Eisberges. Zwar reicht schon eine fehlgeschlagene Übergabe aus, um den ganzen Service scheitern zu lassen. Aber leider ist auch eine erfolgreiche Übergabe keine Garantie für den Gesamterfolg. Jeder Erfolg bei einer Dienstleistung beruht auf deren nicht sichtbarem Teil. Das nicht Sichtbare liegt dem Gesamterfolg des ganzen Produkts zugrunde.
Service um uns her
Wir wollen nun einige Fälle aus der Praxis darstellen, die die Komplexität der Sache zeigen, und bringen einige Hinweise zur weiteren Entwicklung des Themas.
Hier handelt es sich nicht um eine ausführliche Analyse, was der Service-verbundenen Infrastruktur fehlt, sondern darum, was für Fehler sich als Folge irgendeines strukturellen Mangels offenbarten. In den weiteren Teilen und Kapiteln werden wir uns auch mit der Rekonstruktion der diesen Einfluss ausübenden strukturellen Faktoren beschäftigen.
Fall Nr. 1: Netzwerkanbieter-Tablet mit oder ohne Kopfschmerz-Tablette
Herr R. hat sich dafür entschieden, seiner Frau zum Geburtstag ein modernes Tablet zu kaufen. Weil er seit Jahren die Leistungen des Mobilfunk-Netzes »Y–« benutzte [8], wandte er sich an den nächstliegenden Shop dieser Marke. Der Herrn R. bedienende Mitarbeiter zeigte sich sehr zuvorkommend. Er hörte sich den Wunsch von Herrn R. an, stellte ein paar Fragen, um Zahlungs- und andere Präferenzen zu erfahren, nannte den Endpreis, und wies darauf hin, dass einiges Zubehör, das sehr oft verlangt wird, nicht zum mit dem Endpreis bezahlten Produkt gehörte, sondern extra erworben werden müsste. Er bot an, das von Herrn R. gewünschte Zubehör über Internet auf seinen Namen zu bestellen, mit einer Lieferfrist von nur wenigen Tagen. Das einzige, was er dafür brauche, sei etwas Bargeld, um die dabei entstehenden Kosten abzudecken. Herr R. stimmte zu, sodass der Mitarbeiter eine Kopie seines Personalausweises machte und vorschlug, die durch die Vorbereitung aller elektronischen Dokumente und Papiere entstehende Wartezeit mit einer Tasse Kaffee zu überbrücken und in vielleicht einer halben Stunde wiederzukommen.
Nach einem kurzen Spaziergang fand R. die notwendigen Papiere unterschriftsreif auf dem Tisch. Der Mitarbeiter musste ihm allerdings mitteilen, und er tat dies in einer schuldbewussten Weise, dass der Rabatt, der Teil des Angebots gewesen war, doch nicht gewährt werden könne, wodurch sich der Preis um gut 40 Euro erhöhte. Für R. waren die 40 Euro keine prinzipielle Frage, und er unterzeichnete die Papiere. Der Mitarbeiter gab die neue Information ins System ein und machte sich zum Empfang der elektronischen Genehmigung und zur Unterzeichnung der Papiere im Namen des Anbieters bereit. Die Antwort war, dass das Geschäft erst dann gebilligt werden könne, wenn Herr R. als neuer Kunde die dreistellige Summe des Kaufpreises als Depositum entrichtet habe.
Der Mitarbeiter entschuldigte sich für die unerwartete Wendung der Sache und fragte, ob Herr R. weiter an dem Kauf festhalten wolle. R., der die Streichung des 40-Euro-Rabatts widerspruchslos weggesteckt hatte, äußerte sich nun in höchstem Maße unzufrieden, unter anderem, weil er (i) eine Stunde Zeit verloren und (ii) der Mitarbeiter die mündlich schon erreichte Absprache nicht eingehalten hatte. Außerdem (iii) würde ihn der letzte Vorschlag des Mitarbeiters zum Aufsuchen eines Geldautomaten nötigen, verbunden mit weiteren Zeitverlusten, wobei (iv), wie aufgrund der bisherigen Erfahrungen anzunehmen war, auch mit diesem Vorschlag ein Erfolg [ein erfolgreicher Abschluss] nicht garantiert werden könne.
Der Mitarbeiter entsprach der Bitte von R., vernichtete die Papiere und geleitete ihn unter Bekundung seines Bedauerns mit dem gehörigen Respekt hinaus.
Eine halbe Stunde später kaufte R. innerhalb kürzester Zeit das Tablet bei einem anderen Netzwerkanbieter.
