Sieben Jahre Sehnsucht - Sylvia Day - E-Book

Sieben Jahre Sehnsucht E-Book

Sylvia Day

4,9
9,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: Heyne
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Je länger das Sehnen, umso süßer die Erfüllung

Lady Jessica Sheffield erwischt den attraktiven Alistair Caulfield dabei, wie er im Wald eine verheiratete Gräfin befriedigt. Seitdem herrscht eine verstörende Spannung zwischen ihnen, und sie vermeidet jede weitere Begegnung. Sieben Jahre später treffen die beiden wieder aufeinander und kommen sich näher. Das anfängliche Knistern schlägt bald wilde Funken der Leidenschaft, und die beiden ergeben sich ihrem starken Verlangen ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 470

Bewertungen
4,9 (34 Bewertungen)
30
4
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



SYLVIA DAY

SIEBEN JAHRE

SEHNSUCHT

Roman

Aus dem Englischen

von Evelin Sudakowa-Blasberg

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Die Originalausgabe SEVEN YEARS TO SIN erschien 2011 bei

Kensington Books, New York

Vollständige deutsche Erstausgabe 01/2014

Copyright © 2011 by Sylvia Day

Copyright © 2014 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München

unter Verwendung von

© Ilona Wellman/arcangel-images.com

Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

ISBN: 978-3-641-11803-7

www.heyne.de

Für all die Leser, die Geliebter Fremder lieben –

dieses Buch habe ich für euch geschrieben.

Prolog

Der Anblick von athletisch gebauten Männern, die miteinander rangen, hatte etwas ungemein Faszinierendes an sich. Durch die unverhüllte Aggression und Härte wurden ihre niederen, animalischen Wesenszüge offenbar, und ihre kämpfenden Körper verströmten eine Kraft, die die primitivsten Instinkte einer Frau wachriefen.

Lady Jessica Sheffield war dagegen nicht gefeit, wie es sich für eine wohlerzogene Dame geziemt hätte.

Gebannt blickte sie zu den beiden jungen Männern hinüber, die auf dem Rasen am gegenüberliegenden Ufer des schmalen, flachen Teichs ausgelassen miteinander rangen. Der eine Mann würde bald ihr Schwager sein; der andere war sein Freund, ein leichtfertiger Taugenichts, der dank seines unverschämt guten Aussehens auf mehr Nachsicht stieß, als er in Wahrheit verdiente.

»Ich würde auch gern so herumtollen«, seufzte ihre Schwester Hester, die neben ihr im Schatten einer alten Eiche saß und unverhohlen zu den beiden Männern hinüberstarrte. Eine sanfte Brise wehte über die Grashalme des Rasens, der sich durch die Parklandschaft bis hin zum prachtvollen Pennington-Herrenhaus erstreckte. Das Anwesen lag geschützt am Fuß eines bewaldeten Hügels und strahlte mit der bronzefarbenen Steinfassade und den vergoldeten Fensterrahmen, in denen sich die Sonnenstrahlen fingen, eine heitere Ruhe aus.

Jess wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer Handarbeit zu. Es widerstrebte ihr, die zwei Jahre jüngere Hester wegen ihres ungebührlichen Starrens zurechtzuweisen, da sie selbst des gleichen Vergehens schuldig war. »Mit solch wilden Spielen ist es für Frauen nach der Kindheit vorbei. Wir sollten lieber nicht nach etwas verlangen, das unerreichbar ist.«

»Warum dürfen Männer ihr Leben lang Jungen bleiben, während wir Frauen schon in jungen Jahren erwachsen sein müssen?«

»Die Welt wurde für Männer erschaffen«, sagte Jess leise.

Unter der breiten Krempe ihres Strohhuts blickte sie wieder verstohlen zu den beiden Ringkämpfern hinüber. Plötzlich ertönte ein herrisches Kommando; die Männer hielten mitten in der Bewegung inne, und Jess erstarrte. Alle Köpfe drehten sich in dieselbe Richtung. Als sie ihren Verlobten erspähte, der sich den beiden Männern näherte, legte sich ihre Anspannung nach und nach, so wie sich das Meer nach einer aufbrandenden Welle wieder zurückzieht. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob sie jemals diese Schreckstarre loswerden würde, die sie bei jeder auftretenden Disharmonie überfiel, oder ob sie zu sehr darauf gedrillt war, den Zorn eines Mannes zu fürchten, um jemals davon frei zu sein.

Hochgewachsen und elegant gekleidet schritt Benedict Reginald Sinclair, Viscount Tarley und zukünftiger Earl of Pennington, über den Rasen mit der Zielstrebigkeit eines Mannes, der sich seines Prestiges bewusst war. Für Jess war diese tief verwurzelte aristokratische Arroganz beruhigend und beunruhigend zugleich. Manchen Männern genügte es, um ihre Autorität zu wissen, wohingegen andere das Verlangen verspürten, ihre Macht willkürlich zu demonstrieren.

»Und welchen Beitrag sollen Frauen für die Welt leisten?«, fragte Hester mit einer trotzigen Schnute, die sie jünger als ihre sechzehn Jahre aussehen ließ. Mit einer ungeduldigen Bewegung strich sie eine goldblonde Locke zurück, die genau denselben Farbton wie Jessicas Haar hatte. »Den Männern dienen?«

»Sie erschaffen«, antwortete ihre Schwester, während sie Tarleys kurzes Winken erwiderte. Morgen würden sie im Beisein von sorgfältig ausgewählten hochrangigen Gästen in der Familienkapelle der Sinclairs getraut werden. Jess fieberte dem Tag aus verschiedenen Gründen entgegen, nicht zuletzt deshalb, weil sie dann nicht mehr den plötzlichen und grundlosen Wutanfällen ihres Vaters ausgeliefert wäre. Sie verübelte es dem Marquis of Hadley nicht, dass er auf gesellschaftliches Ansehen und Jess’ Pflicht, dieses zu sichern, großen Wert legte. Dies war sein gutes Recht. Doch sie verurteilte die Härte, mit der er auf ihre Fehler und Unzulänglichkeiten reagierte.

