Siebenmal im August 2021 ermordet: Krimi Paket 7 Thriller - Alfred Bekker - E-Book

Siebenmal im August 2021 ermordet: Krimi Paket 7 Thriller E-Book

Alfred Bekker

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimids: (999) In die Falle gelockt (Uwe Erichsen) Feuer und Flamme (Alfred Bekker) Der Killermacher von New York (Cedric Balmore) Der Krallenengel (Cedric Balmore) Ein Buch für Mörder (Cedric Balmore) Gestern wurde ihre Leiche gefunden (Cedric Balmore) Der Dollar-Boss von Greenwich Village (Cedric Balmore) Roberto Tardelli, seines Zeichens Mafiajäger, möchte diesmal einen besonders dicken Fisch fangen. Doch natürlich legt ihm der Mob jede Menge Fallstricke und Hindernisse in den Weg. Selbst der Schachzug, als Undercover-Agent zu agieren, hilft Roberto bald nicht mehr weiter. In den Bergen, nahe einer geheimen Heroin-Fabrik, kommt es zum alles entscheidenden Showdown, zu einem Kampf auf Leben und Tod.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 865

Veröffentlichungsjahr: 2021

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Uwe Erichsen, Alfred Bekker, Cedric Balmore

UUID: a2f1c717-a0b6-489a-b7de-734897132511
Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

Inhaltsverzeichnis

Siebenmal im August 2021 ermordet: Krimi Paket 7 Thriller

Copyright

In die Falle gelockt ...

Feuer und Flamme

Der Killermacher von New York:

Die Krallenengel

Ein Buch für Mörder:

Gestern wurde ihre Leiche gefunden:

Der Dollar-Boss von Greenwich Village

Siebenmal im August 2021 ermordet: Krimi Paket 7 Thriller

Uwe Erichsen, Alfred Bekker, Cedric Balmore

Dieser Band enthält folgende Krimids:

In die Falle gelockt (Uwe Erichsen)

Feuer und Flamme (Alfred Bekker)

Der Killermacher von New York (Cedric Balmore)

Der Krallenengel (Cedric Balmore)

Ein Buch für Mörder (Cedric Balmore)

Gestern wurde ihre Leiche gefunden (Cedric Balmore)

Der Dollar-Boss von Greenwich Village (Cedric Balmore)

Roberto Tardelli, seines Zeichens Mafiajäger, möchte diesmal einen besonders dicken Fisch fangen. Doch natürlich legt ihm der Mob jede Menge Fallstricke und Hindernisse in den Weg. Selbst der Schachzug, als Undercover-Agent zu agieren, hilft Roberto bald nicht mehr weiter. In den Bergen, nahe einer geheimen Heroin-Fabrik, kommt es zum alles entscheidenden Showdown, zu einem Kampf auf Leben und Tod.

Er sah die Flammen emporzüngeln, sah, wie sie sich Stück für Stück weiterfraßen. Der Mann hielt einen Moment inne und bewegte sich einen Schritt weiter. In der Rechten hielt er noch den leeren Benzinkanister, den er jetzt mit einer kraftvollen Bewegung davon schleuderte...

Als eine Papierfabrik in Flammen aufgeht, muss Bount Reiniger einen Mörder stoppen...

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden, Sidney Gardner, Jonas Herlin, Adrian Leschek, John Devlin, Brian Carisi, Robert Gruber und Janet Farell.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author /

© dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Folge auf Twitter:

https://twitter.com/BekkerAlfred

Erfahre Neuigkeiten hier:

https://alfred-bekker-autor.business.site/

Zum Blog des Verlags!

Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!

https://cassiopeia.press

Alles rund um Belletristik!

In die Falle gelockt ...

von Uwe Erichsen

Der Umfang dieses Buchs entspricht 121 Taschenbuchseiten.

Roberto Tardelli, seines Zeichens Mafiajäger, möchte diesmal einen besonders dicken Fisch fangen. Doch natürlich legt ihm der Mob jede Menge Fallstricke und Hindernisse in den Weg. Selbst der Schachzug, als Undercover-Agent zu agieren, hilft Roberto bald nicht mehr weiter. In den Bergen, nahe einer geheimen Heroin-Fabrik, kommt es zum alles entscheidenden Showdown, zu einem Kampf auf Leben und Tod.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author / Cover by pixabay mit Steve Mayer, 2016

© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

Die Hauptpersonen des Romans:

Agostino Glona – Der Mann, der sich selbst überschätzt und deshalb abserviert wird.

Killer Cobb – Sein Mörder, der aber noch andere Leute auf seiner Liste hat und der bei Roberto erstmals an den Falschen gerät.

„Admiral“ Tipton – Auch er will Roberto umlegen lassen, und die Falle, in die er Roberto lockt, ist nahezu perfekt.

Don Lorenzo – Der Mafiaboss, der die geheime 'Fabrik' in den Bergen der Sierra betreibt und über Leichen geht, wenn ihn jemand dabei stört.

