Shadow Falls - After Dark - Im Dunkel der Nacht - C.C. Hunter - E-Book
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Shadow Falls - After Dark - Im Dunkel der Nacht E-Book

C.C. Hunter

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Beschreibung

›Im Dunkel der Nacht‹ ist das große Finale der After-Dark-Serie von Erfolgsautorin C. C. Hunter: wunderschön und unglaublich spannend. Wenn doch nur eine ordentliche Prügelei helfen würde, um endlich wieder Ordnung in ihr Leben zu bringen! Vampir Della Tsang weiß nicht, wo ihr der Kopf steht. Alles scheint aus den Fugen geraten zu sein: Der Junge, in den sie sich verliebt hat, ist spurlos verschwunden. Die FRU zweifelt an ihrer Loyalität, weil Della durch Chase mit dem Vampirrat in Kontakt gekommen ist. Und der Mordverdacht der auf ihrem Vater lastet, scheint die Familie langsam auseinanderzureißen. Della wird klar, dass sie jetzt Himmel und Hölle in Bewegung setzen muss, um das Verbrechen endlich aufzuklären. Vielleicht kann der Geist ihrer Tante noch einmal helfen … Tief in ihrem Herzen hofft Della, dass sich auch Chase wieder bei ihr meldet, wenn sie erst mal das Shadow Falls Camp verlässt und nicht mehr unter der ständigen Aufsicht des Campleiters Burnett steht. Welches Geheimnis verbirgt Chase? Und wird es für ihn und das Vampir-Mädchen Della endlich ein Happy End geben?

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Seitenzahl: 588

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C.C. Hunter

Shadow Falls - After Dark - Im Dunkel der Nacht

Band 3

Aus dem Amerikanischen von Tanja Hamer

FISCHER E-Books

Inhalt

Widmung1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel23. Kapitel24. Kapitel25. Kapitel26. Kapitel27. Kapitel28. Kapitel29. Kapitel30. Kapitel31. Kapitel32. Kapitel33. Kapitel34. Kapitel35. Kapitel36. Kapitel37. Kapitel38. Kapitel39. Kapitel40. Kapitel41. Kapitel42. Kapitel43. Kapitel44. Kapitel45. Kapitel46. Kapitel47. Kapitel48. Kapitel49. Kapitel50. Kapitel51. Kapitel

Für meinen Vater, Pete Hunt, ich werde immer dein kleines Mädchen sein. Für Cara Bates, meine Nichte, die immer da war, wenn ich sie brauchte. Für meine Mutter, Ginger Curtis, die mir unermüdlich sagt, wie stolz sie auf mich ist. Und für Bob Curtis, meinen Stiefvater, danke für deine Liebe und alles, was du tust.

1. Kapitel

Das Geräusch der sich öffnenden Tür hallte durch den kleinen Raum. Noch ehe Della Tsang die Schritte hörte, nahm sie den Geruch wahr. Ein anderer Vampir. Aber nicht irgendein Vampir …

Er.

Chase Tallmann. Der Typ, mit dem sie bedauerlicherweise verbunden war. Der Typ, der ihr sein Blut gegeben hatte, um sicherzugehen, dass sie die seltene zweite Verwandlung in einen Vampir überlebte. Diese zweite Verwandlung hatte sie zu einer Wiedergeborenen gemacht – einem noch stärkeren Vampir, der Geister anzog. Nicht, dass sie sich das ausgesucht oder es gewollt hätte, am wenigsten die Sache mit den Geistern.

Er betrat den winzigen Raum. Die Tür schwang hinter ihm zu. Ihr klopfte das Herz bis zum Hals.

Sie hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihn zu finden. Sogar in Frankreich hatte sie nach ihm gesucht – ohne Erfolg.

Und jetzt tauchte er einfach so auf.

Hier.

In der Damentoilette eines Burger-Restaurants.

Die Tür in der Kabine nebenan wurde geöffnet und geschlossen. Er würde doch nicht … Er hatte doch nicht vor … Sie hörte, wie er auf den Klodeckel stieg.

Er tat es.

Sie hob den Blick.

Er schaute über die Trennwand auf sie runter. Seine dunkelbraunen Haare waren etwas länger. Die hellgrünen Augen strahlten amüsiert. »Schön, dich hier zu sehen.« Er grinste, zweifellos über ihre Position – auf der Kloschüssel hockend, die Jeans bis zu den Knien runtergezogen. Zum Glück war ihr blaues Shirt lang und weit, so dass ihr Hintern bedeckt war.

Sie wippte ein paarmal, um die letzten Tropfen abzuschütteln, und zog hastig die Hose wieder hoch. Dabei wandte sie den Blick nicht von ihm ab. Sie wünschte sich, ihn in die Finger zu kriegen. Seinen Hals zum Beispiel. Dann würde er nicht mehr so blöd grinsen.

»Kein Papier?«, neckte er sie.

Fand er das etwa lustig? Ernsthaft? Hatte er keine Ahnung, wie sehr sie sein Verrat verletzt hatte?

Wenn sie nicht noch Informationen von ihm gebraucht hätte, wäre er jetzt schon ein toter Mann. Sie hätte ihn getötet. Und zwar langsam und qualvoll.

Aber sie brauchte Informationen, musste ihren Onkel finden, den Mann, der ihre Tante getötet hatte und zuließ, dass ihr Vater für den Mörder gehalten wurde. Und Chase hatte diese Informationen. Hatte sie immer gehabt und sie die ganze Zeit angelogen.

Sie hatte erst vor kurzem die Wahrheit erfahren. Der Mann, den Chase Eddie nannte, der Mann, der Chase aufgenommen hatte, als er vierzehn Jahre war, der Mann, der Chase bei seiner erste Verwandlung geholfen hatte und sich bei der zweiten mit ihm verbunden hatte, dieser Mann war Dellas Onkel.

»Wer hat dich geschickt?«, hatte sie Chase bestimmt tausendmal gefragt. Und tausendmal hatte er sie angelogen.

So ungern sie es auch zugab, sie konnte seine Loyalität dem Mann gegenüber verstehen. Eddie war nicht nur eine Vaterfigur für Chase gewesen, er war auch mit ihm verbunden, und Della wusste selbst nur zu gut, was das mit einem machen konnte. Doch Chase’ Loyalität zu ihrem Onkel bedeutete, dass er ihr gegenüber nicht loyal war. Er hatte seine Wahl getroffen. Und sie würde niemals zulassen, dass ihr eigener Vater für das Verbrechen ihres Onkels ins Gefängnis ging.

Sie schoss gleichzeitig mit Chase aus der Kabine und ging trotz seiner Größe von 1,85 Meter auf ihn los. Ihr Puls raste vor Zorn.

Er streckte ihr die Handflächen entgegen, die Schultern hochgezogen, aber seine Augen zeigten keine Spur von Angst. Stattdessen lag immer noch ein Hauch Belustigung darin. Oh, wie gern sie ihm jetzt eine Lektion verpassen würde. Sie lehnte sich nach vorn, so dass ihr Gesicht dicht vor seinem war, um ihm zu zeigen, dass sie sich nicht einschüchtern ließ.

Eine Bewegung, die sie sofort bereute. Wenn sie ihm so nah war, lullte sein männlicher Duft sie ein, und die vertraute Anziehung, die Della darauf schob, dass sie mit ihm verbunden war, vernebelte ihr den Verstand. Sie kämpfte dagegen an. Sie wollte das nicht.

»Worüber freust du dich denn so?«, knurrte sie.

»Über dich«, erwiderte er. »Bei dir zu sein macht mich glücklich.«

Sie klatschte ihm die Handfläche gegen die Brust, bereit, ihn mit einem kräftigen Schubs gegen die Wand zu nageln.

»Warte«, sagte er schnell.

»Auf was denn?«, zischte sie.

Seine Lippen verzogen sich zu einem noch breiteren Grinsen. Er zeigte auf die Wand hinter seiner Schulter. »Auf dem Schild steht, dass man sich die Hände waschen muss.«

Das war zu viel. Ihre Vampirzähne zeigten sich. Ihre Augen brannten, was ein sicheres Zeichen dafür war, dass ihre dunkelbraunen Augen, die sie von ihrem asiatischen Vater geerbt hatte, zu glühen begannen.

»Wie geht es Feng, meinem Onkel?«

Die Verspieltheit wich aus seinem Blick und wurde von Schuldbewusstsein abgelöst. »Ich wollte es dir sagen.«

»Na, klar.«

»Ich würde dich nie …« Er brach ab, als würden sich die Worte nicht richtig anhören.

Della brauchte etwa zwei Sekunden, bis ihr dämmerte, was er hatte sagen wollen. »Was würdest du nie? Mich anlügen? Du hast aber bisher nichts anderes getan.«

»Della?« Von draußen rief jemand ihren Namen, doch sie nahm es kaum wahr.

Auch die Tatsache, dass sie gerade im Vampirmodus war, beunruhigte sie nicht. Oder besser: zunächst nicht. Und dann war es auch schon zu spät. Die Tür zu den Toiletten wurde aufgerissen.

Chase tauschte in einer blitzartigen Bewegung den Platz mit ihr und benutzte seinen Arm dazu, ihre Augen vor Lilly zu verstecken. Doch die Art und Weise, wie er vor ihr stand, eine Hand an der Wand, seine Lippen nur Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt, ließ es so aussehen, als wären sie gerade dabei, rumzuknutschen. Klar, als ob das realistisch wäre. Es wusste doch jedes Kind, wie bakterienverseucht öffentliche Toiletten waren.

