Shadow Falls - After Dark - Unter dem Nachthimmel - C.C. Hunter - E-Book

Shadow Falls - After Dark - Unter dem Nachthimmel E-Book

C.C. Hunter

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Beschreibung

***Der zweite Band der PHÄNOMENAL FESSELNDEN Shadow-Falls-After-Dark- Serie.*** Nach ihrer Wiedergeburt muss sich Vampir Della entscheiden: Für wen schlägt ihr Herz wirklich? Und ist ein Blutsbund stärker als ein Herzenswunsch? Nachdem Della ihre Wiedergeburt nur knapp überlebt hat, fühlt sich ihr Körper fremd an. Und ihr Liebesleben wird komplett auf den Kopf gestellt, denn mit dem mysteriösen Vampir Chase Tallman, dem sie ihr Überleben verdankt, verbindet sie ungewollt ein irres Gefühl. Und plötzlich sind da auch noch Stimmen in ihrem Kopf. Sie verlangen von Della die Aufklärung eines Verbrechens, in das auch ihre Familie verwickelt zu sein scheint: Ihr Vater soll einen Mord begangen haben…

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C.C. Hunter

Shadow Falls - After Dark - Unter dem Nachthimmel

Band 2

Aus dem Amerikanischen von Tanja Hamer

FISCHER E-Books

Inhalt

Widmungen1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel23. Kapitel24. Kapitel25. Kapitel26. Kapitel27. Kapitel28. Kapitel29. Kapitel30. Kapitel31. Kapitel32. Kapitel33. Kapitel34. Kapitel35. Kapitel36. Kapitel37. Kapitel38. Kapitel39. Kapitel40. Kapitel41. Kapitel42. Kapitel43. Kapitel44. Kapitel45. KapitelDanksagungLeseprobe1. Kapitel

Für Lily, die unersättlich war im Gutenachtgeschichten-Hören.

 

Junge Dame, ich kann es kaum erwarten, bis du selbst die Geschichten von Kylie und Della lesen kannst.

1. Kapitel

Della Tsang schwang ein Bein über die Fensterbank ihres Schlafzimmers. Die Sonne war schon aufgegangen, hing aber noch tief am östlichen Horizont. Ihre frühen Strahlen färbten den Himmel blutrot. Der Gedanke ließ Della das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Ihr knurrte der Magen. Sie brauchte Blut. Später.

Eins nach dem anderen.

Sie wusste, was sie zu tun hatte – sie hatte immerhin die halbe Nacht deshalb wach gelegen.

Die kühle Oktoberluft wehte ihr ein paar schwarze Haarsträhnen ins Gesicht. Der Wind war zwar kalt, aber sie spürte es kaum. Als sie Fieber gehabt hatte, war das anders gewesen.

Seit sie aus dem zweitägigen Koma aufgewacht war, in das sie nach ihrer Wiedergeburt gefallen war, hatten auch die grippeähnlichen Symptome aufgehört. Die Wiedergeburt war eine seltene zweite Verwandlung bei Vampiren.

Della stieß sich vom Fensterbrett ab, ihre Stiefel landeten auf dem feuchten Rasen. Sie hielt kurz inne, um sicherzugehen, dass ihre beiden Mitbewohnerinnen Miranda und Kylie nicht aufgewacht waren. Fast wünschte sie sich etwas Gesellschaft.

Aber alles blieb still.

Ihre Freundinnen waren gestern Abend beide lang mit ihren Freunden unterwegs gewesen. Della hatte Steve auch getroffen, sich aber unter dem Vorwand, müde zu sein, früh verabschiedet.

Sie machte einen vorsichtigen Schritt und lauschte wieder.

Ich brauche sie nicht. Della musste das allein machen.

Allein. Das war ihr Mantra für die vergangene Woche gewesen. Na ja, genau genommen eher: Ohne Chase. Mit dem verlogenen, hinterhältigen Vampir war sie nun unfreiwillig verbunden, weil er Steve – Dellas Fast-Freund – davon überzeugt hatte, ihr sein Blut zu geben, um ihre Chancen zu erhöhen, die sogenannte Wiedergeburt zu überleben.

Verbunden. Sie dachte darüber nach, was ihr Chase dazu gesagt hatte: Es verbindet die zwei Vampire. Sie werden fast zu einem Teil des anderen – vergleichbar mit eineiigen Zwillingen oder vielleicht auch Seelenverwandten. Schnell schob sie den Gedanken beiseite und starrte auf den dunklen Wald. Sie hatte das Gefühl, dass dort etwas auf sie wartete … sie zu sich rief. Es gab jetzt kein Zurück mehr.

Della schloss das Fenster hinter sich. Ein Zweig knackste irgendwo im Wald, und sie hob witternd die Nase. Aber sie konnte nur den feuchten, würzigen Geruch eines Opossums herausriechen.

Sie machte sich auf den Weg. Mit ihrem Eintritt in den Wald verstummten die Geräusche der Nacht. Sogar die Bäume schienen die Luft anzuhalten. Als Trägerin des Vampirvirus hatte sie sich vor etwa einem Jahr in einen Vampir verwandelt. Die zweite Verwandlung war unerwartet gekommen und extrem selten bei Vampiren. Jetzt war sie noch stärker und schneller als vorher – was bedeutete, dass sie so gut wie jedem Gegner gewachsen war.

Allerdings würde sie diese Kräfte jederzeit wieder abgeben, wenn dafür Chan zurückkommen könnte.

Vielleicht sollte sie Chase dankbar sein. Immerhin hatte er dafür gesorgt, dass sie am Leben war. Chan hatte niemand geholfen. Burnett, der Campleiter, und ebenfalls ein Wiedergeborener, hatte seine Verwandlung ohne Bluttransfusion überlebt. Hätte sie es auch geschafft? Es nervte sie, dass Chase es heimlich getan und sie bis zum Ende angelogen hatte.

Was sie aber am meisten ärgerte – er hatte nicht aufgehört, sie anzulügen.

Auf ihre Frage per SMS: Wer hat dich geschickt, um nach mir und Chan zu sehen?

War seine Antwort gewesen: Keine Ahnung. Ich befolge nur Anweisungen.

Das kaufte sie ihm nicht ab.

Gestern Abend war dann folgende Nachricht gekommen: Fünf Minuten … gib mir fünf Minuten. Ich bin am Tor.

Sie hatte geantwortet: Bis ich nicht ein paar Antworten von dir bekomme, hab ich auch keine fünf Minuten.

Sie würde hart bleiben, bis der Typ mit der Wahrheit rausrückte. Er verbarg mehr Geheimnisse, als ein räudiger Werwolf Flöhe hatte.

Wenn ihre Vermutungen richtig waren – und sie würde ihren besten Eckzahn darauf verwetten, dass es so war –, hatte Chase Informationen über ihren vermissten Onkel, der als Teenager seinen eigenen Tod vorgetäuscht hatte, um seine Verwandlung geheim zu halten. Wer sonst sollte der Auftraggeber sein und sich um sie sorgen? Wer sonst wusste, dass Chan ihr Cousin gewesen war? Und wenn es tatsächlich ihr Onkel war, der Chase die Anweisungen gegeben hatte, wieso hatte er dann nicht dafür gesorgt, dass auch Chan gerettet wurde?

Beim Gedanken an ihren Onkel musste Della an ihren Vater denken und daran, wie schnell er sich von ihr abgewendet hatte, nachdem sie zum Vampir geworden war. Dazu kam jetzt noch, dass er vor vielen Jahren verdächtigt worden war, seine eigene Schwester getötet zu haben. Sie konnte das einfach nicht begreifen.

Ihr Vater hätte so etwas niemals tun können.

Sie ging weiter, der Waldboden war feucht unter ihren Schritten. In der Nacht hatte es ordentlich geregnet. Statt zu schlafen hatte Della auf das Trommeln des Regens auf dem Hüttendach gelauscht. Aber das war nicht das einzige Wassergeräusch gewesen.

Das Rauschen des Wasserfalls war aus der Ferne an ihr Ohr gedrungen. Dabei war es eigentlich unmöglich, dass sie das Geräusch bis zu ihrer Hütte hören konnte, nicht mal mit ihren geschärften Vampirsinnen. Es musste also bedeuten, dass der Wasserfall sie zu sich rief.

Der Wasserfall war ein magischer, wenn auch etwas unheimlicher Ort, wo die Todesengel – mystische Wesen, die über alle Übernatürlichen richteten – angeblich zu finden waren.

Das Wasserrauschen wurde lauter.

»Keine Sorge, ich bin ja schon unterwegs.« Sie würde jetzt nicht kneifen, und zwar nicht, weil sie gerufen wurde – Della war nicht dafür bekannt, Anweisungen blind zu gehorchen. Sie unternahm diesen Ausflug, weil ihr etwas eingefallen war, das Kylie einmal gesagt hatte. Ich gehe zum Wasserfall, um Antworten zu bekommen.

Wenn diese Todesengel Kylies Fragen beantworten konnten, dann hatten sie, verdammt nochmal, doch auch ein paar Antworten für Della. Sie kümmerte sich nicht darum, dass sie das letzte Mal, als sie einem ähnlichen Ruf gefolgt war, von jemandem … vielleicht den Todesengeln selbst … mit einem Stein niedergeschlagen worden war.

Sie schauerte, ging aber entschlossen weiter. Die Antworten waren es ihr wert. Die Todesengel sollten sich in Acht nehmen, dieses Mal würde sie es ihnen nicht so leichtmachen.