Roberto Tardelli – Der Mann, der von Don Lorenzo erbarmungslos mit Hubschraubern gejagt wird und auch in der ausweglosesten Situation verbissen seinen einsamen Kampf gegen die Mafia weiterkämpft.

1

Roberto Tardelli zog das starke Fernglas aus dem Futteral, als die feine Staubwolke über der Felsenwüste erschien. Er hob das Glas an die Augen und stellte es scharf ein.

Schroff und braungesprenkelt stiegen die Hänge der Sierra in den weißglühenden Himmel. Die Luft über der Wüste war unglaublich klar. Es schien keine Entfernungen zu geben. Der schmale Sims, der an den braunen Felsen auf der anderen Seite des Tales klebte, schien zum Greifen nah, und doch war er über vier Meilen entfernt.

Roberto Tardelli hatte Mühe, den Wagen in sein Blickfeld zu bekommen, der wie ein Käfer den schmalen, von Geröll übersäten Sims hinunterkroch. Der maisgelbe Dodge hätte sich besser in der Rushhour einer Großstadt gemacht als in der Sierra de Juarez in Mexiko.

Erst als die geschlossenen Scheiben des Wagens das Sonnenlicht wie Hohlspiegel zurückwarfen, hatte der einsame Beobachter keine Mühe mehr, den Kurs zu verfolgen. Vorsichtig kurvte der Fahrer um die größten Felstrümmer herum, doch viel Spielraum stand ihm für solche Manöver nicht zur Verfügung. Roberto sah deutlich, wie die Vorderräder über einen großen Stein kletterten, wie die Karosserie schaukelte und dann mit der Bodenwanne schwer aufschlug.

Roberto Tardelli lächelte. Es war ein Lächeln, das dem Mann in dem Dodge wenig Gutes verhieß.

Er steckte das Fernglas in das Futteral zurück und verstaute es in der Packtasche an der Seite der schweren Yamaha, einer aufgemotzten Moto Cross Maschine, die er gebraucht in San Diego gekauft hatte. Der unförmige, zünftig verbeulte blaue Helm mit den drei goldenen Sternen oben auf der Kuppel, lag auf dem Sattel. Roberto stülpte den Helm über seinen Kopf und zurrte den Riemen unter dem Kinn fest.

Sofort brach ihm der Schweiß aus allen Poren. Er ließ das Sonnenschutzvisier herabfallen. Von seinem Gesicht war jetzt nichts mehr zu erkennen. Er begegnete seinem Blick im Spiegel der Maschine – er sah aus wie ein Marsmensch. Durch das getönte Visier hatte die Landschaft eine unwirkliche blaugrüne Färbung angenommen.

Er knöpfte die Lederjacke zu – sie war ebenfalls gebraucht gekauft worden, auch die schweren Stiefel und die Beinschützer, der breite Nierengürtel und die wattierten Hosen.

Nur die Luger unter der Jacke gehörte zu ihm.

Er trat den Kickstarter. Die Maschine röhrte auf. Ölgestank wehte unter dem Visier her in seine Nase. Roberto jubelte die Drehzahl probeweise hoch. Der Lärm der schweren Maschine versickerte ungehört in der Weite des öden Landes.

Er drückte die Yamaha vom Ständer, schwang sein Bein über den Tank, setzte sich zurecht. Er zog die Kupplung, legte den ersten Gang ein, ließ die Kupplung kommen.

Gehorsam setzte sich das schwere Gefährt in Bewegung.

Roberto Tardelli lächelte, als er die schmale Felsrinne ansteuerte, durch die er in das staubige Tal zwischen den steilen Gebirgswänden hinunterrollen würde.

Obwohl er unter der dicken Kluft schwitzte, fühlte er sich wohl mit der gebändigten Kraft der leise vibrierenden Maschine zwischen den Schenkeln.

2

Der Dodge hatte die unbefestigte Fahrstraße erreicht, die in engen Windungen durch das Tal des Ojos Negros auf die Nationalstraße nach Ensenada führte.

Die Räder wirbelten den feinen Staub auf, der einen mehligen, knirschenden Belag auf Robertos Zähnen bildete und trotz des Helms in seine Nase und in die Augen drang. Reglos stand der feine braungraue Staub wie ein Schleier in der unbewegten Luft.

Plötzlich verriss der Fahrer des Dodge das Steuer.

Das war für Roberto ein Zeichen, dass der Bursche am Lenker ihn bemerkt hatte.

Roberto drehte auf. Die Show konnte beginnen.

Die Maschine schoss vor. Erschreckt presste der Driver in der Limousine den Fuß aufs Gas. Die breiten Reifen schleuderten feine Steinsplitter gegen den Windspoiler der Yamaha und das dunkle Visier des Helms, wo sie ein hartes Prasseln erzeugten wie Hagelkörner.

Der Dodge begann zu tanzen. Er sprang über eine Rinne, die Reifen verloren für einen Moment den Kontakt mit dem Boden. Dann krachte die Kiste schwer aufs Fahrgestell, die Bodenwanne schrammte über dem Felsen. Funken stoben. Die Kiste schlingerte nach links auf den Abgrund zu.