»Was …? Della?«, rief Lilly, ihre ehemals beste Freundin, schockiert. Das Mädchen stellte sich auf die Zehenspitzen, um über Chase’ Schulter sehen zu können. »Bist … du das?«

Della wandte den Blick ab, um ihre glühenden Augen und ihre ausgefahrenen Eckzähne zu verbergen. »Ja.«

»Ach, herrje«, meinte Lilly. »Und … wer bist du?«

Die Frage war zweifellos an Chase gerichtet. Della schaute nicht auf, aber sie wusste, dass er garantiert seinen typischen Charme spielen ließ: breites Lächeln und unschuldiger Hundeblick.

»Ich bin ein Freund.« Seine Stimme klang immer noch belustigt.

»Sieht aus, als wärst du ein guter Freund«, erwiderte Lilly in neckischem Tonfall. »Bist du der berüchtigte Steve?«

Chase’ Haltung versteifte sich. Sein Blick wanderte zu Della, die Belustigung in seinen Augen wurde durch einen Anflug von Eifersucht verdrängt.

Nicht, dass er das Recht dazu hatte.

Della bemühte sich, ihre Eckzähne zurückzuziehen und ihren inneren Vampir zu beruhigen. »Nein, er ist nur jemand, den ich aus Shadow Falls kenne.«

Als sie sich wieder vollständig unter Kontrolle hatte, schob sie Chase von sich. Sie konzentrierte sich auf Lilly und machte eine Handbewegung in Richtung Chase. »Wir müssen uns unterhalten. Kannst du uns vielleicht kurz –«

»Nein«, unterbrach sie Chase. »Ich wollte nur kurz hallo sagen. Ich komm einfach später noch mal bei dir vorbei.«

»Nein. Wir reden jetzt!« Sie bedachte ihn mit einem eisigen Blick. Er würde nicht einfach so davonkommen. Della packte ihn am Arm, ihre Finger umklammerten seinen Bizeps. »Ich will genau jetzt reden.« Lilly zuliebe rang sie sich ein Lächeln ab.

»Sei nicht albern. Ihr habt doch Mädelsabend.« Erstaunlich leicht entwand er sich ihrem Griff.

Und noch ehe sie ahnte, was er vorhatte, verpasste er ihr einen Kuss auf den Mund. Seine Zunge strich dabei über ihre Unterlippe, und ihre Knie wurden weich. Dieser Geschmack … Der kurze Kontakt genügte, um ihren Atem stocken zu lassen. Ihr ganzer Körper vibrierte. Ihr Herz schmerzte. Und sie hasste ihre eigene Schwäche.

Sie atmete tief durch und versuchte, gegen die emotionale Verbindung anzugehen. Gleichzeitig unterdrückte sie krampfhaft das Bedürfnis, sich wieder in vollem Vampirmodus auf ihn zu stürzen. Aber noch ehe sie sich klarwerden konnte, was sie als Nächstes tun wollte, war er auch schon durch die Tür verschwunden. Weg.

Lilly, an die Della im letzten Jahr fast gar nicht mehr gedacht hatte, lehnte sich an die Wand. Sie wirkte überrascht von seinem blitzartigen Verschwinden. »Wow, der ist aber schnell.« Dann kicherte sie und wackelte mit dem Zeigefinger in Dellas Richtung. »Na, na, Miss Tsang. Ich hab das Gefühl, du hast Geheimnisse vor mir.«

Meinst du?, wollte Della am liebsten brüllen. Das erste Geheimnis war gleich mal ein richtiger Knaller. Della war kein Mensch mehr. Deshalb lebte sie auch in Shadow Falls, einem Internat für Übernatürliche. Wenn das so einfach zu verklickern wäre, säße sie jetzt vermutlich zu Hause, würde Zeit mit Freunden und Familienmitgliedern verbringen, die sie verstanden und nicht dafür verurteilten, dass sie hin und wieder ein Glas Blut trank.

Sie verstand auch nicht, wieso Lilly gerade heute Abend aufgetaucht war. Warum nur hatte ihre Mom darauf bestanden, dass sie heute Abend mal wieder was gemeinsam machten? Aber da ihre Familie keinen Schimmer von ihren Geheimnissen hatte, war es schwierig, ihnen klarzumachen, dass sie ihre alten Freunde nicht mehr treffen wollte.

»Nein, keine Geheimnisse«, log Della. »Das war nicht das, wonach es aussah. Er ist bloß … ein Typ.«

»Er schien aber mehr zu sein.«

»Der Schein kann trügen.« Della verließ die Toilette. Sie lief den Gang entlang und sog die Luft ein, um zu sehen, ob sie Chase’ Witterung noch aufnehmen konnte. Enttäuscht atmete sie aus. Außer dem Geruch nach Hamburgern und Pommes lag nichts in der Luft. Trotzdem ließ sie den Blick nach rechts und links schweifen. Fehlanzeige.

Chase war weg. Wieso hatte sie ihn nur entkommen lassen? Die Antwort kam ihr quasi hinterhergelaufen. Lilly. Wenn Della ihn mit Gewalt festgehalten hätte, wäre ihre Freundin vermutlich ausgeflippt oder hätte sie vielleicht bei ihren Eltern verpetzt. Und bei dem ganzen Mist, der gerade durch die Mordanklage gegen ihren Vater entstanden war, wollte sie ihren Eltern auf keinen Fall noch mehr Grund zur Sorge liefern.

Sie drehte sich zu Lilly um, doch jemand anderes rief ihren Namen.

»Della Tsang?« Della fuhr herum und sah Mrs Chi auf sich zukommen. Mrs Chi war eine ältere Nachbarin, die mit ihrem Mann ein kleines Juweliergeschäft ein paar Blocks von Dellas Elternhaus entfernt führte. »Ich hab dich ja seit Ewigkeiten nicht gesehen, junge Dame.«

»Hi«, grüßte Della und bemerkte, wie ihre Nachbarin Lilly anschaute. »Das ist meine Freundin Lilly Shay.«

»Hallo«, sagte Mrs Chi.

Lilly nickte ihr zu, war aber sofort wieder in ihr Handy vertieft. Hatte ihre Mutter ihr denn keine Manieren beigebracht?

»Wie geht es Chester?«, fragte Della. Ehe sie nach Shadow Falls gegangen war, hatte sie immer während der Ferien auf den Kater der Chis aufgepasst.

»Ach, so wie immer. Er hat mir gestern wieder eine tote Ratte gebracht. Aber der Kammerjäger beteuert mir, wir hätten keine Ratten im Haus oder im Laden. Wo findet diese Katze die nur immer?«

»Er streunt halt herum«, erwiderte Della, der einfiel, dass sie den Kater ein paar Nächte zuvor hinter dem Schuppen ihres Vaters gesehen hatte, als sie sich davongeschlichen hatte, um zu einer Blut-Bar für Vampire zu fliegen.

Mrs Chi tätschelte Della den Arm. »Ich werde mal was zum Abendbrot für Bojing kaufen. Er ist noch im Geschäft … macht die Kasse und schließt ab.« Sie schielte zu Lilly rüber. »Habt einen schönen Abend. Und seid vorsichtig. Es ist gefährlich für zwei Mädchen allein. Die Gegend ist nicht mehr so sicher, wie sie mal war.«

»Machen wir.« Della schaute der älteren Frau nach, die sich zur Theke begab. Sie war immer noch verwirrt von Lillys Unhöflichkeit und drehte sich künstlich lächelnd zu der Blondine um. »Bist du mit deinem Hamburger fertig?«

»Ja.«

»Kannst du mich dann vielleicht wieder nach Hause fahren?« Sie wusste nicht, ob Chase seine Ankündigung, später noch bei ihr vorbeizukommen, ernstgemeint hatte oder ob es nur eine weitere Lüge gewesen war. Wahrscheinlich Letzteres, aber sie wollte trotzdem zu Hause sein, nur für den Fall. Und dieses Mal würde er ihr nicht entkommen.

»Aber wir wollten doch zu Susie fahren und einen Film schauen.«

»Ja, tut mir leid. Mir ist einfach nicht so danach. Es ist mal wieder diese Zeit im Monat …« Sie drückte sich eine Hand auf den Unterbauch. Natürlich war das auch gelogen – sie hatte ihre Tage gerade erst gehabt. Aber Mutter Natur hatte den Frauen diesen monatlichen Fluch verpasst, und Della fand, dass sie die Sache zum Ausgleich ruhig ab und zu als Ausrede benutzen durfte.

Lilly runzelte die Stirn. »Aber deine Mom hat mir schon …« Sie biss sich auf die Lippen, als wollte sie die Worte zurücknehmen.

»Meine Mom hat dir schon … was?«, fragte Della, der gerade dämmerte, dass Lilly ihre eigenen kleinen Geheimnisse hatte.

Das Mädchen verdrehte die Augen, und Della fiel ein, dass sie Lilly eigentlich nie richtig gemocht hatte. Noch bevor sie nach Shadow Falls gegangen war, hatten sich Lilly und sie voneinander entfernt. »Spuck’s schon aus«, fuhr Della ihre ehemalige Freundin an.

»Deine Mom hat mir Geld gegeben, damit ich dich mal aus dem Haus hole.«

Della stand wie vom Donner gerührt da, erschüttert und wütend darüber, dass ihre Mom jemanden bezahlt hatte, damit sie unter die Leute kam. Della hatte Freunde. Sie hatte die zwei besten Freundinnen auf der ganzen Welt in Shadow Falls.