Wir bemerken dazu, dass sich der Mitarbeiter vom Anfang an so verhielt, als ob er zu selbständigen, endgültigen Entscheidungen autorisiert war. Das wäre für die Bildung einer bestimmten Meinung bei dem Kunden richtig gewesen, wenn es durch die Tatsachen gerechtfertigt gewesen wäre. Das Tablet war keine billige Ware, zumindest auf dem Hintergrund der durchschnittlichen Verkaufspreise des Shops. Kunden, die sich die Waren der oberen Preisklasse oder sogar darüber leisten können, bevorzugen es immer, mit jemandem zu sprechen, der zu selbständigen Entscheidungen autorisiert ist.
Der Bluff wirkte nicht. Die Infrastruktur des Anbieters förderte das Verhalten des Mitarbeiters nicht.
Es gab bei dem Vorgang anwesende Besucher, die nicht umhin konnten, den negativen Eindruck mitzubekommen. R. zog seine eigenen Schlüsse daraus und teilte sie höchstwahrscheinlich einem Teil seiner Freunde und Kollegen mit. Multipliziert mit der Anzahl solcher – keineswegs außerordentlicher, sondern wohl üblicher – Fälle in sämtlichen Filialen des Netzwerkanbieters, ließe sich der Gesamtschaden – infolge der Diskrepanz zwischen dem möglicherweise vorgeschriebenen und durch Training eingeübten Mitarbeiterverhalten einerseits und dem wirklichen Verlauf andererseits – einschätzen. Wir sind nur auf Vermutungen angewiesen, ob das Unternehmen zuvor die Verursachung und Zulässigkeit von Schäden dieses Typs für die Warenverkaufspolitik, die Ablaufverbesserungskosten und andere Faktoren einkalkuliert hatte.
Fall Nr. 2: Versichererzähmen leicht gemacht?
Frau T. hatte einen befristeten Werkvertrag mit einem ziemlich großen Unternehmen. Dieses war so groß, dass viele unterschiedliche Dienstleister, darunter Lebensmittelverkäufer, Friseure, Tankstellenunternehmer, usw., danach strebten, auf dem Gelände des Unternehmens vertreten zu sein. So machte es auch ein Versicherungsunternehmen mit dem Namen »Burg 95«.
Frau T. war dabei, sich ein neues Auto zu kaufen und musste dazu die nächsten Tage ins Ausland fahren. In dieser Situation war es wirklich angenehm, eine Kfz-Versicherungspolice direkt vor Ort abzuschließen zu können. Sie rief den Angestellten der Versicherung an, beantwortete mündlich die gestellten Fragen, übersandte per e-mail Kopien von Fahrzeug- und Führerschein und bekam schließlich eine PDF mit dem Entwurf der zu unterzeichnenden Dokumente. Nach ihrer Überprüfung sollte sie deren Korrektheit bestätigen und entweder für die nächsten Tage einen der vorgeschlagenen Termine im angrenzenden Gebäude auswählen oder die unterzeichneten Dokumente mit der unternehmensinternen Post zustellen lassen. Am Tag darauf erhielt T. die Versicherungspolice und die Grüne Karte.
Wie groß war die Überraschung, als Frau T. ein Jahr später zusammen mit der Information über die automatische Verlängerung der Police eine Mitteilung bekam, dass sie, wegen Änderungen der internen Methoden bei der Risikoeinschätzung, für das vergangene Jahr einen Zuschlag von 35 % zum Policepreis entrichten müsse.
Dieses Beispiel eignet sich bestens für einen Lehrfilm, der zeigt, wie sich Gutes durch Schlechtes effektiv neutralisieren lässt. Ein Dolchstoß in den Rücken ist ein durchaus geeignetes Mittel zur Beseitigung der Kundschaft.
Fall Nr. 3: Entzückende Stewardessen
Eines Tages stand mir ein einstündiger Inlandflug bevor. »Air Express« gehörte zweifellos zu den traditionell zuverlässigen und gut etablierten Mittelklassefluggesellschaften. Der Passagierraum war nur zu einem Viertel gefüllt und zwei Flugbegleiterinnen hatten während des kurzen Fluges keine besondere Mühe die vorhandenen Fluggäste zu bedienen. Der Servierwagen mit den Getränken erreichte schon die Sitzreihe, in der auf einem der Sitzplätze ein sehr respektabel aussehender Herr sich wie auf einem Thron niedergelassen hatte. Er traf seine Getränkewahl, und der Arm einer der Flugbegleiterinnen war umgehend mit dem Becher unterwegs, als … entweder das Flugzeug oder das Mädchen schwankte oder die Schwerkraft des Mondes sich bemerkbar machte, jedenfalls schwappte der Kaffee mit einem großzügigen Schwung auf Krawatte, Hemd und Hose des Herrn.