Unten lag das ausgetrocknete Flussbett des Ojos Negro, der nur für eine kurze Zeit im Frühjahr schäumendes Wasser zur Küste leitete. Dürre Mesquitesträucher und staubige Antilopenbüsche stellten die einzige Vegetation dar.

Der Wagen schlingerte auf die Mitte der einsamen Straße zurück. Der Fahrer versuchte, ihn wieder in die Spur zu zwingen. Für den Moment gelang es ihm. Aber nur eine halbe Meile voraus beschrieb die Straße eine scharfe Rechtskurve.

Roberto rückte auf. Durch die getönte Heckscheibe des Dodge und das farbige Visier des Helms konnte er vom Fahrer nur das krause Haar erkennen. Rücken, Schultern und Nacken wurden von der Sitzlehne mit der hochgezogenen Nackenstütze verdeckt. Roberto erkannte, dass der Fahrer sich angeschnallt hatte.

Da sah sich der Mann kurz um. Das Gesicht hatte sich zu einer Fratze verzerrt. Der Kerl hatte Angst. Todesangst.

Bravo, dachte Roberto. Du sollst schwitzen, du Halunke ...

Würde er sich so verhalten, wie Roberto es sich ausgerechnet hatte?

Der Mann da vorn war Agostino Giona. Einer der ganz wenigen Männer der Mafia, die Zugang hatten zu der 'Fabrik' in den öden Bergen Mexikos, südlich der Grenze von Kalifornien, wo chinesisches Rohopium in hochwertiges, chemisch nahezu reines Heroin verwandelt wurde.

Bisher hatte es nur Gerüchte über den Standort dieser Fabrik gegeben. Ihre Lage war so geheim, dass nicht einmal ein Mann wie Agostino Giona seine Babysitter mitbringen durfte, wenn er der geheimen Fabrik einen Kontrollbesuch abstattete.

COUNTER CRIME war es nach langwierigen Ermittlungen und aufwendigen, geduldig betriebenen Beobachtungen gelungen, die Lage der 'Fabrik' näher zu bestimmen.

Sierra de Juarez, fünfundsiebzig Meilen südlich des Grenzortes Mexicali, dreißig Meilen östlich von Ensenada. Die 'Fabrik' belieferte nahezu alle Mafia Familien, die sich mit dem Handel von Rauschgift befassten, mit Heroin. Mit reinem Heroin, das jeder nach seinem Gutdünken streckte.

Die illegale Fabrik in Mexiko wurde von einem der jüngeren Mafiosi betrieben, einem Kerl der neuen Generation – der Bursche verfügte über Hochschuldiplome gleich dreier Fakultäten, dafür besaß er jedoch keinerlei Skrupel, nur Ehrgeiz. In San Diego führte dieser Knabe ein Luxusdasein. Für die Behörden galt er als absolut tabu, er rangierte so etwa gleich hinter dem Präsidenten. Er hieß Virgil Maiotti und hatte sich einen Platz in der Society – in der High Society erobert. Es hieß, dass er beabsichtigte, für die Wahl zum Bürgermeister von San Diego zu kandidieren.

COUNTER CRIME wollte ihm den Teppich unter den Füßen wegziehen und gleichzeitig dem Rauschgifthandel einen entscheidenden Schlag versetzen. Der Befehl, den Roberto Tardelli von Colonel Myer erhalten hatte, war deshalb ebenso schlicht wie eingängig.

Zerstören Sie die Fabrik!

Ein Mann allein. In einem fremden Land. Nur auf sich gestellt. Angewiesen auf seine Intelligenz, seine Zähigkeit, seinen Mut.

Der Motor war der Hass. Der Hass auf die Mafia, die das Leben seines Vaters und seiner Schwester ausgelöscht und sein eigenes Leben in eine Bahn gezwungen hatte, die ihm zuwider war.

Der Dodge schlingerte auf die Kurve zu. Das Bremslicht flackerte wie ein krankes Auge, das Heck wedelte. Die rechte Flanke schrammte am Felsen entlang. Blech verformte sich, kreischte. Roberto grinste böse. Agostino hatte schon jetzt die Hosen voll.

Der Dodge war hinter der Biegung verschwunden. Roberto legte sich in die Kurve, drehte auf, holte erneut auf. Die Straße fiel jetzt ziemlich steil zur Küste hin ab. Weit voraus konnte er tiefblau das Meer erkennen.

Alles war voller Staub. Die hintere Stoßstange des Dodge befand sich nur wenige Yards vor seinem Vorderrad.

Agostino riss das Steuer nach rechts. Wieder schepperte die Flanke über die scharfen Felsvorsprünge. Der Wagen bekam einen heftigen Stoß und trieb nach links hinüber, dorthin, wo sich der Straßenrand übergangslos mit dem Geröllhang verband. Die linken Räder sackten weg.

Die Bodenwanne krachte über Steine, die ganze Auspuffanlage wurde abgerissen.