In diesem Moment wollte sie nichts sehnlicher als nach Hause fahren, ihre Sachen packen und dahin zurück verschwinden, wo sie hingehörte. Wo man sie nicht wie ein Monster behandelte.

»Also, versteh mich nicht falsch. Es ist nicht so, dass ich dich nicht sehen wollte. Aber zwanzig Dollar schlägt man nicht einfach aus.«

»Fahr mich trotzdem nach Hause.« Den Gestank nach Fett und billigem Rindfleisch hinter sich lassend, sauste Della aus dem Restaurant. Sie musste sich sehr beherrschen, um nicht direkt nach Hause zu fliegen. Die kühle Abendluft schlug ihr ins Gesicht, und sie schluckte schnell die Tränen runter. Es ging ihr zwar beschissen, aber sie würde den Teufel tun, es Lilly gegenüber zuzugeben.

Della sagte kein Wort mehr.

Als das Auto vor ihrem Haus hielt, schaute Lilly sie an. Man musste ihr zugutehalten, dass sie aussah, als täte es ihr leid. »Soll ich deiner Mom das Geld zurückgeben?«

»Nein. Behalte es.« Della sprang vom Beifahrersitz und blieb vor der geschlossenen Haustür stehen, um zu lauschen. Ihre Schwester war bei einer Freundin. Mit etwas Glück konnte Della sich ohne weitere Konfrontationen nach oben stehlen. Ganz langsam drehte sie den Türknauf und sauste ins Haus.

Das Wohnzimmer war leer – Gott sei Dank. Sie ging zur Treppe und hatte schon den Fuß auf der ersten Stufe, als sie leise Musik aus dem Büro ihres Vaters hörte. Della erinnerte sich daran, wie sie selbst früher mit ihm in dem Zimmer gewesen war und mit ihm Schach gespielt, gelacht und über Gott und die Welt philosophiert hatte. Was auch immer in ihrem Leben gerade los gewesen war, ihr Vater hatte stets einen guten Rat für sie gehabt.

Jetzt hatte er keine Ratschläge mehr für sie. Er bemerkte kaum ihre Anwesenheit. In den drei Wochen, die sie jetzt zu Hause war, hatte er sie wie Luft behandelt oder sich, wie jetzt, in seinem Zimmer verbarrikadiert. Della fragte sich, ob er sich dort versteckte, um ihr aus dem Weg zu gehen. Andererseits – mit der drohenden Mordanklage, die wie ein Damoklesschwert über seinem Kopf hing – versteckte er sich vielleicht auch einfach vor dem Leben. Heute Mittag hatte sie gehört, wie er ihrer Mom gesagt hatte, dass er nicht wusste, wie lang er noch zur Arbeit gehen konnte. Die Leute tuschelten schon hinter seinem Rücken.

Es tut mir so leid, Dad. Der Kloß in ihrem Hals wurde noch größer. Es war ihre Schuld. Ihre Schuld, dass der Fall ihrer ermordeten Tante Bao Yu wiederaufgerollt worden war. Ihre Schuld, dass ihr Vater fälschlicherweise eines Mordes bezichtigt wurde.

Ja, das Blut an dem Messer, mit dem ihre Tante getötet worden war, hatte man als das Blut ihres Vaters identifiziert. Nur ein eineiiger Zwilling konnte dasselbe Blut haben. Dummerweise hatte ihr sogenannter Onkel Eddie, der eineiige Zwillingsbruder ihres Vaters, zu dem Zeitpunkt seinen eigenen Tod bereits vorgetäuscht. Etwas, das die meisten Teenager taten, wenn sie sich in einen Vampir verwandelten. Mit einer menschlichen Familie zu leben und seine wahre Natur zu verbergen war für einen Vampir nahezu unmöglich. Della wusste das selbst nur zu gut.

In dem Moment traf sie eine bittere Erkenntnis. Wenn sie es ihm nachgetan hätte, ihren eigenen Tod vorzutäuschen, wäre nichts von alledem passiert. Ihre Familie würde jetzt nicht so leiden.

Sie war schon fast am oberen Treppenrand angekommen, als ihre Mom den Kopf aus der Küche streckte. »Wieso bist du schon so früh zurück?«

Tu es nicht. Tu es nicht. Denk dir irgendeine Ausrede aus. Sie öffnete den Mund und wartete, dass sich eine Lüge formen würde, aber die Erniedrigung, die sie zuvor verspürt hatte, blitzte wieder auf. »Anscheinend hast du Lilly nicht genug gezahlt.«

Damit sauste Della die Treppe rauf. Dieses Mal konnte sie die Tränen nicht runterschlucken.

2. Kapitel

Sie hörte die Schritte ihrer Mutter und hätte sich am liebsten selbst einen Arschtritt verpasst, dass sie ihre Klappe nicht hatte halten können. Ihre Mutter hatte sowieso schon viele Sorgen. Aber verdammt, war ihr nicht bewusst, in was für eine peinliche Situation sie Della damit gebracht hatte?

»Della?« Ihre Mom öffnete die Tür.

»Ich bin müde, okay? Ich will schlafen«, sagte sie in der Hoffnung, dass ihre Stimme nicht zitterte.

Die Matratze bewegte sich, als ihre Mom sich zu ihr aufs Bett setzte. »Sie … hat es dir gesagt?«

Della nickte.

»Ich … wollte nur helfen.«

Sie spürte die Hand ihrer Mutter an ihrem Rücken. Sofort schüttelte Della sie ab, um zu vermeiden, dass ihre Mutter die niedrige Körpertemperatur bemerkte. Jedes Mal, wenn ihre Mom sie berührte, meinte Della einen Ausdruck der Besorgnis in ihrem Blick zu erkennen.

»Ich brauche keine Hilfe.« Della zog die Knie an die Brust und umschlang sie mit den Armen. »Und ich habe es bestimmt nicht nötig, dass du Leute dafür bezahlst, meine Freunde zu sein. Ich habe Freunde, jede Menge sogar – in der Schule.«

»Aber du bist jetzt gerade nicht in dieser Schule. Es ist ja nicht so … ich wollte nicht … Sie hat mir an der Supermarktkasse mit den Einkäufen geholfen, und ich hab erwähnt, dass sie mal vorbeikommen soll, um sich mit dir zu treffen. Dann hatte ich kein Kleingeld, also hab ich ihr einfach einen Zwanziger in die Hand gedrückt und ihr gesagt, dass sie etwas mit dir unternehmen soll.«

»Vergiss es einfach, okay?«, entgegnete Della seufzend.

»Vielleicht solltest du wieder auf die alte Schule gehen, dann hättest du wieder mehr Kontakt mit deinen alten Freunden und wärst … glücklicher.«

»Nein. Ich bin glücklich. Sobald sich die Dinge hier … beruhigen, gehe ich zurück zur Shadow Falls Academy.«

Die Augen ihrer Mutter füllten sich mit Tränen. »Liebes, es könnte noch eine ganze Weile dauern, bis … sich die Dinge hier beruhigen. Es kann noch Monate dauern, bis es zum Prozess kommt.«

»Es wird keinen Prozess geben. Sie werden feststellen, dass sie einen Fehler gemacht haben, und das Verfahren einstellen.«

Zumindest hatte das Burnett gesagt, einer der Leiter von Shadow Falls und Agent im Fallen Research Unit (FRU), dem übernatürlichen Äquivalent des FBI. Und er hatte einen Halb-Hexer-Anwalt geschickt, um bei der Verteidigung ihres Vaters zu helfen.

Tränen glitzerten in den Augen ihrer Mutter. »Ich würde das zu gern glauben, Della, aber wir müssen realistisch bleiben.«

Realistisch? Della starrte ihre Mutter an. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag in die Magengrube. Oder besser – ins Herz. »O Gott, du glaubst …« Sie musste schlucken. »Du glaubst, dass er es getan hat … Glaubst du wirklich, Dad hat seine Schwester ermordet? Wie kannst du nur? Du kennst ihn doch besser.«

»Ich glaube natürlich nicht, dass …« Ihre Mutter senkte den Blick. »Es ist nur, die Beweise –«

»Scheiß auf die Beweise. Dad ist unschuldig.«

»Das glaube ich ja auch.« Ihre Mom wischte sich die Tränen aus den Augen. »Aber, Liebes, er erinnert sich nicht mal daran, was passiert ist. Er war bewusstlos. Er kann seine Unschuld nicht bezeugen.«

Die Raumtemperatur fiel merklich. Zu schnell. Nur eine Sache ließ ein Zimmer so schnell abkühlen. Sie hatten Besuch. Von der toten Sorte.

Er war nicht bewusstlos! Die Worte klangen in Dellas Ohren, nur für sie bestimmt.

Sie ließ den Blick durchs Zimmer schweifen. Da vor dem Fenster schwebte der Geist ihrer Tante in der Luft. Sie trug wieder das blutige Kleid, das wie von einem Windhauch hin und her bewegt wurde. Tränen liefen ihrer Tante über die Wangen, doch sie sah eher wütend als traurig aus. Sie hatte sich nicht mehr gezeigt, seit Della Shadow Falls verlassen hatte.

Lass meine Mutter reden, sagte Della in Gedanken zu dem Geist.

Es war das erste Mal, dass ihre Mom darüber sprach. Ihr Vater selbst redete nicht mit Della, also war sie darauf angewiesen, Informationen von ihrer Mutter zu bekommen.

»Erzähl mir, was passiert ist, Mom.« Je mehr Della wusste, desto besser waren die Chancen, dass sie helfen konnte. Doch würde ihre Mutter ihr etwas sagen?

