Shobogenzo Band 1 - Meister Dogen - E-Book

Shobogenzo Band 1 E-Book

Meister Dogen

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Beschreibung

Meister Dogens Shobogenzo ist eine der wichtigsten und tiefgründigsten Schriften des Zen und sicher auch des gesamten Buddhismus. Zudem ist es zweifellos das philosophisch am besten begründete Werk, das je von einem Zen-Meister geschrieben wurde. Es wurde von Meister Dogen in der Zeit von 1231 bis 1253 erarbeitet und ist die Aufzeichnung seiner tiefen Erfahrung und deren sprachliche Formulierung. Diese profunden und vielschichtigen Lehrreden, die Dōgen seinen Schülern — Mönchen, Nonnen und Laien — als philosophisch fundierte und konkrete Anleitungen vorgetragen hat, waren leider nach seinem Tod fast ganz in Vergessenheit geraten. Sie waren lange nur in einem kleinen Kreis von Experten der Soto-Schule bekannt und wurden dort studiert. Erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde der unerschöpfliche Wert dieses großen Werks wiederentdeckt. In den letzten Jahren nahm das Interesse an Dogens Shobogenzo in weiten Kreisen zu, sodass wir hoffen, mit dieser Übersetzung dem dringenden Bedarf nach einer vollständigen, verlässlichen und möglichst verständlichen Fassung nachzukommen. Die Ausgabe beruht auf der japanischen Ausgabe des Originaltextes von Zen-Meister Gudo Wafu Nishijima-Roshi und wurde in enger Zusammenarbeit mit ihm von Ritsunen Gabriele Linnebach übersetzt. In dieser Übersetzung ging es uns einerseits darum, den japanischen Quellentext inhaltlich so genau wie möglich zu übersetzen und andererseits diesen Text trotz seiner Schwierigkeit in eine möglichst klare und verständliche Sprache zu bringen. Dies folgt dem Anliegen Dogens, Zen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und sich nicht auf eine Gruppe Gelehrter zu beschränken. Eine Fülle von Anmerkungen, die den Text erläutern, soll diesem Anspruch in umfassender Weise gerecht werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 728

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Meister Dōgenbeim Betrachten des Mondes(mit freundl. Genehmigung des Hōkyō-ji, Fukui, Japan)

Originalausgabe 2016. Ebook-Ausgabe der 3., durchgesehenen Auflage 2013. Copyright © 2001-2016 by Werner Kristkeitz Verlag, Heidelberg. Alle Rechte für sämtliche Medien und jede Art der Verbreitung, Vervielfältigung, Speicherung oder sonstigen, auch auszugsweisen, Verwertung bleiben vorbehalten.

ISBN eBook 978-3-932337-80-2

ISBN der Buchausgabe 978-3-921508-90-9

www.kristkeitz.de • www.shobogenzo.de

Inhalt

Einführungvon Gudō Wafu Nishijima

Anmerkungen zur Übertragung ins Deutschevon Ritsunen Gabriele Linnebach

1  Bendōwa 弁道話Ein Gespräch über die Praxis des Zazen

2  Makahannya haramitsu 摩訶般若波羅密Die Pāramitā der großen Weisheit

3  Genjō kōan 現成公案Das verwirklichte Universum

4  Ikka no myōju  一顆明珠Eine leuchtende Perle

5  Jū-undō shiki  重雲堂式Regeln für die Halle der schweren Wolke

6  Soku shin ze butsu  即心是仏Der Geist hier und jetzt ist Buddha

7  Senjō  洗浄Sich waschen und reinigen

8  Raihai tokuzui  礼拝得随Sich niederwerfen vor dem, der das Mark erlangt hat

9  Keisei sanshiki  谿声山色Die Stimme des Tales und die Form der Berge

10  Shoaku makusa  諸悪莫作Das Unrechte nicht tun

11  Uji  有時Die Sein-Zeit

12  Kesa kudoku  袈裟功徳Die Verdienste des Kesa

13  Den-e  伝衣Die Weitergabe des Gewandes

14  Sansui gyō  山水経Das Sūtra der Berge und Wasser

15  Busso  仏祖Buddhas und Vorfahren

16  Shisho  嗣書Das Dokument der Nachfolge

17  Hokke ten hokke  法華転法華Die Blume des Dharmas dreht die Blume des Dharmas

18  Shin fukatoku  心不可得 (前)Der Geist kann nicht erfasst werden (erste Version)

19  Shin fukatoku  心不可得 (後)Der Geist kann nicht erfasst werden (zweite Version)

20  Kokyō  古鏡Der ewige Spiegel

21  Kankin  看経Das Lesen der Sūtren

Anhang

Die chinesischen Meister

Fukan zazengi (rufubon)  普勧坐禅儀 (流布本)Allgemeine Richtlinien für Zazen

Busso  仏祖Die Buddhas und Vorfahren

Die Einrichtungen der buddhistischen Hauptklöster zur Zeit der Südlichen Song-Dynastie (1127–1279)

Bibliografie

Einführung

von Gudō Wafu Nishijima-Rōshi

1. Meister Dōgens Leben und das Shōbōgenzō

Meister Dōgen wurde nach der westlichen Zeitrechnung im Jahr 1200 in Kyōto geboren. Im Jahr 2000 feierten wir also seinen achthundertsten Geburtstag. Mit 12 Jahren trat er in das Kloster Enryaku ein, das zur Tendai-Schule gehörte. Nachdem Dōgen dort drei Jahre lang eingehend die theoretischen Grundlagen der Buddha-Lehre studiert hatte, wollte er eine stärker auf die Praxis ausgerichtete Schulung kennen lernen. Er trat daher in das Kloster Kennin ein, das von Meister Eisai geführt wurde und zur Rinzai-Schule gehörte. In der Rinzai-Schule werden bei der Praxis große Anstrengungen unternommen, um plötzlich zu erwachen. Aber Meister Dōgen befriedigte diese Praxis nicht, und so entschloss er sich, die Ursprünge der buddhistischen Praxis in China selbst zu suchen. Nach einigen Jahren vergeblicher Suche begegnete er dort schließlich seinem Meister Tendō Nyojō, der ihn die Einheit von Praxis und Erwachen lehrte. Da erkannte Dōgen den wahren und tiefen Sinn der Praxis im Buddha-Dharma. Nachdem Dōgen mit 27 Jahren nach Japan zurückgekehrt war, verbrachte er wieder einige Jahre im Kloster Kennin. Dann gründete er sein eigenes Kloster, das Kōshō-ji im südlichen Bereich von Kyōto, und begann die Praxis des Zazen und den Buddha-Dharma zu lehren. Als er 36 Jahre alt war, wurde unter seiner Leitung im Kloster Kōshō-hōrin die erste Zazen-Halle in Japan erbaut, die speziell der Zazen-Praxis diente.

Meister Dōgen lebte und lehrte im Kloster Kōshō-hōrin etwa zehn Jahre. Mit 43 Jahren verließ er Kyōto, ließ sich in der Provinz Echizen (heute Fukui) nieder und gründete ein neues Kloster, dort, wo sich das heutige Kloster Eihei befindet. Dort widmete er die folgenden zehn Jahre seines Lebens der Verbreitung der Zazen-Praxis und der Lehre des Buddha-Dharmas. Als er mit 52 Jahren krank wurde, übergab er die Leitung des Klosters seinem wichtigsten Schüler und Nachfolger Ko-un Ejō. Bald nachdem Dōgen nach Kyōto zurückgekehrt war, starb er dort im Alter von 53 Jahren.

In all diesen Jahren seiner Lehrtätigkeit hielt Meister Dōgen viele Dharma-Vorträge für Mönche, Nonnen und Laien und verfasste eine Vielzahl von Schriften. Einige davon sollen hier genannt werden: das Fukan zazengi (»Allgemeine Richtlinien für Zazen«), das Gakudō yōjinshū (»Sammlung der wesentlichen Eckpunkte für das Studium des Weges«), das Shinji shōbōgenzō (»Das Shōbōgenzō in den ursprünglichen Schriftzeichen«), Dōgens Zusammenstellung der 301 kōan in ihren ursprünglichen chinesischen Schriftzeichen, sein umfangreiches Hauptwerk, das Shōbōgenzō (»Die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges«), das Eihei shingi (»Die reinen Regeln von Eihei«), das Eihei kōroku (»Die umfassenden Aufzeichnungen von Eihei«) und andere.