Roberto ließ sich zurückfallen. Nur eine Viertelmeile voraus traf die unbefestigte Bergstraße auf die Betonstraße nach Ensenada. Er musste die Sache zum Abschluss bringen, bevor doch jemand aufmerksam wurde. Roberto musste auf jeden Fall ein Rendezvous mit der mexikanischen Polizei vermeiden.

Er zielte auf den rechten Hinterreifen und zog ab.

Der Reifen wurde sofort von der Felge zerquetscht. Der Dodge neigte sich nach links. Die Schnauze wies bereits abwärts. Der Wagen rutschte von der Straße und trieb inmitten einer Gerölllawine den Abhang hinunter. Staub stieg auf.

Roberto hatte sein Motorrad angehalten. Er sah dem abrutschenden Wagen nach, bis er unten liegenblieb. Steine kollerten den Hang hinab. Ein schartiger Felsbrocken knallte gegen die Beifahrertür. Es wurde still. Sehr still.

Da flog die Fahrertür auf. Durch den grauen Staub erkannte Roberto eine Bewegung.

Agostino Giona stieg aus. Schwankend rannte er davon, auf die Betonstraße zu. Der in der Luft hängende Staub verzerrte die Konturen seiner schwammigen Gestalt.

Roberto stützte den linken Arm auf den Lenker der Yamaha und legte das rechte Handgelenk in die geöffnete Linke. Er zielte sehr sorgfältig, denn die Schüsse sollten dem Mafioso Angst einjagen, ihn aber keinesfalls treffen.

Zweimal schnell hintereinander drückte er ab.

Agostino Giona hörte die donnernden Detonationen und ließ sich fallen. Reglos blieb er liegen. Ein schwitzender, von Todesängsten geschüttelter Gangster, der anderen gegenüber noch nie Erbarmen gekannt hatte.

Roberto steckte die Kanone weg. Er legte den Gang ein und gab Gas.

Mit röhrendem Donnern brauste er davon.

3

In Santo Tomas südlich von Ensenada, einem kleinen Küstenort, hatte er eine verfallende Lehmhütte gemietet. Die Hütte lag am Rand der ehemaligen Fischerstadt. Fischer gab es in Santo Tomas schon lange nicht mehr, dafür beherbergte sie jetzt einen besonderen Schlag von Touristen ausgeflippte Manager, frustrierte Künstler, amerikanische Wehrdienstverweigerer, Hippies, Spinner aller Sorten. Tagsüber verkrochen sie sich in ihren Höhlen, den Bretter und Wellblechbuden oder in den Zelten, die sie zwischen den Olivenbäumen oder am Strand aufgestellt hatten. Abends und nachts bevölkerten sie die Strände.

Äußerlich unterschied sich Roberto nicht im mindesten von ihnen, auch wenn er wie einer der Rocker oder Hell’s Angel aussah, die oben in den Bergen leben sollten. Doch diese Straßenwölfe traten in Rudeln auf. Ein einzelner Motorradhippie signalisierte im Allgemeinen wenigstens friedliche Absichten.

Diesen Ort hatte Roberto Tardelli als seinen eigentlichen Stützpunkt gewählt.

Er bog von der Hauptstraße ab und rollte in mäßigem Tempo an einem Tomatenfeld vorbei. Weit im Süden tuckerte ein altersschwacher Traktor zwischen den staubbedeckten Pflanzen einher. Sonst war kein Mensch zu sehen. Ein schwarzer, bösartig aussehender Köter döste am Straßenrand in der Sonne.

Die Hütte verfügte über eine eigene Zufahrt, die von den anderen Lehmhäusern nicht eingesehen werden konnte. Roberto schob die Maschine sofort in den windschiefen Verschlag, der früher einmal als Bootsschuppen und Lagerraum für die Fischernetze gedient hatte.

Als er die Tür hinter sich Schloss, entfaltete er eine fieberhafte Tätigkeit.

Er zog die dicke Motorradkluft aus. Nur mit der Unterhose bekleidet lief er nach draußen zum Brunnen. Er zog einen mit Wasser gefüllten Eimer herauf und wusch sich notdürftig. Dann ging er ins Haus.

Sein Anzug lag auf dem Rohrstuhl bereit. Er zog sich an, wobei er auf den guten Sitz des Hemdkragens achtete. Er ging noch einmal in den Verschlag zurück, wo er die Luger holte. Er steckte sie in die Feder klammer, die er am Gürtel trug.

Wenig später schlenderte Roberto über die verlassene Dorfstraße auf den Platz vor der Kirche zu. Die Kirche hatte einen plumpen Turm. Der Lehmputz war größtenteils abgeblättert. Von den blass roten Ziegeln des Turmdaches waren die meisten ins Innere gefallen.

Die Tür der cantina, des einzigen Lokals in diesem Teil des Ortes, stand offen. Roberto schlüpfte durch den Schnurvorhang. Nach der blendenden Helligkeit draußen schloss er kurz die Augen. Es roch nach gebratenem Fisch und Tequila, nach billigem Parfüm und Schweiß.

