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Lassen Sie sich mitnehmen auf eine etwas andere Reise zu Ihrer sicheren Maschine. In spannenden Beispielen, Analogien und mit einer Prise Humor werden in diesem Buch die komplexen Zusammenhänge der Maschinensicherheit einfach und klar erläutert. Dabei wird von Anfang an klargestellt, was das wichtigste Hilfsmittel auf diesem Weg ist und wann es im Produktentstehungsprozess angewendet werden muss. Die rechtliche Sicht auf den Maschinenentwicklungsprozess soll allen beteiligten Personen im Unternehmen aufzeigen, welche Verantwortung sie in einem Schadensfall haben. Durch die Beleuchtung der ethischen Komponente der Maschinensicherheit wird letztlich deren eigentlicher Hintergrund und damit die Sinnhaftigkeit der daraus resultierenden Gesetze und Normen klar erkennbar. Dieses Buch richtet sich an die Geschäftsleitung von technischen Betrieben, die in der Konstruktion, der Entwicklung und der Steuerungstechnik beschäftigten Mitarbeiter, an jene, die mit Einkauf, Betrieb und Bedienung von Maschinen und Maschinenanlagen zu tun haben, sowie an alle Technikbegeisterten. Zu Ausbildungszwecken ist es für Schülerinnen und Schülern in technischen Berufen eine perfekte Einstiegshilfe in das Thema Maschinensicherheit.
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Seitenzahl: 170
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Dipl.-Ing. Karl-Heinz Wolf wurde 1967 in Dornbirn, Österreich, geboren. Nach dem Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau-Studium an der TU Wien und der Sponsion im Jahre 1998 war er zwölf Jahre in der technischen Leitung im Anlagenbau tätig. Seit 2011 ist er freiberuflicher Ingenieurkonsulent für Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau, spezialisiert auf Maschinensicherheit, und allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für Maschinenbau und Sicherheitstechnik, Normenexperte im ASI und im CEN sowie Lehrbeauftragter an der HTL Bregenz.