Ihre Mom rieb sich fröstelnd die Arme. »Ich hätte gar nicht erst davon anfangen sollen.«

»Doch«, widersprach Della. »Ich habe ein Recht, es zu erfahren.«

»Liebes, dein Vater –«

»Ich bin auch Teil dieser Familie. Es betrifft uns alle. Wir können keine Geheimnisse voreinander haben.«

Eine Träne tropfte ihrer Mom von den Wimpern. »Ich weiß aber auch nicht viel mehr als das.« Die Kälte verursachte kleine Atemwölkchen vor ihrem Mund. »Er hat mir nur erzählt, dass er aufgewacht ist, als die Sanitäter da waren. Seine Schwester schien … tot. Überall war Blut. Er hat bis heute Albträume davon. Seine Eltern haben ihn damals zu einem Psychologen geschickt, der ihn dann ins St. Marys hat einweisen lassen.«

»In die psychiatrische Klinik?«

Ihre Mom nickte.

»Sharron«, hörten sie Dellas Dad von unten rufen.

Ihre Mom schaute schuldbewusst auf und wischte sich schnell ein paar Tränen weg. »Ja, Schatz? Ich bin hier oben.«

Schritte klangen auf der Treppe. Dann stand er im Türrahmen. Sein Blick fiel auf Della, und – wie immer, wenn er sie sah – er zuckte unmerklich zusammen. Er blinzelte, und seine Pupillen veränderten die Größe. Was war es nur an ihr, das ihm einen solchen Schmerz verursachte?

»Du bist ja zu Hause.« Er konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. Er schaute ihre Mom an und steckte die Hände in die Hosentaschen. »Ich dachte, sie wäre ausgegangen.«

»Ich bin früher zurückgekommen. Du warst in deinem Büro, da wollte ich dich nicht stören.« Della hoffte, dass sie normal klang, aber das war nicht so einfach, wenn man im Augenwinkel einen blutüberströmten Geist sah, der ihren Dad mit hasserfülltem Blick anstarrte.

»Wieso ist es so kalt hier?«, fragte er. »Hast du an der Heizung herumgedreht?«

»Nein, Sir«, erwiderte Della.

Er wandte sich zum Gehen. Della blieb regungslos sitzen und versuchte, ihren Schmerz runterzuschlucken, während sie fröstelnd die Arme um den Oberkörper schlang. Sie hoffte inständig, dass der Geist nicht auch noch auf die Idee kommen würde, es schneien zu lassen, was er schon mal getan hatte.

Ihre Mom starrte den leeren Türrahmen an, als Dellas Dad gegangen war, ehe sie sich wieder Della zuwandte. Erleichterung lag in ihrem Blick. Sie drückte Dellas Arm, als wollte sie sich wortlos bei ihr entschuldigen. In dem Moment war Della dankbar für die Geisterkälte, wodurch die Hand ihrer Mutter genauso kühl war wie ihre eigene Haut.

Dann ließ ihre Mom die Hand sinken und stand auf. Sie war schon fast aus der Tür, als sie sich noch mal umdrehte. »Ich will nur, dass du glücklich bist, Liebling.«

Della lauschte den Schritten ihrer Mutter auf der Treppe, bevor sie sich wieder dem wütenden Geist zuwandte, der kopfschüttelnd in der Luft hing.

Lügen. Alles Lügen. Er erinnert sich. Er erinnert sich an alles!

»Erinnerst du dich denn?«, fragte Della in dem Wissen, dass Geister sehr unzuverlässig sein konnten. Offenbar hatte der Tod, besonders wenn es ein gewaltsamer war, ziemlich negative Auswirkungen auf das Erinnerungsvermögen und die Kommunikationsfähigkeit.

Genug, um zu wissen, dass er lügt, entgegnete ihre Tante.

»Du glaubst, dass er dich getötet hat?«, fragte Della.

Schmerz und Reue spiegelten sich im Blick des Geistes wider.

»Was, wenn es nicht mein Vater, sondern dein Bruder Feng war?«

Sie neigte nachdenklich den Kopf zur Seite. Nein, Feng war doch schon … Er war gestorben. Er hatte einen Autounfall.

Vielleicht war es an der Zeit, ihrer Tante die Wahrheit zu sagen. »Nein, er ist Vampir – wie ich und deine Tochter Natasha. Erinnerst du dich, dass du mich dazu gebracht hast, Natasha zu finden? Und da war noch Chan. Er hat auch seinen eigenen Tod vorgetäuscht, um zu verhindern, dass seine Eltern rausfinden, dass er Vampir ist. Genau wie Feng.«

Bao Yus Blick wurde glasig. Leblos. Verstand sie nicht, was dies bedeutete?

»Erzähl mir davon. Erzähl mir genau, was passiert ist.« Della bereitete sich darauf vor, Details zu hören. Doch als ihre Tante stumm blieb, fügte sie hinzu: »Oder zeig es mir.« Sie schluckte.

Geister konnten einen in ihre Gedanken hineinziehen, so dass man ihre Erfahrungen nacherlebte. Vor einem Monat hatte der Geist ihr schon mal einen Einblick in jene Nacht gegeben. In der Vision hatte jemand mit einem Messer über ihrer toten Tante gestanden. Jemand, der wie ihr Vater ausgesehen hatte.

Wenn sie ihren Onkel nur fände, würde Burnett versuchen, einen übernatürlichen Richter für den Fall zu bekommen. Vielleicht konnte die Anklage gegen ihren Vater dann sogar fallengelassen werden. Aber sie brauchten Beweise. Sie brauchten ihren Onkel.

»Ich meine es ernst«, sagte Della. »Zeig es mir.«

Es ist zu hässlich.

Della ballte die Hände zu Fäusten. »In der Vision, die du mir gezeigt hast, stand Feng mit einem Messer über dir. Hat er dich umgebracht? Denk nach, Bao Yu. Denk nach.«

Nein. Feng, er … er hatte nicht … Chao, er … Ihre Tante schloss die Augen, als würde sie sich in die Situation zurückversetzen. Es war nicht Feng. Es war Chao. Die Geistererscheinung verblasste.

Weg.

Della fluchte leise, wofür ihre Mom ihr Hausarrest verpasst hätte, wäre sie dabei gewesen.

Dank ihres sensiblen Vampirgehörs vernahm Della die Stimmen ihrer Eltern. Sie flüsterten unten miteinander. Obwohl es unhöflich war, stand sie auf und stellte sich in den Gang, um zu lauschen. Sie war jetzt seit drei Wochen hier und hatte bisher keinerlei neue Informationen erhalten. Wie sollte sie zur Aufklärung des Falls beitragen, wenn sich ihre Eltern ihr nicht anvertrauten?

»Wieso?«, fragte ihre Mom gerade an ihren Vater gewandt. Ihre Stimme war ein kaum hörbares Flüstern, doch Della konnte dennoch die Anspannung darin erkennen. »Wieso behandelst du sie so?«

Della hielt die Luft an.

»Wie denn?«, zischte ihr Vater. »Ich hab sie doch nur gefragt, ob sie an der Heizung gedreht hat.«

»Es ist nicht, was du sie gefragt hast, sondern die Art, wie. Hast du nicht gehört, wie sie dir mit ›Nein, Sir‹ geantwortet hat? Als wärst du so ein strenger Ausbilder in einer Erziehungsanstalt. Es wirkt, als wäre alles, was du zu ihr sagst, ein Vorwurf. Sie ist unsere Tochter! Liebst du sie denn gar nicht mehr?«

Della schluckte schwer. Sie wartete auf die Antwort ihres Vaters – und fürchtete sich gleichzeitig davor.

»Sie ist einfach …«

»Einfach, was?«, hakte ihre Mom ungeduldig nach.

»Sie hat sich verändert. Sie ist nicht mehr dieselbe.«

Verändert? Della lehnte sich an die Wand. Verdammt, ja, sie hatte sich verändert. Sie war jetzt ein Vampir, aber das wusste er natürlich nicht. Und sie konnte es ihm unter keinen Umständen sagen.

»Natürlich hat sie sich verändert. Sie wird erwachsen.«

»Nein, es ist nicht nur das. Und ich hab nichts falsch gemacht«, entgegnete ihr Vater gereizt. »Ich hab gerade genug um die Ohren, als dass ich mich noch … damit beschäftigen kann. Ich verstehe nicht, wieso sie hier ist. Es macht alles nur noch schwieriger. Schick sie zurück.«

Della schlug sich die Hand vor den Mund. Tränen, die wärmer waren als ihre Haut, rollten ihr über die Wangen.

»Sie ist hier, weil sie dich liebt!«, erwiderte ihre Mom aufgebracht. »Siehst du das denn nicht?«

Della hörte Schritte und dann, wie die Tür zum Büro ihres Vaters zugeworfen wurde.

Della rutschte an der Wand runter und umschlang die Knie mit den Armen. Saß einfach nur da und ließ die Tränen zu. Sie war nach Hause gekommen, weil Marla, ihre Schwester, sie angefleht hatte, es zu tun. Jetzt musste sich Della fragen, ob es nicht für alle das Beste war, wenn sie nach Shadow Falls zurückkehrte.

Sie gehörte hier nicht mehr her.

Sie stand auf und ging zurück in ihr Zimmer, wo sie ihr Handy vom Bett nahm. Sie suchte im Adressbuch nach einem Namen von jemandem, auf den sie sich verlassen konnte und der immer mehr zu einer Vaterfigur für sie wurde.