Auf der Bank hinter der Theke lag ein Mann. Er hatte einen fleckigen Hut über sein Gesicht gelegt. Unter dem Hut drangen laute Schnarchtöne hervor.

Roberto hob den Hut an. Das Schnarchen ging unverändert weiter. Die vollen Lippen des Mannes zitterten, die Schnurrbartenden zitterten, und die Nasenflügel ebenfalls. Das schwarze Haar klebte schweißfeucht in der Stirn.

Roberto hob eine leere Flasche an und knallte sie auf die Theke.

Das Schnarchen setzte einen Moment aus, ging dann umso heftiger weiter. Roberto schüttelte den Mann, wobei er einen schrillen Pfiff ausstieß.

„Madre de dios!“ Wie von der Tarantel gestochen fuhr der Bursche in die Höhe. Die Augen waren geöffnet, doch der Blick war leer, kehrte erst langsam in die Gegenwart zurück. Der Schwarzhaarige wischte sich über das Kinn. Es war unrasiert und kratzte laut. „Francisco! Hast du mich erschreckt!“

Roberto, der sich hier der Einfachheit halber Francisco nannte, lächelte, ohne sich seine Ungeduld anmerken zu lassen. Wer es eilig hatte, stieß bei diesen Menschen auf passiven Widerstand. Er kannte Amado, den Besitzer der cantina, inzwischen gut genug um zu wissen, wie er ihn nehmen musste. Er lächelte in das zerknitterte Gesicht hinein.

„Entschuldige“, sagte er. „Ich hätte dich niemals gestört, wenn nicht etwas Schlimmes geschehen wäre ...“ Amados sanfte braune Augen nahmen einen bekümmerten Ausdruck an. „Du verlässt uns, Francisco?“ Roberto schüttelte den Kopf. „Du meinst, weil ich mich in Schale geworfen habe? Nein, nein ... Ich habe ein Telegramm bekommen“, behauptete er dann. „Ein Freund von mir ist in Not, verstehst du?“

Amado nickte. Er tastete nach einer vollen Flasche Tequila, dem Tröster in allen Lebenslagen.

„Ich muss nach Ensenada, und zwar schnell. Mein Freund wartet dort auf mich …“

„Ts, ts“, machte Amado. „Der Bus ist weg ...“

„Ja, der Bus ist weg ...“ Roberto nahm das Glas, das Amado ihm hinschob. Er leerte es auf einen Zug und schnalzte genießerisch mit der Zunge, dabei mochte er das Zeug gar nicht. „Und das Motorrad hat einen Platten.“

„Ts, ts“, machte Amado erneut. „Ich würde dir ja meinen Wagen geben ...“

Dieses Angebot hatte Roberto hören wollen. Doch was sollte die Möglichkeitsform? Er starrte sein Gegenüber an.

„Aber das Benzin ist alle.“

Roberto schloss die Augen. In seinen Ohren rauschte das Blut. Wenn er nicht vor Agostino Giona in Ensenada eintraf, war alles umsonst gewesen. Der sorgsam eingefädelte Plan nur noch einen Dreck wert. Monatelange Vorarbeiten umsonst. Denn wenn seine Aktion jetzt platzte, würde Giona rasch dahinterkommen, dass die Szene draußen in der Felsenwüste getürkt gewesen war.

„Kein Tropfen mehr?“, fragte Roberto heiser. Er hatte fest mit Amados Volkswagen gerechnet. Der Käfer war zwar uralt, aber das einzige Fahrzeug weit und breit, auf das man sich verlassen konnte. Nur – ohne Benzin lief selbst ein Volkswagen nicht.

„Nein. Emilio bekommt erst nächste Woche wieder eine Lieferung.“ Großer Gott! Emilio besaß die einzige Zapfsäule westlich der Schnellstraße.

„Ich habe einen Reservekanister in meinem Schuppen“, sagte Roberto hastig. „Ich hole ihn.“

Amado kratzte sich am Kopf. Er runzelte die Stirn, leckte sich die Lippen, trank ein Glas Tequila. Roberto wischte sich die feuchten Handflächen an der hellen Hose ab. Amado fühlte sich überrumpelt. Entscheidungen solcher Tragweite wollten durchdacht sein.

„Mein Freund wartet“, sagte Roberto. „Gib mir den Schlüssel.“

Amado kramte unter der Theke herum. Schließlich fand er den Zündschlüssel. Aufatmend nahm Roberto ihn in Empfang.

„Die rechte Tür klappert, und ich glaube, die Lenkung zieht etwas nach links. Die Handbremse funktioniert nicht. Und wenn du vom dritten in den vierten Gang schalten willst, musst du zwischenkuppeln. Aber sonst“, versicherte Amado, „ist der Wagen prima in Ordnung …“

4

Der Wagen schaffte die Strecke nach Ensenada in weniger als fünfzehn Minuten. Roberto bog kurz vor der Stadt in das weitläufige Gelände einer Raststätte ein. Er parkte den Volkswagen in der Nähe der Tankstelle. Als er sicher war, dass er nicht beobachtet wurde, betrat er das Restaurant. Eine der beiden Telefonkabinen im Vorraum der Toilette war frei. Er betrat die Zelle und schloss die Tür hinter sich. Er wählte eine Telefonnummer in Ensenada. Es meldete sich jemand auf Spanisch.