Vorwort
Die sichere Maschine
2.1 Beinaheunfall
2.2 Major Tom
Der Weg zur sicheren Maschine
3.1 Die Definition des Risikos
3.2 Die Dokumente zur Sicherheit
3.3 Der andere Zugang zur Sicherheit
3.4 Der Weg zur sicheren Maschine
3.4.1 Sicher bauen
3.4.2 Sicher steuern
3.4.3 Sicher kleiden
3.4.4 Sicher beschriften
3.4.5 Sicher beschreiben
3.4.6 Sicher risikomindern
3.5 Die Organisation der Sicherheit
Sichere Maschinen in Europa
4.1 Die EU-Richtlinien
4.1.1 Die Konformitätsbewertung und das Qualitätsmanagementsystem
4.1.2 Die
CE
-Kennzeichnung
4.2 Die technischen Normen
4.2.1 Merkmale der Normungsarbeit
4.2.2 Geltungsbereich der Normen
4.2.3 Sicherheitsgrundnormen für Maschinen
Die Risikobeurteilung
5.1 Risikominderung in fünf Schritten
5.1.1 Festlegung der Grenzen der Maschine
5.1.2 Identifizierung der relevanten Gefährdungen
5.1.3 Risikoeinschätzung
5.1.4 Risikobewertung
5.1.5 Risikominderung im Drei-Stufen-Verfahren
5.2 Die fünf Merkmale der Sicherheitsfunktionen
5.3 Missbräuchliche Verwendung
5.4 Manipulationssicherheit
Risikobeurteilung in umgekehrter Reihenfolge
6.1 Der ultimative Vergleich
6.2 Warum hat die Saturn-V-Rakete ihre charakteristische Spitze?
6.2.1 Bestimmung der Grenzen
6.2.2 Ermittlung der relevanten Gefährdungen und Gefahrenbeschreibung
6.2.3 Einschätzung der Risiken
6.2.4 Bewertung der Risiken
6.2.5 Risiken in festgelegter Rangfolge minimieren
6.2.6 Ist das LES eine Sicherheitsfunktion?
Sicherheit vor dem Richter
7.1 Die vier Schritte zur Straftat
7.1.1 Bewusste Handlung
7.1.2 Tatbestand
7.1.3 Rechtswidrigkeit
7.1.4 Schuld
7.2 Risikovorsorge
Entscheiden Sie mit
8.1 Ofenunfall
8.1.1 Konformitätsbewertung des Ofens
8.1.2 Verantwortung des Herstellers
8.1.3 Verantwortung des Betreibers
8.1.4 Verantwortung der Ofenarbeiter
8.1.5 Verantwortung des Staplerfahrers
8.2 Die Challenger-Katastrophe
8.2.1 Festlegung falscher Grenzen
8.2.2 Falsche Risikoeinschätzung
8.2.3 Mangelhafte Produktbeobachtung
8.2.4 Umgehung einer Sicherheitsfunktion
8.3 Die Columbia-Katastrophe
8.3.1 Falsche Risikoeinschätzung
8.3.2 Das Kostenargument
8.3.3 Mangelnde Produktbeobachtung
Ethik im Maschinenbau
9.1 Begriffsbestimmungen
9.1.1 Die Technikethik
9.1.2 Die Risikoethik
9.1.3 Körperverletzung
9.1.4 Der Wert des Menschen
9.2 Arbeitssicherheit
9.2.1 Wer verdient welche Sicherheit?
9.2.2 Sicherheit in welcher Lebensphase?
9.2.3 Zero Injury“ am Arbeitsplatz
9.2.4 No Risk, no Fun“ in der Freizeit
9.2.5 Eine bessere Welt
9.3 Vertretbares Restrisiko
9.3.1 Arbeitswelt
9.3.2 Raumfahrt
9.3.3 Zivile Atomkraft
9.4 Terror durch Maschinen
9.5 Kriegsmaschinen
Anhang
10.1 Die sicherheitstechnische Organisation
10.2 Aufbau der Maschinenrichtlinie
10.2.1 Erwägungsgründe
10.2.2 Einige Artikel der Maschinenrichtlinie
10.2.3 Anhänge I bis XI
10.3 Risikobewertung des LES
10.4 Lösung zu den Fragen in Abschnitt 1
Verzeichnis
11.1 Abbildungsverzeichnis
11.2 Tabellenverzeichnis
11.3 Literaturverzeichnis
Was soll an Maschinensicherheit denn lustig sein? So ein wichtiges Thema muss doch mit dem nötigen Ernst angegangen werden. – So ist jedenfalls die gängige Meinung in Fachkreisen. Ich aber stellte mir die Frage: „Muss das denn alles immer so öde und spröde sein?“ So wurde die Idee zu diesem Buch geboren. Ich war gerade vier Jahre alt, als 1971 die ersten „Lach- und Sachgeschichten“ im Fernsehen liefen, die Sendung mit der Maus prägte in der Folge unsere Generation. Diese Fernsehsendung erklärt komplexe Sachverhalte für Kinder spannend, einfach und anschaulich und bringt zur Auflockerung zwischen den Beiträgen witzige Zeichentrickfilme. So sollte mein Buch auch aufgebaut sein: kein reines Fachbuch, sondern auch ein Sach- und Lachbuch. Folgende fünf Zugänge waren mir bei seiner Erstellung besonders wichtig:
Humor soll das trockene und eigentlich ernste Thema der Maschinensicherheit von Anfang an begleiten. Das ist der Lachzugang des Buches.
Gesetzestexte, Fachbegriffe und Fremdwörter werden weitgehend vermieden bzw. in die Fußnoten oder in den Anhang des Buches verräumt. Vorbild dazu war das Motto des Antiraucherbuches von Allen Carr
1
:
„Rauchen Sie weiter, bis das Buch fertig gelesen ist, erst auf der letzten Seite müssen Sie dann für immer aufhören
.“ Man legt ein Buch ebenfalls sofort weg, wenn es mit Normen, Vorschriften und Paragrafen startet, deren Sinn man nicht versteht. Carrs Motto wird von mir daher auf die Maschinensicherheit angewendet:
„Keine Angst vor dem Lesen dieses Buches, es kommen im Haupttext nur die wichtigsten Fachbegriffe, Gesetze und Normen vor.“
Das ist der Fachzugang des Buches.
