Sich durchsetzen ohne Ellenbogen - Florian Pressler - E-Book

Sich durchsetzen ohne Ellenbogen E-Book

Florian Pressler

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Beschreibung

Endlich Schluss mit People Pleasing! Freundlich und bestimmt auftreten und trotzdem das bekommen, was Sie fordern. Der Rhetorik-Trainer Florian Pressler verhilft Ihnen schnell und kompetent zu souveräner Durchsetzungsfähigkeit. Erfahren Sie, wie Sie geschickt dabei vorgehen und Ihre beruflichen und persönlichen Beziehungen bewahren und nicht zerstören. Zu Beginn begleiten Sie die Protagonistin Tina auf ihrer Entwicklungsreise vom "Büro-Aschenputtel" zu einer durchsetzungsstarken und selbstbewussten Persönlichkeit. Die Erzählung zeigt Ihnen gängige Verhaltens- und Denkfehler auf, aber auch, auf welche Methoden und Strategien Sie zurückgreifen können, um Ihre Bedürfnisse klug zu kommunizieren und mit Gegenstimmen selbstbewusst umzugehen. Im zweiten Teil des Buches tritt die Erzählung in den Hintergrund und es geht um konkrete Situationen aus Meetings und Vieraugengesprächen im Joballtag. Lernen Sie, wie Sie sich auf diese Situationen so vorbereiten, dass Sie am Ende zufrieden mit sich und Ihren Ergebnissen sein können.

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Seitenzahl: 242

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Florian Pressler

Sich durchsetzen ohne Ellenbogen

FLORIAN PRESSLER

Sich durchsetzen ohne Ellenbogen

Wie Sie von anderen bekommen, was Sie wollen, ohne Porzellan zu zerschlagen

Externe Links wurden bis zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches geprüft. Auf etwaige Änderungen zu einem späteren Zeitpunkt hat der Verlag keinen Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Ein Hinweis zu gendergerechter Sprache: Die Entscheidung, in welcher Form alle Geschlechter angesprochen werden, obliegt den jeweiligen Verfassenden.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Buchausgabe: 978-3-96739-185-5

ISBN epub: 978-3-96740-372-5

Lektorat: Ulrike Hollmann

Umschlaggestaltung: Stephanie Böhme, Roth | www.stephanieboehme.de

Autorenfoto: Martin Augsburger

Satz und Layout: Zerosoft, Timisoara (Rumänien)

© 2024 GABAL Verlag GmbH, Offenbach

Das E-Book basiert auf dem 2024 erschienenen Buchtitel „Sich durchsetzen ohne Ellenbogen. Wie Sie von anderen bekommen, was Sie wollen, ohne Porzellan zu zerschlagen.“ von Dr. Florian Pressler © 2024 GABAL Verlag GmbH, Offenbach.

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

www.gabal-verlag.de

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Inhalt

1. Durchsetzungsfähigkeit: Was ist das eigentlich?

2. Die innere Haltung: Wahre Durchsetzungsfähigkeit kommt von innen

Wie es nicht gelingt, sich durchzusetzen

Verhalten und Haltung: Der passive und der aggressive Autopilot

Reiz und Reaktion: Wie wir unseren aggressiven Autopiloten unter Kontrolle bringen

Haltungsschäden: Woher sie kommen und wie man sie korrigiert

3. Die äußere Wirkung: Wie Durchsetzungsstärke sichtbar und hörbar wird

Haltung und Körperhaltung: Wie Ihnen Ihr Körper hilft, Ihr Selbstbewusstsein aufzubauen

Ziel und Bewegung: Wie Sie eine durchsetzungsstarke Ruhe ausstrahlen

Stimme und Stimmung: Wie Durchsetzungsstärke klingt

4. Auf die Beziehungsebene kommt es an: Wie durch Sprache Respekt entsteht

Wie Sie für Ihre Anliegen einstehen, ohne Beziehungen zu gefährden

Sprachliche Weichmacher

Durchsetzungsstarke Sprache

5. Der Werkzeugkasten der respektvollen Durchsetzungsstärke

Forderungen abweisen und selbstbewusst Nein sagen

Forderungen stellen

Die eigenen Ziele formulieren

Die Führung übernehmen und Gespräche mit Fragen steuern

Fragen richtig einsetzen

Argumentieren in Vieraugengesprächen

Kritik äußern und Verhaltensänderungen anstoßen

Auf verbale Angriffe reagieren

Sich durchsetzen und argumentieren im Meeting

Selbst-PR

6. Ansehen und Status

Literaturempfehlungen

Über den Autor

Durchsetzungsfähigkeit zum Reinhören (Audio-Download)

Der Autor liest kurze Stellen aus dem Buch, berichtet von eigenen Erfahrungen und verrät seine ganz persönlichen Erfolgsgeheimnisse für schwierige Fälle.

