Shadow Park 3 - K.M. Parker - E-Book

Shadow Park 3 E-Book

K.M. Parker

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Beschreibung

Band 3 der Fantasy-Trilogie Mit vielen dunklen Seelen Shadow Parks hat Tonja es bisher aufgenommen, um die Menschen und all diejenigen, die sie liebt, zu beschützen. Nun scheint nur noch ein letzter, mächtiger Gegner den Frieden zu bedrohen, doch dieser hat es in sich. Die Mauern Shadow Parks sind gesprengt und die finsteren Seelen bedrohen die Menschen. Die geheimnisvolle Welt der Banngeister scheint nun die einzig verbliebene Hoffnung zu sein. Sie muss auf ihre Freunde vertrauen und sich auch ihren eigenen, inneren Dämonen stellen. Erneut muss sich Tonja auf eine Reise begeben. Eine Reise in das Innere des Bösen - an den Ort, an dem alles begann.

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Erinnerung 1

Erinnerung 2

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Epilog

Prolog

Der Sonnengott lief mit geschmeidigen Schritten an seinen Brüdern und Schwestern vorbei und kam direkt vor mir zum Stehen. Die Zeit des Erwachens war für mich noch nicht gekommen, aber das schien meinen Bruder nicht zu interessieren. Ich erkannte die Entschlossenheit in seinen Augen.

Mein Kristallbett öffnete sich wie eine Blume in der Sonne und ließ mich kalte Luft spüren, die mir dabei half, die Augen offen zu halten.

»Was kann ich für dich tun, Sonnengott?«

»Ich bin hier, weil ich deine Hilfe brauche. Erlaube mir bitte, das Schwert mitzunehmen.«

Das hatte ich nicht kommen sehen. Es sah ihm nicht ähnlich, so etwas zu verlangen. Er wirkte gehetzt und ungeduldig.

»Wofür brauchst du es, mein Bruder?«

Er hob den Kopf an und ich bewunderte die wunderschöne Goldfarbe seiner Augen. »Mein Mensch braucht Hilfe«, war alles, was er sagte.

Ich konzentrierte mich auf die Welt der niederen Wesen und erkannte sofort, was er meinte. Etwas ging in der Menschenwelt vor sich. Etwas Böses breitete sich dort aus. Und Shadow Park – die kalte Welt – war geöffnet worden. Die Mauer war gefallen.

»Ich kann dich gut verstehen, aber du kennst meine Antwort. Das Licht holt sich seine Waffe, wenn das Schicksal es hierherführt.«

Es fiel mir schwer meinen Bruder zu enttäuschen. Ich konnte die uneingeschränkte Liebe erkennen, die er diesem einen Menschen entgegenbrachte.

Der Sonnengott verneigte sich und ging. Schweren Herzens ließ ich ihn ziehen.

Nicht nur, weil ich ihm gern geholfen hätte, sondern auch, weil ich um sein Leben fürchtete.

1

Ich versuchte die Augen zu öffnen. Kalte Nässe schien meinen gesamten Körper zu umgeben und in einem undurchdringlichen Kokon einzuschließen. Kein Entkommen und nicht der winzigste Zentimeter, um mich zu drehen, irgendein Körperteil auch nur ansatzweise zu bewegen.

»Öffne die Augen, kleine Tonja. Oder möchtest du weiterhin so tun, als wärst du bewusstlos?«

Der stechende Ton dieser männlichen Stimme drang nur dumpf in meine Ohren und klang belustigt.

Meine Hände erlangten ihre Bewegungsfreiheit zurück und ballten sich zu Fäusten. Nur mit größter Mühe gelang es mir, meine Lider hochzuschieben und mir des Übels bewusst zu werden, das dort stand und mich belauerte.

»Meine Energie müsste dich so langsam geheilt haben.«

Mit diesen Worten brach die Kälte, die mich in der Luft gefangen gehalten hatte, zusammen und fiel mit mir zu Boden. Obwohl kein Wasser um mich herum zu sehen war, war meine Kleidung völlig durchnässt und ich schlang mir zitternd die Arme um die Brust.

Doch ein weit größeres Problem meldete sich sofort. Veigur, mein lieber Freund und Banngeist, hatte meine Freunde gerettet und sie mit sich genommen, genau so, wie ich es von ihm verlangt hatte. Leider schien er so weit von mir entfernt zu sein, dass er meine Macht nicht mehr im Zaum halten konnte. Ein grober Schmerz übernahm meine Glieder, der mich zwang, auf dem Boden zu bleiben, obwohl ich Marek liebend gern eine verpasst hätte. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Kraft zurückzudrängen, um mich nicht selbst zu zerstören.

Mareks Füße bewegten sich um mich herum, umkreisten mich, um am Ende wieder direkt vor mir Halt zu machen. »Eines muss ich dir lassen, Tonja. Du bist wirklich einzigartig. Ein Geschöpf, das seine Kraft nicht kontrolliert einsetzen kann, erstaunlich. Man sollte meinen, die Natur unterstützt die natürliche Selbsterhaltung. Und jetzt sieh dich an.« Er ging in die Knie und umfasste mein Kinn. »So etwas Schwächliches wie dich gibt es kein zweites Mal auf der Welt.«

Ich ließ einem winzigen Teil meiner Kraft freien Lauf, die Marek hart an der Brust traf. Zu meiner Enttäuschung passierte rein gar nichts. Er ließ mein Kinn endlich wieder los, neigte den Kopf zur Seite und musterte mich weiter, als wäre nichts geschehen. Wenigstens hatte ich Abstand zwischen uns geschaffen. Seine bloße Gegenwart war extrem anstrengend, da diese seltsam verzerrte Energie um ihn herumwirbelte, die mir meine zu nehmen schien.