Hester stieß einen Laut aus, der verdächtig nach einem abfälligen Schnauben klang. »Das sind die Worte unseres Vaters.«

»Und die allgemein herrschende Weltanschauung. Wer wüsste das besser als wir?« Ihrer beider Mutter hatten die vergeblichen Bemühungen, einen Erben und Stammhalter zu gebären, das Leben gekostet. Hadley hatte eine neue Gattin genommen und eine weitere Tochter hinnehmen müssen, bis endlich vor fünf Jahren sein lang ersehnter Sohn zur Welt gekommen war.

»Ich glaube nicht, dass Tarley dich lediglich als Zuchtstute sieht«, sagte Hester. »Nein, ich bin mir sicher, er hat eine Schwäche für dich.«

»Ich würde mich freuen, wenn es so wäre. Aber könnte ich keinen angemessenen Stammbaum vorweisen, hätte er niemals um meine Hand angehalten.« Jess beobachtete, wie Benedict seinen jüngeren Bruder wegen der wilden Rangelei tadelte. Michael Sinclair wirkte hinreichend zerknirscht, was auf Alistair Caulfield allerdings nicht zutraf. Seine Haltung war, wenn nicht offen herausfordernd, so doch viel zu stolz, um reumütig zu sein. Die drei Männer boten einen reizvollen Anblick – die Sinclairs mit ihren dunkelbraunen Locken und den durchtrainierten Körpern und Caulfield mit seinem rabenschwarzen Haar und den schönen, diabolischen Zügen, denen er den Ruf verdankte, ein Günstling von Mephistopheles höchstpersönlich zu sein.

»Versprich mir, dass du mit ihm glücklich werden wirst«, bat Hester und sah Jess eindringlich an. Ihre Augen waren von demselben leuchtenden Grün wie der Rasen zu ihren Füßen, und ihr Blick war voller Sorge. Die Augenfarbe hatte Hester zusammen mit den goldblonden Locken von ihrer Mutter geerbt. Jess hatte die grauen Augen ihres Vaters, aber das war auch alles, was er ihr mitgegeben hatte. Sie war froh darüber, nicht mehr von ihm geerbt zu haben.

»Das habe ich fest vor.« Dafür gab es natürlich keine Gewähr, aber warum sollte sie ihre Schwester unnötig beunruhigen? Tarley war die Wahl ihres Vaters, und ganz gleich, wie die Ehe sich entwickelte, Jess würde sich daran gewöhnen.

Hester insistierte weiter. »Ich möchte nicht, dass eine von uns beiden so resigniert aus dem Leben scheidet wie unsere Mutter. Das Leben ist dazu da, dass man es in vollen Zügen genießt.«

Sorgsam packte Jess ihre Petit-Point-Stickerei in die Tasche, die neben ihr auf der halbmondförmigen Marmorbank lag. Sie betete, ihre Schwester möge sich ihr liebreizendes, hoffnungsfrohes Wesen bewahren. »Tarley und ich respektieren einander. Ich habe seine Gesellschaft und die Gespräche mit ihm immer genossen. Er ist intelligent, geduldig, aufmerksam und höflich. Und er ist unbestreitbar ein Bild von einem Mann.«

Hesters Lächeln erstrahlte hell wie die Sonne im Schatten der alten Eiche. »In der Tat. Ich bete nur, dass Vater für mich eine ähnlich attraktive Wahl trifft.«

»Hast du einen bestimmten Gentleman im Auge?«

»Nein, nicht direkt. Mir schwebt jemand vor, der alle Eigenschaften, die mich ansprechen, vollkommen in sich vereint.« Hester schaute zu den drei Männern hinüber. »So würde mir ein Gatte von Tarleys gesellschaftlichem Rang gefallen, aber mit der umgänglichen Art von Mr. Sinclair und dem Aussehen von Mr. Caulfield. Da ich der Meinung bin, dass Alistair Caulfield der wahrscheinlich attraktivste Mann in ganz England – wenn nicht darüber hinaus – ist, werde ich in dieser Hinsicht wohl Abstriche machen müssen.«

»Für mich ist er zu jung, um ihn als Mann ernst zu nehmen«, schwindelte Jess, den Blick auf den Gegenstand des Gesprächs geheftet.

»Unsinn. Er ist für sein Alter sehr reif; das sagen alle.«

»Sein zügelloser Lebenswandel hat Spuren hinterlassen. Das ist etwas anderes.« Litt Jess unter zu vielen Einschränkungen, so fehlte Caulfield jegliche Grenze. Nachdem seine drei älteren Brüder die für sie vorhergesehenen Rollen als Erbe, Armeeoffizier und Geistlicher übernommen hatten, war für ihn keine mehr übrig gewesen. Und eine ihn abgöttisch liebende Mutter hatte seine Chancen, sich zu einem verantwortungsvollen Mann zu entwickeln, eher verschlechtert. Er war berühmt-berüchtigt für seine Risikobereitschaft und den Hang, sich jeder Wette und jeder Herausforderung zu stellen. In den paar Jahren, die Jess ihn kannte, war er mit jeder Saison wilder geworden.