Das Buch soll auf das jeweilige Thema mit einem spannenden, eindrücklichen Beispiel neugierig machen. Es kommen hierbei vor allem eigene Erlebnisse des Autors zum Einsatz. Zusätzlich lockern kurze, prägnante Merksätze den Text auf und vertiefen die wichtigsten Aussagen. Das ist der Sachzugang des Buches.
Die didaktische Analyse
2
wurde nicht nur im ersten Abschnitt bewusst eingesetzt, um Spannung aufzubauen und neugierig zu machen. Das ist der didaktische Zugang des Buches.
Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass in vielen Betrieben die Maschinensicherheit nicht den Stellenwert hat, den sie notwendigerweise haben sollte. Oft werden ihre Vorschriften als lästig und unnötig abgetan, unsichere Maschinen und daraus resultierende Unfälle sind die Folge. Den philosophischen Fragen zur Maschinensicherheit wird daher in diesem Buch ein besonderer Stellenwert eingeräumt, dem Leser sollen die eigentlichen Hintergründe der sicherheitstechnischen Normen und Gesetze einleuchten. Das ist der philosophische Zugang des Buches.
Wenn, aufgrund dieser Publikation, nur eine einzige Verletzung verhindert wird, wäre das schon ein Erfolg, sollten sogar Todesfälle damit abgewendet werden, hätte sie ihr Ziel übertroffen.
Hard, im Februar 2016
Karl-Heinz Wolf
1 Allen Carr: Endlich Nichtraucher! Der einfache Weg, mit dem Rauchen Schluss zu machen. Goldmann, 1992.
2 Ich greife hier auf die fünf Grundfragen der didaktischen Analyse von Wolfgang Klafki zurück: 1. Gegenwartsbedeutung (z.B. schon erlebte Arbeitsunfälle), 2. Zukunftsbedeutung (z.B.: Ich möchte nicht vor dem Kadi landen), 3. Struktur des Inhaltes (zumindest die Maschinenrichtlinie und die EN ISO 12100), 4. Exemplarische Bedeutung (z.B.: Auf welchen Gebieten hilft mir das Buch noch weiter? Umgang mit Normen, Richtlinien, Bedeutung der Ethik im Arbeitsleben), 5. Zugänglichkeit (anhand von Praxisbeispielen wie der Saturn-V-Rakete, Filmen, Sprichwörtern, Kabarettszenen).
Sommer 1984. Ich bin als 16-jähriger Ferialpraktikant allein im Betrieb und lege in meiner heutigen Nachtschicht schon das 375-te Werkstück in die Spannvorrichtung der Schleifmaschine ein – so, wie ich es in diesem Sommer schon seit Wochen gemacht habe – und starte den automatischen Schleifzyklus. Es ist mein letzter Arbeitstag als Praktikant und ich bin in Gedanken schon in den Ferien, im Strandbad mit meinen Freunden. Plötzlich ein lauter Knall, die Schleifscheibe zerspringt in tausend Teile und die Trümmer fliegen mit einer irren Geschwindigkeit nur knapp an meinem Gesicht vorbei. Kreidebleich flüchte ich in den letzten Winkel der Werkstatt, wo ich meinen Schock verdaue.
Ich hatte während des Bearbeitungsprozesses aus Versehen die pneumatische Klemmvorrichtung für das Werkstück gelöst. Das hätte ich dann doch lieber bleiben lassen sollen, denn die Schleifscheibe kollidierte infolge meines Blackouts bei der Bedienung der Maschine mit dem Werkstück und löste sich mit gefühlter Lichtgeschwindigkeit3unkontrolliert in ihre Bestandteile auf. Danach fühlte sich auch das Werkstück nicht mehr genötigt, an seinem Platz zu verbleiben – da war es ja kurzzeitig nur aufgrund seiner Massenträgheit geblieben –, und schlug wie eine Granate in der gegenüberliegenden Wand ein.