Er machte eine kurze Handbewegung, die mich wieder in die Höhe riss. Zu meiner Überraschung ließ er mich geradezu sanft auf die Füße gleiten.

Ich griff mir an die Brust und versuchte, ruhig zu atmen. Lange würde ich meine Energie nicht mehr halten können.

»Bevor du explodierst wie ein Knallbonbon«, unterbrach er meine Gedanken, »werde ich lieber etwas unternehmen.«

Seine kalten Augen glitten über meinen Körper, der nur von seiner Kraft auf den Füßen gehalten wurde.

»Der Banngeist hat dich verlassen und scheint weit weg zu sein. Sein Schutz ist also passé. Glücklicherweise bin ich in der Lage, dir einen neuen Banngeist zu geben. Vorausgesetzt du nimmst ihn an.«

Ich versuchte, all die Abscheu, die ich empfand, in meinen Blick zu legen, während mich eine weitere Schmerzwelle quälte.

»Hab ich mir gedacht.« Mit einem beängstigenden Lächeln begann er wieder, mich zu umrunden. »Du müsstest irgendwo ein Zeichen haben. Wenn Ink es gemacht hat, ein Tattoo.«

Mit einem schneidenden Geräusch zerstörte er meine Kleidung und legte meinen Rücken frei. Übelkeit erfasste mich, als sich seine Hand flach auf meine Haut legte.

»Ink ist wirklich ein Meister. Wenn wir beide es gut anstellen, werde ich mir seine Seele und somit seine Fähigkeiten bald aneignen können.«

Ich nahm meine verbliebene Kraft zusammen und trat nach ihm aus. Ich wollte verflucht nochmal, dass er seine Hand wegnimmt. Wollte, dass er verschwindet, dass er mich und alle anderen in Ruhe lässt.

»Ein interessanter Weg deine Probleme zu lösen. Jedoch kein sehr kluger. Im Moment bist du etwas verwirrt, weshalb ich dir die Entscheidung abnehme und dir meinen Banngeist einfach einpflanze.« Er packte meine Schultern und zog mich an sich, sodass mein Rücken gegen seine Brust gepresst wurde. »Weißt du, es geht auch andersherum. Ink hat dir bei deinem ersten Banngeist beigebracht, dass du ihn besiegen und dass du seine Prüfung bestehen musst, damit er dir dient. Aber mein Banngeist wird DICH unterwerfen. Er nimmt sich, was er will, Tonja, und das bist diesmal du, weil ich es ihm befehle.«

Er ließ mich etwas nach vorn fallen und legte wieder seine kalte Hand auf meinen Rücken, während sein freier Arm mich gefangenhielt. Als mein Rücken zu brennen begann, spürte ich eine dunkle Aura. Etwas, das mühelos in meinen Körper und in meinen Geist eindrang, obwohl ich mit aller Macht versuchte, es nicht hereinzulassen. Alles um mich herum begann sich zu drehen und ich wusste, dass ich auf eine Ohnmacht zusteuerte, die mir keine andere Wahl ließ, als mich Mareks Banngeist zu stellen.

Ich stand vor dem Gartenzaun meines kleinen Häuschens. Es sah aus wie immer, gemütlich und einladend, mit einer kurzen Grünfläche davor. Im Gegensatz zu meinen anderen Besuchen, bei denen Veigur zu meiner Begrüßung die Sonne hatte strahlen lassen, waren die Wolken auf dem Vormarsch und hüllten die Umgebung in einen kühlenden Schatten. Ich würde meinen Banngeist nicht treffen können, denn er hatte zum Schutz meiner Freunde meinen Körper verlassen. Stattdessen suchten meine Augen vorsichtig die Umgebung ab, in der Gewissheit, dass sich Mareks Banngeist sicher bald zeigen würde.

Ich öffnete den Gartenzaun und ging um das Haus herum, dorthin, wo Veigur es sich sonst immer gemütlich machte.

Ich erstarrte in der Bewegung, als ich erkannte, dass dort ein anderes Tier lag. Mareks Banngeist sah aus wie ein kleiner Fuchs, mit dem Unterschied, dass dunkelrote Augen mich fixierten, während sein Körper von dichtem, schwarzen Fell bedeckt war. Um das Tier herum hatte sich ein dunkler Fleck ausgebreitet, der mich an ausgelaufene Tinte erinnerte. Dieser dunkle Fleck schien sich langsam in alle Richtungen auszuweiten. Was das bedeutete war klar. Mareks bösartige Energie war in meinem Inneren und breitete sich aus. Das jedoch, würde ich ganz sicher zu verhindern wissen und bis jetzt wirkte sein Banngeist nicht besonders einschüchternd.