Scannen Sie den QR-Code und registrieren Sie sich auf dem GABAL eCAMPUS um zu hören, was Florian Pressler selbst für die wichtigsten Tipps und Anti-Ellenbogen-Strategien hält.

https://gabal-ecampus.de/downloads/course/lesung-sich-durchsetzen-ohne-ellenbogen-

1. Durchsetzungsfähigkeit: Was ist das eigentlich?

Kennen Sie das? Ein Bekannter bittet Sie um Hilfe bei einem Umzug. Sie hatten sich eigentlich auf ein freies Wochenende gefreut, das Sie nach einer harten Arbeitswoche dringend brauchen. Außerdem halten Sie die Bitte für eine ziemliche Zumutung, denn so gut sind Sie mit dieser Person ja nun auch wieder nicht befreundet. Trotzdem hindert Sie ein geheimnisvoller Mechanismus in Ihrem Gehirn daran, auszusprechen, wo Ihre Bedürfnisse liegen – und schon verbringen Sie das Wochenende damit, Kisten zu schleppen.

Sie stehen in der Schlange an der Supermarktkasse. Während sich die Schlange vorwärtsbewegt und Sie in Gedanken noch einmal die Zutatenliste für den Seesaibling auf Limettenschaum durchgehen, bildet sich eine kleine Lücke. Und schwups hat sich ein anderer Kunde in diese Lücke hineingedrängt. „Dem mache ich klar, dass das so nicht geht“, hören Sie eine innere Stimme sagen und beginnen, sich die passenden Worte zurechtzulegen. Aber während Sie noch nach den richtigen Worten suchen, verstreicht der Moment, in dem Sie einen Kommentar noch für angemessen halten – und Sie sagen schließlich: nichts.

Bei einer Besprechung sind Sie eindeutig derjenige mit der größten fachlichen Expertise – nur eben leider nicht derjenige, dem man am aufmerksamsten zuhört. Ehe Sie sichs versehen, haben andere, weniger kompetente Kollegen schon die Wortführerschaft an sich gerissen. Sie versuchen, mit einem letzten sachlichen Einwand noch das Schlimmste zu verhindern. Aber ohne Erfolg, denn auch Ihre Kollegen halten sich für Experten – und ein echter Experte lässt sich durch Fakten keinesfalls ablenken. Schon nach dem ersten Satz werden Sie eiskalt abgebügelt. Nun müssen Sie mit einem Ergebnis leben, von dem Sie wissen, dass es nicht funktionieren wird.

Ich wette, dass Ihnen mindestens eine Situation einfällt, in der es Ihnen so oder so ähnlich ergangen ist. Wie fühlen Sie sich in solchen Situationen? Vermutlich nicht besonders gut. Ihre inhaltlichen Ziele haben Sie nicht erreicht, und Ihnen bleibt das Gefühl, von anderen benutzt, übergangen und in Ihren Rechten verletzt worden zu sein. Vielleicht ärgern Sie sich auch, weil Sie Ihren eigenen Erwartungen nicht gerecht geworden sind. Schließlich hatten Sie ja den Impuls, sich mit Ihren Anliegen durchzusetzen. Sie haben es nur eben einfach nicht getan oder es ist Ihnen nicht gelungen.

Auf einer Skala von unangenehmen Dingen rangieren fehlgeschlagene Versuche, sich in wichtigen Angelegenheiten durchzusetzen, für die meisten Menschen ziemlich weit oben – schätzungsweise irgendwo zwischen Kakerlaken im Frühstücksmüsli und der Vorstellung, Darth Vader zum Vater zu haben. Und trotzdem scheitern so viele Menschen mit schöner Regelmäßigkeit daran, erfolgreich für die eigene Idee oder Sache einzustehen.

Niemand kann sich immer durchsetzen

Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Niemand ist in der Lage, sich immer und in allen Fragen durchzusetzen. Zu versuchen, die Dinge ganz grundsätzlich immer nach dem eigenen Willen zu gestalten, wäre auch sicher nicht förderlich. Wer ständig auf seinem Standpunkt beharrt, die Ellenbogen ausfährt, die Interessen anderer ignoriert und Druck ausübt, der isoliert sich schnell und steht am Ende allein da. Druck erzeugt Gegendruck. Der Versuch, immer den eigenen Willen durchzuboxen, endet langfristig damit, dass man überall auf Granit beißt und sich nirgendwo mehr durchsetzen kann.

Den eigenen Willen hin und wieder nicht durchsetzen zu können, ist in etwa wie ein kurzer Stromausfall bei der Übertragung eines wichtigen Fußballspiels: ausgesprochen unangenehm – aber letztendlich doch ein Einzelfall, der vorübergeht. Viele Menschen erleben mangelnde Durchsetzungsfähigkeit aber nicht als Einzelfall, sondern mit einer Regelmäßigkeit, die nah an die der Werbepausen im Privatfernsehen herankommt. Und genau wie diese Werbepausen interessante Sendungen stören, durchkreuzt und verdirbt mangelndes Durchsetzungsvermögen die schönsten Erlebnisse und Vorhaben.