Sie rief Burnett an.

3. Kapitel

Chase Tallman stand draußen vor der Tür von Dellas Elternhaus, die Hände wütend zu Fäusten geballt. Jemand sollte diesem Mann mal eine Lektion erteilen, und Chase würde diesen Job nur allzu gern übernehmen. Bemerkte er denn nicht, wie sehr er seine eigene Tochter verletzte? Die Tatsache, dass er nicht wusste, dass seine Tochter ihn hatte reden hören, entschuldigte gar nichts.

Chase konnte Dellas Schmerz spüren, als wäre es sein eigener.

Eltern sollten ihre Kinder bedingungslos lieben. Seine hatten das getan. Daran hatte er nie gezweifelt. Della hatte das auch verdient, verdammt!

Chase war auf einem Dachvorsprung neben Dellas Fenster gelandet, doch sie war nicht in ihrem Zimmer gewesen. Er entdeckte sie vor ihrer geöffneten Zimmertür, wo sie mit hängenden Schultern dastand und wie besiegt wirkte. Das war total untypisch für Della Tsang. Zwar verbarg sich hinter ihrer harten Schale ein verletzlicher Kern, doch den zeigte sie nur sehr selten. Also, was war los?

Er war neben der Haustür auf dem Boden gelandet und hatte Chao Tsangs schmerzhafte Worte gehört. Jedes einzelne.

Vielleicht lag Feng Tsang – oder Eddie Falkner, wie Chase ihn kennengelernt hatte, nachdem seine Eltern gestorben waren –, falsch. Vielleicht hatte Chao seine Schwester doch getötet. Er hoffte es nicht – für Della. Doch im Moment hatte Chase nicht gerade ein positives Bild von ihrem Vater.

Er machte einen Satz und war wieder auf dem Vordach, um nach Della zu schauen. Ihr Geschmack, dieser kurze Kuss, den er sich gestohlen hatte, lag ihm noch auf der Zunge, und er wollte mehr. Doch im Moment hatte er nur einen Wunsch. Sie zu trösten.

Sie stand mit dem Rücken zum Fenster, das Handy am Ohr. Offenbar war sie gerade sehr in das Gespräch vertieft, denn sie schien ihn noch nicht gewittert zu haben.

Er legte den Kopf schief, um zu hören, mit wem sie redete. Doch durch das Glas und die drei Meter, die sie noch trennten, konnte er nur ausmachen, dass es eine Männerstimme war.

Er musste daran denken, wie Lilly ihn fälschlicherweise für Steve gehalten hatte. Das hatte gesessen. Hatte Della nun Steve angerufen, um sich von ihm trösten zu lassen?

»Ich muss zurück nach Shadow Falls. Kannst du meinen Vater anrufen und ihm sagen, dass ich zu viel Unterrichtsstoff verpasse?«

Es war also Burnett am Telefon.

Sie hielt inne und sprach dann weiter. »Ist mir egal. Lass dir irgendwas einfallen. Er wird schon zustimmen.« Sie zog die Schultern hoch. »Doch, wird er. Er will mich nicht hier haben.« Der Schmerz in ihrer Stimme war allzu deutlich. »Ja, morgen reicht.«

Chase seufzte frustriert und wütend. Wütend war er auf ihren Vater, dass er so ein Vollidiot war, und frustriert war er, weil … Chase wollte nicht, dass sie nach Shadow Falls zurückging.

Angesichts Burnetts Misstrauen würde es ihm nahezu unmöglich sein, Della zu sehen, wenn sie sich wieder in der Obhut des Campleiters befand. Dabei war es die letzten drei Wochen schon die Hölle gewesen, von ihr getrennt zu sein.

Plötzlich wusste er, was er zu tun hatte. Es würde alles verändern, aber es war das Richtige. Er hätte es bereits früher getan, wenn Burnett nicht alles vermasselt hätte.

Chase dachte darüber nach, das Fenster zu öffnen und ihr von seinen Plänen zu erzählen, aber dann fiel ihm wieder ein, wie wütend sie auf ihn war. Sie würde versuchen, ihn aufzuhalten. Das konnte er nicht zulassen.

Da er wusste, dass Della jederzeit seine Witterung aufnehmen oder ihn hören konnte, malte er schnell ein Herz in das kondensierte Wasser am Fensterrand und verschwand in die Dunkelheit.

Er war erst ein paar Minuten geflogen, als er die Witterung von Werwölfen aufnahm … und Blut. Er ging tiefer, und der Geruch wurde stärker. Doch da es Tierblut war, stieg er wieder höher auf, um seinen eigenen Angelegenheiten nachzugehen.

 

»Was ist passiert?«, fragte Burnett.

Della umklammerte das Telefon fester. »Nichts.«

»Della?«

Na schön, das war gelogen. Aber auch nicht wirklich. Manchmal bedeutete »nichts« auch, dass es zu sehr weh tat, um es laut auszusprechen. Ein Knacksen vor dem Fenster ließ sie herumfahren. »Warte mal einen Moment.« Sie öffnete das Fenster und hob die Nase schnuppernd in die Luft. Sein Geruch war noch deutlich wahrzunehmen. Da fiel ihr Blick auf das Herz. »Verdammt«, murmelte sie.

»Was ist?«, fragte Burnett beunruhigt.

Sie wusste nicht, wieso, aber sie war noch nicht bereit, Burnett von Chase zu erzählen. Wahrscheinlich war es ihr peinlich, dass sie ihn hatte davonkommen lassen. Nicht weil sie Chase beschützen wollte, aber sie und Chase hatten noch ein Hühnchen miteinander zu rupfen. Später würde sie Burnett davon erzählen. Hoffentlich nachdem sie die Informationen aus Chase rausbekommen hatte und wusste, wo sich ihr Onkel aufhielt.

»Ich dachte, ich hätte was gehört.« Sie lehnte sich aus dem Fenster und suchte mit ihrem Blick den Nachthimmel ab.

»Und?«, fragte Burnett.

»Da ist niemand.«

»Wann hast du zuletzt was gegessen?«, fragte er, wahrscheinlich, weil er davon ausging, dass sie deshalb so gereizt war. Und vielleicht hatte er sogar recht. Sie hatte Chase entkommen lassen. Nicht nur einmal, sondern zweimal. »Wann?«, wiederholte er.

Sie wusste, dass er die zwei Bissen Hamburger und die drei Pommes, die sie in dem Fastfood-Restaurant gegessen hatte, nicht gelten lassen würde. Er redete von Blut.

»Dienstag.« Da war sie in der Blut-Bar gewesen.

»Kannst du dich heute Abend kurz aus dem Haus schleichen? Wir können uns in dem kleinen Park bei euch in der Nähe treffen, und ich bringe dir ein bisschen Blut vorbei.«

Sie hasste es, dass er das Gefühl hatte, sich um sie kümmern zu müssen. »Ich kann doch warten, bis ich wieder zurück bin.«

»Nein, das ist nicht gesund!«

»Vielleicht gehe ich noch mal zu der Bar.« Sie würde es nicht tun, aber das musste er nicht wissen.

»Nein, geh da heute Nacht besser nicht hin. Es ist fast Vollmond. Die Werwölfe sind unterwegs, und die Bars der Übernatürlichen sind ihre ersten Anlaufpunkte. Wir treffen uns in dem Park bei euch.«

Ihr knurrte der Magen beim Gedanken an Blut, was Burnett leider recht gab. Sie musste etwas essen. Aber irgendwie ignorierte sie ihren Hunger, wenn sie zu Hause war – als ob sie dann irgendwie besser in ihre Familie passte, wenn sie kein Blut zu sich nahm. Als würde es sie menschlicher machen. Verdammt, das war erbärmlich.

Ihr Blick fiel auf das Herz, das allmählich verschwand, und sie dachte, dass sie noch einen Grund hatte, nicht wegzugehen. Was, wenn Chase zurückkehrte? »Wirklich, ich kann noch warten. Wieso –«

»Della«, unterbrach er sie in einem Tonfall, der keinen Widerspruch zuließ.

»Na schön. Aber es geht erst später, wenn meine Eltern im Bett sind.« Vielleicht war Chase bis dahin da gewesen, oder sie hatte ihn gefunden.

»Ich schreib dir noch mal um Mitternacht, wo wir uns genau treffen.« Damit legte er auf.

Della ließ ihr Handy in die Hosentasche gleiten und starrte in die Nacht. Sie fühlte sich allein. Der Mond hing fast voll am dunklen Himmel, was Burnetts Vorsicht rechtfertigte. Werwölfe schöpften Kraft aus dem Mondschein kurz vor Vollmond. Obwohl sie Werwölfe im Allgemeinen nicht mehr hasste, war sie als Vampir doch immer misstrauisch, wenn sie einem fremden Werwolf begegnete. Es konnte schließlich ein Abtrünniger sein.

Aber im Moment waren es nicht die Werwölfe, um die sie sich Sorgen machte. Nein, das Loch in ihrer Brust wurde eindeutig von ihrem Vater verursacht – und einem gewissen verlogenen Vampir.

Wo steckst du, Chase? Was führst du jetzt wieder im Schilde?

Wieso war er vorbeigekommen und wieder verschwunden? Warum war er so begeistert gewesen, sie wiederzusehen? Wusste er, dass ihr Onkel ihre Tante getötet hatte? Wusste er, dass sie, Burnett und die FRU nach einem Mann suchten? Dem Mann, der Chase geholfen hatte, die Wiedergeburt zu überleben. Versuchte Chase deshalb, ihn zu beschützen? So musste es sein. Wieso sonst war er von der Bildfläche verschwunden, nachdem sie ihm das Foto von ihm und ihrem Onkel geschickt hatte?