»Was wird deine Prüfung sein, Banngeist?«

Der schwarze Fuchs starrte mich weiter an und schwieg. Er schien nicht sonderlich an mir interessiert zu sein, selbst dann nicht, als ich näher an ihn herantrat.

Was sollte ich jetzt tun? Ihn angreifen und zerstören? So unschuldig der Fuchs auch aussah, mit den kleinen runden Pfoten und der spitzen Schnauze, ich hatte keine andere Wahl, als ihn zu vernichten. Ich sammelte die Energie zum Todesstoß in meiner Hand, doch als ich wieder aufsah, war das Tier verschwunden.

»Tonja, was machst du denn da? Komm wieder rein.«

Ich wusste, dass ich mich verhört haben musste, doch die Stimme meiner Mutter würde ich immer erkennen. Ein unangenehmer Schmerz durchzog meine Brust.

»Tonja Eleanor Cone, ich sage es nicht noch einmal. Alle warten nur auf dich.«

Ich drehte mich zur Schiebetür, die ins Haus führte und konnte nicht verhindern, dass mir der Mund aufklappte. Mum war so unglaublich hübsch in ihrem knielangen, cremefarbenen Kleid. Ihre Haare hatte sie zu einem eleganten Seitenzopf geflochten. Sie hob den Arm und winkte mir zu.

Für einen kurzen, dummen Moment hob ich meinen Arm um zurückzuwinken, stoppte jedoch mitten in der Bewegung. Dann kehrte ich ihr den Rücken zu.

»Soll das deine Prüfung sein, Marek? Meine Mutter ist tot. Ich werde nicht auf so einen Blödsinn eingehen. Du lässt dir lieber schnell etwas anderes einfallen.«

Wütend sah ich mich um, doch weder Marek noch sein Banngeist wollten sich zeigen.

»Tonja, wo bleibst du denn? Komm doch bitte ins Haus.«

Nein! Ich würde mich nicht wieder umdrehen. Nein! Ich würde nicht ins Haus gehen. Nein! Ich würde nicht alle treffen, die tot waren und dabei einknicken. Das musste es doch sein, was der Banngeist von mir wollte.

»Tonja, hörst du mich nicht? Komm bitte her.«

Ich schloss die Augen und konzentrierte meine Energie, doch das half mir leider nicht weiter. Mareks Banngeist hielt mich in meiner eigenen Welt gefangen und ich konnte nichts dagegen tun.

Ich warf einen zaghaften Blick in Richtung Haus, woraufhin meine Mutter sofort wieder nach mir rief.

»Schön, ich gehe jetzt in das verdammte Haus, hörst du? Aber das wird dir nichts bringen, Marek.«

Also tat ich, was wohl unvermeidlich war. Ich trat durch die Tür ins Haus und wurde sofort in eine feste Umarmung geschlossen.

»Ach Kind, was machst du denn? Wir warten doch alle auf dich.«

Ich legte meine Hände auf ihre Schultern und schob sie von mir. »Du bist nicht meine Mutter. Meine Mum ist tot. Du bist nur eine Erinnerung.«

Für einen Moment sah sie mich stumm an, dann nahm sie meine Hand und zog mich ins Wohnzimmer. »Ich habe Apfelkuchen gemacht. Den magst du doch so gern.«

Dad saß auf einem der Wohnzimmerstühle und lächelte mich an. »Da bist du ja endlich. Wir haben uns schon Sorgen gemacht, Tonja.«

Auch er sah genauso wie Mum aus, wie das blühende Leben. Sein Anblick versetzte mir einen festen Stich ins Herz, doch ich musste stark bleiben. Wo könnte sich der schwarze Fuchs nur verbergen? Und was wollte er mit dem ganzen Theater bezwecken?

Nachdem ich den Kuchen verweigert und meinen Eltern mehrere Male versichert hatte, dass sie nicht echt waren, klingelte es an der Haustür. Zu meiner Überraschung kamen nicht Curtis oder Silvia ins Zimmer, sondern Abel, der ein kleines Mädchen an der Hand hielt.

Ich sprang auf und umrundete den Tisch. Konnte es sein, dass Abel wirklich hier war? Dass er kam, um mich zu befreien?

»Abel? Bist du es wirklich? Ich meine, bist du hier, um mich von Mareks Banngeist zu befreien?«

Er beugte sich vor und gab mir einen Kuss auf die Stirn. »Du bist ja seltsam heute. Jean sagt, dass du deinen Lieblingskuchen nicht anrühren willst. Ist dir nicht gut?«

Meine Hoffnung zerbrach. Er war nicht echt. Niemand hier war das.

»Mami? Ich hab dir etwas in der Schule gebastelt.«

Stechend blaue Kinderaugen sahen zu mir auf. Dunkle, glatte Haare fielen auf die Schultern des Mädchens und wurden durch das helle Kleid, das sie trug, betont.

»Ich bin nicht deine Mutter«, rief ich und machte ein paar Schritte zurück.

Tränen sammelten sich in ihren Augen. Obwohl sie nicht real war, tat mir meine harte Aussprache nun leid.

Abel kniete sich zu ihr hinunter: »Mami geht es heute nicht so gut. Deshalb müssen wir ganz lieb zu ihr sein.«

Das Mädchen strahlte ihn an und setzte sich auf einen der Stühle, um ein Stück Apfelkuchen zu essen.