»Zwei Jahre Altersunterschied machen überhaupt nichts aus«, wandte Hester ein.

»Vielleicht nicht, wenn der eine dreißig, der andere zweiunddreißig ist. Aber sechzehn und achtzehn? Das ist ein gewaltiger Unterschied.«

In einiger Entfernung entdeckte Jess Benedicts Mutter, die auf sie zueilte – ein sicheres Zeichen dafür, dass ihre kurze Atempause von den hektischen letzten Vorbereitungen vorbei war. Sie stand auf. »Wie auch immer, deine Schwärmerei für Mr. Caulfield ist reine Verschwendung. Es besteht kaum die Aussicht, dass er es in diesem Leben zu irgendetwas Vernünftigem bringen wird. Das garantiert ja allein schon seine bedauernswerte Stellung als der überflüssige vierte Sohn. Es ist eine Schande, dass er es vorgezogen hat, auf den Vorteil seines guten Namens zu verzichten und sich stattdessen leichtsinnigen Vergnügungen zu widmen. Aber das ist sein Fehler, und es sollte nicht deiner werden.«

»Es heißt, sein Vater habe ihm ein Schiff und eine Zuckerrohrplantage auf Jamaika vermacht.«

»Höchstwahrscheinlich hatte Masterson dabei die Hoffnung, sein Sohn werde seine gefährlichen Neigungen an einer entfernten Küste ausleben.«

Hester seufzte. »Manchmal wünsche ich mir, ich könnte weit, weit weg reisen. Habe nur ich solche Sehnsüchte?«

Ganz und gar nicht, hätte Jess gern erwidert. Der Gedanke an eine Flucht war ihr nicht fremd, doch ihre gesellschaftliche Stellung war zu klar definiert. In dieser Hinsicht war sie benachteiligter als die Frauen gewöhnlicher Herkunft. Als Tochter des Marquis of Hadley und zukünftige Countess konnte sie über ihr Leben nicht selbst bestimmen. Wenn keiner dieser beiden Männer den Wunsch nach ausgedehnten Reisen verspürte, würde sie niemals die Gelegenheit dazu erhalten. Aber ihrer leicht beeinflussbaren Schwester derlei Grübeleien anzuvertrauen wäre unangemessen und unfair. »So Gott will«, sagte sie nun, »wirst du einen Gatten bekommen, der dir all deine Wünsche erfüllen wird. Du verdienst es.«

Jess nahm Temperance, ihren geliebten Mops, von der Leine und bedeutete ihrer Zofe, ihre Tasche zu nehmen. Als sie an ihrer Schwester vorbeiging, gab sie ihr einen Kuss auf die Stirn. »Wirf heute beim Abendessen mal einen Blick auf Lord Regmont. Er ist attraktiv, äußerst charmant und vor Kurzem von einer Bildungsreise zurückgekehrt. Du wirst einer der ersten Diamanten sein, auf die er seit seiner Rückkehr trifft.«

»Aber er müsste bis zu meiner Einführung in die Gesellschaft noch zwei Jahre warten«, entgegnete Hester mehr als nur leicht verstimmt.

»Du bist das Warten wert. Jeder Mann mit Stil und Geschmack wird das sofort erkennen.«

»Als hätte ich in dieser Sache eine Wahl; selbst wenn er mich reizvoll finden sollte.«

Jess zwinkerte und senkte verschwörerisch die Stimme. »Regmont ist ein enger Vertrauter von Tarley. Ich bin mir sicher, Benedict würde ihn gegenüber unserem Vater in den höchsten Tönen loben, sollte dies notwendig werden.«

»Wirklich?« Hesters Schultern zuckten vor jugendlicher Begeisterung und Vorfreude. »Du musst uns unbedingt miteinander bekannt machen.«

»Natürlich.« Mit einem Winken machte sich Jess auf den Weg. »Und verschwende du bis dahin keinen Blick mehr auf Nichtsnutze.«

Kichernd hielt sich Hester die Augen zu, doch Jess vermutete, dass ihre Schwester, sobald sie außer Sicht wäre, sofort wieder zu den drei Männern hinübersehen würde.

Sie selbst würde das jedenfalls tun.

»Tarley ist ungeheuer angespannt«, bemerkte Michael Sinclair, während er sich den Staub abklopfte und seinem sich entfernenden Bruder nachblickte.

»Hast du etwas anderes erwartet?« Alistair Caulfield hob seine Jacke vom Boden auf und schüttelte die Grashalme ab, die an dem edlen Tuch klebten. »Morgen werden ihm die Ketten angelegt.«

»Für den Diamanten der Saison. Kein allzu trauriges Los. Meine Mutter sagt, selbst Helena aus der griechischen Mythologie hätte nicht schöner sein können.«

»Oder eine Marmorstatue kälter.«

Irritiert sah Michael auf. »Verzeihung?«

Alistair beobachtete, wie auf der anderen Seite des schmalen Teichs Lady Jessica Sheffield auf das Haus zuschritt, ihren kleinen Hund im Schlepptau. Ihre schlanke Gestalt war vom Hals bis zu den Knöcheln in bleiches, blütenbedrucktes Musselin gehüllt, das sich im Wind eng an ihren Körper schmiegte. Ihr Gesicht war von ihm abgewandt und durch einen Hut vor der Sonne geschützt, doch er konnte ihre Züge mühelos heraufbeschwören. Eine solche Schönheit zog seine Blicke magnetisch an. Das ging vielen Männern so.