Der Zwischenfall passierte sehr früh am Morgen und der thronende Herr reiste offensichtlich dienstlich. Möglicherweise, hatte er in ein paar Stunden an für ihn wichtigen Verhandlungen teilzunehmen und ein einwandfreies Aussehen war höchstwahrscheinlich wesentlicher Bestandteil seiner damaligen Mission. Wenn Zorn und Empörung Vulkane zum Ausbruch bringen können … hier wäre solch ein Fall gegeben gewesen (und war es nicht nach diesem Zwischenfall, dass sich der isländische Eyjafjallajökull äußerte?)
Vermutlich war die ganze Kombination von Gesichtsausdruck, ausgestoßenen Lauten und körperlichen Zuckungen insgesamt so lustig, dass die beiden Flugbegleiterinnen ergebnislos versuchten, sich das Lachen zu verbeißen, während sie mit Servietten bemüht waren, die Überschwemmung auf dem Bauch des Herrn in den Griff zu bekommen.
Wir können uns nicht wirklich vorstellen, dass die Fluggesellschaft im Personaltraining Flugbegleiterinnen dazu anhält, bei solchen Situationen verhalten zu lachen. Vielmehr vermuten wir, dass den Mädchen ein vorher durch Fluganweisungen und Training empfohlenes Verhaltensmodell fehlte. Manche Zuschauer im Passagierraum mussten darüber schmunzeln, so selten innig und gewinnend erschienen ihnen die Handlungen der AirExpress-Fräulein. Andere versetzten sich in den thronenden Herrn und waren innerlich mit ihm zusammen über den Zwischenfall empört. Offensichtlich wird keine Fluggesellschaft durch Riskierung zweifelhafter Situationen und dabei stehenden bezaubernden Flugbegleiterinnen Kunden erobern, aber zur Minimierung der negativen Folgen rüstet sich irgendwie jede. Dieses »irgendwie« erfahren dann die Passagiere vor Ort.
Fall Nr.4: Gegenseitiger Bedarf
Für das Alltagsleben eines Unternehmens wurde von der Leitung folgende Neuerung erlassen: Nicht nur der durch untergeordnete Mitarbeiter für die Leitung geschaffene Wert wurde, wie üblich, eingeschätzt, sondern auch der durch Vorgesetzte für untergeordnete Mitarbeiter geschaffene Wert. Das Ergebnis wurde dabei durch anonyme Befragungen der analytischen Art (»Auf wie viele Punkte aus einer Skala von … schätzen Sie den von Ihrem Leiter bekommenen Wert ein?«) erstellt. Dieses Herangehen half festzustellen, welche Abteilungsleiter keinen lohnenden Beitrag leisteten, für den Produktionsablauf nicht notwendig und für das Unternehmen ein Ballast waren.
Es kann manchmal (oder oft?) nützlich sein, aus einem ungewöhnlichen Sichtwinkel auf alltägliche Sachen zu schauen. Dazu gibt es manchmal komische Bilder aus östlichen Ländern, wenn eine Person mit dem Titel eines Ministerpräsidenten den Ministern die Köpfe wäscht und Moralpredigten hält. Wieder kommt die Frage auf, wer wem Leistungen bringt. Wenn der Ministerpräsident die klügste Person ist, wozu braucht er Minister und nicht eine Armee von Vollziehern? Wenn Minister Profis sind, warum hört der Ministerpräsident Ihnen nicht zu? Wenn sie für ihn keinen Wert schaffen, wozu sitzen sie vor ihm? Wenn er für sie keinen Wert schafft, warum vergeuden sie ihre Zeit vor ihm? Allerdings bietet das Leben bestimmte Antworten auf solche Fragen, die sich ganz weit entfernt vom effektiven Management (oft auch staatlichen) und öffentlichen wirtschaftlichen Zielen befinden. Für ein Unternehmen ist eine solche Ordnung noch weniger geeignet, weil kein Unternehmen über so viele Ressourcen (darunter den Langmut der Bevölkerung und die Reichtümer der Natur) verfügt wie manche Länder.