Sie legte die Stirn an die kühle Glasscheibe und musste an den kurzen Kuss denken, den er ihr gegeben hatte. Sie wollte die widersprüchlichen Gefühle nicht wahrhaben, die in ihr aufstiegen, wenn sie die Gedanken an ihn zuließ. Normalerweise verwendete sie viel Energie darauf, diese Gefühle zu unterdrücken, doch in manchen Momenten gelang es ihr nicht.

Diese verdammte Verbindung hatte sie emotional an ihn gekettet. Nicht, dass diese Tatsache irgendetwas änderte.

Ob Chase wohl schlau genug war zu wissen, dass sie sich immer für ihren Vater entscheiden würde, wenn sie zwischen ihm und Chase wählen musste? Es würde ihr höchstwahrscheinlich das Herz zerreißen, aber wer brauchte schon ein Herz? Das verdammte Ding sorgte sowieso nur für Probleme.

 

Chase betrat das Haus in einem mittelständischen Vorort von Houston. Eddie hatte es vor kurzem unter dem Namen Jacob Mackey gemietet. Er hatte sich einen Monat von seiner Arbeit als Forscher freigenommen, die ihm der Vampirrat verschafft hatte. Die Position hatte es ihm ermöglicht, sein eigenes Leben sowie das von Chase und damit auch Dellas zu retten. Dazu noch das von etwa zwanzig anderen Vampiren, die in den letzten fünf Jahren die Wiedergeburt durchlebt und überstanden hatten. Eddie war der Arzt und Wissenschaftler, der die Behandlung mit der Bluttransfusion entwickelt hatte, wodurch die Überlebenschancen bei dieser zweiten Verwandlung enorm erhöht wurden. Außerdem arbeitete er noch an anderen Verfahren.

Doch Eddie war nicht nur leidenschaftlicher Wissenschaftler, sondern er war auch Chase’ Ersatzvater, seit seine Eltern bei dem Flugzeugabsturz gestorben waren. Als Chase dann die Wiedergeburt durchlebte, hatte er sich bereitwillig mit ihm verbunden. Chase war ihm etwas schuldig. Doch was noch viel wichtiger war, Eddie war ihm wichtig. Er liebte ihn wie einen nahen Verwandten.

Das machte alles jetzt noch viel schwieriger.

Chase ging ins Wohnzimmer, wo Eddie in seinem alten braunen Sessel saß – dem einzigen Möbelstück, dass er immer mitnahm, wenn er umzog. Auf einer Kommode daneben stand das Foto, das er auch immer bei sich trug. Kirsha. Eddie war mit ihr verbunden gewesen, doch sie war ein Jahr nach ihrer zweiten Verwandlung gestorben.

Baxter kam auf Chase zugestürmt und stupste freudig sein Bein an. Eddie hatte eine ausgebreitete Zeitung auf dem Schoß und schaute erst auf, als Chase sich auf dem abgewetzten Sofa niedergelassen hatte. Er bedachte Chase mit einem prüfenden Blick. Eddie konnte ihn so gut durchschauen, dass es zwecklos war, ihm etwas zu verheimlichen. Dabei hatte Eddie selbst durchaus Geheimnisse vor ihm. Bis Della ihm von Bao Yu erzählt hatte, war Chase nicht über den Mord an Eddies Schwester im Bilde gewesen.

»Wieso strahlst du denn so, mein Sohn?«

»Chao Tsang, dein Zwillingsbruder. Vielleicht liegst du falsch. Vielleicht hat er eure Schwester doch getötet.«

Eddie setzte sich auf und stellte die Lehne des Sessels senkrecht. Sein Gesichtsausdruck war ernst. »Das ist lächerlich. Ich hab dir doch erzählt, was passiert ist. Wir müssen nur Douglas Stone finden, dann haben wir unsere Beweise.«

»Du hast gesagt, du hast nicht gesehen, wie sie ermordet wurde. Und je besser ich deinen Bruder kennenlerne, desto mehr –«

»Hör auf«, unterbrach ihn Eddie. »Wieso sollte mein Bruder so etwas tun?«

»Wieso sollte er seine Tochter so respektlos behandeln? Hast du irgendeine Ahnung, wie sehr er sie damit verletzt?«

Eddie holte tief Luft, und sein Blick wurde weicher. »Du fühlst mit ihr. Ihr seid verbunden, deshalb ist das nur natürlich. Aber du solltest keine voreiligen Schlüsse ziehen. Chao macht gerade viel durch. Immerhin wird er des Mordes beschuldigt.«

»Genau wie du«, entgegnete Chase. »Die FRU sucht nach dir! Die ganze Sache ist ein totales Chaos. Du solltest schnellstens verschwinden. Sag mir nicht, wo du hingehst, ruf mich nicht an. Lass mich tun, was ich tun muss. Wenn wir Douglas Stone gefunden haben und die FRU nicht mehr länger hinter dir her ist, gebe ich dem Vampirrat Bescheid, und sie können dich kontaktieren.«

Er schüttelte langsam den Kopf. »Nein. Mach dir keine Sorgen um mich.«

Chase fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Verdammt, das war härter als gedacht. »Wir brauchen die Hilfe der FRU.«

»Der Rat ist schon an der Sache dran«, erwiderte Eddie stur.

»Du hast mir selbst gesagt, dass der Rat schon seit sechzehn Jahren nach Douglas Stone sucht. Sie haben ihn nie gefunden. Wie kommst du dazu, zu glauben, dass sie es jetzt tun?«

»Sie werden die Dringlichkeit der Lage erkennen, jetzt, da die Dinge zu eskalieren drohen.«

Chase starrte an die Decke und überlegte, wie er es ihm am einfachsten sagen konnte. Doch es war nicht einfach. Er schaute Eddie an. »Ich trete von meinem Job beim Vampirrat zurück.«

Man musste ihm zugutehalten, dass Eddie nicht überrascht aussah. »Um für die FRU zu arbeiten? Wirklich?«

Chase nickte.

»Ist die Verbindung zu ihr so stark?« Eddie klang ein klein wenig verletzt. Wollte er damit andeuten, dass Chase die Verbindung zu Della wichtiger war als die zu ihm?

So war es nicht. Er schuldete Eddie so viel, doch das, was er für Della empfand, war etwas ganz anderes.

»Fühlt sie es nicht?«, fragte Eddie weiter. »Wieso tritt sie nicht für dich dem Vampirrat bei?«

»Sie ist ziemlich dickköpfig. So wie du.«

Eddie betrachtete das Foto von Kirsha. Chase wusste, dass Eddie nichts weiter sagen konnte und würde. Er wusste, wie speziell die Verbindung zu der Person war, der man durch die Wiedergeburt geholfen hatte. Eddie selbst beispielsweise hatte nie wieder geheiratet – obwohl es über zehn Jahre her war. Er hatte hin und wieder etwas mit einer Frau, aber Chase erinnerte sich, wie er ihm einmal gesagt hatte, dass sein Herz immer dieser einen Frau gehören würde.

»Hast du versucht, sie zu überzeugen«, fragte Eddie.

Chase bemerkte, dass er ehrlich mit ihm sein musste. »Es ist nicht nur unsere Verbindung.« Er schluckte. »Ich sehe auch, was die FRU leistet.«

»Und du siehst nicht, was der Rat leistet?«

»Natürlich, aber der Vampirrat fährt immer mit dieser Wir-gegen-den-Rest-Einstellung. Alle Übernatürlichen sollten zusammenhalten. Die FRU arbeitet genau darauf hin. Das ist ein gutes Ziel.«

»Weil wir finden, dass wir uns zuerst um unsere eigenen Leute kümmern sollten. Was ist daran schlimm?«

»Nein. Nicht schlimm. Der Vampirrat hat auch seine Existenzberechtigung. Aber um zu regieren, müssen wir uns vereinigen – nicht nur mit den anderen Übernatürlichen, sondern auch mit der staatlichen Regierung und der Menschen-Polizei.«

»Wenn es nach der FRU ginge, gäbe es den Vampirrat nicht mehr.«

Chase hatte das Gefühl, dass Eddies extremes Misstrauen der FRU gegenüber mehr als nur politische Hintergründe hatte. Aber das war etwas, worüber Eddie nie sprach. »Dann muss eben jemand der FRU klarmachen, dass das der falsche Weg ist. Ich könnte dieser Jemand sein.« Er faltete die Hände. »Hör zu, ich sage ja nicht, dass deren Vorgehen immer absolut korrekt ist, aber ich stimme mit vielen ihrer Ansichten überein. Gemeinsam können wir mehr erreichen. Wir haben mehr Quellen. Quellen, die uns auf Stones Spur bringen können.«

Eddie ging zum Fenster und starrte in die Nacht. Chase hatte auf einmal ein schlechtes Gewissen. Eddie hatte Chase die vergangenen Jahre wie seinen eigenen Sohn aufgezogen und erwartete jetzt sicher, dass er auf seinen Rat hörte.

»Ich weiß, dass du meine Entscheidung nicht respektieren kannst«, sagte Chase vorsichtig.