Ihr Haar war eine Augenweide, so lang und üppig, wie Alistair es noch nie bei einer Blondine gesehen hatte. Die hellen Locken schimmerten fast silbern und waren durchsetzt von dunkleren goldenen Strähnen, die das Haar noch fülliger erscheinen ließen. Vor ihrer Einführung in die Gesellschaft hatte sie ihr Haar gelegentlich offen getragen, aber nun war es ebenso gebändigt wie ihr gesamtes Wesen. Für eine so junge Frau wirkte sie ungewöhnlich kühl und reserviert.

»Dieses helle Haar, die sahneweiße Haut«, murmelte Alistair, »und diese grauen Augen …«

»Ja?«

Alistair vernahm die Belustigung in der Stimme seines Freundes und fügte schroff hinzu: »Ihre Farben passen perfekt zu ihrem Naturell. Sie ist eine Eisprinzessin. Dein Bruder sollte dafür beten, dass sie schnell Nachkommen gebiert, andernfalls riskiert er, dass ihm der Schwanz abfriert.«

»Und du solltest besser deine Zunge im Zaum halten«, warnte Michael ihn, mit beiden Händen durch seine dunkelbraunen Locken streichend, um sie wieder in Form zu bringen. »Ich könnte das als Beleidigung auffassen. Lady Jessica wird bald meine Schwägerin sein.«

Abwesend nickend wandte Alistair seine Aufmerksamkeit wieder der anmutigen jungen Frau zu, die in jeder Hinsicht absolut vollkommen wirkte. Fasziniert beobachtete er sie, suchte nach irgendeinem Sprung in dem porzellanglatten Äußeren. Er fragte sich, wie sie in ihrem Alter den gesellschaftlichen Druck ertrug, diese Zwänge, die er zunehmend als unerträglich empfunden hatte und gegen die er jetzt rebellierte. »Ich bitte um Entschuldigung.«

Michael musterte ihn. »Hegst du irgendeinen Groll gegen sie? Dein scharfer Ton lässt das vermuten.«

»Mag sein, ich bin etwas gekränkt«, gestand er widerwillig ein, »weil sie mich gestern Abend geschnitten hat. Ihre beleidigende Missachtung stand in auffälligem Gegensatz zum Verhalten ihrer Schwester Hester, die recht charmant ist.«

»Ja, Hester ist bezaubernd.« Angesichts von Michaels schwärmerischem Ton hob Alistair fragend die Brauen. Errötend fügte Michael hinzu: »Wahrscheinlich hat dich Jessica einfach nicht gehört.«

Alistair schüttelte den Kopf. »Ich saß direkt neben ihr.«

»Links von ihr? Auf dem Ohr ist sie taub.«

Alistair benötigte einen Moment, um diese Neuigkeit zu verdauen. Er hatte geglaubt, Jess sei vollkommen, und empfand es nun beinahe als Erleichterung, dass auch sie Mängel aufwies. Es verlieh dem Bild der statuenhaften Göttin ein paar menschliche Züge. »Das war mir nicht bekannt.«

»Normalerweise fällt es nicht auf. Nur wenn der Geräuschpegel hoch ist wie bei größeren Abendgesellschaften, wird es zu einer Behinderung.«

»Jetzt verstehe ich, warum Tarley sie gewählt hat. Eine Gattin, die den Klatschgeschichten nur mit einem Ohr lauscht, ist in der Tat ein Segen.«

Schnaubend drehte Michael sich um und ging auf das Haus zu. »Sie ist sehr zurückhaltend«, schloss er, »und das sollte die zukünftige Countess of Pennington auch sein. Tarley versichert mir, sie sei ein stilles, aber tiefes Wasser.«

»Hm …«

»Du scheinst das anzuzweifeln. Aber trotz deines hübschen Gesichts hast du mit Frauen gewiss nicht so viel Erfahrung wie Tarley.«

Alistair grinste schelmisch. »Bist du dir da sicher?«

»Angesichts der unwiderlegbaren Tatsache, dass Tarley zehn Jahre älter ist als du, bin ich mir dessen mehr als sicher.« Er legte den Arm um Alistairs Schultern. »Du solltest dir eingestehen, dass Tarley dir aufgrund seines beträchtlichen Altersunterschieds überlegen ist und genügend Erfahrungen gesammelt hat, um die verborgenen Qualitäten seiner Verlobten zu erkennen.«

»Es missfällt mir, mir irgendetwas einzugestehen.«

»Ich weiß, mein Freund. Aber eines musst du dir in jedem Fall eingestehen: Du warst mir beim Ringkampf unterlegen. Leider ging Tarley dazwischen. Ich stand kurz vor dem Sieg.«

Alistair knuffte ihn in die Seite. »Hätte Tarley dich nicht gerettet, würdest du jetzt um Gnade winseln.«

»Ha! Soll derjenige Sieger sein, der beim Wettrennen zum –«

Noch ehe Michael ausgeredet hatte, rannte Alistair schon los.

In wenigen Stunden würde sie verheiratet sein.

Kurz bevor die Nacht hereinbrach, ging Jessica mit Temperance noch einmal nach draußen in den das Pennington-Herrenhaus umgebenden Wald. Fröstelnd zog sie ihr Tuch enger um die Schultern. Das gleichmäßige Trappeln der Hundepfoten auf dem Kiesweg klang vertraut und beruhigend.