Wir können das Shōbōgenzō zweifellos als die wichtigste seiner Schriften ansehen. In diesem Werk, das die Aufzeichnungen von Dōgens Dharma-Vorträgen zu den zentralen Fragen und Themen der Buddha-Lehre beinhaltet, beschreibt Meister Dōgen aufgrund seiner eigenen tiefen Erfahrung die Lehre und die Praxis des Buddha-Dharmas im großen Zusammenhang und in allen wesentlichen Einzelheiten, sodass wir durch das Studium des Shōbōgenzō eine sehr genaue Kenntnis von Dōgens authentischer buddhistischer Welt erhalten. Und hier liegt aus meiner Sicht der große Wert des Shōbōgenzō, denn gerade in der Gegenwart ist Buddhas Lehre im Begriff, für den Westen immer wichtiger zu werden. Viele Menschen sind auf der spirituellen Suche und fragen nach dem Sinn des Lebens. Im Shōbōgenzō eröffnet sich diesen Menschen eine authentische Quelle der Lehre und der Praxis des Buddha-Dharmas von unschätzbarem Wert. Dies ist besonders wichtig, weil unter dem Thema »Buddhismus« manches verbreitet wird, was mit der wahren Lehre und Erfahrung Buddhas nicht immer übereinstimmt. Im Zeitalter der Massenmedien, des Internets und der zunehmenden globalen Kommunikation gibt es selbst ernannte Lehrer, die eigentlich keine Buddhisten sind und eher Verwirrung als Klarheit stiften. So kann es für den wahrhaft Suchenden Irrwege und Sackgassen geben, wenn er verschiedenen angeblich buddhistischen Schulen folgt. Ich empfehle diesen Menschen, das Shōbōgenzō von Meister Dōgen zu studieren; Dōgen ist aktuell wie eh und je – vielleicht ist jetzt erst die Zeit in Asien und im Westen gekommen, in der seine tiefe Erfahrung und Erkenntnis des Buddha-Dharmas in breiteren Kreisen auf fruchtbaren Boden fällt. Wer das Shōbōgenzō studiert, erspart sich Irrwege, denn er studiert eine authentische buddhistische Quelle. In diesem Sinn denke ich, dass wir den wahren Sinn und Wert des Buddha-Dharmas verstehen werden, wenn wir ein so wertvolles Quellenwerk wie das Shōbōgenzō genau lesen.

2. Der Ursprung des Wortes Shōbōgenzō

Die chinesischen Schriftzeichen »Shōbōgenzō« finden sich zum ersten Mal in einem chinesischen Sūtra, dem Daibonten ō monbutsu ketsugi kyō (»Das Sūtra der Fragen und Antworten zwischen Mahābrahman und dem Buddha«). Im Kapitel 68 des Shōbōgenzō, Udonge (»Die Uḍumbara-Blüte«), zitiert Meister Dōgen den folgenden Satz aus diesem Sūtra:

»Vor einer Versammlung von Tausenden Anwesenden auf dem Geiergipfel hielt der Weltgeehrte eine Uḍumbara-Blüte empor und bewegte sie [wortlos] mit seinen Fingern. Daraufhin lächelte Mahākāśyapa. Der Weltgeehrte sagte: ›Ich besitze die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges und den wunderbaren Geist des Nirvāṇas. Ich übertrage sie Mahākāśyapa.‹«

In diesem Zitat werden die Schriftzeichen Shōbōgenzō mit »die Schatzkammer des wahren Dharma-Auges« übersetzt. In China und in Japan wird angenommen, dass Gautama Buddha in dieser Geschichte die Praxis des Zazen und den reinen Geist des Nirvāṇas an seinen Schüler Mahākāśyapa weitergegeben hat. Und so können wir davon ausgehen, dass »Shōbōgenzō« die Praxis des Zazen bedeutet und dass auch Meister Dōgen selbst den uns von Buddha überlieferten Begriff in dieser Geschichte als die Praxis des Zazen verstanden hat.

3. Die Bedeutung des Wortes Shōbōgenzō

»Shōbōgenzō« setzt sich aus 4 Schriftzeichen zusammen: Shō bedeutet »richtig« oder »wahr«, hō (hier ›bō‹ gelesen) bedeutet »Dharma« oder »die kosmische Ordnung«, gen bedeutet »das Auge« oder »der wesentliche Kern«, und zō ist ein »Speicher« bzw. eine Kammer, in der kostbare Schätze aufbewahrt werden. Shōbōgenzō steht also für eine Schatzkammer, in der das Kostbarste des wahren Dharmas oder der Kern der Lehre Gautama Buddhas aufbewahrt wird.

In diesem Zusammenhang dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass aus Meister Dōgens Verständnis des Buddha-Dharmas die Praxis des Zazen das Herzstück der Lehren Gautama Buddhas ist. Ich glaube, dass diese Bedeutung von »Shōbōgenzō« für diejenigen von großer Wichtigkeit ist, die bislang Schwierigkeiten hatten, dieses sicher nicht einfache Werk zu verstehen. Wenn man die Erfahrung der Zazen-Praxis selbst gemacht hat, ist es wesentlich einfacher, das Shōbōgenzō zu studieren und Stück für Stück zu verstehen.

Zazen ist also für das Verständnis des Shōbōgenzō von großer Bedeutung, denn Gautama Buddha verwirklichte die Wahrheit eben durch die Praxis des Zazen. Er gab diese Praxis an den ersten Vorfahren in Indien, Meister Mahākāśyapa, weiter, und sie wurde dann in einer ununterbrochenen Kette von einem indischen Vorfahren an den nächsten weitergegeben, bis sie den 28. Vorfahren Bodhidharma erreichte. Dieser reiste nach China und brachte die Praxis des Zazen dem chinesischen Volk. Im 13. Jahrhundert reiste dann Meister Dōgen nach China und lernte dort den wahren und tiefen Sinn dieser Praxis von seinem Meister Tendō Nyojō. Es gibt keinen Zweifel daran, dass Meister Dōgen sich im Shōbōgenzō immer wieder auf diese Linie der Zazen praktizierenden Buddhas und Vorfahren beruft. Wir sollten Meister Dōgens wirkliche Absicht beim Shōbōgenzō im Bewusstsein behalten, wenn wir den wahren Sinn dieses Werkes verstehen wollen.

4. Zazen in Meister Dōgens Lehre

Die Praxis des Zazen wird im Shōbōgenzō durch die vier charakterisierenden Leitsätze dargestellt: Hishiryō, Shōshin tanza, Shinjin datsuraku und Shikantaza.

Hishiryō: Hi bedeutet »nicht« und shiryō »Denken« oder »Bewusstsein«. So bedeutet hishiryō »nicht [wie das gewöhnliche] Denken« oder »jenseits unseres persönlichen subjektiven Bewusstseins«. Durch seine tiefe Erfahrung des Zazen hatte Meister Dōgen erfahren, dass wir beim Zazen nicht denken, sondern etwas tun, nämlich »sitzen«. Beim Zazen sind Denken und Tun völlig eins. Es ist der natürliche Zustand der Einheit von Körper und Geist. Wir können davon ausgehen, dass der Kern des Buddha-Dharmas darin besteht, das zu tun, was richtig und heilsam ist, und das nicht zu tun, was falsch und nicht heilsam ist. Und in Meister Dōgens Lehre ist Zazen einfach das Musterbeispiel eines Tuns, in dem der Praktizierende die Einheit des Seins in seiner reinsten Form jenseits des ich-bezogenen Denkens und Fühlens erfahren kann. Und so weist Meister Dōgen immer wieder darauf hin, dass die Praxis des Zazen eine andere, wesentlich realere Form der Erkenntnis ist, die mit dem gewöhnlichen Denken nicht erfasst werden kann. Dōgen schreibt im Kapitel 1, Bendōwa (»Ein Gespräch über die Praxis des Zazen«), hierzu:

»Denkt daran, dass selbst wenn die zahllosen Buddhas der zehn Richtungen, unzählig wie die Sandkörner des Ganges, mit all ihrer Kraft und Buddha-Weisheit versuchen wollten, das Verdienst des Zazen eines Menschen zu ermessen, dies nicht einmal annähernd möglich wäre.«

Shōshin tanza: Shō bedeutet »richtig«, shin »Körper«. Tan bedeutet »regelmäßig« und za »sitzen«. Shōshin tanza bedeutet also »das regelmäßige Sitzen in Zazen in der richtigen Körperhaltung«. Auch diese Aussage weist darauf hin, dass Zazen nicht das gewöhnliche Denken, sondern ein Tun ist, das wir mit dem eigenen Körper ausführen.