Wenn sich das Gefühl, ignoriert zu werden, allzu oft in Ihnen breitmacht und Sie feststellen, dass Ihre Wünsche regelmäßig übergangen werden, ist es vielleicht an der Zeit, etwas zu verändern. Machen Sie sich auf den Weg, eine durchsetzungsstarke Persönlichkeit zu werden!

Voraussetzung: Achtung gegenüber sich selbst und anderen

Durchsetzungsfähigkeit ist für mich die Fähigkeit, den eigenen Standpunkt selbstbewusst zu vertreten und bei anderen Respekt dafür zu gewinnen. Das hat nichts mit Ellenbogen- oder Dampfwalzenmentalität zu tun. Ganz im Gegenteil: Es geht um Achtung gegenüber sich selbst und gegenüber anderen. Diese Form der Durchsetzungsfähigkeit sorgt immer auch für ein Gleichgewicht in den Beziehungen zwischen Menschen. Ich bekomme, was mir besonders wichtig ist, erkenne aber auch die Bedürfnisse des anderen an. Nur wer die eigenen Interessen und die Interessen seines Gegenübers im Auge behält und auf Augenhöhe darüber verhandelt, hat langfristig Erfolg.

Das bedeutet manchmal auch, Standpunkte aufzugeben und Kompromisse zu schließen. Wer durchsetzungsfähig ist, muss sich nicht immer durchsetzen. Er kann auch die Entscheidung treffen, dem anderen den Vortritt zu lassen. Aber dann ist das eine bewusste Entscheidung aus einer souveränen Grundhaltung heraus – und kein Automatismus. Es ist nichts, was einfach so passiert und uns verdutzt aus der Wäsche schauen lässt. Und es ist die Ausnahme, nicht die Regel.

Sich durchsetzen ist eine Schlüsselkompetenz

Die Fähigkeit, sich ohne Ellenbogen durchzusetzen, ist eine der Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts. Gerade im Job wird diese Fähigkeit immer wichtiger. Fach- und Führungskräfte können in unserer neuen Arbeitswelt mit ihren flachen Hierarchien und projektbezogenen Aufgabenstellungen nicht einfach mit Anweisungen um sich werfen und von oben herab durchregieren. Sie müssen als Person Autorität ausstrahlen, ohne dass ihre Position ihnen diese Autorität verleiht. Sie müssen Forderungen durchsetzen, ohne direkt weisungsberechtigt zu sein. Und sie dürfen für das Erreichen ihrer immer ehrgeizigeren Ziele die persönliche Beziehung zu Kollegen und Mitarbeitern nicht über Gebühr belasten. Das Team gewinnt. Bricht das Team auseinander, weil ausschließlich die Sachziele im Fokus stehen und der Mensch aus dem Blickfeld gerät, dann verlieren alle.

Was können Sie tun, um in diesem Sinne durchsetzungsfähiger zu werden? Und warum scheitern wir im Alltag so oft daran, uns durchzusetzen, obwohl wir es uns so sehr vorgenommen haben? Wie genau geht es, sich ohne Ellenbogen durchzusetzen? Das Buch, das Sie gerade in den Händen halten, gibt Antworten auf diese Fragen und wird Ihnen ein Begleiter auf Ihrem Weg zu einer durchsetzungsstarken Persönlichkeit sein.

2. Die innere Haltung: Wahre Durchsetzungsfähigkeit kommt von innen

Wo sollten Sie Ihren Weg zu einer durchsetzungsstarken Persönlichkeit beginnen? Was ist der erste Schritt? Wenn Sie sich in einer bestimmten Situation durchsetzen wollten und das nicht geklappt hat, werden Sie vermutlich automatisch damit beginnen, zu hinterfragen, was Sie in dieser Situation gesagt und getan haben. Sie werden über Ihre Wirkung nach außen nachdenken. Und das ist sicherlich nicht falsch.

Ich möchte Sie trotzdem einladen, zuallererst über Ihre innere Haltung nachzudenken. Was wir tun und sagen, ist immer ein Ausdruck dessen, was wir denken und fühlen. Unsere Gedanken und Gefühle bestimmen, wie wir nach außen wirken.

In den folgenden Kapiteln geht es darum, was genau unter einer durchsetzungsstarken Haltung zu verstehen ist. Sie erfahren, warum es häufig passive oder aggressive Automatismen sind, die unser Handeln steuern, und wie Sie diese Automatismen durchbrechen können.

Betrachten wir die Schwierigkeit, sich durchzusetzen, doch zunächst einmal an einem (zugegebenermaßen klischeehaften und stark überzeichneten) Beispiel.

Wie es nicht gelingt, sich durchzusetzen

Tina ist heute noch früher als sonst im Büro. Schließlich steht eine Teambesprechung an, auf der über ein neues System zur Dokumentenablage entschieden werden soll – und dieses Thema ist Tina gleich aus drei Gründen wichtig. Zum einen waren gerade letzte Woche wieder wichtige Unterlagen unauffindbar, wodurch ein echter Schaden entstanden ist. Zum anderen ist Tina sehr IT-affin und weiß, wie viel Arbeitszeit gespart werden könnte, wenn eine elektronische Ablage eingeführt würde. Und drittens bleibt die Ablage überdurchschnittlich häufig an ihr hängen, und auch wenn Dokumente herausgesucht werden müssen, fragen die Kollegen meistens bei ihr nach.