»Warum bist du nur so pingelig?«, schimpfte sie. Ihr Atem dampfte in der eisigen Luft, und sie sehnte sich danach, wieder in ihr warmes Bett zu kriechen. »Ein Plätzchen ist doch so gut wie jedes andere.«

Der Mops sah Jessica mit einem Ausdruck an, den man nur als Empörung deuten konnte.

»Na gut«, seufzte sie, denn sie war außerstande, diesen Augen etwas abzuschlagen. »Dann gehen wir eben noch ein Stück weiter.«

Nachdem sie um eine Ecke gebogen waren, blieb Temperance schnüffelnd stehen. Offenbar zufrieden mit dem Ort wandte die Hundedame ihrem Frauchen diskret den Rücken zu und kauerte sich vor einem Baum nieder.

Lächelnd wandte sich Jess ab und ließ den Blick umherschweifen. Sie beschloss, den Park und den umliegenden Wald bei Tag näher zu erkunden. Anders als viele Anwesen, in denen Gärten und Wälder mit Obelisken, Reproduktionen von griechischen Statuen, Tempeln und Pagoden bevölkert waren, war auf Pennington erfreulich viel von der natürlichen Landschaft erhalten. Entlang der Gehwege gab es Orte, wo man sich fernab der Zivilisation und deren Bewohner fühlte. Jessica hätte nie gedacht, wie sehr sie das genießen würde, vor allem nach stundenlangem seichtem Geplapper mit Leuten, die sich nur für den Adel, in den sie einheiraten sollte, interessierten.

»Wir können unseren Spaziergang gern fortsetzen«, sagte sie über die Schulter hinweg, »wenn die Sonne am Himmel steht und ich entsprechend gekleidet bin.«

Temperance beendete ihr Geschäft und begann, zum Haus zurückzugehen, zog mit bemerkenswerter Ungeduld an der Leine, nachdem sie zunächst so lange gebraucht hatte, einen geeigneten Pinkelplatz zu finden. Ein Rascheln auf der linken Seite ließ sie aufmerken. Ihre dunklen Ohren und der Schwanz stellten sich auf, und ihr brauner muskulöser Körper bebte vor Anspannung.

Jess’ Herz begann schneller zu schlagen. Sollte es ein Wildschwein oder ein wildgewordener Fuchs sein, könnte sich die Lage zuspitzen. Jess wäre am Boden zerstört, wenn Temperance etwas zustieße, denn der Hund war das einzige Wesen auf Erden, das sie nicht nach äußeren Kriterien beurteilte.

Ein Eichhörnchen huschte über den Weg. Erleichtert sackte Jess in sich zusammen und stieß ein lautloses Lachen aus. Doch der Mops entspannte sich nicht. Mit einem Satz jagte er dem Eichhörnchen hinterher und entriss seinem Frauchen die Leine.

»Herrgott! Temperance!«

Fell blitzte auf, und dann waren beide Tiere verschwunden. Auch das Rascheln des Laubs und Temperance’ tiefes Knurren waren schon bald nicht mehr zu hören.

Ergeben hob Jess die Hände, verließ den Gehweg und folgte einem Trampelpfad, der sie tiefer in den Wald hineinführte. Sie war so auf den Weg konzentriert, dass sie die Gartenlaube erst bemerkte, als sie beinahe dagegengestoßen wäre. Sie ging rechts daran vorbei …

Das kehlige Lachen einer Frau durchbrach die Stille. Erschrocken blieb Jess stehen.

»Beeil dich, Lucius«, drängte die Frau atemlos. »Trent wird meine Abwesenheit bemerken.«

Die Frau war Wilhelmina, Lady Trent. Reglos stand Jess da, wagte kaum zu atmen.

Ein langsames Knarren von Holz ertönte aus der Laube.

»Hab Geduld, meine Schöne«, sagte eine männliche Stimme in einem trägen, schleppenden Ton. »Erst sollst du das kriegen, wofür du bezahlt hast.«

Das Holz der Laube knarrte erneut, diesmal lauter. Schneller und härter. Lady Trent gab ein wimmerndes Stöhnen von sich.

Alistair Lucius Caulfield. In flagranti erwischt mit der Countess of Trent. Gütiger Gott!, dachte Jessica. Die Frau war an die zwanzig Jahre älter als er. Schön, ja, aber in einem ähnlichen Alter wie seine Mutter.

Der Gebrauch seines zweiten Vornamens war irritierend. Und womöglich aufschlussreich. Abgesehen von dem Offensichtlichen waren die beiden vielleicht auf eine tiefere Art miteinander verbunden. War es möglich, dass der rücksichtslose Caulfield eine Schwäche für die hübsche Countess hatte und diese es ihm erwiderte, indem sie ihn bei einem Namen nannte, den sonst niemand benutzte?

»Du«, schnurrte die Countess, »bist jeden Shilling wert, den ich bezahlt habe.«

Großer Gott!, ging es Jess durch den Kopf. Vielleicht waren sie überhaupt nicht auf eine tiefere Art miteinander verbunden, sondern es war nur ein … Geschäft. Ein Arrangement. Mit einem Mann, der die entsprechenden Dienste anbot …

In der Hoffnung, sich unbemerkt davonstehlen zu können, machte Jessica vorsichtig einen Schritt nach vorn. Eine Bewegung in der Laube ließ sie innehalten. Sie kniff die Augen zusammen, um in dem diffusen Licht besser sehen zu können. Zu ihrem Leidwesen war sie im schwachen Schein des abnehmenden Monds gut zu erkennen, während das Innere der Laube durch das Dach und die umstehenden Bäume im Dunkeln blieb.