Übrigens bezieht sich dasselbe auch auf zu entrichtende Steuern. Jede Steuer lässt sich als Zahlung eines Staatsbürgers für bestimmte öffentliche Dienstleistungen betrachten, die die Gesellschaft stützen oder entwickeln. Zum Beispiel beinhaltet der Benzinpreis Mittel für den Straßenbau, die Tabaksteuer Mittel für die Propagierung einer gesunden Lebensweise. Verstehen wir gut, dass alle Arten der von uns gezahlten Steuern für Dienstleistungen eingesetzt werden, deren Zweck die Entwicklung unserer Gesellschaft ist?
Eigentlich lässt sich jede Regierung eines Staates als Nationalmanager betrachten. Gesetze, die zu Steuererhöhungen führen, kommen so gut wie immer von der Regierung oder der Regierungspartei, kein Parlament und keine andere Partei kann sich dies üblicherweise leisten, wenn sie nicht geradewegs nach ihrem politischen Tod strebt. Der Nationalmanager bedient die Bevölkerung, die sich in Kategorien aufteilen lässt, darunter Hausfrauen, Unternehmer, Rentner, usw. Wie erfolgreich der Nationalmanager dienstleistungsmäßig die unterschiedlichen Kategorien der Bevölkerung versorgt, bestimmt den Erfolg bei der nächsten Wahl. Das Motto »Damit eine Kuh weniger frisst und mehr Milch gibt, soll sie weniger gefüttert und mehr gemolken werden« funktioniert nur in Obrigkeitsstaaten, und selbst dort nicht.
Das ist ein weiterer Aspekt des Service-Management.
Bestimmungsfaktoren für den Erfolg einer Dienstleistung im Alltag
Wir ändern jetzt unseren Sichtwinkel von einem mehr oder weniger fortgeschrittenen Service-Verbraucher zu dem eines angehenden Analytikers, der sich damit beschäftigt, wichtige Triebräder gelungener Service-Mechanismen zu identifizieren.
Zunächst wollen wir die wesentlichen Begriffe in Ordnung bringen. In diesem Buch handelt es sich um das Management von Dienstleistungen. Wenn erworben, wird die Dienstleistung (»Service«) eine Ware. Deswegen ist der Begriff »Service« (gleichwertig »Dienst«, »Leistung«) für unsere Zwecke dem Begriff »Produkt« gleich [9]. Bedienung verstehen wir als Bestandteil eines Service, als Komponente der Leistung eines Dienstes. Möglicherweise beinhaltet der Service auch ein materielles Produkt (wie in Fall Nr. 1), wobei wir alles zusammen als Service behandeln werden. Wenn ein materielles Produkt heutzutage ohne entsprechenden Service verkauft wird, bezieht sich das normalerweise entweder auf die Einzigartigkeit und Lebenswichtigkeit des angebotenen materiellen Produkts in einer konkreten Situation, oder auf das Berufsethos des Verkäufers. Die beiden berühren wir weiter nicht mehr.
Zu Fall Nr. 1. Herr R. betrat das Geschäft mit der Idee, ein Tablet kaufen zu wollen. Wir und der Verkäufer wussten nicht, ob R. möglicherweise erst prüfte, wie geeignet das Geschäft für sein Vorhaben ist, und bereit war, sich in jedem Moment umzudrehen und den Laden wieder zu verlassen. Die Besonderheit besteht darin, dass der Service schon geleistet wird, der Vertrag aber noch gar nicht abgeschlossen ist. Der Moment der Vertragsunterzeichnung ist aufgeschoben und kann sogar möglicherweise überhaupt nicht stattfinden. Es ist offensichtlich die Dienstleistung, die bei diesem Beispiel ganz glatt läuft. Ab einem bestimmten Moment ist eine ausreichende Abstimmung erreicht, wozu die gewünschte oder geeigneteFunktionalität, die Qualität und der Preisdes Tablets und die Bedienung durch den Verkäufer beitrugen. Detaillierter stellt dies die Tabelle 3 dar.