Das hört sich dann häufig so an: „Ach, Tina, ich bräuchte ganz dringend die Unterlagen von Herrn Schmidt – sonst komme ich hier gar nicht mehr weiter. Könntest du mal schnell schauen?“ Nun steckt Tina in einem Dilemma. Eigentlich hat sie genug eigene Arbeit und das Sichten staubiger Papierstapel ist nicht Teil ihres Arbeitsvertrages. Aber wenn sie sich jetzt nicht auf die Suche nach den fehlenden Unterlagen macht, dann macht sich niemand auf die Suche. Und dann kommt es zu Fehlbuchungen oder peinlichen Situationen bei Kundenterminen – und das ganze Team muss es ausbaden. Tina will Nein sagen – und macht sich an solchen Tagen dann meistens doch auf den Weg in das kleine fensterlose Archiv-Zimmerchen, um sich die Finger wund zu blättern.

Aber Gott sei Dank könnten die finsteren Zeiten im fensterlosen Archiv bald der Vergangenheit angehören. Schließlich ist das digitale und papierlose Büro heutzutage in aller Munde, und auch in Tinas Firma gibt es Abteilungen, die schon auf ein elektronisches Ablagesystem umgestellt haben. „So etwas brauchen wir auch!“, findet Tina. Sie hat sich über den Preis einer Scanner-Station informiert (ist gar nicht so teuer!) und sich über Wochen ihre Argumente zurechtgelegt.

Jeder in der Abteilung würde seine Dokumente im papierlosen Office selbst scannen und nach einer gemeinsamen Systematik auf einem Server ablegen. Die Ablage würde so nicht immer nur an einem einzelnen Mitarbeiter hängen bleiben. Und jeder hätte Zugriff auf den gemeinsamen Server, sodass Dokumente in Sekundenschnelle durch eine Volltextsuche gefunden werden könnten. Bei einer Umstellung auf ein papierloses Büro gewinnen in diesem Team offensichtlich alle. Tina jedenfalls ist von ihrer Sache überzeugt.

Deshalb hat sie das Thema „Ablage“ auch auf die Agenda des heutigen Meetings setzen lassen. Normalerweise überlässt sie es den anderen, die Themen festzulegen, aber diesmal brennt es ihr wirklich unter den Nägeln. Sie ist nun auch schon vor allen anderen da – und bereitet den Kaffee für die Besprechung vor.

Wer anderen alles Lästige abnimmt, ist nie ohne Arbeit

Wie jedes Meeting, so beginnt auch dieses mit der Frage von Teamleiterin Frau Schneider, wer sich um das Protokoll kümmert. Kaum ist die Frage ausgesprochen, schlägt die muntere Plauderei der Kollegen in betretenes Schweigen um. Einige blättern eifrig in ihren Unterlagen, als hätten sie etwas ganz Wichtiges zu lesen vergessen. Es herrscht eine peinliche Stille.

Tina empfindet solche Situationen als unangenehm. „Die verhalten sich wie kleine Kinder“, schießt es ihr durch den Kopf. „Wenn sich alle wegducken, kommen wir doch keinen Schritt vorwärts!“ Dann bewegt sich ihre Hand zögerlich nach oben. „Klasse, dass du das machst, Tina!“, hört sie Frau Schneider sagen und ärgert sich im gleichen Moment darüber, dass diese lästige Arbeit schon wieder an ihr hängen bleiben wird.

Zwei Stunden und circa zwanzig Agenda-Punkte später neigt sich das Meeting dem Ende entgegen. „Was also stand heute noch unter ‚Sonstiges‘ auf der Agenda?“, fragt Frau Schneider. „Ach ja, die Neustrukturierung der Ablage. Dann schieß mal los, Tina!“

Auf diesen Moment hat Tina schon seit zwei Wochen hingefiebert und vor lauter Aufregung beginnen sich kleine rote Flecke an ihrem Hals abzuzeichnen. „Also, ich würde gern vorschlagen, dass man eventuell statt der alten Papierablage eine Scanner-Station anschaffen und unsere Unterlagen digital abspeichern könnte, wenn sonst nichts dagegenspricht. So ein Scanner ist auch gar nicht so teuer und wir könnten …“

„Wie viel würde so ein Ding denn kosten?“, unterbricht Angelika, die dienstälteste Kollegin in der Runde, als Tina gerade zu ihrer Nutzenargumentation ausholen möchte. „Na ja, so um die 3000 Euro müssten wir leider für so etwas schon ausgeben. Ich weiß, das ist viel Geld und wir haben ein enges Budget. Aber dafür könnten wir …“

„3000 Euro ist doch schon ganz schön viel – vor allem wenn man bedenkt, dass unser altes System ja problemlos funktioniert“, hakt sich Anke ein, und Thorsten pflichtet ihr bei – obwohl keiner der beiden im Ruf steht, ein besonders inniges Verhältnis zu Aktenordnern zu pflegen.