 

Als Della sich dem Wasserfall näherte, verschwand ihre Nervosität, und ein Gefühl des Wohlbefindens stellte sich ein.

Sie trat hinter den Bäumen hervor und erblickte das herabfallende Wasser. Langsam wendete sie den Kopf, um alles in sich aufzunehmen. Der kleine See war von Bäumen umstanden, die Äste hingen zum Teil tief herab, so dass der Anblick einer verborgenen Oase ähnelte. Die Sonne, die immer noch nicht sehr hoch am Himmel stand, schickte ihre ersten goldenen Strahlen durch das Blätterdach. Die Luft roch frisch und lebendig, fast schon friedlich. Della hatte noch nie darüber nachgedacht, wie Friedlichkeit roch, aber jetzt wusste sie es.

Die Atmosphäre erinnerte sie an einen buddhistischen Tempel, den sie mal in China mit ihren Eltern besucht hatte, als sie zwölf Jahre alt war. Ohne dass sie sagen konnte, wieso, wusste sie auf einmal, dass nicht die Todesengel sie niedergeschlagen hatten.

»Aber wer war es dann?«, murmelte sie und kam sich kein bisschen komisch vor, die Frage dem menschenleeren Wald zu stellen.

Nur weil sie die Engel nicht sehen konnte, bedeutete das nicht, dass sie nicht da waren.

Sie war nämlich nicht allein.

Das spürte sie. Das erste Mal, seit sie aus dem Koma erwacht war, fühlte sie sich … weniger allein. Irgendwie komplett.

»Wer war was?« Die Stimme vermischte sich mit dem Rauschen des Wasserfalls.

Ihr Herz machte einen Sprung, und sie schaute schnell in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Jemand trat aus dem Vorhang aus Wasser hervor.

Della erkannte die Person, und ihr friedliches Gefühl löste sich schlagartig in Luft auf. »Was machst du hier?«, fragte sie.

»Wahrscheinlich dasselbe wie du«, rief Chase ihr über das Rauschen hinweg zu. »Ich hab es letzte Nacht gehört.«

»Du bist mir gefolgt!«, beschuldigte sie ihn.

Er grinste. »Das ist doch wohl unlogisch. Ich war immerhin zuerst hier. Wenn hier wer jemandem gefolgt ist, dann du mir.«

»Bin ich nicht.« Sie ballte die Hände zu Fäusten. Sollte sie sich einfach aus dem Staub machen und sich an ihren Vorsatz halten, nicht mit ihm zu sprechen, bis er ihr die Wahrheit sagte? Oder sollte sie zu ihm rüberwaten und die Wahrheit aus ihm rausprügeln?

Sie hatte große Lust, Letzteres zu tun. Aber seltsamerweise fühlte es sich falsch an, an diesem Ort Gewalt anzuwenden. Also machte sie auf dem Absatz kehrt und stapfte entschlossen davon. Insgeheim hoffte sie, dass er ihr an einen weniger friedvollen Ort folgen würde.

»Hey, warte mal!«, rief er ihr nach.

Sie ignorierte ihn. Ignorierte das Geräusch des Wasserfalls. Sie ging einfach weiter, den Blick auf den Boden gerichtet, der rutschig war vom Regen. Auf einmal tauchte noch ein zweites Paar Stiefel in ihrem Sichtfeld auf.

Sie blieb stehen und schaute auf. Chase. Seine Geschwindigkeit beeindruckte sie immer noch.

Bin ich jetzt auch so schnell?

Sie hatte noch nicht wirklich die Gelegenheit gehabt, ihre neuen Grenzen auszutesten. Burnett hatte sie, was das anging, auch ständig im Auge. Außerdem hatte sie noch andere Sorgen. Aber diese anderen Sorgen schob sie jetzt beiseite, um sich mit dem akuten Problem auseinanderzusetzen. Chase. Sie starrte ihn an und nahm seinen Anblick in sich auf wie ein Schwamm.

Details wie seine nassen dunklen Haare, die ihm an den Augenbrauen klebten. Sein weißes T-Shirt, das sich feucht an seinen Oberkörper schmiegte. Er wirkte sogar noch muskulöser als in ihrer Erinnerung – oder vielleicht hatte sie auch nur vergessen, wie modelmäßig perfekt sein Körper war. Sie hasste perfekt!

»Hey.« Das einzelne Wort schien zwischen ihnen zu schweben, während er noch einen Schritt auf sie zu machte.

Seine Nähe ließ ihre Haut kribbeln. Vielleicht hasste sie perfekt ja doch nicht so sehr. Hatte er schon immer so einen Effekt auf sie gehabt, oder lag das an diesem Verbundensein-Scheiß?

Sie knurrte, verärgert über ihre eigene Schwäche. Aber sie konnte beim besten Willen nicht zurückweichen. Anschauen, aber nicht anfassen, ermahnte sie sich.

Er grinste, als könnte er ihre Gedanken lesen.

Sie knurrte lauter.

»Was für ein schöner Anblick für meine müden Augen.« Er hob den Arm, als wollte er sie an sich ziehen.

Della erwachte aus ihrer Starre und sprang zurück. Sie würde die Nicht-anfassen-Regel nicht verletzen.

Er kam auf sie zu. Sein Geruch war würzig und minzig zugleich. Er hob wieder die Hand.

Sie sog scharf die Luft ein. »Wenn du mich anfasst, sind deine Augen bald nicht mehr das Einzige, was müde ist!«

Er hob ergeben beide Hände, aber sein sexy Lächeln sagte etwas anderes. Sie würde und konnte diesen verrückten Gefühlen nicht nachgeben. Wie sollte sie auch, wenn doch ein Teil ihres Herzens einem anderen gehörte?

»Na gut, ich behalte meine Hände bei mir.« Er warf schnell einen Blick zurück zum Wasserfall. »Aber siehst du nicht, dass es Schicksal ist?«

Ein paar Sonnenstrahlen stahlen sich durchs dichte Blätterdach und tanzten auf seinem Gesicht. Della bemerkte, dass er ein blaues Auge hatte. Da bei Vampiren alles sehr schnell heilte, musste das ein ordentlicher Schlag gewesen sein, wenn die Verletzung immer noch sichtbar war.

»Was ist Schicksal?« Sie versuchte, nicht daran zu denken, dass ihn jemand geschlagen hatte. Vielleicht hätte er sterben können? Sorgen machten sich in ihr breit.

Verbunden.

»Das hier.« Er wedelte mit der Hand zwischen ihnen hin und her.

»Was ist denn ›das hier‹?«

»Wir.«

»Wir was?«

»Wir. Hier.«

Sie starrte ihn an. »Hast du vergessen, wie man ganze Sätze bildet?«

Er grinste. »Komm schon. Findest du es nicht auch seltsam, dass wir beide hierhergerufen wurden?« Er bewegte sich, und das goldene Sonnenlicht fiel wieder auf sein Gesicht. Seine Haare waren immer noch nass von seinem Ausflug durch den Wasserfall und wirkten fast schwarz, seine hellgrünen Augen leuchteten dafür umso mehr. Als Della wieder das blaue Auge betrachtete, fühlte sie fast selbst einen Schmerz unter ihrem linken Auge. Sie musste sich ermahnen, nicht in diesen Augen zu versinken – in Gefühlen, die sie nicht erklären konnte.

»Ich wurde nicht gerufen«, erwiderte sie, ohne es selbst wirklich zu glauben. »Ich bin aus einem bestimmten Grund hergekommen.« Das stimmte schon mal. Sie straffte die Schultern.

»Und was ist das für ein Grund?«, fragte er.

»Antworten zu finden. Welche, die du mir nicht gibst.« Vorwurfsvoll stemmte sie die Hände in die Hüften und starrte zu ihm hoch. Sie hatte seltsamerweise auch vergessen, wie groß er war. Er überragte sie regelrecht. Sie war es nicht gewöhnt, sich klein und feminin zu fühlen, aber seine Gegenwart löste das in ihr aus.

Er steckte die Hände in die Hosentaschen und wippte auf den Fersen. »Was für Antworten?«

Sie reckte das Kinn in die Luft und wandte bewusst den Blick von seinem blauen Auge ab. »Wer hat dich geschickt, um nach mir und Chan zu sehen?«

Er zögerte nur für den Bruchteil einer Sekunde. »Das hab ich dir doch schon gesagt. Der Vampirrat.« Sein Blick huschte zur Seite.

Della wusste, dass er das immer tat, wenn er log. »Das ist doch Quatsch! Du verheimlichst mir was.«

Er schaute sie wieder an. »Es ist keine Lüge. Ich hab meine Anweisungen von dem Rat.«

Sie musterte ihn skeptisch. Dieses Mal blinzelte er nicht und wandte auch nicht den Blick ab. Sagte er die Wahrheit? Ihm war bestimmt aufgefallen, dass sie nicht mehr darauf hereinfiel, wenn er sie anlog. Nein, sie vertraute ihm nicht. Wenn er lernen konnte, seinen Herzschlag bei Lügen zu kontrollieren – und er hatte zugegeben, dass er das konnte –, dann konnte er vielleicht inzwischen auch seine anderen Reaktionen steuern.

»Haben sie dir auch die Anweisung gegeben, Chan sterben zu lassen?« In dem Moment, als die Frage heraus war, spürte sie, wie ihre Entschlossenheit wuchs. Ihr eigenes Schuldbewusstsein tat das Übrige.