Shinjin datsuraku: Shin bedeutet »Körper«, jin »Geist«. Datsu bedeutet »sich befreien« und raku »fallen lassen«. So bedeutet shinjin datsuraku »sich von Körper und Geist befreien« oder »das Fallenlassen von Körper und Geist«. Um diesen Leitsatz zu verstehen, müssen wir uns zunächst mit der physischen Wirklichkeit des Zazen beschäftigen, und zwar mit der Funktionsweise des vegetativen Nervensystems. Dieses ist das Nervensystem, das vielfältige Vorgänge in unserem Körper steuert, die nicht von unserem Willen abhängen. Obwohl sich der moderne Mensch vorrangig mit willentlichen und beherrschbaren Vorgängen befasst und die nicht vom Willen steuerbaren Prozesse des Körpers mehr oder weniger ignoriert, spielt das vegetative Nervensystem eine bedeutende Rolle im menschlichen Leben und Handeln. Es steht in enger Wechselwirkung mit der Verfassung von Körper und Geist beim Zazen.

Das vegetative Nervensystem basiert auf der Wechselwirkung zweier antagonistischer Teilsysteme, dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Der Sympathikus sorgt für Spannung und Energiesteigerung und der Parasympathikus für Entspannung. Wenn die Funktion des Sympathikus stärker ist als die des Parasympathikus, werden die Denkprozesse im Bewusstsein aktiviert. Wenn umgekehrt die Funktion des Parasympathikus stärker ist als die des Sympathikus, tritt die Wahrnehmung der Sinne in den Vordergrund und wir haben ein starkes Empfinden unseres Körpers. Wenn diese beiden Teilsysteme des vegetativen Nervensystems im Gleichgewicht sind, hebt sich ihre Wirkung auf, das heißt, Denken und Wahrnehmen werden zunehmend schwächer oder verschwinden. In diesem Augenblick ist das Gleichgewicht aller physischen, psychischen und geistigen Funktionen erreicht, und diese Verfassung von Körper und Geist wird shinjin datsuraku genannt. So bedeutet shinjin datsuraku »das Fallenlassen von Körper und Geist«, das heißt, die Befreiung von dem gewöhnlichen Bewusstsein von Körper und Geist. Weil wir nicht mehr am Körper hängen und alle Gedanken aufgegeben haben, können wir in diesem körperlichen Sitzen-in-Zazen das Leben in seiner reinsten Form erfahren.

Shikantaza: Shikan bedeutet »nur«, ta bedeutet wörtlich »schlagen«, das heißt, »etwas tun«, und za »sitzen«, so bedeutet shikantaza also »nichts anderes tun als sitzen«. In dieser körperlichen Handlung des Sitzens ohne etwas zu erwarten liegt der wesentliche Ursprung und das Zentrum der buddhistischen Lehre. Dies ist der Grund, warum Meister Dōgen in jedem Kapitel des Shōbōgenzō von dem unschätzbaren Wert der Zazen-Praxis spricht. Wir können also mit Recht annehmen, dass es ohne Zazen keinen Buddha-Dharma gibt, und dass dieses Zazen selbst zu praktizieren der beste Weg ist, den Buddha-Dharma selbst zu erfahren.

5. Was hat Gautama Buddha verwirklicht?

Im Kapitel 9 des Shōbōgenzō, Keisei sanshiki (»Die Stimme des Tales und die Form der Berge«), beschreibt Meister Dōgen Gautama Buddhas Verwirklichung der Wahrheit mit den Worten: »Die ganze Erde und alle Lebewesen verwirklichen zusammen die Wahrheit.« Wir können diesen Satz so verstehen, dass Gautama Buddha, als er zur Wahrheit erwachte, mit seinem Körper und Geist zugleich erkannte, dass die Erde und alle Lebewesen auf dieser Erde nichts als die ganze und ungeteilte Wahrheit selbst sind. Wir müssen uns also fragen, warum es so wichtig ist, das zu erkennen, was ist.

Wenn wir über die Bedeutung dieser Aussage nachdenken, könnten wir denken, dass damit gemeint sei, dass Gautama Buddha die Erleuchtung erlangt hat. Aber was ist Erleuchtung? Viele Menschen verwenden zwar den Begriff »Erleuchtung«, aber wissen nicht genau, was dies in der wirklichen Erfahrung bedeutet. In der Tat kann die Idee der »Erleuchtung« zu Missverständnissen führen und Verwirrung bei den Menschen hervorrufen, die den Buddha-Dharma suchen. Es ist sogar möglich, dass durch diesen Begriff die wahre Buddha-Lehre verdeckt oder gar verfälscht wird.

Gautama Buddha kam zu der Überzeugung, dass die Berge und Flüsse, die Erde, Gräser und Bäume die Wirklichkeit selbst sind. Ich denke, dass manche Menschen es vielleicht etwas merkwürdig finden werden, wenn sie dieses lesen. Es ist höchst selten, jemanden zu finden, der sagt, dass diese Welt, so wie ist, die Wahrheit darstellt. Die meisten Menschen haben sich seit Jahrhunderten daran gewöhnt zu glauben, dass nur hervorragende Ideen und Philosophien diese Welt erklären können. Andere Menschen wiederum denken, dass die außerordentlichen Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung die Wahrheit sind. Wir wollen uns daher eingehend damit befassen, warum Gautama Buddha sagt, dass diese Welt die Wahrheit ist.

6. Wie erkannte Gautama Buddha, dass diese Welt die Wahrheit ist?

Seit es Menschen gibt, haben sie nach der Wahrheit gesucht. In der heutigen Zeit gibt es zwei grundlegende Arten der Wahrheitssuche. Ich möchte sie vereinfachend als den idealistischen und den materialistischen Ansatz bezeichnen. Der idealistische Ansatz versucht diese Welt vornehmlich durch abstraktes Denken, das heißt, durch Logik und Vernunft zu verstehen. Der materialistische Ansatz versucht die Welt durch beweiskräftige Experimente zu erkennen und geht von der wahrnehmbaren materiellen Welt aus.

Eines der Hauptmerkmale des Menschen ist, dass sein Gehirn verhältnismäßig groß ist, wenn man es mit den Tieren vergleicht. Der Mensch verfügt über außergewöhnliche analytische Fähigkeiten und hat deshalb viele hervorragende Philosophien hervorgebracht. Manche Menschen neigen dazu, die wirkliche Welt, in der sie leben, mit ihren Ideen über die Welt zu verwechseln. Sie glauben dann, dass die Gedanken, Begriffe und Ideen, mit denen sie die Welt erklären, die Wirklichkeit selbst seien, und dass es keine andere Wirklichkeit als die ihres eigenen Denkens gäbe. Aus dieser Sicht kann demnach die physische Welt niemals die Wahrheit sein. Ein solches Denken möchte ich daher als die idealistische Form der Wahrheitssuche bezeichnen.

Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die demgegenüber diese Welt mit anderen Augen sehen. Sie glauben, dass wir die Wirklichkeit nur durch unsere Sinne wahrnehmen können, und dass das, was der menschliche Geist ersinnt, nicht das sein kann, was ist. In unserem gegenwärtigen Zeitalter hat diese Weltanschauung eine sehr starke Anziehungskraft erlangt. Sie ist die Grundlage der empirisch-analytischen Methoden der modernen Naturwissenschaften. Da wir mit unseren Sinnen im Allgemeinen aber nur die materielle Seite der Welt wahrnehmen, möchte ich diesen Ansatz als die materialistische Form der Wahrheitssuche bezeichnen, bei der unsere Wahrnehmung und deren Interpretation allein als die Wahrheit angenommen wird.

Interessanterweise gab es diese beiden Interpretationen der Wirklichkeit schon zu Lebzeiten Buddhas. Seit dem 13. oder 12. Jahrhundert v. u. Z. verbreitete sich im alten Indien eine Religion, die Brahmanismus genannt wurde. Die Brahmanen verehrten Brahman als den Schöpfergott und sagten, dass die Menschen diesem Gott, der die absolute Wahrheit sei, ähneln. Sie hielten die Menschen dazu an, ihren Geist zu reinigen und sich mit Brahman zu vereinen. In diesem Sinn können wir den Brahmanismus als eine sehr geistig-spirituell ausgerichtete Religion bezeichnen, die zur idealistischen Form der Erkenntnis gehört.