Alle Erwachsenen im Raum hatten ihren Blick auf mich gerichtet.

»Okay, es reicht jetzt. Wer von euch ist der schwarze Fuchs?«

»Möchtest du ein Glas Eistee?« Mum hielt eine gefüllte Karaffe in die Höhe.

Es hatte keinen Sinn ihnen Fragen zu stellen. Ich durchquerte den Flur und zog an der Haustür, doch egal was ich tat, sie ließ sich nicht öffnen. Dasselbe versuchte ich bei sämtlichen Fenstern des Hauses, natürlich ohne Erfolg.

Im Bad angekommen, verwandelte ich meine Arme. »Dann eben auf die harte Tour.« Ich schlug meine Steinfaust in das Fensterglas, mit der Gewissheit, einen Ausgang zu schaffen. Der erwartete Knall kam und Glassplitter flogen in alle Richtungen durch den Raum. Es dauerte jedoch nicht lange und die unzähligen Scherben erhoben sich in die Luft, um mir die Haut aufzuschlitzen und sich im Rahmen wieder zusammenzusetzen, als wäre nie etwas geschehen. Mein Körper brannte an etlichen Stellen, doch das war mir verdammt egal. Ich machte denselben Versuch immer und immer wieder.

»Möchtest du nicht doch ein Stück Apfelkuchen, Tonja?«

Mum lächelte mich liebevoll an und deutete auf meinen Teller.

»Nein.«

Dad beugte sich auf seinem Stuhl vor. »Wir machen uns langsam Sorgen, Liebling. Vielleicht solltest du dich ein wenig hinlegen.«

Ich rieb mir die Stirn, um den Schmerz ertragen zu können, der sich seit Stunden durch meinen Schädel arbeitete. Schlafen zu gehen wäre sehr schön gewesen, doch ich wusste, was dann passieren würde, denn ich hatte es etliche Male versucht. In diesem Haus war ich nie allein. Niemals! Es gab keine Minute der Ruhe. Und der Tag endete auch nicht. Es gab nur fünf lange Nachmittagsstunden, die sich immer wiederholten.

Mum schenkte sich Kaffee nach und musterte mich. »Und du bist sicher, dass du die Wand so lassen willst? Es ist natürlich dein Haus, aber ein hübsches Bild würde doch eher passen.«

Ich folgte ihrem Blick und bewunderte mein geschriebenes Werk. ›Hier ist nichts real‹, hatte ich auf der Tapete mit rotem Stift verewigt und das nicht ohne Grund. Meine Gedanken waren mittlerweile so wirr, dass ich an mir zweifelte. Hatte ich das alles nur geträumt? Meinen Tod? Shadow Park? Konnte das hier die Wirklichkeit sein?

Bei den ersten Anzeichen von Vergesslichkeit hatte ich versucht, einfach alles zu zerstören, um meinem Gefängnis zu entkommen. Der Gedanke, meine Eltern und Abel zu töten, war natürlich mehr als grausam, aber ich musste kein schlechtes Gewissen haben, niemand von ihnen war wirklich hier. Mareks Banngeist wusste das jedoch zu verhindern. Sobald ich meine Kräfte einsetzen wollte, wurden sie blockiert, als hätte sich eine unüberwindbare Steinmauer in meinem Inneren aufgebaut.

»Komm Tonja, nimm noch einen Kaffee«, platzte Mum in meine Gedanken.

Ich öffnete den Mund, kam jedoch nicht mehr dazu ihr zu antworten, denn ein heftiger Ruck brachte das ganze Haus zum Beben. Ich packte den Arm meiner Mutter, bevor sie auf dem Holzboden aufschlug. Verwirrt sah ich von einem zum andren. Dad, Abel und das Mädchen hielten sich an die Wand gepresst.

»Was war das?«, fragte ich in die Runde, obwohl ich nicht wirklich eine Antwort erwarten konnte.

Ich lief in den Flur und musste mich am Treppengeländer festhalten, als ein erneutes Beben das Haus erschütterte. An der Haustür angekommen, spähte ich aus dem kleinen Seitenfenster und hätte fast geschrien vor Erleichterung.

Draußen standen Abel, Veigur und – zu meiner großen Verwunderung – Ink.

Wie hatten sie es bloß geschafft herzukommen? Marek hätte sie doch niemals zu mir gelassen.

Viel Zeit darüber nachzudenken blieb mir nicht, denn alle drei bündelten ihre Kräfte, um anzugreifen, was die Erschütterungen erklärte.

Ich hämmerte meine Fäuste verzweifelt gegen die Tür, bis mich ein starker Schmerz in die Knie zwang. Ein Blick zurück ließ mich erschaudern. Mum sah mich aus dunkelroten Augen heraus an und presste ihre Hand fest auf meine Schulter. Ihre Fingernägel waren scharfe, schwarze Krallen, die meine Haut durchdrangen.

»Lass mich los.« Ich strampelte und trat nach ihr aus, was nur zur Folge hatte, dass mir noch mehr Blut die Schulter hinablief. Mit einem Hieb landete ihre andere, ebenfalls mit Krallen besetzte Hand, an meinem Bauch. Als ein Rinnsal Blut aus meinem Mund lief, wusste ich, auch ohne an mir herunterzusehen, dass mein Bauch genauso durchbohrt wurde, wie meine Schulter.