Jessica erspähte eine Hand, die einen der Strebebalken des Kuppeldachs umklammerte, und ein Stück darüber eine zweite Hand. Die Hände eines Mannes, der sich festhielt und der, nach der Höhe des Strebebalkens zu urteilen, aufrecht stand.

»Lucius … Ah, hör jetzt um Himmels willen nicht auf.«

Lady Trent war zwischen ihrem Liebhaber und der Holzwand eingekeilt. Was bedeutete, dass Caulfield in Jess’ Richtung blickte.

Zwei glimmende Punkte in der Dunkelheit verrieten sich durch ein Blinzeln.

Er sah sie. Starrte sie an.

Jess wünschte, die Erde würde sich unter ihr auftun und sie verschlingen. Was sollte sie machen? Welches Verhalten war in solch einer Lage angemessen?

»Lucius! Oh Gott!« Das verwitterte Holz der Laube knarrte und quietschte. »Dein großer Schwanz in mir fühlt sich köstlich an. Komm, beweg dich.«

Unwillkürlich griff sich Jess an den Hals. Trotz der Kälte trat ihr der Schweiß auf die Stirn. Der Schrecken, den sie beim Anblick eines kopulierenden Mannes eigentlich empfinden müsste, blieb bemerkenswerterweise aus. Weil es Caulfield war und er sie faszinierte. Sie war wie gebannt – eine Mischung aus Neid auf seine Freiheit und Entsetzen über die Leichtfertigkeit, mit der er sich über gesellschaftliche Normen hinwegsetzte.

Sie musste weg von hier, bevor sie gezwungen wäre, Lady Trent über ihre Anwesenheit in Kenntnis zu setzen. Vorsichtig machte sie einen neuerlichen Schritt nach vorne …

»Warte.« Caulfields Ton war schroff.

Jessica zuckte zusammen.

»Ich kann nicht!«, keuchte Lady Trent.

Doch Caulfield hatte nicht zur Countess gesprochen.

Seine eine Hand war ausgestreckt, wies in Jessicas Richtung. Die darin liegende Aufforderung ließ Jess erstarren.

Einen endlos währenden Moment hielt sie den Blick auf seine funkelnden Augen gerichtet. Sein Atem wurde rau und keuchend.

Er umklammerte wieder den Strebebalken und begann sich zu bewegen.

Seine Stöße waren zunächst langsam und gewannen dann mit zunehmendem Tempo an Intensität. Das rhythmische Knarren des Holzes schlug von allen Seiten auf Jess ein. Sie sah nichts außer den beiden Händen und dem funkelnden Blick, der eine spürbare Glut verströmte, doch die Laute, die sie hörte, ließen Bilder in ihr entstehen. Caulfield fixierte sie ununterbrochen, selbst dann noch, als er so wild zustieß, dass Jess sich fragte, wie die Countess bei so brutalen Bewegungen noch Lust empfinden konnte. Doch Lady Trent war außer sich, stieß schrille Schreie aus und feuerte ihn mit vulgären Worten an.

Jess war von dieser Darbietung zutiefst beeindruckt. Es zeigte einen Aspekt des Geschlechtsverkehrs, der ihr bislang nicht bekannt gewesen war. Sie wusste um die technischen Details; ihre Stiefmutter war da sehr genau gewesen. Zuck nicht zusammen oder weine, wenn er in dich eindringt. Versuch, dich zu entspannen; das wird dein Unbehagen mildern. Gib keinerlei Laute von dir. Beanstande niemals etwas. Aber den wissenden Blicken anderer Frauen und dem Geflüster hinter Fächern hatte sie entnommen, dass da noch mehr dahinter sein musste. Jetzt hatte sie den Beweis. Jeder Lustschrei, den Lady Trent von sich gab, hallte in Jess wider, sprach alle ihre Sinne an. Ihr Körper reagierte instinktiv – ihre Haut prickelte, und ihr Atem wurde keuchend.

Sie begann unter der Kraft von Caulfields Blick zu erzittern. Obwohl es sie verlangte, der Intimität dieses Geschehens zu entfliehen, war sie außerstande, sich zu bewegen. So unmöglich es war, kam es ihr doch so vor, als würde er direkt in sie hineinsehen, durch die Fassade hindurch, die ihres Vaters Hand gemeißelt hatte.

Die unsichtbaren Fesseln, die sie an ihrem Platz festhielten, zerrissen erst in dem Moment, als Caulfield den Höhepunkt erreichte. Sein rauer Aufschrei wirkte auf Jess wie Sporen auf ein Pferd. Sie stürmte los, ihr Tuch mit gekreuzten Armen über ihren vollen, schmerzhaft ziehenden Brüsten festhaltend. Als Temperance hinter einem Busch hervorkam, um sie zu begrüßen, schluchzte sie vor Erleichterung auf. Sie hob den Mops hoch und rannte mit ihm zu dem Weg, der zurück zum Herrenhaus führte.

»Lady Jessica!«

Der Ruf ertönte, als Jess im rückwärtigen Garten angelangt war. Vor Schreck wäre sie fast gestolpert. Ihr Herz raste, und sie fühlte sich wie ertappt. Mit wehenden Röcken wirbelte sie herum und hielt nach dem Rufer Ausschau, voller Bangen, es könnte Alistair sein, der sie um Diskretion bitten wollte. Oder schlimmer noch, ihr Vater.

»Jessica! Bei Gott, ich habe dich überall gesucht.«

Erleichtert atmete sie auf, als sie Benedict sah, der aus dem Haus heraus auf sie zukam, doch ihre Erleichterung schlug alsbald in Wachsamkeit um. Er schritt so entschlossen und energisch über die taubedeckten Wege, dass Jess ein Schauer durchlief. War er etwa wütend?