„Hotel Miranda! Was können wir für Sie tun, Señor?“

„Verbinden Sie mich mit Mr. Gionas Suite“, sagte Roberto.

„Augenblick, Señor ...“

Roberto wartete. Giona konnte noch nicht zurückgekehrt sein. Seine Babysitter würden sich am Swimmingpool vergnügen, aber einer musste das Telefon bewachen.

„Ja?“, meldete sich eine Stimme. Sehr kühl, sehr knapp.

„Hör mir jetzt sehr genau zu, Amigo“, sagte Roberto, „was ich sage, sage ich nur einmal ...“

„Hören Sie, wenn das ein Witz sein soll ...“

„Hast du mich so schlecht verstanden? Ich sagte, du sollst mir genau zuhören! Dieses ist ein Anruf aus San Diego, und was ich zu sagen habe, ist ein Befehl vom Boss. Ihr sollt sofort abreisen sofort! Und euch heute Abend um elf Uhr in der Garage einfinden.“

Die 'Garage' war das Hauptquartier der Hitmen in San Diego. Von dort aus wurden die Sicherheitsmaßnahmen für die 'Fabrik' jenseits der Grenze gesteuert. Die 'Garage' wurde von COUNTER CRIME überwacht. Roberto war es gelungen, zwei Wanzen in das Gebäude zu schmuggeln.

„Mann, was soll das? Wer sind Sie?“

„Seit wann flüstern wir Namen ins Telefon?“, konterte Roberto.

„Aber Agostino ...“

„Agostino? Wer ist Agostino?“ Robertos Stimme wehte wie ein eisiger Hauch durch den Draht. Er konnte sich vorstellen, wie der Bursche am anderen Ende des Drahtes erschauerte.

„Wenn das so ist ...“

„Ja, so ist es. Es gibt keinen Agostino mehr. Denkt daran – um elf Uhr werdet ihr in der Garage erwartet.“ Roberto legte auf. Ein dünnes Lächeln spielte auf seinen Lippen.

Die Kerle würden ein höllisches Tempo vorlegen müssen, wenn sie rechtzeitig in San Diego eintreffen wollten.

Sie würden es nicht schaffen. Unter keinen Umständen. Denn an der Grenze hinter Tijuana würden zwei höfliche Herren stehen, die sich als Beamte der Einwanderungsbehörde ausweisen würden. Sie würden eine Unstimmigkeit in den Pässen der drei Gorillas entdecken und die Herren erst einmal am Betreten der Vereinigten Staaten hindern.

Roberto verließ das Gebäude. Draußen war es sehr heiß. Er steuerte einen unauffälligen braunweißen Chevrolet Concour an, der unter schattenspendenden Eukalyptusbäumen stand.

Er schloss den Wagen auf, setzte sich hinein und fuhr nach Ensenada. Dort hatte er in einem Motel unweit des kleinen Flugplatzes einen einfachen Bungalow gemietet. Dort würde er warten. Wie die Spinne im Netz.

Die Lunte brannte.

5

„Fährt die Kiste nicht schneller?“, heulte Agostino Giona. Er hämmerte auf die Fensterkante.

Der Fahrer sah ihn aus großen Augen an. „Señor?“, fragte er betroffen. Der Lastwagen dröhnte. Durch die offenen Fenster strich der Fahrtwind.

„Ah, Mann, fahren Sie! Fahren Sie!“ Er wusste, dass der armselige Bauer ihn nicht verstand. Er hatte mit so einem klapprigen Gemüsewagen vorliebnehmen müssen. Denn niemand sonst hatte gehalten, als er endlich die Küstenstraße erreichte. Niemand. Die hochnäsigen amerikanischen Touristen nicht, und die wenigen Mexikaner schon gar nicht. Wer hielt schon an, wenn da eine fette, schwitzende Gestalt am Straßenrand winkte, ein Mann mit zerrissenem Anzug und staubbedeckten Schuhen. Erst als er auf die Idee verfallen war, mit einer Dollarnote zu winken, hatte jemand angehalten. Ein stinkender Bauer mit seinem alten Ford.

Agostino starrte aus dem Fenster. In seinem Innern war alles leer, wie erstorben.

Die Felder auf der rechten Seite der Straße wiesen ein üppigeres Grün auf. Über den Rasenflächen kreisten die Wassersprenger. Flache, schneeweiß leuchtende Gebäude lagen in hübschen Vorgärten. Riesige Reklamewände säumten die Straße. Ihre Beschriftung wies auf die Bars und die unzähligen Motels der Stadt hin, in denen der amerikanische Tourist sich wohlfühlen sollte.