Ich bin mir sicher, Sie ahnen bereits, wie sich die weitere Diskussion entwickeln und was dabei herauskommen wird. Tina wird noch ein paarmal versuchen, ihre Sicht der Dinge darzulegen, um sich dann aufs Neue unterbrechen zu lassen. Wie Tina mit unhöflichen Unterbrechungen umgehen kann, weiß sie nicht. Dass sie selbst den Faden noch einmal aufgreifen sollte, auch wenn andere Kollegen suggerieren, dass das Thema „durch“ ist, kommt ihr nicht in den Sinn (siehe Kapitel 5, Sich durchsetzen und argumentieren im Meeting). Vermutlich wird Tina am Ende klein beigeben und auf ihre Scanner-Station verzichten – auch wenn es ihr bestimmt einige schlaflose Nächte bereitet, wie diese Teambesprechung gelaufen ist.

Vielleicht hat Tina im Laufe der Sitzung aber auch irgendwann genug, weil ihr die Sache wirklich wichtig ist und ein letzter Tropfen das Fass zum Überlaufen bringt. Zum Beispiel, wenn Rainer so etwas von sich gibt wie: „Jetzt lass doch mal diese technischen Spielereien, Tina. Ich habe wirklich wichtige Projekte auf dem Schreibtisch und für deinen Scanner-Schnickschnack weder Zeit noch Ressourcen. Wenn du Zeit für solches Trallala hast, dann ist das schön für dich – aber ich hab wirklich viel zu tun!“

„Was denkt ihr euch eigentlich?“ – sollte man nur denken

Jetzt reicht es Tina. Sie steht auf, stemmt die Hände in die Hüfte und faucht ein lautstarkes „Was denkt ihr euch eigentlich?“ in die Runde. Dann schleudert sie ihren Kollegen wutentbrannt all die Argumente entgegen, die sie bisher nicht anbringen konnte – und alles, was ihr sonst noch seit Monaten auf der Seele brennt. So emotional und unsachlich kennt man Tina gar nicht, denkt sich der ein oder andere Kollege, und Tina erntet nur Verwunderung und Unverständnis. „Was ist denn mit der plötzlich los? Wir haben uns doch nur ganz normal unterhalten … So eine Zicke!“

So oder so – Tina bekommt nicht, was sie möchte. Die Mission, sich erfolgreich durchzusetzen, ist gescheitert, noch bevor sie richtig begonnen hat. Und das, obwohl ihr die Sache doch so wichtig war. „So etwas passiert mir nie wieder!“, schluchzt sie abends in den Telefonhörer und klagt ihrer besten Freundin Tanja ihr Leid: „Was habe ich denn nur falsch gemacht?“

„Habe ich so ein ‚Das passiert mir nie wieder!‘ nicht schon ein paarmal von dir gehört?“, antwortet Tanja. „Wahrscheinlich hast du den Tag wieder einmal damit begonnen, für alle Kaffee zu kochen, oder?“, schiebt sie hinterher. „Auf der anderen Seite hast du endlich einmal ausgesprochen, was dich stört und was dir wichtig ist. Du hast dich getraut – das ist doch schon einmal gut. Ich denke, es ist einfach schwer, eine Sache durchzusetzen, wenn man es sonst immer allen recht machen möchte und nie für sich selbst und seine Ideen einsteht. Irgendwann haben sich dann alle daran gewöhnt, dass man dich übergehen darf. Außerdem macht ja bekanntlich Übung den Meister. Und wenn du bei den kleinen alltäglichen Dingen immer den anderen den Vortritt lässt, dann hast du wenig Übung darin, dich durchzusetzen. Und das bedeutet: Sobald es dir dann ein einziges Mal um etwas geht, was dir wirklich wichtig ist, sind deine Erfolgsaussichten nicht besonders gut.“

Verhalten und Haltung: Der passive und der aggressive Autopilot

Tanjas Analyse trifft den Nagel auf den Kopf: Durchsetzungsfähigkeit ist kein (von der Situation abhängiges) Verhalten, sondern eine (langfristige) innere Haltung. Denken Sie an eine durchsetzungsstarke Person, die Sie kennen. Verhält sich diese Person nur in bestimmten Situationen durchsetzungsstark? Also zum Beispiel nur beim wöchentlichen Jour fixe im Büro, um sich dann für den Rest der Woche von allen auf der Nase herumtanzen zu lassen? Oder setzt sie sich nur im beruflichen Kontext durch und verwandelt sich in ein schüchternes kleines Mäuschen, sobald sie mit Freunden oder der Familie unterwegs ist? Ich denke: Nein! Die Person, an die Sie denken, wird vermutlich in allen Lebensbereichen ihre Frau oder ihren Mann stehen. Das heißt nicht, dass diese Person in jeder Situation darauf bestehen wird, die erste Geige zu spielen. Gut möglich, dass sie sich auch einmal bewusst zurücknimmt und anderen den Vortritt lässt. Aber auch in solchen Situationen wird sich diese Person nicht kleinmachen – und Sie werden diese durchsetzungsfähige innere Haltung als Teil der Persönlichkeit dieses Menschen wahrnehmen.