»Sieh sie dir an, Tonja. Deine Freunde sind hier, um dich zu retten und werden nie wieder aus deiner Welt herauskommen.« Mareks Stimme kroch durch mich hindurch, wie eiskaltes Wasser. »Kannst du damit leben? Schon wieder jemandem den Tod gebracht zu haben? Ergib dich meinem Banngeist und du wirst nie wieder leiden. Dann wird es dich nicht einmal berühren, diese drei sterben zu sehen, glaub mir.«

Ich schüttelte den Kopf, in dem Versuch seine markerschütternde Stimme loszuwerden. Sie war überall. In jedem meiner Knochen, in meinem Kopf, meinem tiefsten Inneren.

»Kannst du dich an das Gesicht von Curtis erinnern, als du ihn umgebracht hast? Du würdest es nie zugeben, aber du warst froh, als er endlich weg war.«

Mit verschwommenem Blick sah ich, wie Veigur, Ink und Abel weiter das Haus attackierten. Bei jedem neuen Versuch mich zu befreien, wackelten die Wände, als würde jeden Moment alles über uns einstürzen.

»Du warst auch froh, als deine Eltern sich in Luft aufgelöst haben, oder nicht? Immer diese Angst, ihnen könnte etwas geschehen. Immer dieser nagende Gedanke, dass sie irgendwann dein größter Schwachpunkt werden könnten. Ich kann dich verstehen, Tonja. Wenn du bei mir bleibst, musst du dir keine Sorgen mehr machen. Du wirst frei sein. Frei von all der menschlichen Logik, die keine ist und die an dir zerrt.«

Die Schwärze der Krallen, die sich in mein Fleisch bohrten, breitete sich langsam über meinen Körper aus. Ich versuchte, die Bilder zu verdrängen, die Marek mir zeigte – Curtis, Mum und Dad, Silvia. Beißende Kälte wanderte durch meine Adern und schien alles zu betäuben.

Das Haus löste sich auf und als ich den Kopf angestrengt zur Seite drehte, schmiegte der schwarze Fuchs, der als dunkle Wolke um mich herumwirbelte und dessen Fänge weiterhin in mir steckten, sein Gesicht an meines.

»Tonja!« Abel rannte auf uns zu, doch Ink stoppte ihn.

Die ›Sehenden Augen‹ des Bannmeisters fixierten mich. »Der schwarze Fuchs übernimmt deinen Körper und deine Seele. Wenn er das schafft, bist du nur noch eine Marionette. Du musst ihm widerstehen und dich befreien, Tonja.«

»Hast du auch eine Idee, wie ich das machen soll?«, presste ich abgehakt aus, während mir immer schwindeliger wurde. Der Blutverlust machte sich bemerkbar und die Schmerzen waren unerträglich. Ich fühlte mich schon jetzt wie seine Marionette, unbeweglich und schwach.

Veigur trat vor. Seine goldglänzende Aura legte sich angenehm auf meine Haut. »Wir sind in deinem Inneren. Hier geschieht nur das, was du zulässt. Nimm ihm seine Macht.«

Ein Teil der schwarzen Wolke die mich umgab, löste sich ab und schwebte auf den Boden. Wenige Meter von Abel, Veigur und Ink entfernt, nahm sie meine Gestalt an.

»Das ist nicht gut«, sagte Ink und neigte den Kopf zur Seite. Mein Ebenbild mit den roten Augen ließ sich genau dieselben langen, schwarzen Krallen wachsen, die mich gefangenhielten.

»Gar nicht gut«, bestätigte Abel, als zwei Steinmonster aus ihren Handballen kamen, um sich auf sie zu stürzen.

Ink ließ ein Tattoo auf seiner Brust aufleuchten, während seine ›Sehenden Augen‹ sich hin und her bewegten. »Was du kannst, kann ich auch, Banngeist.« Als die blaue Farbe, die Inks vorderste Haarsträhne zierte, auf seine Wange tropfte und sich weiter nach unten fließend, in eine glänzende Schlange verwandelte, dachte ich, dass meine Augen mir einen Streich spielen mussten. Die Schlange wickelte sich wie ein Seil um seine Hände und verschmolz mit seiner Haut. Das Resultat war, dass er zwei schuppig blaue Hände mit gelben Krallen hatte. Ein lässiges Grinsen trat auf sein Gesicht. »Mal sehen, wie du mit meinen Giftklauen klarkommst, kleiner Fuchs.«

Was konnte dieser Mann denn eigentlich NICHT?

Mit diesen verwandelten Händen wehrte er die beiden Steinmonster ohne Mühe ab und stürzte sich auf meine Kopie.

Abel nutzte das Ablenkungsmanöver und kam mit Veigur an seiner Seite nah an mich heran. Als sie fast bei mir angekommen waren und ich vor Erleichterung schon Luftsprünge hätte machen können, öffnete der Fuchs sein Maul und kreischte so laut, dass ich aufschrie. Dabei spuckte er eine zähe, schleimige Masse auf die beiden. Sie versuchten sofort, die Spucke des Fuchses wieder abzuschütteln, doch die Schwärze bedeckte ihre Haut genauso wie meine und schien sich auszubreiten.