Chase atmete tief durch und betrachtete seine Stiefel, die er mit den Spitzen in den Matsch gegraben hatte. Als er wieder aufschaute, sah Della etwas über sein Gesicht huschen.

»Nein. Chan mit der Wiedergeburt allein zu lassen, war meine Entscheidung. Ich hab dir doch erklärt, er hätte es nicht überlebt, und dich hätte ich dann nicht retten können.«

»Hast du irgendeine Ahnung, wie ich mich dadurch fühle?« Sie hatte auf einmal einen Kloß im Hals. Um sie zu retten, hatte er Chan sterben lassen.

Er ließ die Schultern hängen. In seinen Augen entdeckte sie Mitgefühl. Sie hasste Mitgefühl. Es war kaum besser als Mitleid.

Sie wandte sich zum Gehen. Er hielt sie am Arm fest. Vorsichtig.

Sein Daumen strich ihr in leichten Kreisbewegungen über die Haut oberhalb des Ellenbogens. »Es tut mir leid. Aber ich bin genauso wenig für Chans Tod verantwortlich wie du. Wir haben das nicht verursacht. Und ich hab getan, was ich für richtig hielt. Es war auch nicht einfach für mich. Ich mochte Chan. Aber er war einfach zu schwach.«

Ihre Haut kribbelte, wo seine Finger sie berührten. Della dachte an ihre Nicht-anfassen-Regel und schüttelte seine Hand schnell ab. »Und genau deshalb hättest du ihm helfen sollen. Wenn zwei Leute ins Wasser fallen, rettet man denjenigen, der nicht schwimmen kann.«

»Und lässt den anderen ertrinken?«

»Ich hätte es vielleicht auch so geschafft. Burnett hat seine Wiedergeburt auch ohne Hilfe überlebt.« Sie biss sich auf die Zunge. Wusste Chase überhaupt, dass Burnett auch ein Wiedergeborener war? Doch er wirkte kein bisschen überrascht, und Della atmete erleichtert auf.

Chase runzelte die Stirn. »Burnett ist eine Ausnahme. Nicht mal drei Prozent der Wiedergeborenen überleben ohne Hilfe. Die Wahrscheinlichkeit war zu gering.«

»Ich hätte es versucht, wenn ich die Wahl gehabt hätte. Aber das hatte ich nicht. Du hast mir nicht mal gesagt, dass Chan tot ist, obwohl du es von Anfang an wusstest. Du hast mir diese ganze Sache mit der Wiedergeburt verheimlicht und dass du hier bist, um mir zu helfen. Und wieso? Weil du wusstest, dass ich da nicht mitmachen würde.«

Er kickte einen Stein weg. Der Kiesel flog durch die Luft und prallte an einem Baumstamm ab. »Und jetzt bin ich für dich der Böse, weil ich dir das Leben retten wollte?«

Sie lehnte sich nach vorn. »Du bist der Böse, weil du nicht ehrlich mit mir warst und es bis heute nicht bist.«

Sein Mund wurde schmal, und er verschränkte die Arme vor der Brust. »Okay, ich hab dir nicht alles erzählt. Deshalb kannst du gern sauer auf mich sein. Aber du kannst mich nicht einfach ignorieren oder die Tatsache, dass wir verbunden sind. Du spürst es auch. Das kannst du nicht leugnen.«

»Dann pass mal auf! Ich bin nämlich sehr gut darin, Dinge zu leugnen!« Und mit diesen Worten zischte sie an ihm vorbei.

»Mann, du bist echt megastur!«, rief er ihr hinterher und hatte sie kurz darauf schon wieder überholt.

Sie blieb abrupt stehen und stemmte ihm die Hände gegen die Brust, um nicht vornüberzufallen. Er fasste sie um die Taille. Seine Berührung ließ ihr Herz unwillkürlich schneller schlagen.

»Entweder du sagst mir die Wahrheit oder du verschwindest!«, drohte sie und wand sich aus seiner Umarmung. Es war ihr letztes Ultimatum. »Für wen außer dem Vampirrat arbeitest du? Und sag jetzt nicht, für niemanden, denn mein Scheiß-Detektor schlägt jedes Mal Alarm, wenn du mir das erzählst.«

2. Kapitel

Chase stand da und starrte sie an. Sie wünschte, sie könnte seine Gedanken lesen.

Schließlich riss ihr der Geduldsfaden. »Hau ab! Wenn Burnett dich findet, dann wird er …« Doch da fiel ihr auf, dass Burnett ihn schon längst gefunden hätte. Der Alarm hätte anspringen sollen. Wieso war der Campleiter nicht längst hier und machte Chase die Hölle heiß? Irgendwas stimmte da nicht.

Chase’ selbstbewusster Gesichtsausdruck bestätigte ihren Verdacht. »Er weiß, dass ich hier bin. Ich hab ihn vorhin getroffen.« Dieses Mal sagte er die Wahrheit.

Della versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, aber ihre Miene verfinsterte sich. Steckte Burnett mit Chase unter einer Decke? Aber war er vorher nicht auch sauer auf ihn gewesen, dass er einfach so verschwunden war?

»Als wir mit unserem Gespräch fertig waren, hab ich ihn gebeten, mich zum Wasserfall gehen zu lassen. Ich hab ihm gesagt, dass ich die ganze Zeit das Rauschen höre. Es ist, als würde es mich rufen.« Chase zuckte mit den Achseln. »Burnetts einzige Bedingung war, dass ich mich von deiner Hütte fernhalte, was ich auch getan habe.« Er wirkte beinahe schuldbewusst. »Bisher jedenfalls. Aber ich wäre auf jeden Fall noch mal bei dir vorbeigekommen, ehe ich abhaue. Ich musste dich einfach sehen. Da kann er so böse auf mich sein, wie er will.«

Er kam wieder näher.

Sie wich zurück. »Wieso hast du dich mit Burnett getroffen?«

»Der Rat hat mich zurückgeschickt.«

»Wieso das?«

Er antwortete nicht.

Della hatte die Spielchen satt und schoss ein weiteres Mal um ihn herum – weg von der Versuchung, sich an ihn zu lehnen und herauszufinden, was es bedeutete, mit ihm verbunden zu sein.

Dieses Mal folgte er ihr nicht. Gut, dachte sie und duckte sich unter einem tiefhängenden Ast hindurch. So hatte sie es gewollt. Aber wieso fühlte sie sich dann nicht erleichtert? Wieso hörte sie den Wasserfall noch lauter rauschen? Rief sie das Wasser wieder? Oder war es Chase?

Sie haben ihn wegen dir geschickt. Die Worte waren laut und deutlich.

Della blieb abrupt stehen.

Wo kam die verdammte Stimme her? Sie schaute sich hastig nach allen Seiten um.

Kannst du mich hören?

Dieses Mal war sich Della sicher, dass die Stimme weder von rechts noch von links kam. Sie kam aus ihrem Inneren. Das war ihr schon einmal passiert. Chan? Aber sein Geist war weitergezogen, oder? Sie war sich ganz sicher gewesen. Oder wartete er so lang, bis die FRU, die Fallen Research Unit – das FBI der übernatürlichen Welt –, seinen Körper freigaben und er endlich begraben werden konnte?

Hörst du mich?

Ja, tue ich, dachte Della. Und ihr fiel auf, dass es eine Frauenstimme war.

»Lorraine?«, flüsterte Della den Namen des ermordeten Mädchens – des letzten Geistes, dessen Stimme sie in ihrem Kopf hatte hören können.

Aber hatte Holiday ihr nicht versichert, dass Lorraine verschwunden war?

Also, wer zur Hölle war das?

Hatte Della einen neuen Geist zu Besuch?

»Mist!«, murmelte sie.

Hast du gehört, was ich gesagt habe?, wiederholte die Stimme ungeduldig.

»Ich wünschte, es wäre nicht so.« Della klopfte das Herz bis zum Hals. Sie versuchte, die Panik zu unterdrücken, die in ihr aufstieg. Sie atmete tief durch. Die Geistersache war doch eigentlich nichts Neues mehr für sie. Della hatte bereits mit Chan und dann mit Lorraine kommuniziert. Es sollte ihr keine Angst mehr machen.

Aber wem wollte sie eigentlich was vormachen? Mit Geistern zu kommunizieren war eine seltene Gabe, die den meisten Übernatürlichen unheimlich war. Sie bildete da keine Ausnahme. Adrenalin schoss ihr durch die Adern, und sie hatte Gänsehaut am ganzen Körper, bis runter zu den Zehen, die sie in ihren Stiefeln zusammenkrampfte.

Der Vampirrat hat ihn wegen dir zurückgeschickt, wiederholte die Stimme. Bist du nicht neugierig, weshalb?

Zum ersten Mal hörte sie auf den Inhalt des Gesagten. »Was will der Vampirrat denn von mir?«, fragte sie laut und spürte gleichzeitig, wie ihre Angst von etwas anderem abgelöst wurde …

Ja, verdammt, ich bin neugierig. Es musste um ihren Onkel gehen!

Sie fuhr herum und lief zurück, so schnell sie konnte.

Das Geräusch ihrer Stiefel, die auf den feuchten Boden trommelten, klang wie ein Beat zum Rauschen des Wasserfalls. Als Della ihr Ziel erreichte, sah sie gerade noch, wie Chase hinter der Wand aus Wasser verschwand.

Oder zumindest nahm sie an, dass er es war.