»Ist etwas passiert?«, fragte sie ängstlich, denn warum sonst sollte er sie um diese späte Stunde suchen.

»Du bist lange weg gewesen. Vor einer halben Stunde erfuhr ich von deiner Zofe, dass du mit Temperance unterwegs bist, und zu diesem Zeitpunkt warst du bereits eine Viertelstunde außer Haus.«

Sie senkte den Blick, um jeglichen Anschein von Provokation zu vermeiden. »Entschuldigen Sie bitte. Es tut mir leid, dass ich Sie beunruhigt habe.«

»Entschuldigungen sind nicht nötig«, entgegnete er knapp. »Ich hatte einfach den Wunsch, mit dir zu sprechen. Wir werden morgen getraut, und ich wollte dir die Nervosität nehmen, die du womöglich verspürst.«

Verblüfft über seine Rücksichtnahme blickte Jess zu ihm auf. »Mylord –«

»Benedict«, berichtigte er sie und ergriff ihre Hand. »Du bist ja völlig durchgefroren. Wo warst du denn?«

Die Sorge in seinem Ton war unüberhörbar. Jess war sich zunächst nicht sicher, was sie antworten sollte. Seine Reaktion war so gänzlich anders, als es die ihres Vaters gewesen wäre.

Doch in ihrer Verwirrung schüttelte sie jegliche Bedenken ab und redete munter drauflos. Während sie erzählte, wie Temperance sie, auf der Jagd nach dem Eichhörnchen, in den Wald gelockt hatte, betrachtete sie ihren zukünftigen Gatten so aufmerksam wie seit Langem nicht mehr. Er war ein fester Bestandteil in ihrem Leben geworden, eine Verpflichtung, die sie akzeptiert hatte, ohne groß darüber nachzudenken. Sie hatte sich in das Unabänderliche nicht nur gefügt, sondern sich damit auch zunehmend wohlgefühlt. Aber jetzt fühlte sie sich nicht wohl. Sie war immer noch erhitzt und erregt durch die Art, wie Caulfield sie zur Steigerung seiner Lust benutzt hatte.

»Du hättest nur etwas sagen müssen, und ich hätte dich begleitet«, entgegnete Benedict, als sie geendet hatte. Er drückte ihre Hand. »In Zukunft wende dich doch bitte an mich.«

Ermuntert durch sein liebevolles Verständnis und der nachklingenden Wirkung des Weins, den sie allzu reichlich zum Abendessen getrunken hatte, fuhr Jess beherzt fort: »Temperance und ich haben noch etwas im Wald entdeckt.«

»Ja?«

Nun erzählte Jess auch von dem Paar in der Laube, sprach mit leiser, stockender Stimme und geriet immer wieder ins Stolpern, weil es ihr an dem nötigen Wortschatz und Selbstvertrauen fehlte. Sie erwähnte weder das Geld, das zwischen der Countess und Caulfield geflossen war, noch enthüllte sie deren Identität.

Reglos und stumm hörte Benedict ihr zu. Als sie am Schluss angelangt war, räusperte er sich und knurrte: »Verdammt! Ich bin entsetzt, dass du am Vorabend unserer Hochzeit etwas derartig Unangenehmes erleben musstest.«

»Die beiden schienen die Zusammenkunft keineswegs als unangenehm zu empfinden.«

Er errötete. »Jessica –«

»Sie sprachen davon, mir meine Nervosität nehmen zu wollen«, warf sie rasch ein, ehe sie den Mut verlieren würde. »Ich würde gern aufrichtig zu Ihnen sein, doch ich fürchte, die Grenzen Ihrer Nachsicht zu überschreiten.«

»Ich werde dir kundtun, wenn diese Grenze erreicht ist.«

»Auf welche Art?«

»Verzeihung?«, erwiderte Benedict stirnrunzelnd.

Jessica schluckte. »Auf welche Art werden Sie mir das kundtun? Mit einem Tadel? Dem Verlust eines Privilegs? Etwas … Strengerem?«

Er straffte die Schultern. »Ich würde niemals die Hand gegen dich oder irgendeine andere Frau erheben, und ich würde Aufrichtigkeit auch niemals als Vergehen ahnden. Ich nehme an, ich werde mit dir viel nachsichtiger sein als mit jedem anderen, den ich kenne. Du bist für mich ein großes Geschenk, Jessica. Ich habe ungeduldig auf den Tag gewartet, wenn du endlich mein sein wirst.«

»Warum?«

»Du bist eine sehr schöne Frau«, sagte er barsch.

Verwunderung durchströmte sie, gefolgt von einer Woge unerwarteter Hoffnung. »Mylord, finden Sie es schändlich, dass ich darum bete, die körperliche Seite unserer Ehe möge … lustvoll werden? Für uns beide.«

Sie würde niemals so schäkern können wie Lady Trent. So ein Verhalten entsprach einfach nicht ihrem Naturell.