Haltung und Verhalten

Warum ist es wichtig, zwischen Haltung und Verhalten zu unterscheiden? Weil wir nicht glaubwürdig sind, wenn wir langfristig eine bestimmte Haltung an den Tag legen und uns dann plötzlich in einer Situation vollkommen anders verhalten, als andere – und wir selbst – es von uns gewohnt sind.

Stellen Sie sich durchsetzungsstarke Kommunikation als ein Set an Werkzeugen vor. Sie werden diese Werkzeuge in diesem Buch nach und nach kennenlernen. Aber sie einfach nur zu kennen, reicht nicht aus. Jemand, der diese Werkzeuge jahrelang nicht benutzt und sie sich nur für Notfälle zugelegt hat, wird nicht besonders geschickt damit umgehen, wenn der Notfall eintritt. Für Tina ist das Teammeeting eine Art von Notfall. Hier möchte sie endlich einmal bekommen, was ihr wichtig ist. Doch plötzlich bilden sich die kleinen roten Flecke an ihrem Hals, die jedem zeigen, wie nervös sie ist, und die ihre Position ganz sicher nicht stärken. Und obwohl sich Tina ihrer Sache doch gerade noch so sicher war, klingen ihre Worte plötzlich sehr unsicher, als sie zu reden beginnt.

Tinas innere Haltung ist nicht durchsetzungsstark und das wird sehr schnell für alle sichtbar – ob sie es will oder nicht. Sich nur in Ausnahmesituationen durchzusetzen, funktioniert eben leider nur in den seltensten Fällen.

Werfen wir einen Blick auf Tinas innere Haltung (das heißt auf ihr langfristiges und situationsunabhängiges Verhaltensmuster und die Gedanken, die diesem Muster zugrunde liegen). Tina fällt es grundsätzlich schwer, ihre eigenen Bedürfnisse zu äußern und die Forderungen anderer zurückzuweisen. Ihre Haltung ist passiv. Sie lässt im Normalfall andere bestimmen und nimmt hin, was dabei herauskommt. Das oben angesprochene Set an Werkzeugen zur Durchsetzung ihrer Interessen (über das Tina durchaus verfügt) nimmt sie so gut wie nie in die Hand, und sie hat schon fast vergessen, dass es diese Werkzeuge in ihrem Werkzeugkoffer überhaupt gibt.

Überzeugungen und Glaubenssätze als Basis

Eine passive innere Haltung beginnt, wie alles, im Kopf und fußt auf Überzeugungen, die sich im Laufe der Zeit so tief in uns festgesetzt haben, dass wir gar nicht auf die Idee kommen, sie zu hinterfragen. Tina glaubt, sie müsste tun, worum andere sie bitten, um gemocht zu werden. Auch glaubt sie, es würde ihr negativ ausgelegt, wenn sie sich in den Mittelpunkt stellt oder darauf besteht, ausreden zu dürfen. Der Gedanke, sich selbst gegen andere durchzusetzen, kommt ihr egoistisch vor. Lieber geht sie Konflikten aus dem Weg. Schlicht und ergreifend deshalb, weil sie es schon immer so gemacht hat und es zu einer Gewohnheit geworden ist.

Tinas passive Verhaltensweisen sind schon so oft wiederholt worden, dass sie oft unwillkürlich und ganz automatisch ablaufen. In etwa so automatisch wie bei anderen Menschen das Schuhebinden. Sie nehmen die Schnürsenkel in die Hand und schon haben Sie eine Schleife vor sich. Wenn Sie die Schnürsenkel nun aber weglegen und ganz abstrakt erklären müssen, wie Sie das mit der Schleife gemacht haben, dann wird Ihnen das schwerfallen. Letztendlich binden Ihre Hände die Schleife im Normalfall ja ganz von selbst, ohne dass Sie darüber nachdenken würden, wie genau Ihnen das gelingt.

Der Autopilot entscheidet

So geht es Tina auch, wenn sich ihr Arm hebt und sie sich in der Rolle der Protokollantin wiederfindet. Sie hat keine bewusste Entscheidung getroffen, sondern ist automatisch einem Muster gefolgt, das tief in ihr verankert ist. Sie hat sich von einem auf Passivität programmierten Autopiloten steuern lassen.