Aber es war ihr egal. Ihre Neugierde und etwas anderes … etwas, das sie nicht erklären konnte, trieb sie an weiterzulaufen.

Verbunden. Das Wort hallte durch ihren Kopf wie eine Erklärung, aber sie weigerte sich, ihm Glauben zu schenken.

Sie rannte ins Wasser und durchquerte den kleinen See bis zum Wasserfall. Dann berührte ihr Gesicht den Vorhang aus kühlem Nass – er war kalt, aber nicht zu kalt. Es lief ihr übers Gesicht, über die Schultern und tränkte ihre Kleidung. In dem Moment, als sie auf der anderen Seite des Wasserfalls rauskam, sah sie nichts. Eine höhlenartige Dunkelheit verschluckte alles. Sie blinzelte und wartete, dass sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten.

Eine Sekunde.

Zwei.

Kein Licht. Nichts. Sogar das Geräusch des Wasserfalls war verstummt.

Irgendwas stimmte hier gar nicht.

3. Kapitel

Gefangen. Allein. Hungrig. Der Boden, auf dem sie saß, war eiskalt.

Gedanken schossen durch Dellas Kopf. Da hörte sie es. Das Atmen.

Ein.

Aus.

Jemand atmete neben ihr.

Ihr fiel wieder ein, dass sie nicht allein war.

»Chase?«, flüsterte sie, aber noch während sie seinen Namen aussprach, wusste sie, dass er es nicht war.

Es war Liam.

Aber wer zum Teufel war Liam? Sie kannte keinen Liam, also woher kannte sie seinen Namen? Ihr Herz schlug schneller, und sie schmeckte Blut.

Verdammte Axt! Was passierte hier?

»Alles okay?«, hörte sie eine Stimme. Liams Stimme.

»Nein«, entgegnete Della. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich den Verstand verliere.

»Hier. Trink noch was.«

Sie nahm eine Witterung auf. Liam war auch Vampir. Aber das hatte sie bereits gewusst. Woher konnte sie das wissen, wo sie doch sonst nichts wusste? Ein nackter Arm berührte sie am Mund.

»Los, trink noch ein wenig.«

Sie hatte die Knie an die Brust gezogen, und ihr Magen zog sich vor Ekel zusammen, als ihr dämmerte, was er meinte. Vampire tranken nicht das Blut eines anderen Vampirs. Zumindest nicht die Vampire, die sie kannte.

»Nein.« Della schob den Arm weg, aber als sie ihn berührte, spürte sie die winzige Wunden … Wunden, die sich nach Bissspuren anfühlten.

Als sie ihren eigenen Arm auf den Knien ablegte, bemerkte sie an ihrem eigenen Handgelenk die gleichen winzigen Wunden.

»Na los, Natasha, mach schon. Mir geht’s gut.« Sein Arm berührte wieder ihren Mund, und sie schob ihn sanft, aber bestimmt beiseite, wobei sie ihn ein wenig länger als notwendig festhielt, weil sie den Körperkontakt brauchte.

Sie musste ihm sagen, dass sie nicht Natasha sein konnte, aber … war das nicht eine Lüge. Sie war Natasha. Irgendwie war sie in Natashas Körper gelandet. Das war ihr schon einmal passiert, damals mit Lorraine. Aber Lorraine war tot gewesen. Waren diese beiden auch … Sie blinzelte und versuchte, irgendetwas zu erkennen. Aber es war stockdunkel, sie konnte absolut nichts sehen.

Sie war an einem dunklen, modrigen Ort mit einem Typ namens Liam eingesperrt. Der würzige Geschmack des Blutes lag ihr noch auf der Zunge. Da dämmerte es ihr. Sie waren nicht tot. Sie versuchten zu überleben. Und um nicht zu verhungern, ließen sie jeweils den anderen von sich trinken.

»Wirklich, es geht mir gut«, wiederholte Liam.

»Ich hab keinen Hunger«, log sie. Den Sprung in ihrem Herzschlag merkte sie kaum, weil sie so interessiert auf ihre eigene Stimme hörte. Es war nicht Dellas Stimme. Es war Natashas.

Wer war Natasha?

Panik stieg in ihr auf. Sie vergrub ihre Nägel in der feuchten Erde, auf der sie saß, und hätte fast aufgeschrien vor Schmerz. Offenbar hatten sie vorher endlos lange probiert, sich mit den Händen einen Weg nach draußen zu graben.

Und es hatte nicht funktioniert.

Sie konnten sich nicht ewig gegenseitig ernähren. Sie und Liam würden sterben.

Nein, Natasha und Liam würden sterben.

Aber die Erkenntnis erleichterte Della nicht. Sie verspürte ein übermächtiges Bedürfnis, Natasha und Liam zu retten. Es war so stark, als wäre ihr eigenes Schicksal mit dem der Gefangenen verbunden.

Rette sie! Rette sie! Die Worte drangen wie aus weiter Ferne zu ihr. Dieselbe Stimme, die sie vorher gehört hatte. War es ein Geist? Vielleicht.

»Ist alles okay bei dir?« Eine andere, tiefe Stimme schlich sich in ihr Bewusstsein. »Hey, ist alles okay?«, wiederholte die Stimme.

Dieses Mal war es nicht Liam.

Die Männerstimme hatte einen selbstgerechten Unterton, den sie sofort erkannte. Einen Unterton, den sie bewunderte, obwohl sie sich heftig dagegen sträubte. Ein anderes Gefühl stieg in ihr auf, verknüpft mit einem Wort, das ihr nicht mehr aus dem Kopf ging.

Verbunden.

Chase.

Sie entstieg mental dem seltsamen Traumzustand, in den sie hineingezogen worden war. Chase hatte sie an der Schulter gepackt und schüttelte sie leicht.

»Hey. Was ist denn los?«, fragte er mit gerunzelter Stirn und presste die Lippen aufeinander. »Antworte mir.« Er berührte ihr Gesicht. Seine Handflächen strichen ihr über den Arm. Seine Berührung … fühlte sich so richtig an. Und so falsch. »Della?«

»Hör auf, mich anzutatschen.« Sie schlug seine Hand weg und machte einen Schritt zurück, wobei sie den Blick über die Höhle schweifen ließ.

»Ich hab nicht … Was ist gerade passiert?«, fragte er.

Ihr stockte der Atem. Sie fragte sich, wie lange sie wohl an diesem anderen Ort gewesen war. Gefangen – genau wie Natasha.

Plötzlich fiel ihr ein, was der Geist ihr über Chase gesagt hatte.

Der Vampirrat hat ihn wegen dir zurückgeschickt.

»Was will der Vampirrat von mir?«, fragte sie ohne Umschweife.

4. Kapitel

Chase sah überrascht aus. »Ich hab dir doch gar nicht gesagt, dass ich wegen dir hier bin.« Er ließ sich auf einem Felsen nieder.

Das Sonnenlicht, das durch den Wasserfall gefiltert wurde, warf Schatten an die Felswand hinter ihm. Manche Lichtstrahlen funkelten bunt, wie bei einer Mini-Lichtshow.

»Die Wahrheit, Chase. Bitte!« Das »Bitte« bereute Della sofort wieder. Sie sollte nicht um die Wahrheit betteln müssen. Und das war genau der Grund, weshalb sie diesem Kerl nicht vertrauen konnte, erinnerte sie sich selbst.

Er seufzte. »Sie wollen, dass du für sie an einem Fall arbeitest.« Er fuhr sich durch die Haare. »Ich bekomm so Ärger mit Burnett, wenn er erfährt, dass ich dir das erzählt habe. Aber das gefällt dir ja wahrscheinlich, oder?«

Sie ignorierte seinen Kommentar und konzentrierte sich auf die Information, die er ihr gegeben hatte. »An einem Fall? Was denn für ein Fall?«

»Einen, den du schon zum Teil gelöst hast.«

»Was?«

»Offenbar hast du zur Festnahme dieses Schweins Craig Anthony beigetragen, der frisch verwandelte Vampire versklavt und als Tarnung ein Bestattungsinstitut betrieben hat.«

Ja, sie war über seine kleine Organisation gestolpert, als sie nach Informationen zu Chan und ihrem Onkel gesucht hatte, aber … »Craig Anthony ist doch festgenommen worden, wo ist da der Fall?«

Chase legte die Hände auf die Knie. Seine Jeans war immer noch feucht und spannte über seinen muskulösen Oberschenkeln. »Anthony ist zwar eingebuchtet, aber er redet nicht. Die FRU und der Vampirrat sind sich zwar ziemlich sicher, dass die meisten seiner Kunden – die Vampire als Sklaven halten – enttarnt sind. Aber es gibt Hinweise darauf, dass es noch etwa 20 oder 30 frisch Verwandelte gibt, die von jemandem festgehalten werden.«

»Also arbeiten die FRU und der Vampirrat tatsächlich auch zusammen?«

Chase runzelte die Stirn. »Es kommt nicht oft vor, und nur dann, wenn es der FRU nützt.«

»Oder umgekehrt«, erwiderte Della. Sie musste daran denken, was für ein Ekelpaket Craig Anthony gewesen war, und sie zweifelte nicht daran, dass diese jungen versklavten Vampire furchtbar behandelt wurden. Jemand musste sie finden. Wieso also nicht sie selbst?