Zur selben Zeit gab es in Indien aber auch eine Reihe von Denkern, die der wahrnehmbaren Welt zugewandt waren und die alles, was über die sichtbare Welt hinausgeht, als Hirngespinst ansahen. Unter diesen waren insbesondere sechs Denker sehr berühmt, und so nannte man sie die »sechs Häretiker«. Vier von ihnen waren reine Materialisten und zwei waren Skeptiker. Sie leugneten die Existenz des Geistes und sagten: Was nicht sinnlich erfassbar ist, ist nicht existent. Recht und Unrecht existieren dabei ebenso wenig wie gute oder böse Taten. Sie verneinten die Existenz von Ethik und Moral und bezweifelten deren Wert.

Gautama Buddha sah sich also wenigstens zwei widersprüchlichen Interpretationen der Welt gegenüber, und er wollte einen Weg aus diesem Dilemma finden. Nachdem er viele Jahre damit verbracht hatte, dieses Problem durch intensive Meditation und genaue Beobachtung der physischen Welt zu erforschen, fand er heraus, dass er selbst weder in der Welt der Ideen noch in der Welt der Sinne lebte, sondern in der sich ständig verändernden Wirklichkeit des bloßen Seins. Für diejenigen, die sich wahrhaft mit dem Buddha-Dharma befassen wollen, ist es wichtig, diese existenzielle Erfahrung Buddhas zu begreifen.

Obwohl alle Menschen heute wie vor 2.500 Jahren in dieser Wirklichkeit leben, neigen manche zu sehr dazu, in der Welt ihrer gedachten Ideen zu leben, während andere sich von ihren Sinneseindrücken täuschen lassen. Gautama Buddha sah es als seine große Aufgabe an, den Menschen zu lehren, dass sie Augenblick für Augenblick in der Wirklichkeit selbst leben.

7. Eine Methode, das wirkliche Leben direkt zu erfahren

Aufgrund seiner eigenen meditativen Erfahrung lehrte Gautama Buddha seine Schüler, regelmäßig Zazen zu üben. Wenn wir mit gekreuzten Beinen und aufrechter Wirbelsäule auf dem Kissen sitzen, beeinflusst diese Körperhaltung direkt die Funktionsweise des vegetativen Nervensystems, was die Voraussetzung dafür ist, dass die beiden Teilsysteme Sympathikus und Parasympathikus sich automatisch ausbalancieren können. Das vegetative Nervensystem befindet sich dann in dem neutralen Bereich in der Mitte zwischen Plus und Minus. In diesem natürlichen Gleichgewicht der Mitte verlieren Gedanken und Wahrnehmung ihre Wichtigkeit und verschwinden langsam. Wir können dann mit großer Klarheit sehen, dass wir wirklich weder im Bereich der Gedanken noch im Bereich der Wahrnehmung und der Sinne leben. Dies ist das Erwachen zur Wirklichkeit.

Wenn Meister Dōgen vom »Fallenlassen von Körper und Geist« spricht, will er damit ausdrücken, dass wir bei ausgeglichenem vegetativen Nervensystem das normale dualistische Bewusstsein von Körper und Geist überschreiten und das Leben ganzheitlich und unmittelbar intuitiv erfahren. Dies ist nichts anderes als Tun und Handeln. Dieses Handeln aus dem reinen Sein ist kein theoretisches Wissen, sondern eine konkrete Erfahrung. Mit anderen Worten, wir erfahren es, weil wir es tun. Dieses Erfahren im Tun nennen wir im Buddha-Dharma die wirkliche Welt oder die Erfahrung der Wirklichkeit. Deshalb können wir sagen, dass wir beim Zazen direkt in dieses wirkliche Leben hineingehen. Und wenn wir diese konkrete Erfahrung jeden Tag wiederholen, ist es möglich, den Buddha-Dharma vollkommen zu verwirklichen.

8. Die Wirklichkeit in vier Dimensionen

Gautama Buddha wusste, dass es unmöglich ist, zu dieser komplexen und sich ständig wandelnden Wirklichkeit vorzudringen, wenn man nur eine ihrer Dimensionen aufzeigt. Alle Dimensionen der Wirklichkeit durchdringen sich gegenseitig und wirken aufeinander ein. Und weil der Buddha-Dharma, so wie die Landkarte eines Landes nicht das Land selbst ist, kein spekulatives Denken über die Wirklichkeit ist, sondern die Wirklichkeit selbst, lehrte der Buddha die Methode der vier Dimensionen, durch die man den Dharma als Wirklichkeit verstehen und erfahren lernt. Dieselbe Aufgabe stellte sich Meister Dōgen im 13. Jahrhundert. Dōgen hat diese vier Dimensionen, die die innere Logik der buddhistischen Lehre darstellen, vollkommen geklärt, und so bilden sie die Grundstruktur aller seiner Darlegungen im Shōbōgenzō. In einem der wichtigsten Teile des Shōbōgenzō, dem Kapitel 3, Genjō kōan (»Das verwirklichte Universum«), finden wir sie zusammengefasst in den ersten vier Sätzen wieder. Dōgen sagt:

»Wenn [wir] alle Erscheinungen [Dharmas] als den Buddha-Dharma [denken], gibt es Täuschung und Erwachen, Praxis, Leben und Tod, Buddhas und Lebewesen.

Wenn jedes der zehntausend Dinge [Dharmas] nicht das Selbst ist, gibt es keine Täuschung und kein Erwachen, keine Buddhas und keine Lebewesen, kein Leben und keinen Tod.

Der Buddha-Weg ist von Anbeginn jenseits von Überfluss und Mangel, und deshalb gibt es [Augenblick für Augenblick] Leben und Tod, Täuschung und Erwachen, Lebewesen und Buddhas.

Selbst wenn dies alles so ist, fallen die Blüten, obwohl wir es bedauern, und wächst das Unkraut, obwohl es uns nicht gefällt.«

Diese vier Sätze beschreiben die vier Dimensionen der Wirklichkeit, die wichtig sind, um die Lehre und Praxis des Buddha-Dharmas zu erfassen.

Der erste Satz, »wenn wir alle Erscheinungen [Dharmas] als den Buddha-Dharma [denken]…«, bedeutet, dass viele begriffliche Unterscheidungen entstehen, wenn diese Welt aus der Perspektive des Subjekts, das über die Welt nachdenkt, gesehen wird. Dann gibt es Unterscheidungen wie zwischen Täuschung und Erwachen, zwischen dem Zustand, wenn wir praktizieren, und dem, wenn wir nicht praktizieren, zwischen Leben und Tod, Buddhas und gewöhnlichen Menschen. Dies ist die subjektive idealistische Dimension des Buddha-Dharmas. Ein über der physischen Welt schwebendes Subjekt versucht eine Art mentaler Landkarte oder Skizze davon anzufertigen, was die Wirklichkeit ist. Fast alle Zweige der Philosophie (wie wir sie im Westen verstehen) benutzen diese Methode. Die Landkarte ist zwar notwendig, um überhaupt einen Zugang zur Wirklichkeit zu finden und sich ihr zu nähern, aber sie ist nicht das wirkliche Territorium.

Der zweite Satz, »wenn jedes der zehntausend Dinge [Dharmas] nicht das Selbst ist…«, beschreibt eine andere Dimension des Buddha-Dharmas. Hier nimmt sich ein objektiv glaubendes Subjekt die Wirklichkeit als Gegenstand seiner Forschungen. Aus dieser Perspektive besteht die Welt nur aus unbelebter Materie und objektiven Tatsachen, die losgelöst von subjektiven Wertvorstellungen existieren. Es ist der Standpunkt der Wissenschaften und die konkrete physische Dimension des Buddha-Dharmas. Auf den ersten Blick scheint das mechanistische Weltbild die Wirklichkeit »objektiver« zu erfassen als das idealistische, aber in Wirklichkeit hängt die Existenz der physischen Welt ebenfalls von einem Subjekt ab, das sie wahrnimmt und deutet. So basiert diese Dimension auch auf der Trennung von Subjekt und Objekt, selbst wenn der Wahrnehmende keinen Unterschied zwischen Täuschung und Erwachen, zwischen Buddhas und gewöhnlichen Menschen, zwischen Leben und Tod macht. Dies ist die objektive materialistische Dimension des Buddha-Dharmas.