Dass wir solche Automatismen bei uns selbst meistens nicht erkennen, liegt daran, dass wir unser Handeln rationalisieren. So wie Tina, die das Wegducken der Kollegen bei der Frage nach einem freiwilligen Protokollführer kindisch findet und glaubt, im Sinne des ganzen Teams Verantwortung übernehmen zu müssen, indem sie sich meldet. Wenn wir ganz ehrlich mit uns selbst sind, geht der Reflex, in einer bestimmten Art und Weise zu handeln, in solchen Fällen meist der Rationalisierung voraus. Zuerst kommt der Impuls, die Protokollführung zu übernehmen. Erst danach kommt die gedankliche Begründung: „Ich muss es tun, sonst kommen wir nicht vorwärts!“ Auch wenn wir im Nachhinein Vernunftgründe für unser Handeln anführen: Im Moment der Entscheidung steuert uns oft der Autopilot.

Natürlich ist das Ergebnis eines solchen automatisierten Nachgebens für Tina nicht optimal. Im Alltag empfindet sie das aber als nicht allzu schlimm. Schließlich geht es ja meistens um Kleinigkeiten. So aufwendig ist es ja auch wieder nicht, Protokoll zu führen oder die Akte von Herrn Schmidt aus den Hunderten von Ordnern im fensterlosen Archiv-Räumchen herauszusuchen. Und wenn Tina ihrer Kollegin Angelika die richtige Akte schließlich auf den Schreibtisch legt und Angelika ihr dafür ein „Vielen Dank! Du bist meine Rettung!“ entgegenlächelt, fühlt sich das gut an. Wenn Tina sich passiv verhält, dann befindet sie sich in ihrer Komfortzone. Menschen fühlen sich sicher und gut, solange sie sich in ihrer Komfortzone bewegen. Allerdings wachsen weder ihre Persönlichkeit noch ihre Fähigkeiten, wenn sie sich dauerhaft in ihre Komfortzone zurückziehen.

Tätigkeiten mit niedrigem Status prägen

Dass Tina einen hohen Preis für dieses gute Gefühl bezahlt, ist ihr gar nicht bewusst. Tätigkeiten zu übernehmen, die niemand anderes übernehmen möchte, ist nämlich mit einem niedrigen Status verbunden und wirkt auf das eigene Ansehen in der Gruppe zurück. Wer sich regelmäßig für solche Aufgaben heranziehen lässt oder sie ungefragt übernimmt, den ordnen andere in ihrer gedanklichen Hierarchie ziemlich weit unten ein. Sie glauben mir nicht? Dann überlegen Sie mal, ob Sie es angemessen fänden, wenn Olaf Scholz für die Ministerrunde Dokumente sortieren oder Kaffee kochen würde.

Es sind solche Kleinigkeiten, an denen wir Status festmachen – und das passiert ganz unbewusst. Lässt sich eine Person von anderen unterbrechen und gibt das Wort ab oder verschafft sie sich Respekt und führt ihren Punkt zu Ende? Lässt sie sich von anderen wegschicken, um noch schnell Kopien zu machen, oder besteht sie höflich, aber bestimmt darauf, dazubleiben und an der Diskussion teilzunehmen, weil sie etwas dazu beizutragen hat? Je nachdem, wie die Antwort auf diese Fragen ausfällt, wird die Person in den Augen der anderen im Status sinken oder steigen.

Wir werden uns mit dem Thema „Ansehen und Status“ im letzten Kapitel dieses Buches noch einmal im Detail auseinandersetzen. An dieser Stelle sei daher nur so viel gesagt: Indem Tina ständig Akten heraussucht, Protokoll führt und Kaffee kocht, macht sie sich klein und stellt bei ihrem Durchsetzungsprojekt die Weichen von vornherein auf Niederlage. Hierarchisch ist sie ihren Kollegen gleichgestellt, aber durch derartige Tätigkeiten wird sie von ihnen als eine Art inoffizielle Teamassistenz wahrgenommen. Steckt man einmal in einer solchen Rolle fest, ist es schwer, sich davon zu lösen.

Sich durchzusetzen braucht Übung

Und wenn für Tina die Sache mit der elektronischen Ablage so wichtig ist, dass sie mit aller Gewalt versucht, dieses eine Mal ihren Willen durchzubekommen? Wenn sie in dieser Situation endlich dazu übergeht, ihren Status neu zu verhandeln, und darauf besteht, gehört zu werden? Mit Nachdruck für sich einzustehen und sich Gehör zu verschaffen, liegt außerhalb von Tinas Komfortzone. Es fühlt sich ungewohnt und fremd an.

In etwa so fremd, wie es sich für Sie (vermutlich) anfühlen würde, einen Schmetterlingsknoten zu knüpfen, mit dem sich Alpinisten auf dem Gletscher in einer Seilschaft einbinden. Vermutlich bewegen Sie sich nicht allzu oft in einer Seilschaft über einen Gletscher und knüpfen daher in der Regel keine Schmetterlingsknoten. Selbst wenn Sie zusehen könnten, wie andere diesen Knoten machen – Sie werden ihn anfangs nicht mit der gleichen Leichtigkeit hinbekommen wie ein erfahrener Bergsteiger. Während Ihre Hände beim Schuhebinden ganz von selbst das Richtige tun, werden Sie nun tasten, zögern und sich verheddern. So geht es auch Tina: Jeder Schritt außerhalb der Komfortzone ist Neuland und ein Balancieren auf schwankendem Boden.