Um seine Anspannung zu überspielen, zog er seinen eleganten Krawattenknoten etwas fester. »Dies ist immer meine Absicht gewesen. Und ich werde alles tun, dass es so sein wird, wenn du mir nur vertraust.«

»Benedict.« Sie sog seinen Geruch in sich ein – eine Mischung aus Gewürzen, Tabak und edlem Portwein. Obwohl er sicher niemals damit gerechnet hatte, mit seiner wohlerzogenen Verlobten ein derartiges Gespräch zu führen, waren seine Antworten so direkt wie sein Blick. Jess mochte ihn mit jedem Moment mehr. »Sie lassen sich so offenherzig auf dieses Gespräch ein. Ich frage mich, wie weit ich noch gehen kann.«

»Bitte sprich frei heraus«, drängte er. »Du sollst nicht mit Zweifeln oder Vorbehalten vor den Traualtar treten.«

Atemlos stieß Jess hervor: »Ich würde mich gern mit Ihnen in das Sommerhaus am See zurückziehen. Jetzt.«

Ein scharfes Keuchen entrang sich ihm, seine Züge verhärteten sich, und er drückte ihre Hand so heftig, dass es schmerzte. »Weshalb?«

»Ich habe Sie verärgert.« Seinem Blick ausweichend trat sie einen Schritt zurück. »Verzeihen Sie mir. Und bitte zweifeln Sie nicht an meiner Unschuld. Es ist spät, und ich bin nicht ganz bei mir.«

Benedict zog ihre Hand an die Brust, sodass sie wieder dicht vor ihm stand. »Sieh mich an, Jessica.«

Folgsam schlug sie die Augen zu ihm auf, und ihr schwindelte unter seinem Blick. Nun stand kein Trost mehr darin, keine Sorge.

»Uns trennen nur noch wenige Stunden vom Ehebett«, gemahnte er sie mit heiserer Stimme. »Ich nehme an, deine Beobachtung im Wald hat bislang unbekannte Regungen in dir wachgerufen, und ich kann dir gar nicht sagen, wie gut es mir gefällt, dass du darauf mit brennendem Interesse statt mit Abscheu reagierst, wie es manche Frauen tun würden. Doch als meine zukünftige Gemahlin verdienst du den dieser Stellung angemessenen Respekt.«

»Im Sommerhaus würden Sie mich nicht respektieren?«

Im ersten Moment schien er schockiert zu sein. Dann legte er den Kopf in den Nacken und brach in lautes Gelächter aus, das tief und voll durch den ganzen Garten hallte. Hingerissen starrte Jess ihn an. Wenn er lachte, wirkte er völlig verändert; es machte ihn zugänglicher und – falls das überhaupt möglich war – noch attraktiver.

Er zog Jess an sich und drückte die Lippen auf ihre Schläfe. »Du bist wirklich ein Schatz.«

»Wie ich die Sache verstehe«, flüsterte sie, sich an seinen warmen Körper schmiegend, »ist das Ehebett mit Pflicht verbunden, wohingegen das Vergnügen außerhalb davon bei Geliebten zu finden ist. Offenbare ich eine Schwäche, wenn ich gestehe, dass es mir lieber wäre, Sie würden mich, was das Schlafzimmer angeht, eher als Geliebte denn als Gemahlin behandeln?«

»Du hast keine Schwächen. Du bist so vollkommen wie keine andere Frau, der ich jemals begegnet bin.«

Von Vollkommenheit war sie weit entfernt; davon zeugte die Erinnerung an die Rutenhiebe auf die Rückseite ihrer Oberschenkel. Notgedrungen hatte sie gelernt, ihre Mängel zu überdecken.

Woher hatte Caulfield gewusst, dass sie seiner Aufforderung, ihm zuzusehen, willig nachkommen würde? Hatte er eine Seite an ihr wahrgenommen, die ihr selbst nicht bewusst war?

Wie immer er es geschafft hatte, Jess war unendlich erleichtert darüber, dass Benedict ihre plötzliche Forschheit weder bedrohlich noch unattraktiv fand. Seine Akzeptanz verlieh ihr einen ungewöhnlichen Mut. »Könnten Sie sich vorstellen, mich als Geliebte zu sehen?«

»Oh ja.« Benedict küsste sie, verschluckte jedes weitere Wort, das sie sagen wollte. Es war ein fragender Kuss, zärtlich und tastend, aber gleichzeitig sehr bestimmt. Mit wogender Brust und nach Atem ringend hielt sie sich an seinem Revers fest.

Seine Zunge glitt über ihre Lippen, lockend und aufreizend, bis sie sich öffneten. Als er mit einem raschen Stoß in ihren Mund eindrang, wurden ihre Knie weich. Er zog sie enger an sich, zeigte ihr sein Verlangen, indem er seine harte Männlichkeit gegen ihre Hüfte presste. Gierig und erregt knetete er ihre Haut. Plötzlich brach er ab und drückte die Stirn gegen ihre Stirn. Sein Atem ging schwer und abgehackt.

»Gott, hilf mir«, stieß er rau hervor. »Jess, so unschuldig du auch bist, hast du mich doch mit beachtlichem Talent verführt.«

Er hob sie in die Arme und trug sie raschen Schritts zum Sommerhaus.

Temperance schien die knisternde Spannung zu wittern. Sie trottete folgsam neben ihnen her, ließ sich dann mit ungewöhnlicher Ergebenheit auf der Veranda nieder und betrachtete den Sonnenaufgang.

1. Kapitel

Sieben Jahre später

»Denk doch bitte noch einmal darüber nach.«

Jessica, Lady Tarley, saß mit ihrer Schwester im Familiensalon der Regmonts und griff über den kleinen Tisch hinweg nach Hesters Hand. »Ich denke, ich sollte die Reise unternehmen.«

»Aber warum?« Hesters Mundwinkel bogen sich nach unten. »Ich würde es verstehen, wenn Tarley dich begleiten würde, aber jetzt, da er verschieden ist … Ist es nicht gefährlich, so eine weite Reise allein zu unternehmen?«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!