Agostino Giona verzog das Gesicht. Er hasste die Hitze und den Staub, er hasste sogar das Meer, das auf der linken Seite wie ein blauer Spiegel bis zum Horizont reichte.

Vor einem Motel stand ein Taxi. Die Fahrgäste stiegen gerade aus.

„Halt!“, schrie Agostino dem überraschten Bauern zu. „Anhalten! Stopp!“

Erschreckt trat der verwirrte Mann auf die Bremse. Ratternd kam der Wagen zum Stehen. Agostino Giona drückte dem Mann noch einen Dollar in die Hand, dann stieg er aus.

„Adios, Señor!“, rief er.

„Ach, fahr doch zur Hölle, du Schnecke!“, knurrte der Mafioso gereizt. Wütend schmetterte er die Tür ins Schloss. Er watschelte auf das Taxi zu. Der Fahrer wollte soeben abfahren.

„He!“, schrie Agostino. „He! Du verdammter Halunke! Warte gefälligst!“ Er riss die hintere Tür auf und. ließ sich auf die Sitzbank fallen. Der Kunststoffbezug war glühend heiß.

Gern hätte er das schwarze Jackett ausgezogen, doch das ging nicht, weil er ein Schulterholster trug. In dem Holster steckte ein 32er Colt. Warum musste er auch schwarze Anzüge tragen, dachte er.

„Hotel Miranda. Aber schnell! Pronto! Vite! Mach schon!“

„Si, Señor, schnell. Ich verstehe.“ Der Fahrer gab seinem Taxi die Sporen, und die Kiste schoss davon.

Das Miranda lag nicht weit vom Strand entfernt. Palmen wiegten sich in der leichten Brise. Die Wagen, die auf den Parkplätzen der Hotels und Motels standen, trugen amerikanische Kennzeichen.

Die Reifen des Taxis knirschten über die mit Muschelkalk bestreute Hoteleinfahrt. Agostino drückte dem Fahrer ein paar Scheine in die Hand, dann sprang er aus dem Wagen und rannte zu der Depandance hinüber, wo er und seine Boys eine ganze Suite bewohnte. Das Haus lag hinter blühenden Mimosen Büschen. Er rannte über den geplatteten Weg, wobei der Schweiß in hellen Bächen über sein Gesicht rann. Glitzernd wie ein kostbares Juwel lag der Swimmingpool in einer schattigen Mulde. Unter dem Laubengang saßen die anderen Gäste, plaudernd, lachend. Der Mixer hinter der Bar hantierte mit dem Shaker.

Agostinos Mund war knochentrocken. Er verdrängte den Gedanken an einen kühlen Drink. Er stürmte in das Haus, rannte nach rechts, stieß die Glastür zu dem kleinen Flur auf, an dem seine Räume lagen.

Er drehte den Knauf zu seinem eigenen Living Room.

Die Tür ließ sich nicht öffnen.

Er spürte einen warnenden Stich in der Herzgegend. Er ging weiter. Hinter der nächsten Tür befand sich sein Schlafraum. Er drehte den Knauf, wuchtete seine Schulter gegen das Holz.

Nichts. Die Tür war verschlossen.

Panik schnürte ihm die Kehle zusammen. Seine Knie wurden weich, als er sich an der Wand entlang schleppte zur dritten Tür. Dort hausten die Gorillas. Drei Kerle. Danilo, Michele und Cobb. Seine Leibwache. Sein Statussymbol innerhalb der Organisation. Doch nicht nur das. Er war schon wer. Er brauchte die Kerle. Denn sein Job erforderte Burschen, die ihre Kanonen, Messer und Fäuste nicht nur zur Dekoration mit sich herumschleppten. Er selbst hatte sie ausgesucht. Sie waren ihm treu ergeben.

Meinte er jedenfalls.

Auch die dritte Tür war verschlossen.

Agostino Giona schleppte sich nach draußen. Im Haus war es angenehm kühl gewesen. Die Hitze traf ihn wie ein Schlag mit einem feuchten Tuch. Er blinzelte, als ihm beißend der Schweiß in die Augen rann. Hinter einem gelbblühenden Strauch blieb er stehen und peilte zum Swimmingpool hinunter. Im Wasser aalten sich zwei süße Bienen und ein blonder Beau. Die Leute am Rand des Beckens schauten ihnen gelangweilt zu. Unter dem Dach in der Nähe der Bar hatten die älteren Gäste Platz genommen.

Seine Bodyguards waren nirgendwo zu entdecken.

Er schwankte auf das Hauptgebäude zu. Erschreckt blieb er stehen, als er die vielen Menschen unter dem Vordach bemerkte. Gerade war ein Bus angekommen, und die Mitglieder irgendeines verdammten Bowlingclubs oder eines Schrebergartenvereins bevölkerten gackernd den Platz.

Was war, wenn der Killer sich irgendwo hier herumtrieb?

Unsinn, sagte er sich, der Killer musste ihn für tot halten, wäre er sonst abgerauscht?