Der dritte Satz, »der Buddha-Weg ist von Anbeginn jenseits von Überfluss und Mangel…«, sagt aus, dass der Buddha-Weg etwas ganz anderes ist als die obigen beiden Dimensionen des Idealismus und des Materialismus. Aber können wir uns überhaupt eine Darstellung des Seins vorstellen, die nicht zum Bereich des intellektuellen Subjektivismus oder des sensorischen Objektivismus gehört? Nein! Eben weil Meister Dōgen erkannte, dass der Buddha-Dharma eine Wahrheit aufzeigt, die über alle subjektivistischen und objektivistischen Denkmodelle hinausgeht, basieren seine Darlegungen des Dharmas im Shōbōgenzō auf dieser Methode der vier Dimensionen. Im ersten Satz stellt Dōgen die subjektivistische und im zweiten Satz die objektivistische Dimension dar, die beide auf der Trennung von Subjekt und Objekt beruhen. Im dritten Satz zeigt er auf, dass die Buddha-Wahrheit eine Dimension hat, die über die Gegensätze der subjektivistischen und der objektivistischen Sichtweise hinausgeht, weil sie das Leben so darstellt, wie es im gegenwärtigen Augenblick gerade ist. Diese Dimension beruht auf dem direkten Handeln im Hier und Jetzt. Sie basiert auf der Tatsache, dass, wenn wir vollkommen im gegenwärtigen Augenblick handeln, wir Teil einer nahtlosen Ganzheit sind, die wir begrifflich die Wirklichkeit oder den Dharma nennen. Das Handeln ist der Schnittpunkt, wo sich das Ich (als Subjekt) und die Welt (als Objekt) berühren. Die Wahrheit ist für Meister Dōgen kein Suchen nach etwas Jenseitigem, sondern sie verwirklicht sich in jedem Augenblick im Handeln selbst. Und so können wir sagen, dass der Buddha-Dharma nicht intellektuell, sondern pragmatisch und realistisch vorgeht, und sich damit grundlegend vom Idealismus und vom Materialismus unterscheidet.

Selbst wenn der Buddha-Dharma diese pragmatisch-realistische Dimension hat, ist diese dritte Dimension allerdings auch nur eine Erklärung und damit nicht die Wirklichkeit selbst. Aus diesem Grund beschreibt Dōgen diese Wirklichkeit im vierten Satz in übertragener Form. Er sagt: »Selbst wenn dies alles so ist, fallen die Blüten, obwohl wir es bedauern, und wächst das Unkraut, obwohl es uns nicht gefällt.« Dies ist eine Darstellung der wahren Natur der Wirklichkeit, so wie sie ist, nämlich unabhängig von den Wünschen, Hoffnungen, Ängsten und Erwartungen der Menschen.

Ich bin der Überzeugung, dass die vier Wahrheiten, die Gautama Buddha lehrte, identisch sind mit den vier Dimensionen der Wirklichkeit, die Meister Dōgen in diesen vier Sätzen und in allen Kapiteln des Shōbōgenzō darstellt. Meister Dōgen verwendet das idealistische Wertesystem und die materialistische Objektivität als eine Brücke, die man überschreiten muss, um zur wahren Natur der Wirklichkeit vorzudringen. Der gewöhnliche Mensch sieht die Wirklichkeit nur gefiltert und verzerrt durch die Raster seines eigenen Denkens und seiner Sinnesorgane.

9. Das Vertrauen in Ursache und Wirkung

Die vier Dimensionen sind also nur sinnvolle Hilfsmittel, um eine nicht-begriffliche Wirklichkeit begrifflich zu erfassen, und so gehören sie zunächst zum Subjektivismus der ersten Dimension. Nun müssen wir uns aber der zweiten Dimension zuwenden, die sich mit der objektiven Welt befasst. Im Shōbōgenzō gibt es viele Kapitel, die die physische Welt zum Inhalt haben, wie zum Beispiel das Kapitel 3, Genjō kōan (»Das verwirklichte Universum«), das Kapitel 4, Ikka no myōju (»Eine leuchtende Perle«), oder das Kapitel 9, Keisei sanshiki (»Die Stimme des Tales und die Form der Berge«).

Daraus können wir schließen, dass der Dharma in Meister Dōgens Lehre auch die physische Welt umfasst, in der die Gesetze der Natur und der Physik gelten. In der heutigen Zeit hat der Mensch so viel und so ausgezeichnetes Wissen vom physischen Universum erworben und festgestellt, dass in dieser Welt das Gesetz von Ursache und Wirkung gilt. In diesem Sinn scheint die Buddha-Lehre mit der modernen wissenschaftlichen Forschung übereinzustimmen.

Meister Dōgen glaubte an diese Gesetzmäßigkeit, und zwar auch im ethischen Sinn, denn im Kapitel 89 des Shōbōgenzō, Shinjin inga (»Tiefes Vertrauen in Ursache und Wirkung«), betont Dōgen nachdrücklich:

»Im Allgemeinen ist die Wahrheit von Ursache und Wirkung in lebendiger Weise offensichtlich; sie ist keine persönliche Angelegenheit: Diejenigen, die Unrechtes tun, fallen, und diejenigen, die das Rechte tun, erheben sich – dies gilt ohne auch nur ein Tausendstel oder ein Hundertstel an Abweichung. Würden Ursache und Wirkung verschwinden und substanzlos werden, könnten die Buddhas nicht in dieser Welt erscheinen, und unser Vorfahre [Meister Bodhidharma] hätte nicht aus dem Westen kommen können. Letztlich wäre es unmöglich für die Lebewesen, Buddha zu begegnen und den Dharma zu hören.«

10. Handeln im Hier und Jetzt

Wenn wir auf das Gesetz von Ursache und Wirkung vertrauen, entsteht ein schwerwiegendes philosophisches Problem, nämlich der Widerspruch zwischen dem Determinismus, bei dem alles festgelegt ist, und der menschlichen Freiheit.

Wenn wir sagen, dass alle Dinge und Phänomene in dieser Welt unter das Gesetz von Ursache und Wirkung fallen, dann ist alles vorherbestimmt. Denn wenn die Gegenwart durch die Vergangenheit und die Zukunft durch die Gegenwart gemäß Ursache und Wirkung festgelegt ist, dann sind alle Dinge und Phänomene bereits durch die Vergangenheit bestimmt. Aber wenn alles von der Vergangenheit determiniert ist, gibt es für die Menschen keine Möglichkeit, frei zu sein und frei zu entscheiden. Das Gesetz von Ursache und Wirkung schließt dann die Idee der menschlichen Freiheit aus. Und wenn wir dem Menschen keine Freiheit zubilligen, müssen wir ihm auch die Freiheit nehmen, richtig oder falsch zu handeln. Ohne die menschliche Freiheit gibt es nämlich keine Ethik und keine Moral.

Wenn wir im Buddhismus das Gesetz von Ursache und Wirkung anerkennen, müssen wir fragen, ob es im Buddha-Dharma eine Ethik gibt oder nicht. Dass nach Buddhas Lehre das moralische Handeln überaus wichtig ist, steht jedoch außer Zweifel und geht schon aus der Tatsache hervor, dass die Einhaltung der Gebote als der erste und wesentliche Schritt auf dem Buddha-Weg gesehen wird. Wenn wir also den Buddha-Dharma einerseits als Wahrheit annehmen wollen, müssen wir den offensichtlichen Widerspruch zwischen dem Gesetz von Ursache und Wirkung und der menschlichen Freiheit andererseits lösen.

Wie schon oben dargelegt, nimmt der Buddha eine pragmatisch-realistische Haltung ein, die das konkrete Handeln im gegenwärtigen Augenblick bzw. die Wirklichkeit selbst in den Vordergrund stellt, und nicht das Denken oder die Sinne. Deshalb müssen wir alle philosophischen Probleme im Dharma auf der Basis unseres wirklichen Lebens, das heißt, des konkreten Tun und Handelns angehen. Die buddhistische Ethik geht vom aktiv moralisch handelnden Menschen aus.

Wenn wir analysieren, was Tun und Handeln im Buddha-Dharma bedeutet, ist es wesentlich, dass der Ausdruck »Tun und Handeln« nicht nur ein Begriff, sondern der wirkliche Vorgang des Handelns selbst ist. Und der wirkliche Vorgang des Handelns selbst ist im Buddha-Dharma etwas völlig anderes als nur der Begriff des Handelns.