Komponenten des Service
Funktionalität
Qualität
Preis
Materieller Gegenstand (das Tablet)
Gewünscht / Geeignet (die deutlich früher getroffene Entscheidung)
Geeignet (vor Ort vom Verkäufer erfahren und als geeignet eingeschätzt)
Immaterieller Gegenstand (die Bedienung)
Geeignet (scheinbareFähigkeiten und Initiativen des Verkäufers)
Geeignet (Respektvolle Bedienung und Fachkenntnisse)
Gewünscht (EUR 0,- , oderkeine Zusatzkosten)
Tabelle 3 Einschätzung der Eigenschaften von Komponenten (Teilaspekten) des Service. Der Moment der vorläufigen Abstimmung
Nebenbei erwähnen wir, dass materielle und immaterielle Gegenstände eine vergleichbare Bedeutung für die Kundengewinnung im Rahmen eines einzelnen Service haben können. Höchstwahrscheinlich hatten wir es mit lauter sich gegenseitig ausschließenden Bedingungen zu tun, wenn ein passender oder gewünschter materieller Gegenstand wegen ungeeigneter immaterieller Begleitumstände nicht gekauft wurde (das typische Beispiel ist die lange Schlange vor einem Geschäft), und andererseits führte ein gewünschter immaterieller Begleitumstand zum Ankauf eines nur teilweise geeigneten Gegenstandes (das ist, z. B., die Zielrichtung eines großen Teils der Werbung).
Wie Pessimisten Herrn R. hätten vorhersagen können, geht alles Gute vorbei. Nach dem Spaziergang von R. änderte sich die Situation der Tabelle 4 entsprechend.
Komponenten des Service
Funktionalität
Qualität
Preis
Materieller Gegenstand (das Tablet)
Gewünscht / Geeignet
Ungeeignet (bezieht sich weniger auf den Preis selbst, sondern auf die Preisbildung, was aber für den Käufer momentan fast egal sein kann)
Immaterieller Gegenstand (die Bedienung)
Ungeeignet (derVerkäufer hat keine Rechte, die Situation, dem eigenen und dem Käuferwunsch entsprechend, wiederherzustellen)
Ungeeignet (derVerkäufer konnte dem Käufer zu Beginn die Situation nicht richtig präsentieren)
Gewünscht (EUR 0,- , oder keine Zusatzkosten)
Tabelle 4 Einschätzung der Eigenschaften von Komponenten (Gegenständen) des Service nach dem Spaziergang
Während des Spaziergangs lief keine Serviceübergabe. Falls dies nicht klar ist, stellen Sie sich bitte einen Service-Automaten vor, der vom Käufer oder Verkäufer nach der Dateneingabe in Gang gesetzt wurde.
Die Resultate des Automaten führten zur Änderung von drei Zellen der Tabelle 3, von denen sich zwei auf den immateriellen Gegenstand (Bedienung) beziehen. Ein Teilaspekt des Service war ein finanzieller Vorbehalt, der dem Kunden am Anfang nicht mitgeteilt worden war, egal ob dieser Vorbehalt dem Verkäufer bekannt war oder nicht. Offensichtlich war in derProjektierungsphasedes Service eine fehlerhafte Zusammenstellung zugelassen worden, die durch eine unzureichendeApprobationsphasenicht beseitigt und im Rahmen der Wartung der Dienstleistung noch nicht berichtigt oder, möglicherweise, ignoriert wurde, was für Dienstleistungen eines großen Maßstabs normalerweise untypisch und wenig wahrscheinlich ist. Wir gehen davon aus, dass kein vernünftiger Dienstleister die ihm gegenüber erbrachteLoyalitätabsichtlich herabsetzen will.
Unsere abschließende Bemerkung hier bezieht sich auf das richtige Verständnis der Begriffe »materiell« und »immateriell«. Es geht in keinem Fall um etwas Buchhalterisches. Der Autor hatte in der Vergangenheit viel mit Buchführung und buchhalterischer und verwaltungsmäßiger Berichterstattung zu tun. Der Unterschied kann durch ein Beispiel gezeigt werden. Im buchhalterischen Sinn lässt sich eine eingekaufte Software als immaterielles Aktivum betrachten. Für unsere Zwecke des Service-Management unterscheidet sich eine Software von einem Auto oder einem Gebäude nicht. Es macht Sinn, eine Unterteilung in »fühlbar« und »unfühlbar« vorzunehmen, wie es dieTabelle 5zeigt (mG bezeichnet »materieller Gegenstand«, iG »immaterieller Gegenstand«, fb »fühlbar«, ufb »unfühlbar«):
Gebäude
Software
Eindruck, Laune
buchhalterisch
mG (fb)
iG (ufb)
nichts oder iG (ufb) (geschäftlicher Ruf)
verwaltungsmäßig im Kontext des Service-Management
mG (fb)
mG (fb)
immer iG (ufb)
Tabelle 5
ZuFall Nr.2. In diesem Zusammenhang machen wir hier drei Bemerkungen.