»Abel, Veigur! Ihr müsst gehen, bitte! Lasst mich hier, ich werde es irgendwie schaffen. Wenn ihr in eure Körper zurückkehrt, seid ihr bestimmt sicher. Der Fuchs hat es nur auf mich abgesehen.«

Abels Kopf zuckte in meine Richtung. Seine Beine, die eben noch in Bewegung waren, standen still. Blaue Augen trafen auf meine. Dann, als würde sich die Schwärze nicht schmerzhaft durch ihn hindurcharbeiten, lief er weiter in meine Richtung.

»Nicht, bleib weg!«, schrie ich aus vollem Hals. Doch es war zu spät. Wieder kreischte der schwarze Fuchs und spuckte ihm diesmal mitten ins Gesicht. Ich hielt die Luft an, während ich nur verschwommen mitbekam, wie Veigur zuckend zusammenbrach und sich nicht mehr rührte. Die Seele meines treuen Banngeistes erhob sich in die Luft, umhüllt von dunkler Energie und begann ganz langsam sich aufzulösen. Ink schrie irgendetwas, doch ich konnte ihn nicht verstehen. Auch er hatte Probleme mit der Macht des Fuchses und wurde in die Knie gezwungen.

Ich durfte das alles nicht zulassen. Etwas in mir knirschte und riss an meinem Innersten. Ein Schmerz, den ich kannte und der mir Angst machte. Ich streckte den Arm aus, hielt meine Hand in Abels Richtung, genau wie ich es bei meinen Eltern getan hatte, als ihre Seelen körperlos in der Luft schwebten. Damals hatte ich für einen Moment geglaubt, sie retten zu können. Und genau wie bei ihnen, wusste ich tief in mir drin, dass ich es nicht konnte, dass ich machtlos war, so machtlos.

»Tonja.« Abel ergriff meine Hand, obwohl der Fuchs sich wieder auf ihn erbrach. Tränen liefen mir über die Wangen, als ich erkannte, dass die Schwärze ihn langsam verbrannte. Die dunkle Masse vermischte sich mit seinem Blut.

Ich legte meine Hände auf seine Brust, um ihn wegzuschieben. Fort von diesem Monster und von mir.

»Geh weg!«, presste ich heraus. »Bitte nicht.«

Er nahm mein Gesicht in seine Hände und zwang mich ihn anzusehen. »Du musst deine ganze Kraft freisetzen, um ihn zu vernichten.«

Ich schüttelte den Kopf. »Der Fuchs blockiert meine Kraft. Ich kann nicht.«

Abel strich mir zärtlich über die Wange. »Doch, du kannst. Ich weiß, dass du Angst davor hast, sie nicht kontrollieren zu können. Aber du schaffst es. Vertrau mir.«

Wieder schüttelte ich den Kopf. »Ich werde euch töten. Zwing mich nicht, dich umzubringen.«

Seine blauen Augen bohrten sich in meine und für einen Augenblick sah er mich mit einem so friedlichen Ausdruck an, dass mir das Herz stehenblieb.

Dann packte er die beiden Pranken des Fuchses und zog dessen Krallen Stück für Stück aus mir heraus, obwohl ich ihn anflehte aufzuhören.

Der Fuchs kreischte voller Wut, preschte mit dem Kopf vor und verbiss sich in Abels Arm.

»Komm schon, du Mistvieh! Du willst mich doch. Dann lass sie los und nimm mich!«, rief er.

Alles begann sich zu drehen, als der Fuchs tatsächlich von mir abließ, um sich auf ihn zu stürzen. Abels Schrei hallte durch meinen Kopf, während ich dabei zusah, wie er unter einer Flut der schwarzen Masse begraben wurde.

Begraben. Tot. Ich streckte meinen Arm aus, während meine Knie auf den Boden aufschlugen. So wie meine Eltern. So wie Curtis. So wie Silvia. Alle tot.

Mein immer kleiner werdender Verstand realisierte noch, dass Ink die Seele von Veigur an seine Brust presste, um sie zu schützen, während meine Doppelgängerin auf seinen Rücken einschlug.

So viel Tod. Meine Hände ballten sich zur Faust. So viele Tränen. Meine Zähne schlugen aufeinander.

Nie wieder! Abels Lächeln erschien vor meinem Inneren Auge. Ich erinnerte mich an Veigurs Wärme, seine aufmunternden Worte. Ich darf nicht so schwach sein. Nie wieder!

Mit einem Schrei öffnete ich jede Barrikade, die ich aufgestellt hatte. Öffnete jedes Tor, das aus Angst aufgestellt worden war, überspülte jeden Winkel meiner Seele, dessen Furcht mich nicht mehr aufhalten konnte. Grenzenlose Macht erfüllte mich, erfüllte alles.

Ich packte den vor Schmerz brüllenden Fuchs, der seine Tiergestalt wieder vollständig angenommen hatte, und hielt ihn in die Luft. In seinen Augen sah ich Angst. Angst und mein eigenes Spiegelbild. Jetzt waren es meine Augen, die rot glühten.

»Verschwinde endlich, du Monster. Lass sie in Ruhe.«

Der schwarze Fuchs kreischte in Todesangst und spuckte mir in einem letzten verzweifelten Versuch seine Masse ins Gesicht, dann brach ich ihm das Genick. Er löste sich auf und glitt mir wie Sand durch die Finger.