Mein schlechtes Gewissen zwang mich, die Sache zu vertuschen, doch woher eine neue Schleifscheibe nehmen? Ich musste den Vorfall dann doch beichten und meinen „Fehler“ eingestehen.
Diesen Beinaheunfall habe ich nur mit viel Glück unbeschadet überstanden. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts war von Maschinensicherheit noch wenig die Rede, im Gegenteil, ich hatte Gewissenbisse, weil ich ja offensichtlich einen Fehler gemacht und ein Werkzeug zerstört hatte.
Vielleicht haben Sie ja auch selbst schon einen ähnlichen Unfall erlebt oder von einem solchen gehört. Nicht erst seit heute wissen wir, dass Monotonie am Arbeitsplatz eine hohe Gefahr für Unfälle darstellt und ein daraus resultierendes menschliches Fehlverhalten erst recht keine Gefährdungssituation an einer Maschine hervorrufen darf.
Unter anderem aus diesem Grund wurde die Maschinenrichtlinie4 geschaffen, welche vom Hersteller auch ergonomische Lösungen zur Bedienung und Fehlertoleranz der Maschinen verlangt.
Wenn Sie als Konstrukteur der Maschine von Anfang an die Maschinensicherheit im Auge behalten, werden dadurch Unfälle und nicht zuletzt menschliches Leid vermieden, ganz zu schweigen von der Vermeidung der Unfallkosten und eventuellen strafrechtlichen Konsequenzen. Maschinensicherheit ist daher auch ein zutiefst ethischer Gedanke.
Wir kommen in diesem Buch nicht umhin, uns auch mit den wichtigsten europäischen Vorschriften und Gesetzen zu beschäftigen. Konkret eingehen werde ich im Haupttext aber vorwiegend nur auf die
Maschinenrichtlinie 2006/42/EG und die
Maschinensicherheitsgrundnorm EN ISO 12100.
Kenntnis im Umgang mit Normen, Richtlinien und Gesetzen ist auch in vielen anderen Bereichen nützlich. So ist es sicherlich von Vorteil, wenn Sie wissen, wie eine Richtlinie aufgebaut ist und was genau hinter der Normung steckt. Das alles wird in diesem Buch für Sie klar und verständlich aufbereitet.
Versuchen Sie jetzt bitte die in Tabelle 1 gestellten Fragen zu meinem einleitend angeführten Beispiel zu beantworten. Überprüfen Sie die Antworten nach der Lektüre des Buches eventuell noch einmal und vergleichen Sie diese erst dann mit meinen Lösungsvorschlägen in Kapitel 10.4.
Tabelle 1: Fragen zu einem Beinaheunfall
Sie können den Fragenkatalog gerne auch jetzt schon erweitern, wenn Sie ihn auf ein eigenes Schlüsselerlebnis anwenden wollen. Am Ende des Buches sollten Sie die Fragen dann für sich beantworten können.
Endlich sitze ich hier in meinem weichen, gepolsterten Sitz. Tausende Male bin ich es gemeinsam mit den Technikern durchgegangen. Es sind die besten Techniker der Welt, davon bin ich überzeugt, was soll da schon schiefgehen? Zusätzlich bin ich perfekt geschützt durch meinen maßgefertigten Anzug – und doch habe ich wieder diese Zweifel.
Ich weiß, ich sollte glücklich darüber sein, dass gerade ich es bin, der hier sitzt. Jahrelange Ausbildung, hartes Training und schmerzliche Entbehrungen sollen sich jetzt endlich gelohnt haben, doch ich bin mir jetzt nicht mehr so sicher, ob wirklich alles gut gehen wird.
Unter mir befinden sich 3.000 Tonnen Sprengstoff und ich bin ganz entspannt, jedenfalls rede ich mir das so gut es geht ein – und schon habe ich wieder diese Zweifel.
Es gibt tausende Teile, welche bei einem Versagen meinen Tod bedeuten können, doch jetzt ist es zu spät, um zu kneifen. Es wurden ja hunderte Tests durchgeführt, was ein Versagen der Teile ausschließen sollte, also – here we go!