»Das heißt, man will, dass ich mit der FRU daran arbeite, sie zu finden?«

»Nicht ganz. Sie wollen, dass wir sie finden.« Er musterte sie. »Sie wollen, dass du mit mir kommst und für den Rat arbeitest.«

Della starrte auf die Wand aus Wasser und versuchte, diese Neuigkeiten zu begreifen. Seit sie von der Existenz des Vampirrats wusste, hatte sie ihn immer als abtrünnig betrachtet. Die FRU war die legitime Verwaltungsinstanz der Übernatürlichen. Dass Chase mit dem Vampirrat zu tun hatte, ließ ihn für Della in einem anderen Licht erscheinen.

Sie wandte sich wieder zu ihm um. Der Gedanke, mit ihm zu arbeiten, mit ihm zusammen zu sein, verursachte ihr eine neue Panikattacke. »Ich muss erst darüber nachdenken.«

»Das kannst du dir sparen. Burnett hat die Anfrage des Vampirrats bereits abgelehnt.«

Er hatte abgelehnt? »Ich bin mir sicher, dass er erst mit mir darüber reden will«, meinte Della, obwohl sie leider damit rechnete, dass es nicht so war. Erstens wusste sie, dass Burnett dem Vampirrat nicht vertraute. Zweitens kannte sie Burnett: Trotz ihrer neuen Kräfte würde er wahrscheinlich immer noch zögern, sie an irgendeinem Fall mitarbeiten zu lassen, den er für gefährlich hielt. Aber sollte das nicht ihre Entscheidung sein?

Verdammt, ja, das sollte es, raunte ihr die Geisterstimme in ihrem Kopf zu. Finde Natasha!

Und in dem Moment wusste sie, dass die beiden Dinge miteinander zusammenhängen mussten. Natasha und Liam waren Opfer von Craig Anthony.

»Burnett hat die Anfrage sofort abgelehnt«, meinte Chase. »Er hält euch offenbar alle an der kurzen Leine.«

Della schob ihre Gedanken an die Gefangenen kurz beiseite und wandte sich wieder Chase zu. Sie dachte darüber nach, was er über Burnett gesagt hatte. Sie wusste, dass Chase die Wahrheit sagte. Sie hatte die letzten paar Monate damit verbracht, immer wieder an ebendieser Leine zu zerren. Trotzdem hatte sie das Gefühl, Burnett verteidigen zu müssen. »So kurz auch wieder nicht. Wir haben immerhin Craig Anthony gefangen, oder?«

»Das stimmt. Aber ich wette, ihr habt damit seine Regeln gebrochen.«

Stimmt auch wieder. Aber das würde sie nicht zugeben. Sie betrachtete Chase und sein blaues Auge. »Manche Regeln haben einen guten Grund. So wie wir unsere Wiedergeborenen-Kräfte nicht zur Schau stellen sollen. Hast du dein blaues Auge bekommen, weil du wieder damit angeben musstest?«

»Ich gebe nicht damit an. Aber wenn nötig, setze ich sie ein.«

»Dann hör auf damit. Burnett hat recht, es bringt nur Ärger, weil du Leute anspornst, dich übertreffen zu wollen. Nächstes Mal kommst du vielleicht nicht mit einem blauen Auge davon.«

Ein leises Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. »Vorsicht, du klingst schon fast so, als würdest du dich um mich sorgen.«

Verdammt! Das tat sie wirklich. Verbunden. Was zur Hölle hatte das zu bedeuten? Sie wollte ihn schon danach fragen, aber dann fiel ihr ein, dass sie ihm nicht vertrauen wollte, wo er doch ohnehin schon so viele Geheimnisse vor ihr hatte.

Sie wandte sich zum Gehen, doch er stand auf einmal wieder vor ihr.

»Geh nicht«, verlangte er.

Sie schüttelte den Kopf. »Ich rede erst mit dir, wenn du mir sagst, wer dich geschickt hat, um nach Chan und mir zu sehen.«

»Das hab ich dir doch schon tausendmal gesagt«, knurrte er genervt. »Der Vampirrat.«

Della musterte sein Gesicht. Dieses Mal zuckte er nicht. Sagte er etwa die Wahrheit? Wusste er gar nicht, wer wirklich hinter dem Auftrag steckte? Ach, verdammt, sie wusste selbst nicht mehr, was sie glauben sollte.

»Woher wussten sie dann von mir?«, fragte sie.

»Della, ich arbeite für die, genau wie du für die FRU tätig bist. Sagen die dir etwa immer alles? Bestimmt nicht. Burnett hat uns zum Beispiel nicht gesagt, dass er noch andere Agenten mitgeschickt hat, als wir nach diesem Billy gesucht haben.«

Er hatte recht, und Della spürte Zweifel in sich aufsteigen. Sie hasste es zu zweifeln.

Und er schien das zu merken. »Wir gehören jetzt zusammen.« Er kam auf sie zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Wieso kämpfst du dagegen an?« Er runzelte die Stirn. »Ist es wegen Steve? Hast du noch Gefühle für ihn?«

Sie legte den Kopf in den Nacken. »Ja, Steve bedeutet mir was.«

Sie würde nicht lügen. Sie und Steve waren quasi zusammen. Am letzten Wochenende, als er im Camp gewesen war, hatte sie sogar aufgehört, es vor den anderen verstecken zu wollen. Steve hatte den Arm um sie gelegt, als sie zusammen zum Mittagessen gegangen waren. Und da sie das Gefühl überkommen hatte, dass er sie testen wollte, hatte sie es zugelassen. Verdammt, sie wollte diesen Test auf keinen Fall verpatzen.

Sie wollte Steve eine Chance geben. Trotzdem hatte sie insgeheim Angst, dass sie dazu bestimmt war, ihn zu enttäuschen. Und das lag nur an dieser mysteriösen Verbindung, die sie jetzt mit diesem Typ hier hatte.

»Und das hier«, sie wedelte mit der Hand zwischen ihnen hin und her, »das ist nicht das Gleiche.« Sie überlegte fieberhaft, wie sie es ihm erklären konnte.

Er sah irgendwie verletzt aus. Enttäuscht, wütend, vielleicht auch eifersüchtig?

»Das hast du mir selbst gesagt. Diese Verbindung ist so ähnlich wie die Beziehung zwischen eineiigen Zwillingen.«

Er zog ungläubig eine Augenbraue hoch. »Also, liebst du mich wie einen Bruder? Dieser Kuss letzte Woche –«

»Nicht genauso, aber … aber …« Sie dachte über das nach, was er gesagt hatte, und blieb an einem Wort hängen. Liebe. »Ich liebe dich gar nicht. Punkt.« Sie ballte die Hände zu Fäusten. »Ich weiß ja manchmal nicht mal, ob ich dich überhaupt mag.« Sich zu ihm hingezogen zu fühlen, sich Sorgen zu machen, dass ihm etwas passiert war – das galt nicht.

Er seufzte. »Das ist doch Quatsch.«

Plötzlich hatte Della das Bedürfnis, sich um ihre anderen Probleme zu kümmern – die nichts mit Chase zu tun hatten. Sie betrachtete die Regenbogenfarben aus Licht, die an den Wänden tanzten. »Ich muss los.« Sie machte auf dem Absatz kehrt und trat aus der Höhle heraus.

Die Kälte des Wassers fühlte sich fast surreal an. Es lief ihr über den Kopf und in ihr Shirt. Sofort überkam sie ein Gefühl des Verlusts. Ich komme wieder.

»Um was zu tun?« Chase war direkt hinter ihr, aber sie ging einfach weiter.

Sie weigerte sich zurückzuschauen und verdrängte den Gedanken, dass ihr Gefühl des Verlusts etwas mit ihm zu tun haben könnte. Es ging nur um den Wasserfall, redete sie sich ein.

»Was hast du denn Wichtiges zu tun?«, fragte er wieder, als sie nicht antwortete.

»Muss mit Burnett reden«, antwortete sie widerwillig und dachte daran, dass er die Anfrage des Vampirrats abgelehnt hatte, ohne auch nur mit ihr darüber zu reden. Außerdem war da auch noch ihre komische Geistervision. Das alles gab ihr zu denken. »Und mit Kylie und Holiday«, sagte sie, als der Plan in ihrem Kopf Kontur annahm. Wenn ihr jemand diese Visionen erklären konnte, dann sicherlich die beiden.

»Um über was zu reden?« Sein Mund war dicht an ihrem Ohr. Die Nähe fühlte sich falsch und richtig zugleich an.

»Darüber, dass ich für den Vampirrat arbeite.« Sie dachte wieder an Kylie und Holiday. »Darüber, Natasha und Liam zu finden«, murmelte sie mehr zu sich selbst.

Beim Gedanken daran, wie verzweifelt sie gewesen war, als sie die Vision gehabt hatte, fing sie an zu rennen. Die Sonne stand nun schon deutlich höher im Osten, der Himmel war aber noch in goldenes Morgenlicht getaucht. Die Sonnenstrahlen fühlten sich gut an auf ihrer feuchten Haut, und sie musste daran denken, wie beklemmend die Dunkelheit gewesen war, die Natasha und Liam umgeben hatte.

Ihre Schritte schmatzten auf dem feuchten Waldboden, und sie bemerkte, dass Chase ihr nicht länger folgte. Sie war schon fast beim Büro, als ihr außerdem auffiel, dass Chase sie gar nicht gefragt hatte, wer Natasha und Liam waren. Ihr kam ein verrückter Gedanke: Hatte er vielleicht dieselbe Vision gehabt?