Zunächst waren die Dienstleistungen von »Burg 95« vermutlich für jene Kunden geeignet, die etwas immer sofort oder sogar gestern brauchen. Solche Kunden bilden fast in allen Branchen ein ganzes Kundensegment, das einem Dienstleister durch ein fachmännisches Herangehen, durch eine sorgfältige Ausrichtung der Servicegestalt auf die Bedürfnisse des Kundensegments, eine bedeutende Dividende bringen kann.
Des weiteren führte der Versuch, eigene Probleme zu Lasten der Kundin zu lösen, zum sofortigen Zusammenbruch der Kundenloyalität. Dagegen könnte das Versicherungsunternehmen seine Preispolitik mit Rücksicht auf besondere Bedürfnisse durch kostenpflichtige Zusatzleistungen bei der Lieferung der Dienstleistung so anpassen, dass der Unternehmensgewinn und die Kundenzufriedenheit gemeinsam wüchsen.
Schließlich sind alle Aspekte des betrachteten Falls mit dem Finanzmanagement des Service, das in diesem Buch als wesentlicher Verwaltungsbestandteil eines fortgeschrittenen service-basierten Unternehmens betrachtet wird, verbunden. Wir erwähnen hier das Service-Finanzmanagement darum, weil finanzielle Fragen sowieso alle Aspekte unseres privaten und Berufslebens durchdringen. Wir sind aber der Meinung, dass andere Aspekte als finanzielle bei der ursprünglichen Organisation der Finanzleistung an erster Stelle stehen und außerdem generiert das Finanzmanagement selbst keine in das service-gebundene Unternehmen einfließenden finanziellen Mittel. Das in Fall Nr.2 dargestellte Problem ließe sich durch einfache Mechanismen lösen, z. B. durch ein angemessenes Loyalitäsmanagement und eine für Kunden transparente Preisbildung. Es bedarf keiner raffinierten Mechanismen des Finanzmanagements.
Zu Fall Nr. 3. Fluggäste erwerben bestimmte Dienstleistungen meistens durch Anzahlung beim Kauf des Flugtickets. Eine Ausnahme bildet der Tax Free Handel und einige Nebenservicearten der Fluggesellschaften-Discounter. Die Besonderheit des Service besteht darin, dass ein Fluggast einen durch den Flugticketkauf abgeschlossenen Vertrag in der Luft nicht kündigen kann. Deswegen kann es nur um die Eindrücke gehen, die ein Fluggast mitnimmt, auch wenn sein Gepäck möglicherweise verloren gegangen war oder er, wegen einer Flugverspätung, den nächsten wöchentlichen Flug einer anderen Fluggesellschaft abzuwarten hatte. Wenn der materielle Gegenstand als Servicebestandteil in Fall Nr.1 von zentraler Bedeutung war, das Geschäft aber wegen zweier immaterieller verhängnisvoller Faktoren nicht stattfand, was soll man dann dazu sagen, wenn materielle Gegenstände bei einem Service nur eine Nebenbedeutung haben!?
Wenn bei einem Service nichts Materielles existiert, was einen möglicherweise zukünftigen negativen Eindruck mildern könnte, dann muss der Service so projektiert werden, dass er Prozeduren (sog. Trigger, i. e. »Auslöser« in der Ingenieurssprache) beinhaltet, die alle üblicherweise vorkommenden Abweichungen, Abstürze und andere Arten von Überraschungen irgendwie in Rahmen einer der vor Ort ausgeführten Servicephasen bearbeiten können. Solche Trigger müssen vorab ihren vorausgesehenen Platz in den Projektierungs- und Ausführungsunterlagen – darunter Personalarbeitsbeschreibungen, Trainingsprogramme, usw. – finden, und das jeweilige Personal muss die für solche Fälle angefertigten Verhaltens- und andere Instrumente bereithalten. Das ist der Fall, wenn Flugbegleiter und Flugbegleiterinnen Loyalität zu ihrem Unternehmen in den eigenen Händen haben, Kellner und Kellnerinnen zu ihrem Restaurant usw. Der 1. Schritt in diese Richtung wäre das Aufstellen eines RegistersmöglicherServicefehler, das einem neu in der Branche tätigen Dienstleister die ganze Tiefe und Breite der Problematik aufzeigen und (manchmal ganz plötzlich) begreiflich machen kann. Man kann auch ohne ein derartiges Register arbeiten, denn das Leben wird schon die notwendigen Korrekturen vornehmen, leider aber fast immer auf eine harte und unangenehme Weise (wie jemand bemerkte: wenn sich der Himmel schon drohend verhält, dann wollen wir gar nicht, dass er sich offen äußert).