Der Resetknopf ist in Reichweite und ich überlege kurz, ob ich „zufällig“ daran entlangstreifen soll, um den Start abzubrechen, aber die Telemetrie würde mich entlarven.
Und schon zünden mit ungeheurem Getöse die Triebwerke. Die Vibrationen sind so stark, dass ich die Instrumente kaum mehr ablesen kann. Überraschend sanft heben wir ab und beschleunigen immer stärker. Nach einer Minute durchbrechen wir schon die Schallmauer, nach weniger als drei Minuten beschleunigen wir mit 40 Meter pro Sekunde Quadrat und fliegen mit Mach acht dem Weltraum entgegen. Abrupt endet die Beschleunigung und die erste Stufe wird abgesprengt. In nur 160 Sekunden haben wir unglaubliche 2.000 Tonnen Treibstoff verbrannt. Ich überlege, dass das ja über 13 Tonnen sind, also ungefähr zehn vollbesetzte VW Käfer, welche pro Sekunde als flüssiger Sauerstoff und Wasserstoff durch die fünf Triebwerke gejagt wurden.Am 16. Juni 1969 startete die US-amerikanische Mondrakete Saturn V mit dem Apollo-11-Raumschiff auf ihrer Spitze und den Astronauten Neil Armstrong, Michael Collins, Buzz Aldrin an Bord ins All zur, wie wir heute wissen, ersten erfolgreichen Mondlandung mit gelungener Rückkehr zur Erde.
Major Tom ist eine erfundene Raumfahrerfigur aus einem Lied von David Bowie5, welche später in einem Lied von Peter Schilling6 wiedererschien. Ihm ist es allem Anschein nach nicht so gut ergangen. Tom scheint zwar die kritische Startphase heil zu überstehen, wobei der Countdown nicht mit „zero“ endet, sondern mit: „… and may gods love be with you“. Danach ist dann aber bald „something wrong“ und Major Tom lässt seiner Frau in einem letzten Funkspruch seine Liebe übermitteln, bevor die Verbindung endgültig abreißt.
Was genau der Grund für den Tod Major Toms im All ist, bleibt offen. Es sollte sich aber im Mondlandeprogramm der NASA bald herausstellen, dass ein Totalverlust bei einer Mondmission jederzeit möglich ist. Apollo 13 kam, nach der Explosion eines Sauerstofftanks im Servicemodul und dem wohl berühmtesten Funkspruch in der Raumfahrtgeschichte: „Houston, we’ve had a problem“ (wie war doch noch gleich der zweitberühmteste Weltraumspruch von Neil Armstrong nach Betreten des Mondes?7), nur mit größten Anstrengungen der Bord- und Bodenmannschaft und einer riesigen Portion Glück wieder heil zur Erde zurück. Eindrücklich dargestellt wurden die Vorgänge um Apollo 13 in dem gleichnamigen Film8 aus dem Jahre 1995 von Ron Howard mit Tom Hanks in der Hauptrolle. Das eigentliche Ziel, die Mondlandung, wurde von Apollo 13 allerdings verfehlt und die Mission ist daher als Fehlschlag anzusehen, allerdings als der erfolgreichste Fehlschlag im gesamten Apolloprogramm.
3 Die Lichtgeschwindigkeit beträgt 299.792.458 Meter pro Sekunde.
4 siehe dazu Kapitel 4.1
5Space Oddity von David Bowie erschien 1969, im Jahr der Mondlandung.
6Major Tom (völlig losgelöst) von Peter Schilling wurde 1982 veröffentlicht.
7 Neil Armstrongs erste Worte auf dem Mond waren: „That’s one small step for man … one … giant leap for mankind.“
8Apollo 13, Regie: Ron Howard, USA, 1995.
Die Sonne scheint in den Raum und die Hitze ist fast unerträglich, ich versuche mir etwas Luft zu verschaffen, indem ich meine Krawatte etwas lockere. Hunderte Leute sind allein nur wegen mir gekommen. Sie sitzen hier freiwillig, manche von ihnen zum Freizeitvergnügen, ich dagegen habe keine Wahl.