Sie war schon versucht, umzukehren und ihn danach zu fragen, aber, nein, das war wirklich zu verrückt. Erstens, weil es ungefähr so schwierig war, von ihm Antworten zu bekommen, wie einem Löwen einen Backenzahn zu ziehen, und zweitens, weil … So etwas wie eine Doppel-Vision konnte es einfach nicht geben. Andererseits war er ziemlich mitgenommen gewesen, als sie aus der furchterregenden Vision aufgewacht war. Lag seine Reaktion nur an ihrer Verfassung, oder hatte er etwa in dem Moment dasselbe erlebt?

Sie verlangsamte ihren Lauf zu einem lockeren Trab und zog ihr Handy aus der Tasche, um Kylie anzurufen. Ihre Chamäleon-Freundin klang noch leicht verschlafen, aber auch alarmiert.

»Was ist los?«

»Nichts … wirklich. Alles okay. Ich hab nur ein paar Fragen. Komm bitte zu Holidays Büro.« Sie legte im Wissen auf, dass Kylie dort sein würde. Sie würde sie nicht enttäuschen.

Während sie weiterging, fiel ihr auf, dass sie zum Wasserfall gegangen war, um Antworten zu bekommen, jetzt aber mit noch mehr Fragen zurückkehrte. Das war doch nicht fair. Wieso beantworteten die Todesengel Kylies Fragen und ihre nicht?

 

»Das kann doch gar nicht sein, oder?« Della saß auf dem Sofa in Holidays Büro und hatte gerade von der Stimme, der Vision und ihrem Gefühl, dass Chase dieselbe Vision erlebt hatte, erzählt.

Die Campleiterin saß an ihrem Schreibtisch und sah höchst verwirrt aus. Kylie, die neben Della auf der Couch saß, wirkte ebenfalls ziemlich erschüttert.

»Wow«, machte Holiday. »Du hattest ja ’nen krassen Tag – dabei ist es nicht mal sieben Uhr.«

»Aber hallo«, meinte Della und lehnte sich seufzend zurück. »Also, mit was hab ich es hier zu tun?« Wenn Holiday und Kylie ihr nicht helfen konnten, wie in Gottes Namen sollte sie dann Natasha und Liam helfen? Sie hatte keine Ahnung.

»Kennst du eine Natasha oder einen Liam?«, fragte Holiday.

»Nein«, erwiderte Della. »Aber … ich hab das Gefühl, es hat etwas mit dem Craig-Anthony-Fall zu tun. Chase meinte, dass es noch viele frisch Verwandelte gibt, die bisher nicht gefunden wurden. Was, wenn Anthony sie irgendwo gefangen hält?«

Holiday nickte. »Das könnte sein, aber … Normalerweise gibt es noch eine andere Verbindung.«

»Vielleicht ist es ja nicht so wie normalerweise.« Sie faltete die Hände.

»Erst mal solltest du dir keine Sorgen machen«, meinte Holiday.

»Tue ich doch gar nicht«, erwiderte Della, doch dann wurde ihr klar, dass Holiday ihre Gefühle las, was eine Gabe der Feen war. »Ich meine, klar war ich nicht gerade begeistert, als ich die Stimme des Geistes gehört habe.« Ihr Herz klopfte schnell, während sie log. »Okay, ich bin schon ziemlich ausgeflippt, aber das hab ich überwunden. Im Moment mach ich mir höchstens Sorgen, dass ich Natasha und Liam nicht rechtzeitig befreien kann. Sie können nicht lange so überleben.«

Kylie und Holiday warfen sich einen vielsagenden Blick zu.

»Was?«, fragte Della ungeduldig.

Holiday stand auf und setzte sich neben Della aufs Sofa. Ihr Gesicht war voller Mitgefühl. Die Tatsache, dass sie sich zu ihr gesetzt hatte, verhieß nichts Gutes. Es bedeutete, dass sie davon ausging, dass Della gleich etwas von ihrer beruhigenden Berührung brauchen würde.

Als Holiday die Hand ausstreckte, schoss Della vom Sofa hoch. »Nein. Fass mich nicht an. Sag mir einfach, was es ist!«

5. Kapitel

Della hörte Kylie seufzen. Das tat sie nur, wenn sie besorgt oder gestresst war.

Della schaute ihre Freundin an, deren hellblaue Augen voller Mitgefühl waren. »Was ist los? Jetzt sagt es mir schon.«

Kylie sah Holiday an, und die Campleiterin nickte.

»Normalerweise«, erklärte Kylie, »wenn man eine Vision hat, in der man in den Körper einer anderen Person schlüpft, dann ist es deshalb, weil … derjenige schon tot ist.«

»Ich weiß, aber dieses Mal sind sie noch nicht tot.«

»Das fühlt sich vielleicht so an, aber sie tun es, um …«

»Nein!« Tränen schossen Della in die Augen. »Wieso zur Hölle sollte sie mir das dann zeigen? Wenn sie schon tot ist, kommt jede Hilfe zu spät, richtig? Das ist nicht möglich. Das ist krank. Wieso sollte ich so was umsonst durchmachen?«

Kylie nickte. »So hab ich mich auch gefühlt, als es mir das erste Mal passiert ist, aber –«

»Obwohl sie tot sind, könnten sie wollen, dass man sie findet. Weil sie wollen, dass der Täter geschnappt wird«, schaltete sich Holiday ein.

Della versuchte, es zu begreifen. Aber es tat zu sehr weh. Dann fiel ihr die Vision ein, die sie zuletzt gehabt hatte – die, in der sie das ermordete Mädchen, Lorraine, gewesen war. Irgendwie hatte Della während der Vision gespürt, dass Lorraine tot war. Dieses Mal war es nicht so gewesen.

»Nein, es war anders«, beharrte Della. »Sie sind am Leben. Das hab ich gespürt.« Eine Träne tropfte ihr von den Wimpern und rollte heiß über ihre kühle Wange. Schnell wischte Della sie weg. Ihr fiel ein, was der Geist gesagt hatte. Finde Natasha.

»Nein«, wiederholte sie. »Der Geist hat mir gesagt, dass ich Natasha finden soll. Der Geist war nicht Natasha.«

Holiday stand auf und machte ein paar Schritte auf Della zu. »Aber, wenn du in Natashas Körper warst, bedeutet das normalerweise …«

»Normalerweise. Das sagt ihr beide jetzt schon die ganze Zeit. Aber was an alldem ist schon normal? Ich bin Vampir, ich sollte eigentlich gar nichts mit Geistern am Hut haben. Vielleicht ist bei mir diese ganze Geistersache ja nicht normal!«

Holiday drehte gedankenverloren ihre langen roten Haare zu einem dicken Zopf. »Ich sage ja nicht, dass es unmöglich ist, Della. Du und Burnett seid die ersten Vampire, die ich kenne, die Geister sehen können. Ich sage dir nur, was ich denke.«

»Aber wisst ihr was?«, meldete sich Kylie zu Wort, als wäre ihr etwas eingefallen. »Saras Großmutter ist auch zu mir gekommen, um mir zu sagen, dass ich Sara heilen soll, als sie Krebs hatte. Also, vielleicht kommt dieser Geist auch zu dir, damit du jemand anderen rettest.«

»Stimmt«, meinte Holiday. »Aber du warst nie in einer Vision in Saras Körper, oder?«

»Nein.« Kylie lehnte sich im Sofa zurück und schaute Della an.

Della wandte den Blick ab, weil sie das Mitgefühl in Kylies Augen nicht ertrug. Sie verstand ja, dass sie ihr helfen wollten, aber Della hatte einfach das Gefühl, dass es anders war.

Oder wollte sie das nur glauben? Ihr wurde schwer ums Herz. Sie versuchte, ihre Trauer beiseitezuschieben, um sich später damit auseinanderzusetzen.

Später. Sie war inzwischen wirklich gut, ihre Gefühle auf später zu verschieben.

Della atmete tief durch und versuchte, sich auf die Sache zu konzentrieren. »Und was ist mit Chase? Dass er vielleicht dieselbe Vision hatte?«

»Das ist schon möglich«, entgegnete Holiday. »Besonders, weil ihr beide am Wasserfall wart. Das ist ein magischer Ort.«

Della wollte schon zustimmen, dachte dann aber an Natasha und Liam. Wie konnte der Ort so magisch sein und gleichzeitig so furchtbare Visionen hervorrufen?

Magisch war es höchstens, wenn die beiden doch noch am Leben waren. Wenn sie eine Chance hatten, gerettet zu werden.

Später, sagte sich Della und schluckte ihre Gefühle runter.

Holiday spielte wieder mit ihren Haaren. »Die Tatsache, dass Chase auch am Wasserfall war, bedeutet, dass er wahrscheinlich auch Geister sehen kann, so wie du und Burnett. Und das könnte daran liegen, dass …« Die Fee brach ab und schielte zu Kylie rüber.

»Woran?«, fragte Kylie.

»Ach, weiß auch nicht.« Holiday zuckte mit den Schultern.

Della wusste genau, was sie hatte sagen wollen. Sie glaubte, es lag daran, dass sie alle drei Wiedergeborene waren. Hatten vielleicht alle Wiedergeborenen diese Gabe, mit Geistern zu kommunizieren? Kylie schaute verständnislos zwischen ihnen hin und her. Della hatte ihren Freundinnen bisher nichts von der Wiedergeburt gesagt. Sie dachten immer noch, dass sie einfach einen seltsamen Virus gehabt hatte. Ewig konnte sie die Wahrheit vor ihnen nicht verheimlichen, aber sie hatte gehofft, es erst selbst besser zu verstehen, ehe sie es jemand anderem erklären musste.