Einen Moment stand ich da und genoss die Ruhe. Die vollkommene Kraft.

Dann wurde mir jedoch klar, dass ich allein war. Abel, Ink und Veigur, sie waren nirgendwo zu sehen. Ich hatte sie getötet.

2

Abel, Veigur, Ink – ich schlug die Augen auf und sprang auf die Beine, nur um im nächsten Moment wieder umzukippen.

»Ganz ruhig. Du bist wieder zurück in der Menschenwelt, Tonja.«

Ich war mir sicher, Marek würde mir gegenüberstehen, doch dem war nicht so. Ink legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter.

»Du bist verletzt. Bleib liegen.«

Noch nie in meinem Leben war ich so überglücklich ihn zu sehen, also tat ich etwas, was mir unter normalen Umständen nie in den Sinn gekommen wäre. Ich schlang ihm die Arme um den Hals und presste ihn so fest an mich, wie es mir möglich war. Er ließ es zu und klopfte mir leicht auf den Rücken.

»Du dachtest wirklich, wir wären tot, oder?«

Bastets Stimme ertönte neben uns. »Hab ich irgendwas verpasst? Nimmst du bitte deine Hände von meinem Mann?«

Ich rückte sofort von ihm ab und sah peinlich berührt in ihre topasblauen Augen, die mich voller Wut musterten.

»Tut mir leid.« Ich sah Ink wieder an und nickte. »Ja, ich dachte, ich habe …«, mir verschlug es die Sprache.

»Ich habe immer ein paar Asse im Ärmel, Tonja. Als klar war, dass du jeden Moment alles mit deiner Energie überfluten wirst, habe ich mir Abel und Veigur geschnappt und bin mit ihnen aus deinem Inneren geflohen.«

»Und Marek?« Seit ich aufgewacht war, hatte ich befürchtet, er würde jeden Moment auftauchen, um uns alle zu töten.

Ink deutete auf eine weit entfernte Stelle, an der immer wieder helle Blitze die Dunkelheit erhellten. »Bale hat ihn weggelockt. Unsere Aufgabe ist es, dich in Sicherheit zu bringen. Er kämpft schon eine Weile mit ihm. Lange wird das nicht mehr gutgehen.«

»Abel und Veigur. Wo sind die beiden?« Ich wollte aufspringen, doch Ink legte seine Hände auf meine Schultern und drückte mich zu Boden.

»Du musst liegen bleiben. All die Wunden die uns von dem schwarzen Fuchs zugefügt wurden, waren nicht nur ein Traum. Alles was im Inneren eines Menschen geschieht, wirkt auch nach außen.«

Erst jetzt verstand ich, was er meinte. Er hatte überall im Gesicht kleine Risse. Der schwarze Fuchs hatte auch ihn mit der Masse bespuckt.

Meine Wunden an Schulter und Bauch bluteten nicht mehr, waren jedoch so schmerzhaft, dass ich Inks Befehl gern gehorchte, bis mir ein schrecklicher Gedanke kam.

»Abel«, flüsterte ich. »Er wurde von der schwarzen Masse eingeschlossen. Was ist mit ihm?«

Ink schwieg und wandte den Blick ab, obwohl ich ihm durch die Sonnenbrille sowieso nicht in die Augen sehen konnte.

»Das reicht jetzt. Wir haben andere Probleme.« Bastet verengte die Augen und sah abschätzig auf mich herab. »Wir haben uns den Arsch aufgerissen, um dich zu retten. Also wäre es schön, wenn wir jetzt erstmal abhauen und später reden würden. Ist dir überhaupt klar, wo wir sind und was hier los ist?«

Nein, das hatte ich nicht und als sie die Arme hob und auf unsere Umgebung deutete, klappte mir der Mund auf vor Entsetzen.

Es war nicht nur die Dunkelheit und die Zerstörung, die mich erschreckten. Was mich völlig überrumpelt innehalten ließ, war, dass wir mitten im Zentrum eines Kampfes waren. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ich erkannte Seelenretter um uns herum, die gegen Mareks Untergebene kämpften. Auch Seelenfänger hatten sich eingefunden. Wie es aussah, kämpften sie für Marek, was mich nicht sonderlich überraschte. Er hatte die Mauer zerstört und sie auf die Welt losgelassen.

Erstaunlicherweise nahm keiner Notiz von uns, obwohl wir mitten im Weg waren.

Bevor ich fragen konnte, gab Ink mir die Antwort. »Deine Seelenretterfreundin hat ganze Arbeit geleistet. Niemand kann uns sehen oder hören. Die unsichtbare Mauer, die sie gezogen hat, lässt nichts durch.«

Er deutete mit dem Kopf hinter mich, wo Katrin neben Rio und Clay auf den Knien hockte. Alle drei saßen mit dem Rücken zu mir und schienen mit etwas beschäftigt zu sein. Als ich endlich begriff womit, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken.

»Abel!« Ich sprang auf die Beine, doch Ink hielt mich am Arm fest. Ich wollte ihn anschreien, ihm sagen, dass er mich verdammt nochmal loslassen soll, doch Bastet kam mir zuvor. Sie löste seine Hand von meinem Oberarm und nahm sie in ihre.