Wenn wir beispielsweise falsch gehandelt haben, können wir niemals zur Vergangenheit zurückkehren und unser Verhalten dort korrigieren, selbst wenn es uns Leid tut. Es ist also unmöglich, in der Vergangenheit zu leben. Und unsere Träume für die Zukunft können so lange nicht realisiert werden, bis sie Gegenwart sind. Wir können also weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft leben. Und so müssen wir uns darüber klar sein, dass die einzige Zeit, in der wir wirklich handeln können, die des gegenwärtigen Augenblicks ist. Aber dieser gegenwärtige Augenblick ist von so kurzer Dauer, dass wir tatsächlich nur in einem winzigen Bruchteil eines Augenblicks leben und handeln können. Deshalb lehrte der Buddha, dass unser Leben nicht in Form einer Linie verläuft, die von der Vergangenheit zur Gegenwart und dann in die Zukunft reicht, sondern dass wir immer nur in der momentanen Situation des gegenwärtigen Augenblicks leben und handeln. Und ich denke, dass diese Erkenntnis ganz wesentlich in der buddhistischen Lehre ist.

Deshalb schreibt Meister Dōgen im Kapitel 70 des Shōbōgenzō, Hotsu bodaishin (»Das Erwachen zum Bodhi-Geist«):

»Wer den Buddha-Dharma nicht kennt und dem Buddha-Dharma nicht vertraut, vertraut auch nicht auf die Grundwahrheit des augenblicklichen Entstehens und Vergehens aller Dinge und Phänomene. Wer den Schatz des wahren Dharma-Auges des Tathāgata und den wunderbaren Geist des Nirvāṇas geklärt hat, vertraut der Wahrheit des augenblicklichen Entstehens und Vergehens aller Dinge und Phänomene. Jetzt, wo wir der Lehre des Tathāgata begegnen, fühlen wir zwar, dass wir klar verstehen, aber wir können lediglich die Zeit eines Tatkṣaṇas [von einhundertzwanzig Augenblicken] oder länger wahrnehmen, und so vertrauen wir darauf, dass diese Lehre grundsätzlich wahr ist. Unser Unvermögen alle Dharmas zu klären, die der Weltgeehrte gelehrt hat, ist dasselbe wie unser Unvermögen, die Dauer eines Augenblicks zu kennen. Deshalb sollten [Buddhas] Schüler niemals aus Nachlässigkeit überheblich sein.«

Diese Worte sagen klar aus, dass alles in dieser Welt nur in einem Augenblick auftritt und dann gleich wieder vergeht. Ich denke, dass dieser Gedanke uns heute zunächst eigenartig vorkommt. Gautama Buddha hat ihn vor 2.500 Jahren im alten Indien entwickelt, und einige Buddhisten haben ihn tausend Jahre lang bewahrt und an uns weitergegeben. Ich denke, dass dieser Ansatz sehr wichtig ist und sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts wieder auf diesem Globus verbreiten wird.

Nach meiner Ansicht hat der Materialismus am Ende des 19. Jahrhunderts seinen Höhepunkt erreicht. Der moderne Mensch hat den Glauben an Gott verloren, und er wird sich zunehmend der Trennung bewusst, die unsere moderne Zivilisation zwischen Geist und Körper sowie zwischen Intellekt und Natur entwickelt hat. Der Existenzialismus bemüht sich beispielsweise darum, eine Philosophie der Existenz im gegenwärtigen Augenblick aufzubauen, in der Geist und Körper eine Synthese eingehen. Ein anderes Beispiel ist die Philosophie der Phänomenologie, die in ihren Bemühungen, Geist und Körper zu vereinen, die Phänomene als Verbindung zwischen Geist und Körper setzt. Diltheys Philosophie des Lebens sieht das Leben als Vermittler zwischen Geist und Körper. Bei Whitehead ist der Vermittler die aktuelle Wesenheit oder das Ereignis, und bei Wittgenstein ist die Sprache der Vermittler. Wenn man diese Richtungen der Philosophie des 20. Jahrhunderts betrachtet, wird meines Erachtens deutlich, dass die Menschen nach einer Lösung für das Problem der Trennung von Geist und Körper suchen. Der Buddha-Dharma beruht dabei von jeher auf der gelebten Einheit von Körper und Geist im konkreten Handeln und könnte damit einen wichtigen Beitrag zur Lösung dieses Problems leisten.

Wir können einige Prinzipien aufstellen, die das Wesentliche des wirklichen Handelns im Hier und Jetzt sind:

1. Wirkliches Handeln ist eine völlig andere Dimension als das begriffliche Denken und Wahrnehmen.

2. Wirkliches Handeln wird hier und jetzt vollzogen.

3. Im wirklichen Handeln sind Körper und Geist, Subjekt und Objekt eine Einheit.

4. Wirkliches Handeln geschieht immer im gegenwärtigen Augenblick, und dieser nie wiederkehrende Augenblick ist zeitlos, das heißt, er hat das Wesen der Ewigkeit.

11. Ethik im Buddhismus

Wie schon gesagt, wird im Buddha-Dharma die Wichtigkeit des alltäglichen Handelns in unserem Leben besonders betont, aber unglücklicherweise haben die Menschen nicht immer die Stärke, um rechtzeitig und richtig zu handeln und kein Unrecht zu tun. Gautama Buddha wusste dies und schenkte uns in seiner Güte die Praxis des Zazen. Auf der Basis der täglichen Praxis des Zazen können die Menschen ihr Handeln mit dem Dharma und damit der kosmischen Ordnung in Einklang bringen. Und wenn wir unser tägliches Handeln in Harmonie mit den natürlichen Gesetzen des Dharmas vollziehen, nennen wir dies das moralische Handeln. Deswegen ist Buddhas Lehre so tief in der natürlichen und nicht in der vom Menschen gesetzten Ethik verankert. Aus diesem Grund schätzen wir den Wert der Gebote so hoch ein.

Zazen ist die reinste Form einer Handlung. Beim Zazen halten wir physisch unsere Wirbelsäule aufrecht. In dieser Haltung kommt das vegetative Nervensystem, nämlich der Sympathikus und der Parasympathikus, automatisch ins Gleichgewicht. Dieses Gleichgewicht ist ein ausgeglichener und harmonischer Zustand und wird Gesundheit genannt. Das Gleichgewicht aller physischen, psychischen und geistigen Funktionen im Körper befähigt uns, unwillkürlich und ohne dabei zu denken in jedem Augenblick direkt das zu tun, was wir tun sollen, und das zu vermeiden, was wir nicht tun sollen. In diesem Zustand der Einheit des Seins jenseits aller dualistischen Trennung kommt die intuitive Weisheit, die in Sanskrit Prajñā heißt, zum Vorschein, die alle Menschen von Natur aus besitzen.

Wenn wir die Praxis des Zazen zum wesentlichen Bestandteil unseres Lebens machen und unser Handeln in jedem Augenblick daraus hervorgeht, ist es möglich, alle Probleme in der Welt zu lösen. Dies ist Meister Dōgens Botschaft im Shōbōgenzō.

12. Schlusswort

Ich könnte mir vorstellen, dass viele Leser von meiner Auslegung des Shōbōgenzō, die ich hier dargestellt habe, überrascht sind und mich vielleicht kritisieren werden. Ich bin zu meiner Interpretation gekommen, nachdem ich das Shōbōgenzō und die buddhistische Lehre sechzig Jahre lang erforscht und praktiziert habe. Ich hoffe aber sehr, dass es einige Leser geben wird, die sich für diese Interpretation interessieren. Ich vertraue darauf, dass sie beim Lesen des Shōbōgenzō den wahren Sinn des Buddha-Dharmas finden werden, der teilweise durch zahlreiche Vorurteile und Missverständnisse seit 2.500 Jahren verborgen geblieben ist.

Meister Dōgens Shōbōgenzō ist nicht leicht zu verstehen, aber es ist ein authentisches buddhistisches Quellenwerk von großem Wert. Ich betrachte meine Interpretation des Shōbōgenzō als einen Schlüssel, mit dem hoffentlich viele Leser diesen Schatz besser aufschließen können. Wer auch Zazen praktiziert, wird es dabei leichter haben.