»Finde ich es gut, was du vorhast? Nein.« Eddie drehte sich zu ihm um. »Aber ich respektiere dich genug, um dich nicht aufhalten zu wollen. Du bist dein eigener Herr, Chase Tallman.« Ein trauriges Lächeln huschte über sein Gesicht. »Du bist deinem Vater so ähnlich. Er und ich waren uns auch immer uneins, wenn es um Politik ging.«

»Kannst du dann noch eine letzte Sache für mich tun?«, fragte Chase. »Geh weg, versteck dich irgendwo, wo die FRU dich nicht finden kann. Nicht mal ich sollte wissen, wo du bist, damit ich nicht lügen muss, wenn sie mich danach fragen. Denn wenn sie diesen Stone nicht finden, werden sie dir das Verbrechen anhängen.«

»Oder sie verhaften meinen Bruder.« Eddie seufzte. Er schaute wieder hinaus in die Dunkelheit. Etliche langsame Sekunden verstrichen, ehe er sich wieder umdrehte. »Wenn sie Stone nicht finden, werde ich mich freiwillig stellen.«

Chase sprang vom Sofa auf. »Was?« Er schüttelte den Kopf. »Nein! Sie werden dich ins Gefängnis stecken.«

»Oder sie werden meinen Bruder ins Gefängnis stecken. Ihn trifft keinerlei Schuld. Das kann ich von mir nicht behaupten.«

4. Kapitel

»Du hast das nicht getan.« Chase konnte seine Wut kaum unterdrücken. Als Chase durch Della von dem Mord gehört hatte, war er zu Eddie gegangen und hatte ihn damit konfrontiert. Daraufhin hatte er die ganze Geschichte von ihm erfahren.

»Nein, ich habe Bao Yu nicht getötet. Ich wäre gern an ihrer Stelle gewesen. Aber ich war es, der der Vultures-Gang beigetreten ist, Chase.«

»Du warst jung und hattest Angst.«

»Aber es war mein Fehler. Ich bin schuld daran, dass sie ermordet wurde.«

»Das macht dich aber noch nicht zum Mörder«, widersprach Chase.

Eddie runzelte die Stirn. »Irgendwie schon, mein Sohn.« Dass Eddie so die Ruhe weghatte, machte Chase rasend.

»Wieso? Nur weil du nicht ihren Regeln folgen und töten wolltest? Sie haben dich dafür bezahlen lassen, in dem sie jemanden getötet haben, den du geliebt hast.« Chase marschierte aufgebracht zwischen Sofa und Couchtisch hin und her. Es hatte Zeiten gegeben, als sich Chase gewünscht hatte, mit seiner Familie gestorben zu sein, doch Eddie hatte ihm gezeigt, dass das Leben durchaus lebenswert war.

»Ich habe einen Fehler gemacht«, sagte Eddie erneut. »Deshalb bin ich mehr verantwortlich als Chao. Und ehe ich ihn dafür bezahlen lasse, werde ich es tun.« Eddies dunkle Augen schauten Chase fest an. »So, und jetzt respektiere mich und meine Wünsche, wie ich auch deine respektiere.« Eddie war es todernst damit.

Chase musste schlucken. »Ich werde Douglas Stone finden. Ich werde nicht zulassen, dass du ins Gefängnis kommst.« Und damit war es ihm todernst.

Eddie legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich bezweifle nicht, dass du nicht alles tun wirst, was in deiner Macht steht.« Er drückte Chase’ Schulter. »Kümmere dich in der Zwischenzeit gut um meine Nichte. Du nennst sie dickköpfig, und damit hast du sicher recht. Die Tsangs können echte Sturköpfe sein. Aber mein Sohn, du kannst auch ganz schön eigensinnig sein.« Er lächelte breit. »Ihr zwei werdet bestimmt ein gutes Paar abgeben.«

Der Ratschlag kam von Herzen. Chase schuldete diesem Mann so viel. Da fiel ihm auf, dass das, was er für Eddie empfand, bestimmt dem entsprach, was Della für ihren Vater empfand. Ob Chase den Mann jetzt leiden konnte oder nicht, sogar wenn er die Zuneigung seiner Tochter gerade nicht verdient hatte, war Della doch emotional mit ihm verbunden.

»Du musst sie unbedingt kennenlernen«, meinte Chase. »Du wärst stolz auf sie.«

»Das bezweifle ich nicht. Ich sehe ja, wie viel sie dir bedeutet. Beruht das denn auf Gegenseitigkeit?«

»Wie gesagt, sie ist ziemlich dickköpfig.«

Eddie lächelte wieder. »Aber du wirst sie für dich gewinnen können.«

Chase legte seine Hand auf Eddies. Wieso erschien ihm dieser Abschied so schwer? Ein Teil von ihm wollte genau so sein, wie Eddie ihn gern gehabt hätte, doch Chase war nicht blind, was die Stärken und Schwächen des Rats anging.

Chase ging zu Baxter und kraulte ihm ausgiebig die Ohren. »Bring ihn zu Kirk. Ich hole ihn dann dort ab.« Nicht, dass Chase sich freute, Kirk zu begegnen. Kirk Curtis war Eddies bester Freund und ein Mitglied des Vampirrats. Kirk war auch dabei gewesen, als Eddie das verunglückte Flugzeug gefunden hatte.

Eddie nickte. »Bist du sicher, dass dieser Burnett James dich überhaupt noch akzeptiert, nach allem, was passiert ist? Du hast doch gesagt, dass er ein ziemlich harter Brocken ist.«

Dieselbe Frage hatte sich Chase auch schon gestellt. »Ein Schreiben des Rats, in dem sie mich entlassen, wäre bestimmt hilfreich.«

»Das kann Kirk besorgen. Er ist gerade im Büro.« Eddie hielt inne. »Und wenn das nicht funktioniert, kommst du einfach zurück, wo du hingehörst.«

»Es wird schon funktionieren.« Chase weigerte sich, von etwas anderem auszugehen. »Das muss es.« Beim Gedanken daran, dass sein Wunsch abgelehnt werden könnte, wurde ihm schlecht. Doch selbst im besten Fall, wenn er wieder für die FRU arbeiten durfte, rechnete er nicht damit, dass Burnett es ihm leichtmachen würde.

Denn wenn es eins gab, worin Burnett jeden anderen in den Schatten stellte, war es, ordentlich auszuteilen. Und wenn es eins gab, was Chase wirklich nicht konnte, dann war das, einzustecken. Er hatte es immer schon gehasst, zu Kreuze zu kriechen. Doch für Della war er bereit, es zu tun.

Er nickte zum Abschied und verließ das Wohnzimmer. Baxter folgte ihm schwanzwedelnd und sah ihn mit erwartungsvollem Blick an. Chase ging vor dem Hund in die Hocke. »Ich bin bald zurück, und dann nehme ich dich mit. Versprochen.«

Chase’ Handy, das er in der Hosentasche hatte, piepste. Er stand auf und zog es hervor. Sein Herz machte einen Sprung, als er sah, dass er eine Nachricht von Della bekommen hatte. Als er zuletzt weggegangen war, um den Bastard zu finden, der Eddies Schwester auf dem Gewissen hatte, war er gezwungen gewesen, den Kontakt mit Della abzubrechen. Es war ihm extrem schwergefallen, ihr nicht antworten zu können. Und als sie aufhörte, ihm zu schreiben, war es ihm noch schwerer ums Herz. Er las ihre Nachricht.

Was für ein Spiel treibst du dieses Mal?

»Nur das, dich zurückzugewinnen«, murmelte er in sich hinein, während er die Haustür hinter sich schloss.

 

Della war schwach geworden und hatte Chase doch wieder geschrieben. Jetzt starrte sie ihr Telefon an und wartete auf eine Antwort von ihm.

Als das Display schwarz blieb, tigerte sie zehn Minuten lang im Zimmer auf und ab.

Hin.

Her.

Hin.

Her.

Sie fühlte sich wie in einem Käfig. Ihr Blick fiel auf den Wecker auf dem Nachttisch. Es war noch nicht mal acht Uhr. Sie konnte ihre Eltern noch unten hören, die normalerweise nicht vor elf Uhr ins Bett gingen. Della ging ans Fenster und öffnete es einen Spalt, um einen tiefen Atemzug der kühlen Novemberluft zu nehmen.

Ob Chase wohl noch in der Nähe war?

Einen Hauch seiner Witterung konnte sie noch aufnehmen, doch sie war nicht mehr frisch. Sie warf einen Blick über die Schulter auf den Wecker und unterdrückte den Reflex, einfach sofort in die schwarze Nachtluft abzuheben und nach dem verlogenen Blutsauger zu suchen.

Vielleicht nur ein paar Runden um den Block? Er konnte immer noch in der Nähe sein. Sie ging zu ihrem Schrank und zog ihr helles Oberteil aus, das sie durch ein schwarzes T-Shirt ersetzte. Dann öffnete sie ihren Koffer und holte eine schwarze Perücke und ein extragroßes Kissen heraus, das sie vom Camp mitgebracht hatte. Das Kissen stopfte sie unter die Bettdecke und klopfte es in Form, so dass es aussah wie ein Körper. Die Perücke drapierte sie am Kopfende und zupfte ein paar schwarze Haarsträhnen über den Deckenrand.

Sie trat ein paar Schritte zurück und betrachtete ihr Werk. Es sah aus, als wäre sie der Glöckner von Notre-Dame. Sie klopfte erneut am Kissen herum. Na super, jetzt sah es aus, als wäre sie eine Kellnerin bei Hooters mit Doppel-D-Oberweite. Sie zog die Decke wieder zurück und verpasste ihrem Kissen eine Brustverkleinerung.