Sich durchzusetzen heißt nicht, den Autopiloten zu wechseln

Tina ist inzwischen, wie gesagt, sauer und will es sich nicht länger bieten lassen, übergangen zu werden. Der Autopilot, von dem sie sich normalerweise steuern lässt und der auf Passivität und Nachgeben programmiert ist, ist nun nutzlos und geht in den Stand-by-Modus. Wenn Tinas Hirn von einem Adrenalinschub nach dem anderen geflutet wird und ihre Nervosität ins Unermessliche steigt, weil sie nun etwas tut, was sie sonst niemals macht, ist es aber sehr wahrscheinlich, dass ein anderer Autopilot in ihrem Kopf aktiviert wird: der aggressive Autopilot. Tina sieht jetzt rot, ihr Verhalten schlägt in Konfrontation um.

Jede schnippische Bemerkung und jeder Einwand der anderen wird von ihr nun als Angriff verstanden. Und weil Tina wirklich wütend ist, schlägt sie ganz automatisch zurück. Wir haben uns das vorhin schon ausgemalt. Mit in die Hüften gestemmten Händen steht Tina da und schreit ihren Kollegen ziemlich unsachlich ihre Meinung entgegen. Auch das Ergebnis haben wir vorhin schon festgehalten: Unverständnis und Ablehnung.

Sicher haben Sie dieses Muster schon des Öfteren beobachten dürfen. Menschen, die normalerweise eine passive Haltung an den Tag legen, schlagen ins Aggressive um, wenn sie sich in einer bestimmten Situation entgegen ihrer Gewohnheit durchsetzen müssen. Aggressivität ist ein uralter Autopilot, der unseren Vorfahren schon vor Hunderttausenden von Jahren das Überleben gesichert hat. Immer dann, wenn vor ihnen ein Höhlenbär oder ein Säbelzahntiger fauchend und knurrend hinter einem Busch hervorgesprungen ist, wurde dieser Autopilot aktiviert. Dann gab es für unsere Vorfahren nur noch Kampf oder Flucht.

Aggression ist evolutionär angelegt

War das Kampfprogramm erst einmal gestartet, lief alles automatisch ab. Rationales Denken, das Abwägen von langfristigen Konsequenzen, das Abgleichen mit früheren Erfahrungen, das logische Hinterfragen des eigenen Handelns – all das war mit einem Mal abgeschaltet. Solche analytischen Formen des Denkens sind schlicht zu langsam, um in dieser Kampfsituation hilfreich zu sein. Im Kampf werden Entscheidungen blitzschnell und reflexartig getroffen. Holte der Höhlenbär zu einem Prankenhieb aus, dachte ein Steinzeitmensch nicht lange nach, ob der Höhlenbär möglicherweise auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten stand oder wie und in welche Richtung er selbst ausweichen sollte. Er tat es einfach und stach dann reflexartig mit seinem feuersteinbesetzten Speer zu.

Sich durchzusetzen ist das Ergebnis einer Entscheidung

Das Problem ist nur: So sinnvoll dieses reflexartige und automatische Handeln unseres Aggressions-Autopiloten im Umgang mit Höhlenbären gewesen sein mag, so problematisch ist es, wenn wir uns gegenüber unseren Mitmenschen in der modernen Welt in gleicher Weise durchsetzen möchten. Da wäre es schon gut, wenn wir Konsequenzen abwägen, das eigene Handeln hinterfragen und die Situation logisch analysieren könnten, statt reflexartig jeden vermeintlichen Angriff mit einem Gegenangriff zu beantworten.

Sich durchzusetzen funktioniert eben weder mit einem passiven noch mit einem aggressiven Autopiloten, sondern ist immer das Ergebnis einer bewussten und rationalen Entscheidung, die mit Werkzeugen umgesetzt wird, in deren Handhabung wir geübt sind. Aber wie kann es gelingen, die passiven und aggressiven Autopiloten auszuschalten, die uns so oft steuern und die Durchsetzung unserer Interessen unmöglich machen?

Auf den Punkt gebracht:

Passivität, Aggressivität und Durchsetzungsstärke sind dauerhafte innere Haltungen, keine Verhaltensweisen, zwischen denen wir ständig wechseln können. Innere Haltungen steuern unser Handeln oft wie ein Autopilot, ohne dass wir uns dessen bewusst sind, was wir gerade tun. Von einer passiven Haltung geprägte Handlungen (sich unterbrechen lassen; immer den Kaffee kochen für das ganze Team) sind mit einem niedrigen Status verbunden und beeinflussen, wie wir wahrgenommen werden. Wer im Allgemeinen mit einer passiven Haltung durchs Leben geht, schlägt dann, wenn er sich durchsetzen muss, oft ins Aggressive um.

Reiz und Reaktion: Wie wir unseren aggressiven Autopiloten unter Kontrolle bringen