Tōkyō, im Juli 2001

Anmerkungen zur Übertragung ins Deutsche

von Ritsunen Gabriele Linnebach

Meister Dōgens Shōbōgenzō ist eine der wichtigsten und tiefgründigsten Schriften des Zen und sicher auch des gesamten Buddhismus. Zudem ist es zweifellos das philosophisch am besten begründete Werk, das je von einem Zen-Meister geschrieben wurde. Es wurde von Meister Dōgen in der Zeit von 1231 bis 1253 erarbeitet und ist die Aufzeichnung seiner tiefen Erfahrung, die er vor allem in China erlebte, und deren sprachliche Formulierung. Diese profunden und vielschichtigen Lehrreden, die Dōgen seinen Schülern – Mönchen, Nonnen und Laien – als philosophisch fundierte und konkrete Anleitungen vorgetragen hat, sind leider nach seinem Tod fast ganz in Vergessenheit geraten. Sie waren lange nur einem kleinen Kreis von Experten der Sōtō-Schule bekannt und wurden dort studiert. Erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde der unerschöpfliche Wert dieses großen Werkes wiederentdeckt. In den letzten Jahren nahm das Interesse an Dōgens Shōbōgenzō in weiten Kreisen zu, sodass wir hoffen, mit dieser Übertragung dem dringenden Bedarf nach einer verlässlichen und möglichst verständlichen Fassung nachzukommen.

Diese erste deutsche Übertragung des Shōbōgenzō aus dem japanischen Urtext in vier Bänden ist dem Zusammentreffen verschiedener glücklicher Umstände zu verdanken. Zum einen lebte ich viele Jahre in Tōkyō und begegnete dort dem hervorragenden Dōgen-Kenner Zen-Meister Gudō Wafu Nishijima, dessen Schülerin ich wurde und der mir die Dharma-Übertragung gab. Er führte mich 20 Jahre lang geduldig und einfühlsam durch die z. T. schwer verständlichen Kapitel dieses Werkes. Zum anderen konnte ich mich noch ein weiteres Jahrzehnt in dieses Werk vertiefen und mich fast ausschließlich der schwierigen Arbeit des Übertragens dieses alten japanischen Textes widmen. So war es möglich, die von mir aus dem Japanischen übertragenen Passagen und Kapitel mit Nishijima-Rōshi selbst durchzuarbeiten und offene Fragen direkt mit ihm zu klären. Ohne sein tiefes, in sechzig Jahren gewachsenes Verständnis des Werkes von Dōgen wäre dies nicht möglich gewesen.

Unser Quellentext ist die originale japanische Ausgabe des Shōbōgenzō von Dōgen, die in neuerer Zeit zum ersten Mal zwischen 1935 und 1943 im Verlagshaus Iwanami in Tōkyō erschien und heute als die »Iwanami-Ausgabe« bezeichnet wird. Diese Ausgabe enthält in drei Bänden die 95 Kapitel des Shōbōgenzō sowie 5 weitere Kapitel im Anhang. Die Iwanami-Ausgabe basiert ihrerseits auf den Manuskripten des Shōbōgenzō, die Meister Han’gyō Kōzen, der fünfunddreißigste Abt des Eihei-ji, um 1690 gesammelt und in chronologischer Ordnung zusammengestellt hat. Von den verschiedenen Ausgaben des Shōbōgenzō, die sich im Inhalt, in der Zahl und in der Anordnung der Kapitel teilweise unterscheiden, sieht Nishijima-Rōshi die von Meister Kōzen als die authentische und vollständigste an, denn sie enthält u. a. die wichtigen Teile wie zum Beispiel das Kapitel 1, »Ein Gespräch über die Praxis des Zazen«, und das Kap.17, »Die Blume des Dharmas dreht die Blume des Dharmas«, die in den anderen Ausgaben fehlen. Außerdem ist diese Ausgabe die erste, die in der Ära Bunka (1804–1818) im Holzdruck erstellt und so im Inhalt festgelegt wurde.

In dieser Übertragung ging es uns einerseits darum, den japanischen Quellentext inhaltlich so genau wie möglich zu übertragen, und andererseits diesen Text trotz seiner Schwierigkeit in eine möglichst klare und verständliche Sprache zu bringen. Es war immer das besondere Anliegen von Nishijima-Rōshi, dass die Beschäftigung mit Meister Dōgens Shōbōgenzō nicht nur auf den engen Kreis der Experten beschränkt bleibt, sondern breiteren Gruppen von praktizierenden und am Buddha-Dharma interessierten Menschen zugänglich gemacht wird. Man darf die Tatsache nicht übersehen, dass Meister Dōgen selbst das Shōbōgenzō in der Sprache seiner Zeitgenossen, dem Japanisch des 13. Jahrhunderts, formuliert hat, während die gelehrten Buddhisten seiner Zeit sich fast ausschließlich in Chinesisch geäußert haben. Zweifellos wollte Dōgen sein Werk über diesen engen Kreis hinaus zugänglich machen. Die Tiefe und Vielschichtigkeit von Dōgens Ausführungen können allerdings nur im Licht der buddhistischen Erfahrung verstanden werden. Daher ist es auch für ihre Übertragung notwendig, einen Interpreten zu finden, dem diese Erfahrung vertraut ist.

In jedem Fall besitzen die Texte Dōgens auch nach 800 Jahren eine erstaunliche Frische und Kraft, die wir in die deutsche Sprache zu übertragen hatten und die durch ihre Dichte und Qualität für sich selbst sprechen. Nishijima-Rōshis wichtige Kommentare und Auslegungen der Texte findet der Leser deshalb am Ende der jeweiligen Kapitel, um die Ausführungen Dōgens nicht zu unterbrechen und es dem Leser zu erlauben, sein eigenes Verständnis zu entwickeln. Alle Quellenangaben und Erklärungen buddhistischer Fachbegriffe in den Anmerkungen entnehmen wir Nishijima-Rōshis Kommentarwerk Gendaigo yaku shōbōgenzō (»Das Shōbōgenzō in modernem Japanisch«). Da die Grundbegriffe des Mahāyāna aus dem Sanskrit stammen, haben wir die meisten der sino-japanischen Begriffe, die Dōgen im Text verwendet, auch durch die entsprechenden Worte in Sanskrit ergänzt. Wir stützen uns dabei auf das Sanskrit-Glossar der englischen Ausgabe des Shōbōgenzō von Nishijima-Rōshi und Chōdō Cross. Bestimmte Worte aus dem Sanskrit wie zum Beispiel »Samādhi«, »Prajñā« und »Bodhi«, die Meister Dōgen im Text phonetisch mit den chinesischen Schriftzeichen zanmai, hannya und bodai wiedergibt, haben wir in der ursprünglichen Sanskritform wiedergegeben, denn wir nehmen an, dass sie dem westlichen Leser im Allgemeinen vertraut sind. Das Gleiche gilt für einige japanische Begriffe wie hō, den wir meist mit »Dharma« oder »Dharmas« wiedergeben, oder nyorai (»Tathāgata«) und shōmon (»Śrāvaka«). Die Schreibweise der Worte in Sanskrit folgt der üblichen Transkription.

Die kursiv gedruckten Zusammenfassungen der Kapitel, die vor dem Originaltext stehen, wurden mit Nishijima-Rōshi abgestimmt und sollen den Zugang zu den Texten erleichtern. Die eckigen Klammern kennzeichnen Worte, Namen oder Titel, die im japanischen Original stillschweigend impliziert sind und die wir einer stilistisch einwandfreien und verständlichen Übertragung halber hinzugefügt haben. Besonders lange und schwierige Passagen des Originaltextes haben wir manchmal in mehrere Abschnitte unterteilt.

Um seine Sicht des Buddha-Dharmas anhand konkreter Beispiele zu untermauern, greift Dōgen auf die gesamte buddhistische Überlieferung zurück. Er zitiert zahlreiche Schriften aus dem Theravāda und den großen Mahāyāna-Sūtren. Oft geht er detailliert auf die chinesischen Aufzeichnungen der späten Tang- (618–907) und Songzeit (960–1279) ein. Dōgen sammelte auch 301 kōan in chinesischer Sprache (das Shinji shōbōgenzō), die ihm als Quelle für seine Darlegungen dienten und die er im Licht seiner Erfahrung erläuterte und neu interpretierte. Alle Zitate aus den Lehrschriften und kōan gibt Dōgen im Urtext im chinesischen Kanbun-Stil wieder. Kanbun ist eine Form des Chinesischen, das von den Japanern abgewandelt wurde und anders ausgesprochen wird als das heutige Japanisch. Ortsbezeichnungen aus China sowie die Namen chinesischer Zen-Meister haben wir wie im Quellentext in der japanischen Form belassen, da Meister Dōgen sie in dieser Form seinen japanischen Zuhörern übermittelt hat. Zur Orientierung findet der Leser jeweils im Anhang der vier Bände eine Liste der Namen dieser Meister in der Pinyin-Umschrift. Verweise in den Anmerkungen auf heutige Ortsnamen aus China stehen ebenfalls in Pinyin.