In letzter Zeit denke ich oft darüber nach, wie ich mir diese Situation hätte ersparen können. Es war doch seit Jahrzehnten nichts passiert, wir hatten das seit der Gründung des Unternehmens immer schon so gemacht und dann dieser schicksalhafte Tag. Wer konnte schon ahnen, dass der Arbeiter so handeln würden, wahrscheinlich hat er die Anweisungen wieder nicht gelesen, wobei der Gutachter sagte, dass er das nicht müsste, denn jeder Arbeiter hätte ein Recht auf eine sichere Maschine, das steht anscheinend in irgendeiner Richtlinie.
Alle stehen auf, der Richter erscheint und die Entscheidung naht. Ich kann jetzt nur noch auf die Milde des Gerichtes hoffen.
Wer hat sich als kleines Rädchen in einem Betrieb schon einmal Gedanken darüber gemacht, was passieren würde, wenn Menschen durch das eigenes Fehlverhalten zu Schaden kommen? Wenn jemand eine Unterschrift leistet, beispielsweise auf einer Checkliste, und die betreffende Arbeit nicht mit bestem Wissen und Gewissen durchgeführt hat, dann hat dieser Mitarbeiter eventuell ein schlechtes Gewissen oder redet sich darauf hinaus, dass es alle so machen. Was aber ist mit dem Konstrukteur, der ein Risiko erkennt, dieses aber, beispielsweise aus Kostengründen, nicht beseitigt und einfach nur ignoriert. Vielleicht wird er dabei ja vom Vorgesetzten gedeckt oder von diesem sogar dazu gezwungen.9
Normalerweise sollte Sie Ihr Vorgesetzter darüber informieren, was Sie zu tun und zu lassen haben, auch darüber, was die Sicherheit auf allen Ebenen betrifft. Eine Stellenbeschreibung gibt es in den meisten Fällen, aber wie steht es mit der Sicherheit und den rechtlichen Aspekten?
Eine schöne Aufgabe ist es an dieser Stelle – besonders, wenn Sie hier unsicher sind –, für den eigenen Arbeitsplatz selbst eine Risikoanalyse zu erstellen und die darin auftauchenden Fragen mit Ihrem Vorgesetzten zu klären, denn auch Sie wollen bestimmt Sicherheit zuallererst für sich selbst.
Minimieren Sie das Risiko, einmal vor einem Richter zu stehen, indem Sie eine Risikoanalyse für Ihren Arbeitsplatz erstellen.
Risiko wird definiert als Schadensausmaß, multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit des Eintretens des Schadens, und zwar in jeder Art Risikobeurteilung, unabhängig von dem angewandten Beurteilungsverfahren, von denen es unzählige gibt.10
Die Risikoanalyse ist dann die Einschätzung des Risikos in Bezug auf die Gefährdung.11
Man schätzt das Risiko ein, indem man sich die WWW-Fragen stellt: Wird es weh tun?12, Wie weh wird es tun?13, und: Wie wahrscheinlich14 ist es, dass es weh tut?
Die Richtlinie, von welcher der Angeklagte in unserer Geschichte leider nur eine vage Ahnung hat, ist die Maschinenrichtlinie, welche die Bibel des Maschinenbauers in Sachen Sicherheitstechnik ist. Wird diese Richtlinie vom Konstrukteur eingehalten, kann er sicher sein, dass er auch die Gesetze einhält.
Doch wer kennt diesen Gesetzestext schon im Detail, wann ist man auf der sicheren Seite und was für Hilfsmittel gibt es, um Rechtssicherheit zu erlangen? Hier folgt der Leitfaden, der diese Fragen beantwortet.
Haben Sie keine Angst vor einer gesetzeskonformen Konstruktion, diese wird ganz einfach, wenn sie folgende Dokumente gewissenhaft erstellen:
Eine schriftliche
Risikobeurteilung
am
Anfang
des Konstruktionsprozesses.