Dann trat sie zur Tür zurück, um sicherzugehen, dass es überzeugend aussah, wenn ihre Mom ihren üblichen Blick ins Zimmer warf, um zu sehen, ob Della schlief. Schaudernd stellte sie sich vor, was passieren würde, wenn ihre Mom ihre Täuschung erkannte. Sie blinzelte und schaute weg.

Ihr Blick fiel auf das gerahmte Foto auf der Kommode. Das Bild war bei einer Feier aufgenommen worden, wo sie mit ihrem Vater getanzt hatte. Sie war acht Jahre alt gewesen, und ihr Vater hatte neben ihr in die Hocke gehen müssen, um den Arm um sie zu legen. Sie konnte sich noch gut erinnern, wie glücklich sie an dem Abend gewesen war.

Dann fielen ihr die Worte ihrer Mutter von vorher wieder ein. Sie ist unsere Tochter! Liebst du sie denn gar nicht mehr?

Sie hatte auf einmal einen Kloß im Hals. Sie schaute wieder zum Fenster. Sie musste Chase finden – und ihn dazu bringen, sie zu ihrem Onkel zu führen. Sie stand auf und steckte sich das Handy in die Hosentasche. Dann öffnete sie vorsichtig das Fenster, damit ihre Eltern nichts hörten, und trat auf das Vordach hinaus. Mit einem Satz hob sie in den Nachthimmel ab.

Sie umkreiste die Nachbarschaft zweimal in der Hoffnung, Chase’ Witterung aufzunehmen. Doch ohne Erfolg. Sie witterte lediglich ein paar Werwölfe. Und aus ihrer Flughöhe von etwa dreißig Metern konnte sie drei junge Männer erkennen. Sind das die Werwölfe? Und wenn ja, streunten sie nur so umher, oder führten sie etwas im Schilde?

Sie flog etwas tiefer, und der Geruch verstärkte sich. Außerdem konnte sie einen genaueren Blick auf die drei erhaschen. Sie trugen keine gangtypische Kleidung, also waren es vielleicht gar keine Abtrünnigen, sondern nur ein paar junge Kerle, die am Samstagabend ausgingen und zufällig Werwölfe waren. Das konnte ihnen Della nicht vorwerfen.

Als sie gerade wieder höher aufsteigen wollte, nahm einer der Werwölfe offenbar ihre Witterung auf. Erst schaute nur einer nach oben, dann alle drei. Sie warfen ihr finstere Blicke zu. Della wollte keinen Ärger, also drehte sie ab und flog schnell nach Hause zurück.

Sie hatte gerade das Fenster hinter sich geschlossen, als ihr Handy klingelte.

Chase?

Sie zog hastig das Telefon aus der Tasche.

»Hallo?«, ging sie dran, ohne aufs Display zu schauen.

»Della?«

Sie brauchte einen Moment, um Natashas Stimme zu erkennen, und einen weiteren, um ein schlechtes Gewissen zu bekommen, weil sie sich nicht mehr bei ihrer Cousine gemeldet hatte, seit sie Shadow Falls verlassen hatte. Natürlich hatte sie ihre Gründe dafür: Sie scheute sich davor, ihrer Cousine zu erklären, dass Dellas Vater angeklagt war, deren Mutter getötet zu haben. Sie und Natasha standen sich ziemlich nah, seit Chase und Della sie und ihren Freund, Liam, gerettet hatten.

»Hi, Natasha.«

»Rate mal, wen Liam heute Morgen gesehen hat, als er seine Mutter besucht hat?«

»Keine Ahnung«, entgegnete Della.

»Chase. Und stell dir vor, er hat Liam gefragt, ob er für ihn sein Haus hüten will. Natürlich wissen wir, dass er nur nett sein will, weil er weiß, dass wir eine Wohnung suchen. Hast du die Hütte mal gesehen? Die könnte er sofort vermieten.«

»Ja.« Della erinnerte sich gut an die gemütliche Einrichtung aus Leder und Holz. Das kleine Häuschen lag versteckt im Wald und schrie geradezu nach Erholung. Und ihr Cousine hatte recht. Chase hätte die Hütte locker vermieten können.

Sie musste daran denken, wie glücklich Chase gewesen war, als sie Natasha und Liam gefunden hatten.

Es war noch nicht mal einen Monat her, aber es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Sie war zu dem Zeitpunkt kurz davor gewesen, etwas mit Chase anzufangen. Verdammt, sie war einen Wimpernschlag davon entfernt gewesen, mit dem verlogenen Vampir zu schlafen.

Sie trat ans Fenster, wo immer noch ein Hauch seiner Witterung in der Luft lag.

»Liam und Chase haben sich lang unterhalten«, fuhr Natasha fort.

Hatte Chase ihm von dem Mordfall erzählt?

»Bist du immer noch bei deinen Eltern?«, fragte Natasha.

»Ja.«

»Ich mach mir Sorgen um dich. Hör zu, ich weiß, dass dein Vater des Mordes an meiner Mutter beschuldigt wird.«

»Hat Chase es Liam erzählt?«

»Nein, Burnett hat es mir gesagt, als ich mich nach dir erkundigt habe. Ich kann mir nur vorstellen, wie schlimm das sein muss.«

Della atmete tief durch. »Er hat sie nicht ermordet.«

»Ich weiß. Burnett hat mir auch von unserem anderen Onkel erzählt und dass du glaubst, er habe es getan. Aber dann hat Chase Liam erzählt –«

»Ist mir egal, was er erzählt hat. Mein Vater hat auf keinen Fall –«

»Chase glaubt nicht, dass es dein Vater war.«

Della hörte zwar, was sie sagte, begriff es aber trotzdem nicht. »Aber wieso beschützt er dann einen Mörder? Warum hat er Feng noch nicht verhaften lassen?«

»Er sagt, Feng, oder Eddie, wie er ihn nennt, hat es auch nicht getan. Aber sie wissen, wer sie getötet hat. Und sie suchen nach dem Kerl, um deinen Dad zu entlasten.«

Della stand wie versteinert da und versuchte, die neuen Informationen zu verarbeiten. »Aber er hat mich die ganze Zeit angelogen. Und dann ist er einfach abgehauen, als ich rausgefunden habe, dass er unseren Onkel kennt.«

»Ich kann sein Verhalten nicht entschuldigen«, erwiderte Natasha. »Aber ich weiß, dass du ihm viel bedeutest. Und Liam meinte, er versucht, alles in Ordnung zu bringen.«

»Der einzige Weg, das zu tun, ist, Feng der FRU zu übergeben. Sollen die doch entscheiden, ob er die Wahrheit sagt.« Della holte tief Luft. »Wo ist Chase?« Sie hielt gespannt den Atem an. Hoffnungsvoll.

»Das weiß niemand.« Nach einem kurzen Moment fuhr sie fort. »Oh, und Burnett versucht, eine gute Geschichte zu erfinden, wieso ich doch noch am Leben sein könnte. Dass ich entführt wurde und die gefundene Leiche falsch identifiziert worden ist.«

Della musste über die Absurdität der Situation schmunzeln. Sie hatte immer gedacht, Vampire, die ihren eigenen Tod vorgetäuscht hatten, erginge es leichter. Und ihre Cousine versuchte, genau das wieder rückgängig zu machen.

»Wenn das jemand hinbekommt, dann Burnett«, sagte Della.

Am anderen Ende der Leitung wurde es still. Dann sprach Natasha wieder. »Ich weiß, du hast noch deine Familie, und vielleicht bekomme ich meine auch zurück, aber … im Moment bist du die einzige Familie, die ich habe. Ich würde mich wirklich freuen, dich zu sehen und mit dir zu reden. Bitte.«

»Ich schaue so bald wie möglich bei dir vorbei. Versprochen.«

 

Chase parkte vor dem Eingangstor von Shadow Falls. Burnett hatte wahrscheinlich schon sein Auto gehört und seine Witterung aufgenommen. Bereitete er sich schon händereibend darauf vor, Chase so richtig rundzumachen?

Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und ermahnte sich selbst, dem Campleiter keine Widerworte zu geben. Wenn Burnett zustimmte, Chase wieder in Shadow Falls aufzunehmen, würde er ihm Respekt zollen müssen.

Chase hatte kein Problem mit Respekt. Er hatte ein Problem mit Burnett. Was nicht bedeutete, dass er viele Eigenschaften an Burnett nicht cool fand oder sogar bewunderte. Und obwohl Chase es nicht gern zugab, war das mangelnde Vertrauen des FRU-Agenten in ihn nicht unbegründet. Chase hatte ihn schließlich mehr als nur einmal belogen.

Bist du sicher, dass dieser Burnett James dich überhaupt noch akzeptiert, nach allem, was passiert ist? Eddies Frage hatte Chase’ Bedenken neu geschürt.

Weil Chase sich nicht hundertprozentig sicher war, dass Burnett ihn zurücknehmen würde, hatte er beschlossen, auf Nummer Sicher zu gehen.

Auf dem Weg nach Shadow Falls war er bei der FRU vorbeigefahren und hatte seine Bewerbungsunterlagen abgegeben. Im selben Umschlag befand sich auch seine Kündigung vom Vampirrat und ein Schreiben mit seinen Bedingungen: Er würde in Shadow Falls leben und für Burnett arbeiten.

Er hoffte, dass die FRU Burnett Druck machen würde, Chase’ Angebot zuzustimmen. Immerhin waren sie seine Arbeitgeber.

Vielleicht hatte Burnett sogar bereits einen Anruf von der FRU erhalten.

In dem Moment ging im Büro das Licht an.