Der weitaus schwierigste Teil dieser Übertragung waren zweifellos die Zen-Geschichten oder kōan der alten Meister, die Dōgen oft als konkreten Ausgangspunkt oder zur Erläuterung seiner Gedanken verwendet. Diese Meister drückten sich nämlich nicht in klassischem Chinesisch, sondern in einer sehr bodenständigen Sprache aus, die mit ihren oft kräftigen Vulgärausdrücken und vielschichtigen Wendungen von jeher zu den größten Herausforderungen der Übertragung gehört. Hinzu kommt die Tatsache, dass Dōgen auch mit seiner eigenen japanischen Sprache sehr schöpferisch umgeht. Wenn es ihm nützlich erscheint, bildet er neue Worte oder übernimmt einfach Ausdrücke aus der chinesischen Umgangssprache der Songzeit ins Japanische, sodass sich sein Japanisch sowohl von der zu seiner Zeit üblichen japanischen Sprache als auch vom modernen Japanisch durchaus unterscheidet. Da meine philologischen Kenntnisse diesbezüglich leider begrenzt sind und unsere Übertragung nicht allein wissenschaftlichen Kriterien genügen, sondern ein viel weiter reichendes tieferes Verständnis des Buddha-Dharmas wiedergeben soll, habe ich mich bei diesen schwierigen Passagen vor allem auf die jahrzehntelange Erfahrung von Nishijima-Rōshi mit Dōgens Schriften gestützt.

Obwohl wir uns in dieser Übertragung um sprachliche Klarheit und bestmögliche Verständlichkeit bemüht haben, nehmen wir an, dass es kaum jemanden geben wird, der ein so vielschichtiges Werk auf Anhieb versteht. So ist es zu Anfang für den Leser vielleicht am besten, sich von schwierigen Kapiteln oder Sätzen nicht entmutigen, sondern sie einfach reifen zu lassen. Diesbezüglich sagte mir Nishijima-Rōshi einmal, dass er selbst für manche Sätze zwanzig Jahre brauchte, um sie ganz zu erfassen. Ein guter Ansatz wäre es außerdem, erst einmal vieles zu vergessen, was man weiß, und neu mit dem Shōbōgenzō zu beginnen. Bildlich ausgedrückt könnte man dieses komplexe Werk als einen sehr großen Teppich der Wahrheit ansehen. Dieser Teppich ist aus vielen ineinander verflochtenen Mustern gewebt, und die wiederkehrenden Themen sind wie Muster in anderen Mustern oder wie Juwelen in einem Juwel gestaltet. Durch gründliches und wiederholtes Lesen ist es möglich, auch in die subtileren Muster Dōgens einzudringen. Wir sind sicher, dass der Leser dabei reichlich belohnt wird und dass er den ganzen Teppich zu sehen und in seiner Fülle zu erfassen lernt, um schließlich das Shōbōgenzō als ein Ganzes zu verstehen und zu würdigen. Dass dazu sehr viel Geduld und Einfühlungsvermögen gehört, versteht sich von selbst.

Im Shōbōgenzō entfaltet Meister Dōgen die Sicht der Wirklichkeit, die er selbst erfahren und gelebt hat, eine Sicht, die alle Dogmen und Systeme überschreitet. Er erinnert uns daran, wie unerlässlich es ist, die Wahrheiten und den Augenschein, denen wir in unserem Leben begegnen, selbst zu erfahren, fortwährend zu prüfen und nicht nur das zu sehen, was wir zu sehen gelernt haben, und nicht nur das zu glauben, was man uns zu glauben gelehrt hat. Eine solche weit ausgelegte Sicht, die sich nicht in Zukunftsträumen und gedachten Idealen verliert, sondern dazu anregt, das Leben in seiner ganzen Fülle zu erkennen, wie es ist, und zu begreifen, was wir sind und was wir hier tun, hat eine ursprüngliche, ja kosmische Kraft und Bedeutung, die alle Menschen über zeitliche und kulturelle Grenzen hinweg angeht. Und es ist eine umfassende Sicht, die heute mindestens so aktuell ist wie im 13. Jahrhundert in Japan – vielleicht ist erst heute die Zeit wirklich reif für Dōgens großes Werk.

Es ist mir eine große Freude, dass ich allen danken darf, die mir geholfen haben, meine große Lebensaufgabe, die manchmal weit über meine physischen und geistigen Fähigkeiten ging, zu bewältigen. Allen voran möchte ich natürlich dem Initiator dieser Übertragung, meinem sehr verehrten Lehrer und Freund, Nishijima-Rōshi, danken, der sein ganzes Leben der Klärung von Meister Dōgens Schriften gewidmet hat. Ich danke ihm vor allem dafür, dass er mir in zahllosen persönlichen Gesprächen nicht nur sein profundes Wissen, sondern seine eigene authentische Erfahrung von Dōgens Lehren weitergegeben und vorgelebt hat.

Ganz besonders möchte ich Herrn Werner Kristkeitz dafür danken, dass er den Mut hatte, sich als Verleger für dieses schwierige und langwierige Projekt zu engagieren. Es ist seiner Sachkenntnis zu verdanken, dass die der japanischen Sprache kundigen Leser und Leserinnen anhand der Schriftzeichen in den Anmerkungen tiefer in den Text eindringen können.

Für hilfreiche Anregungen und Hinweise bei der Redaktion dieser neu überarbeiteten Texte des ersten Bandes möchte ich mich besonders bei Herrn Werner Kristkeitz, Herrn Dr. Hauke Harder und Herrn Gerd Kniehl bedanken. Herrn Kokugyō Kuwahara-Sensei danke ich dafür, dass er uns großzügig vier Kalligrafien von seiner Hand überlassen hat, von denen jeweils eine in jedem Band abgedruckt wurde. Danken möchte ich auch Herrn Eidō Michael Luetchford und Herrn Chōdō Cross, die uns freundlicherweise viele Dokumente und Vorlagen aus der englischen Ausgabe zur Verfügung gestellt haben.

Es wäre sehr schön, wenn möglichst viele Leserinnen und Leser durch diesen neu überarbeiteten ersten Band des Shōbōgenzō Freude und Bereicherung erfahren würden. Für mögliche Fehlerhinweise und Anregungen wäre ich sehr dankbar. Es ist ein großes Glück für mich, dieses wunderbare Werk immer weiter und tiefer erforschen und übertragen zu dürfen.

Dresden, im Oktober 2013

Anmerkung zur Aussprache japanischer Worte

Die Umschrift japanischer Worte und Namen erfolgt nach dem international überwiegend verwendeten Hepburn-System. Vokale werden ähnlich wie im Italienischen oder Deutschen, Konsonanten wie im Englischen ausgesprochen. Insbesondere gilt: Vokale ohne Längenstrich sind kurz, diejenigen mit Längenstrich (zum Beispiel in Dōgen) lang. Doppelte Konsonanten (zum Beispiel in hokke) werden ebenfalls lang gesprochen.

s  scharfes (stimmloses) ‘s’ wie deutsch ‘ss’ oder ‘ß’.

z  weiches (stimmhaftes) ‘s’ wie in deutsch ‘Sonne’, nicht wie das deutsche ‘z’.

ch  wie in engl. ‘macho’ oder deutsch ‘tsch’.

fu gehaucht, das ‘f’ zwischen deutschem ‘f’ und ‘h’.

y  wie deutsch ‘j’, auch in Kombination mit Konsonanten (zum Beispiel Kyōto sprich: ‘Kjoo-to’ [2 Silben], nicht ‘Ki-oo-to’ [3 Silben]).

j  wie in engl. ‘Jack’ oder das ‘g’ in ital. ‘Gina’.

ei  ähnlich ‘ee’ wie in ‘See’, nicht wie ‘ai’.

ShōbōgenzōKalligrafie von Kokugyō Kuwahara

開経偈

無上甚深微妙法 百千萬劫難遭遇 我今見聞得受持 願解如来真実義

Kai kyō ge

mu jō jin shin mi myō hō hyaku sen man go nan sō gu ga kon ken mon toku ju ji gan ge nyo rai shin jitsu gi

Vers beim Öffnen der Sūtren

Dieser Dharma, unvergleichlich tiefgründig und wunderbar, Ist selbst in Millionen Zeitaltern nur selten anzutreffen. Jetzt, da ich ihn sehen, hören, annehmen und bewahren kann, Möge ich den wahren Sinn der Lehre des Tathāgata verstehen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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