Della legte den Kopf schief. Sie hörte jemanden kommen. Sie hob die Nase. Es waren zwei Leute – allerdings hörte man nur ein paar Schritte. Eine der Personen war klein und süß und roch nach Babypuder. Die andere … Das war der Mann, mit dem Della ein Hühnchen zu rupfen hatte. Und bei dem ganzen Gefühlschaos, das gerade in ihr tobte, fühlte sie sich mehr als bereit, ihm die Stirn zu bieten.

Burnett betrat Holidays Büro, ohne anzuklopfen, die kleine Hannah hatte er auf dem Arm. Er schaute von Holiday zu Kylie und dann zu Della. »Was ist los?« Er runzelte die Stirn, weil er zweifellos Dellas gereizte Stimmung bemerkt hatte.

Doch sie musste gar nichts sagen, er beantwortete sich die Frage selbst.

»Verdammt, dieser verlogene kleine Blutsauger«, knurrte Burnett. »Ich hab ihm doch verboten –«

Hannah fing an zu schreien.

»Siehst du, sogar unsere Tochter hat etwas gegen deine Ausdrucksweise.« Holiday stand auf. »Ich schwöre dir, wenn das erste Wort unserer Tochter ein Schimpfwort ist, wasche ich dir für den Rest deines Lebens täglich den Mund mit Seife aus.«

Burnett verzog das Gesicht. »Sorry«, sagte er kleinlaut und drückte Hannah einen Kuss auf die dunklen Babyhaare. Dabei wirkte er so zärtlich, wie man es dem großen, imposanten Vampir gar nicht zugetraut hätte. »Rede ja nicht so wie dein Daddy«, sagte er leise zu der Kleinen. Er übergab das Bündel an Holiday und wandte sich dann wieder Della zu. Sofort wurde sein Blick hart. »In mein Büro!«, befahl er und machte eine Handbewegung, dass sie ihm folgen sollte.

Della zögerte nicht. Sie folgte ihm und stellte sich innerlich schon auf einen weiteren langwierigen Streit mit dem dickköpfigen, chauvinistischen Vampir ein. Wenn er dachte, dass er sie davon abhalten konnte, nach Natasha und Liam zu suchen – auch wenn sie schon tot sein sollten –, dann würden die nächsten Minuten alles andere als gemütlich werden.

* * *

Burnett ließ sich hinter dem schweren Eichenschreibtisch nieder, der den Großteil des kleinen Büros einnahm. Anders als Holidays Büro, das weiblich und ein bisschen magisch wirkte, war Burnetts Büro einfach nur karg. Der einzige persönliche Gegenstand im Zimmer waren das Foto von Holiday und Hannah auf seinem Schreibtisch.

Della setzte sich mit verschränkten Armen auf den Stuhl gegenüber und starrte Burnett finster an. Er starrte zurück.

Sie beschloss, ihn das Gespräch beginnen zu lassen. Sollte er doch selbst seinen Stolz hinunterschlucken. Dummerweise hatte er mehr Geduld als sie. Nach ein paar Minuten platzte Della heraus: »Wolltest du es mir überhaupt sagen?«

»Natürlich wollte ich es dir sagen«, erwiderte er wesentlich ruhiger als sie.

»Aber du hast es nicht für nötig gehalten, es mir zu sagen, ehe du ihnen abgesagt hast? Seit wann kann ich nicht mehr selbst entscheiden, was ich tue?«

Er beugte sich nach vorn. »Beruhige dich erst mal.«

»Ich werde mich nicht beruhigen. Du hast mir gar nicht die Möglichkeit gegeben –«

Er schlug mit der Handfläche auf den Tisch. »Ja, ich hab gesagt, dass du nicht für sie arbeiten wirst. Aber ich hab schon einen Anruf getätigt, um ihnen ein Gegenangebot zu machen. Aber, um deine Frage zu beantworten, du kannst nicht selbst entscheiden, wenn ich das Gefühl habe, dass du dein Leben aufs Spiel setzt«, zischte er. »Und ehe du wieder davon anfängst, es hat nichts damit zu tun, dass du ein Mädchen bist! Ich hätte das niemandem aus Shadow Falls erlaubt.«

Sie richtete sich auf, als sie an seinem Herzschlag hörte, dass er die Wahrheit sagte. »Was denn für ein Gegenangebot?«

»Ich schlage ihnen vor, dass sie Chase gestatten, mit uns zu arbeiten, und dass ihr beide dann für den Fall eingesetzt werdet.« Er hielt eine Hand hoch. »Vielleicht … nur vielleicht bin ich kompromissbereit, und er kann bei ihnen und bei mir Bericht erstatten, aber nur, wenn sie meinen Bedingungen zustimmen.«

»Was denn für Bedingungen?«

»Alle Einsätze müssen mit mir abgestimmt werden, und ich hab das Recht, Undercover-Agenten von der FRU mitzuschicken, wenn ich das Gefühl habe, dass es gefährlich wird.«

»Und wenn sie nicht zustimmen?« Della musste wieder an Natasha und Liam denken.

»Dann gibt es keinen Grund, wieso die FRU nicht mit eigenen Ermittlungen beginnen kann. Den Anfang haben wir ja schon gemacht.«

»Und du würdest mich für den Fall einsetzen?«

»Es müsste erst von der FRU abgesegnet werden, aber ich sehe keinen Grund, wieso sie das nicht tun sollten. Du hast dir da schon einen ordentlichen Ruf verschafft.«

Della entspannte sich etwas und genoss das indirekte Lob. »Danke.«

Er nickte und runzelte dann die Stirn. »Das wär alles nicht nötig gewesen, wenn Chase nicht die Scheiße aufgewirbelt hätte.«

»Du meinst, den Mist aufgewirbelt hätte. Oder, Ärger gemacht hätte«, schlug Della grinsend vor. Als er sie nur verständnislos anschaute, erklärte sie: »Du sollst nicht fluchen, weißt du noch?« Sie unterdrückte ein Lachen, als sie an Holidays Androhung mit der Seife dachte.

»Okay, also Ärger gemacht hätte«, korrigierte Burnett seufzend.

»Und …«, fuhr sie fort, »ehrlich gesagt, hat es Chase nicht darauf angelegt, er war nur einfach zufällig auch am Wasserfall.« Ihr Herz beschleunigte sich, weil sie selbst nicht daran glaubte, dass es Zufall gewesen war. Sie waren beide gerufen worden. Aber ging es dabei um sie und Chase oder um Natasha und Liam?

»Aber er hat dir von dem Fall erzählt«, stellte Burnett grollend fest.

»Nicht wirklich. Ich meine, jemand anderes hat mir davon erzählt, und ich hab ihn danach gefragt.«

Burnett musterte sie, während er wahrscheinlich auf ihr Herz hörte, um zu sehen, ob sie die Wahrheit sagte. »Es weiß aber niemand anderes davon.«

»Jemand weiß es«, widersprach Della.

»Wer?« Burnett lehnte sich über den Schreibtisch.

»Ein Geist«, antwortete Della.

»Was … für ein Geist?«, fragte Burnett und schaute sich nervös um.

Sie wiederholte die Geschichte, die sie auch Holiday und Kylie erzählt hatte, von der Stimme, der Vision, von den zwei Vampiren, die sich gegenseitig fütterten. Er nahm einen Stift vom Tisch und drehte ihn zwischen den Fingern, während er aufmerksam bis zum Ende zuhörte. »Hast du Holiday davon erzählt?«

Della nickte und spürte, wie sie einen Kloß im Hals bekam. »Sie denkt, Natasha und Liam sind tot.«

»Und du glaubst das nicht?« Burnett hielt den Bleistift fest und wartete auf eine Antwort.

»Nein. Ich glaube, der Geist ist jemand, der will, dass ich sie rette.«

Burnett lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück, der unter seinem Gewicht ächzte. »Sie?«

Della nickte. »Seltsamerweise hat die Stimme Liam nicht erwähnt. Es ist, als würde sie sich mehr um das Mädchen sorgen.«

Burnett rollte wieder den Stift zwischen den Handflächen. »Aber meistens, wenn Holiday solche Visionen hatte … so welche wie deine –«

»Ich weiß«, unterbrach ihn Della. »Normalerweise ist es eine Person, die tot ist. Aber ich bin nicht Holiday. Vielleicht ist der Unterschied, dass ich eine Wiedergeborene bin.« Sie sah ihn an. »Hast du auch mal Visionen gehabt, wo die Personen nicht tot waren?«

Er starrte sie entsetzt an, als wäre ihm das Gespräch über Geistervisionen in etwa so unangenehm wie ein Gespräch über Tampon-Marken. »Ich … ich hatte noch nie eine Vision. Ich spüre nur manchmal, wenn sie bei Holiday sind, und kann sie vielleicht auch hören. Aber ich hab erst einen Geist richtig gesehen – Hannah, Holidays Schwester.«

»Du Glücklicher.«

»Ja«, stimmte er etwas zu schnell zu, fügte dann aber hinzu: »Aber es ist eine Gabe, die du da hast. Nur weil du Geister sehen und hören kannst, haben wir den letzten Mörder schnappen können und nicht den Falschen verurteilt. Holiday besteht darauf, dass es eine Gabe ist. Und in manchen Dingen kann ich ihr einfach nicht widersprechen.«

»Ich weiß, und wenn es nicht um tote Leute gehen würde, wäre ich auch ihrer Meinung.« Ihr lief ein Schauer über den Rücken. War sie jetzt genauso wie Kylie dazu verdammt, dass Geister bei ihr vorbeischauten? Mist, darauf konnte sie sehr gut verzichten.