Eine saubere
Technische Dokumentation
Warum ist dies nötig? Der Richter möchte im Schadensfall als Erstes wissen, ob das Risiko, welches zum Schaden führte, im Konstruktionsprozess erkannt wurde und welche Maßnahmen zu Risikominderung ergriffen wurden. Als Beweis dafür ist natürlich die Schriftform gefordert, was sich in der Technischen Dokumentation widerspiegelt.
Natürlich heißt das nicht, dass Sie nicht auch alle anderen Vorschriften, wie z.B. die Niederspannungsrichtlinie, einhalten müssen, im Zuge der Risikobeurteilung stoßen Sie aber automatisch darauf. Sie haben also kein Gericht zu fürchten, wenn Sie diese zwei Punkte gewissenhaft umsetzen, oder mit anderen Worten und etwas allgemeiner ausgedrückt:
Die Technische Dokumentation ist der Beweis des Herstellers im Schadensfall, die Risikobeurteilung ihr zentrales Kernstück.
Die Maschinenkonstruktion ist ein äußerst kreativer Prozess. Im Vordergrund steht natürlich die Funktion der Maschine, denn diese stellt ja den primären Zweck der Maschine dar.
Für die Sicherheit einer Maschine sind hingegen die sogenannten Sicherheitsfunktionen zuständig, welche aus der Risikobeurteilung hervorgehen. Nun fallen sofort zwei Dinge auf:
Die Sicherheitsfunktionen sind für die Funktion der Maschine nicht notwendig.
Eine Risikobeurteilung ist für die Funktion der Maschine nicht notwendig.
Die Gefahr ist also groß, dass bei der Konstruktion der Maschine nur auf die Funktion abgestellt und die Sicherheit außer Acht gelassen wird, denn diese kostet ja nur Zeit und Geld und steuert nichts zum eigentlichen Zweck der Maschine bei. Der Angeklagte in unserem Beispiel bringt einige der beliebtesten Killerargumente vor:
„Es ist doch noch nie etwas passiert.“
„Das machen wir doch immer schon so.“
„Das habe ich nicht gewusst.“
„Dafür habe ich keine Zeit.“
„Das kostet zu viel.“
Von dieser Sichtweise muss man sich völlig lösen und die Maschinensicherheit von Anfang an in den Fokus stellen, denn nur dann entstehen für den Anwender ethisch einwandfreie Produkte.
Die Sicherheitsfunktionen sind die wichtigsten Funktionen einer Maschine, denn sie helfen, menschliches Leid zu vermeiden.
Die Sicherheitstechnik ist also die ethische Komponente im Maschinenbau, welche in Abschnitt 9 noch genauer beleuchtet werden soll.
Parallel zum Maschinenkonzept ist also von Anfang an das Sicherheitskonzept zu entwickeln, in welchem die Sicherheitsfunktionen definiert und dargestellt werden.
Das Hilfsmittel dazu ist, wie nicht weiter verwundern wird, die Risikobeurteilung.15 Man kann auch sagen, dass das Sicherheitskonzept die räumliche bzw. zeichnerische Umsetzung der Risikobeurteilung ist.
Bild 01 zeigt ein einfaches Sicherheitskonzept einer Flaschenlochungsanlage mit zwei Sicherheitsfunktionen, welches in diesem Kapitel als Beispiel dienen soll. Die Kunststoffflaschen kommen von der angeschlossenen Produktionsmaschine auf das Band und werden zum Lochapparat gefördert. Der Bereich bei den Perforationswalzen ist mit ihrer mechanischen Gefährdung die eigentliche Gefahrenzone. Die gelochten Kunststoffflaschen werden nach der Lochung vom Förderband zur nächsten Maschine weitertransportiert.
Jetzt gibt es aber viele Möglichkeiten, ein einmal erkanntes Risiko zu senken oder ganz auszuschalten. Wie soll man da als Konstrukteur am besten vorgehen?
Auch hier stellen die Maschinenrichtlinie und vor allem die EN ISO 12100 dem Konstrukteur eine einfache und einleuchtende Vorgehensweise zur Verfügung, indem die möglichen, risikomindernden Maßnahmen in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht werden, die jeder Konstrukteur einzuhalten hat.
Bild 01. Einfaches Sicherheitskonzept einer Flaschenlochmaschine
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