»Lass sie gehen, Ink.« Ihre kalten Augen trafen auf meine. »Vielleicht versteht sie dann endlich, dass das alles hier kein Spiel ist.«

Er zögerte einen Moment, seufzte dann jedoch und ließ mich ohne ein weiteres Wort los.

Meine zitternden Beine trugen mich in Abels Richtung. Je näher ich kam, umso mehr konnte ich die geflüsterten Worte von Katrin, Rio und Clay verstehen, die versuchten, seine Wunden zu heilen und sich dabei gegenseitig berieten.

»Es funktioniert nicht. Ich komme einfach nicht durch.« Katrins verzweifelte Stimme bohrte sich in meine Ohren.

»Was ist mit ihm?«

Die drei drehten sich gleichzeitig zu mir um, sodass ich Abel endlich richtig sehen konnte.

»Tonja«, setzte Clay an, doch ich schüttelte den Kopf, woraufhin alle drei sich erhoben und mir Platz machten.

Der Anblick von Abel brannte sich in mein Gedächtnis. Er sah nicht mehr aus wie der Mann, den ich liebte. Der Großteil seines Körpers war verbrannt, die offenen Wunden bedeckten jeden Millimeter Haut. Sein komplett kahler Kopf wirkte fremd auf mich und sogar seine markanten, männlichen Gesichtszüge waren verschwunden. Nichts war mehr übrig.

Ich ging auf die Knie und unterdrückte den Drang, in Tränen auszubrechen. »Ich bin bei dir, Abel. Du wirst wieder gesund.«

Mit der Absicht ihn mit meiner eigenen Energie zu heilen, wollte ich sein Gesicht berühren, doch soweit kam ich nicht. Schwarze Funken fuhren wie kleine Blitze meinen Arm hinauf und ließen meine Energie abprallen.

»Was ist das? Warum kann ich ihn nicht heilen? Ich habe den schwarzen Fuchs doch besiegt.«

Katrin hockte sich neben mich und nahm meine Hand in ihre. »Abel wurde so stark verletzt, dass seine Selbstheilungskräfte nicht ausreichen. Mareks dunkle Energie hat sich in ihm festgesetzt und lässt keine Heilung von außen zu.«

»Aber wir müssen doch etwas tun können.«

Katrins Hand umfasste meine noch fester. »Solange Marek am Leben ist, gibt es für Abel keine Rettung. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Dunkelheit seine Seele zerfrisst.«

Ich sprang auf und lief zu Ink. »Du kannst doch bestimmt etwas machen. Benutze einen Bann oder was auch immer du sonst noch alles kannst.«

Als er schwieg und selbst Bastet ihren Blick abwandte und den Mund hielt, erfasste mich das volle Ausmaß der Situation und mit ihr eine Panik, die ich noch nie im Leben gespürt hatte. Der Mann, den ich liebte, lag im Sterben. Und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte.

Ein Licht erhellte im nächsten Moment die Dunkelheit, woraufhin mein treuer Banngeist erschien. Er schien den Kampf mit dem Fuchs halbwegs gut überstanden zu haben und hatte kaum noch Wunden, stellte ich erleichtert fest.

Er beugte sich zu mir hinunter, sodass ich ihm die Arme um den Hals legen und mein Gesicht in seinem samtig-weichen Fell verbergen konnte.

»Es wird Zeit zu gehen, Tonja.«

Ich rückte ein Stück von ihm ab. »Zu gehen? Wohin?«

»Ich habe die Erlaubnis eingeholt, dich und deine Freunde in meine Welt zu bringen. Dort seid ihr vor Marek in Sicherheit.«

Veigur folgte meinem Blick, der auf Abel lag.

»Ich wünschte, ich könnte ihn heilen, aber auch die Macht der Banngeister ist dazu nicht in der Lage. Sobald Abel in meiner Welt ist, wird das Böse, das in ihm wächst, langsamer. Wir können ihm dadurch Zeit verschaffen.«

Ich lehnte mich wieder an meinen Banngeist und vergrub meine Finger in seinem Fell.

Wie lange würde es dauern, bis Abels Seele vor meinen Augen vernichtet würde? Mehr Zeit konnte das alles nicht lösen. Wir würden uns verstecken und dann? Das änderte nichts daran, dass ich Marek irgendwann gegenübertreten musste. Nicht nur um Abel zu retten, sondern um die ganze Welt von ihm zu befreien.

»Danke für das Angebot, Veigur. Aber Liam und ich bleiben hier. Wir müssen die Menschen, die überlebt haben, beschützen.« Katrin lächelte mich an. »Aber ihr solltet jetzt gehen.«

»Wir bleiben auch«, sagte Ink, erhob sich und klopfte sich den Staub von den Knien. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber wir stehen auf derselben Seite und werden den Seelenrettern helfen.«

Während Ink mit dieser Aussage die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zog und sogar kurz mit Liam scherzte, nutzte ich den Moment, um mich an Veigur zu wenden. »Ich danke dir. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen würde.«

Seine leuchtenden, karamellfarbenen Augen trafen auf meine. Er begriff sofort, dass ich nicht gehen würde. »Bist du dir sicher, dass du bleiben möchtest? Deine Kräfte im Inneren anzuwenden, ist etwas völlig anderes, als sie in der Wirklichkeit zu nutzen.«