Burnett zuckte mit den Schultern und nickte gleichzeitig, als würde er nur ungern zustimmen. Er lehnte sich wieder nach vorn. »Holiday sagt auch, dass es normalerweise jemand ist, den man kennt oder mit dem man eine Verbindung hat.«

Della nickte. »Das hat sie mir auch gesagt, aber ich kenne keine Natasha und auch keinen Liam. Und der Geist hat mir gesagt, dass ich sie finden soll. Vielleicht kennt der Geist Natasha. Ich jedenfalls nicht.«

»Okay, sagen wir mal, du hast recht und der Geist ist nicht Natasha. Meinst du, du kennst vielleicht den Geist? Du sagst, er war weiblich.«

»Stimmt, aber sie war mir unbekannt. Wahrscheinlich hat sie mich nur ausgesucht, weil ich mit dem Craig-Anthony-Fall zu tun hab.«

Sie schwiegen eine Minute lang, und Dellas Gedanken wanderten weiter. »Hast du denn schon mit jemandem vom Vampirrat gesprochen?«

»Ich hab angerufen, und jemand von den Verantwortlichen wollte sich bei mir melden.«

»Wann denn? Heute oder noch diese Woche?«, fragte Della besorgt. Wenn Della recht hatte und Natasha und Liam noch am Leben waren, brauchten sie ihre Hilfe – und zwar schnell. Oder hatte Holiday doch recht – die sich mit der Geistersache immerhin auskannte – und die zwei waren bereits tot?

Burnett verlagerte wieder sein Gewicht auf dem Sessel. »Der Ball ist jetzt in ihrer Spielhälfte. Wenn ich sie bedränge, könnte sich das negativ auswirken. Aber ich werde schon mal alles vorbereiten, so dass wir dann sofort mit den Ermittlungen beginnen können. Und ich werde jemanden beauftragen, sämtliche Akten durchzugehen, die wir bei Craig Anthony beschlagnahmt haben. Vielleicht finden wir ja Informationen über … Natasha und Liam. Du kennst nicht zufällig ihre Nachnamen?«

»Nein.«

»Hast du irgendwas anderes erfahren?«

Sie ging im Geist die Vision noch einmal durch. »Nichts – außer, dass es ein dunkler Ort war, der modrig roch. Als wäre es unter der Erde.« Lebendig begraben. Der Gedanke daran ließ ihr wieder einen Schauer über den Rücken laufen. »Aber …«

»Aber was?«, fragte Burnett.

»Ich bin mir nicht sicher, aber Chase könnte auch etwas darüber wissen.«

»Wieso sollte er?«

»Es ist nur … Ich könnte mich auch täuschen, aber ich hab das Gefühl, dass er ebenfalls mit dieser Vision zu tun hatte. Wir sind beide aus irgendeinem Grund zum Wasserfall gerufen worden, und ich glaube, dass die Vision der Grund war.«

»Du meinst, er hat sie auch gesehen?«

»Ja, Holiday meinte, dass so was möglich wäre.« Sie zögerte. »Hat er das Gelände schon wieder verlassen?«

»Ja. Kurz bevor ich zu euch gekommen bin.«

Sie zog ihr Handy aus der Tasche und suchte seine Nummer raus. Burnett stützte sich auf die Ellenbogen und trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. Es klingelte ein paarmal, dann ging die Mailbox dran.

»Hey, ich bin’s, Della. Ich … muss dich noch was fragen. Kannst du mich mal anrufen?«

Als sie auflegte, musterte Burnett sie. »Ruft er dich normalerweise zurück?«

»Keine Ahnung, hab ihn noch nie angerufen.« Sie war stolz auf sich, dass sie dem Bedürfnis noch nie nachgegeben hatte. Und jetzt war es etwas anderes. Sie rief ihn nicht aus eigenem Interesse an, sondern wegen der Sache mit Natasha und Liam. »Mein Bauchgefühl sagt mir, dass er sich melden wird«, fügte sie hinzu, als ihr einfiel, wie oft er ihr schon geschrieben oder sie angerufen hatte. Andererseits hatte sie ihm gerade erst eine Abfuhr erteilt. Ich liebe dich gar nicht. Punkt. Ich weiß ja manchmal nicht mal, ob ich dich überhaupt mag.

Sie musste daran denken, wie verletzt er ausgesehen hatte, als sie ihm das gesagt hatte. Sie rief sich innerlich zur Disziplin und konzentrierte sich wieder auf wichtigere Dinge. Eine Frage formte sich in ihrem Kopf, aber da sie Angst vor der Antwort hatte, schaute sie betreten auf ihre Hände. Andererseits, es nicht zu wissen, würde auch niemandem helfen, also stellte sie die Frage schließlich doch: »Wie lang? Wie lang können Vampire sich gegenseitig ernähren?«

Burnett ließ den Bleistift fallen und faltete die Hände auf dem Schreibtisch. »Wieso versuchen wir nicht einfach, sie zu finden? Außerdem, wenn Holiday recht hat, dann …«

»Aber nur mal angenommen, ich habe recht, und sie sind noch am Leben. Ich muss es wissen. Wie viel Zeit haben wir, um sie zu finden?«

6. Kapitel

Burnett presste die Hände aneinander, und sein Gesichtsausdruck sagte Della, dass er ihre Frage genauso widerlich fand. »Della, du hattest ein paar harte Wochen. Du musst nicht die Sorgen der ganzen Welt auf dich nehmen. Es ist Sonntag, geh raus, genieß es, ein Teenager zu sein. Wir warten ab, bis wir das Go bekommen. Dann können wir uns immer noch Sorgen machen um –«

»Hör auf, so rumzudrucksen«, zischte Della. »Sag es mir einfach!«

Er seufzte tief und lehnte sich zurück. »Es kommt darauf an. Wenn sie vorsichtig sind und sich nicht zu viel auf einmal abnehmen, können sie es bis zu drei Wochen schaffen.«

Es war länger, als sie gedacht hatte.

Aber die erschreckende Wahrheit blieb. Wenn sie noch am Leben waren, und wenn Chase nicht auch die Vision gehabt hatte, lag die ganze Verantwortung bei ihr.

Na ja, nicht ganz. Da gab es auch noch den Geist. Della wurde leicht flau. Wer war nur der Geist? Und wieso war er gerade zu Della gekommen?

Aber wichtiger als die Identität der toten Frau war, ihr mehr Informationen zu entlocken. Wenn dieser ungebetene Geist wollte, dass sie Natasha fand, musste sie mal in die Toten-Puschen kommen und Della etwas geben, womit sie arbeiten konnte. Ein Anflug von Panik stieg in ihr auf, als Della daran denken musste, was Kylie über Geister gesagt hatte. Nämlich, dass man sie nicht drängen konnte, mit einem zu kommunizieren.

Das konnte Della gerade gebrauchen, noch ein unvernünftiges und kompliziertes Individuum, mit dem sie klarkommen musste.

Burnett lehnte sich nach vorn. »Ich meine es ernst, du musst dringend mal …«

»Ein Teenager sein«, beendete Della. »Ich hab’s schon gehört.« Wie zur Hölle sollte sie irgendetwas genießen, wenn sie so viele Probleme hatte, die sie belasteten?

Sie stand auf und wollte gehen. Da fiel ihr noch etwas ein. »Hast du Neuigkeiten zu Chan? Können wir ihn endlich beerdigen?«

Burnett sah sie frustriert an. »Ich hab heute Morgen noch mal nachgefragt. Sie konnten mir nichts sagen, ich warte auf die Rückmeldung.«

Warten. Es schien so, als wäre alles in ihrem Leben gerade auf Pause gestellt.

 

Nachdem sie sich ein paar Stunden in ihrem Zimmer aufgeregt hatte, beschloss Della, Burnetts Rat wenigstens mal auszuprobieren. Wahrscheinlich war es besser, als in ihrem Zimmer zu sitzen und darauf zu warten, dass ein Geist vorbeischaute. Miranda und Kylie waren beide nicht da – wahrscheinlich mit ihren Freunden unterwegs –, also machte sich Della auf die Suche nach ihrem »Fast-Freund«. Sie wollte noch etwas Zeit mit ihm verbringen, ehe er wieder zurück in die Praxis ging, wo er einem Arzt für übernatürliche Patienten assistierte.

Der Gedanke, dass er dann auch wieder mit Jessie arbeiten würde, der Tochter des Arztes, die ziemlich in ihn verschossen war, machte Della immer noch nervös. Aber angesichts der Tatsache, dass sie bald wohl wieder mit Chase zusammenarbeiten würde, konnte sie dagegen schlecht etwas sagen.

Als sie aus dem kühlen Schatten der Bäume trat und auf Steves Hütte zuging, sah sie Perry, der gerade die Treppen der Veranda runterkam. Er sah ziemlich betrübt aus. »Was ist los?«, fragte sie, und er zuckte überrascht zusammen.

»Nichts«, antwortete er etwas zu schnell. Della hörte auf sein Herz, das ihn Lügen strafte.

Und es konnte nur einen Grund geben, dass er sie anlog. Della verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn scharf an. »Du weißt, dass ich dich leiden kann, oder?«