Doch ein Rest Unsicherheit blieb und machte ihm gehörig zu schaffen.

Zögernd näherte er sich dem dreistöckigen Bau mit der kitschigen rosa Fassade. Er quetschte sich inmitten schnatternder Weiber durch die Drehtür und walzte dann durch die Halle. Rücksichtslos schob er sich auf das Pult zu wo zwei Clerks sich abmühten, die Wünsche der Neuankömmlinge zu erfüllen.

Agostino winkte mit einer Zehndollarnote. Ein glutäugiger Lackaffe von Clerk wurde aufmerksam. Agostino drückte einen grellbunt gekleideten Touristen zur Seite, und als der ihn wütend anfuhr, starrte der Mafioso den Mann nur stumm an. Der Tourist erschrak vor der Drohung, die in diesem Blick lag.

Der Gangster gab dem Clerk das Geld, der es blitzschnell verschwinden ließ.

„Ich dachte, Sie kommen nicht mehr, Sir“, sagte der Bursche.

„Wie kommen Sie darauf?“

„Ihre Angestellten haben es gesagt. Sie haben bezahlt und sind abgefahren.“

„Einfach so?“, fragte Agostino betroffen.

„Pardon, Sir, was sagten Sie?“

„Ach, nichts“, murmelte der Mafioso abwesend. „Nichts ... Sie haben keine Nachricht für mich hinterlassen?“

„Nein, Sir. Stimmt etwas nicht?“, erkundigte sich der Hotelangestellte besorgt.

„Oh, doch, es ist alles in Ordnung.“ Er bemühte sich um ein Lächeln. Es missriet. „Ein Missverständnis, verstehen Sie? Mein Gepäck ...“

„Das haben die Herren mitgenommen.“

Agostino nickte. „Dann ist es gut“, behauptete er. Und den anderen Wagen hatten sie auch mitgenommen. Verflucht. „Besorgen Sie mir ein Taxi. Aber schnell.“

„Sehr wohl, Sir, wenn Sie solange Platz nehmen möchten.“

„Ich warte gleich draußen.“

Agostino Giona quetschte sich wieder nach draußen, obwohl ihm die Hitze dort sehr zusetzte.

Aber der Fluchtinstinkt riet ihm, das Freie zu suchen.

6

Das Motel hieß El Pilar und breitete sich scheinbar ohne feste Umrisse entlang der alten Küstenstraße aus. Jenseits der hässlichen Bretterwände, die man als Schallschutz gegen den Lärm der vielbefahrenen Küstenstraße errichtet hatte, lag der kleine Flughafen der Stadt, der viel von privaten Piloten, aber auch von den kleinen Luftkutschern benutzt wurde, die zu jedem Weekend die Touristen von San Diego, Los Angeles oder Pasadena herüberbrachten.

Roberto hatte die Fenstertüren seines Bungalows weit geöffnet. Er lag in der Tür, die Füße auf einen Hocker gelegt, und sah auf die dunkelgrüne Wand der Oleanderbüsche. Das Meer war weit entfernt. Er konnte nur die gefächerten Wipfel der Palmen sehen und die hohen schimmernden Betonburgen mit den gleichförmigen Apartments, die Tausende von Amerikanern als ihr zweites Zuhause betrachteten, als ihre Fluchtburgen vor der erbarmungslosen Zivilisation, dem Stress, dem Dreck. Mehrmals im Jahr glaubten sie, der Enge und dem anderen Ungemach im Norden zu entfliehen. Dann fielen sie hier ein, hockten aufeinander, betranken sich mit billigem Schnaps, stopften Steaks vom Grill in sich hinein und reisten als Kolonne wieder zurück in die Tretmühle.

Roberto nahm das Glas auf, das griffbereit neben seinem Liegestuhl stand. Orangensaft mit Eis. Er trank, setzte das Glas wieder ab. Sein Jackett hing am Fensterriegel. Die Luger klemmte zwischen seinen Beinen. Die Vordertür hatte er abgeschlossen und verriegelt. Der Tanz konnte losgehen.

Die Schatten wurden länger, und die schwere warme Luft kühlte sich ein wenig ab. Natürlich verfügte Robertos Bungalow über ein Klimagerät, doch die Kiste summte ziemlich laut, und so zog er es vor, bei geöffneter Fenstertür auf seinen Besucher zu warten.

Er hörte die tapernden Schritte, lange bevor die massige Gestalt auf dem mit rissigen Platten bedeckten Weg erschien. Roberto nahm das Glas in die linke Hand, mit der rechten packte er den Kolben der Luger. Die Beine zog er ein wenig an. Noch einmal ließ er seinen Blick über die Umgebung schweifen.

Die winzige Parzelle hinter seinem Bungalow konnte von den anderen Grundstücken aus nicht eingesehen werden. Er hatte es mehrmals überprüft, und er hatte sich überzeugt, dass nur zwei der vier Bungalows, die an seine Parzelle grenzten, vermietet waren. Die Gäste waren Amerikaner. Keine Touristen.

Einer von ihnen betrieb unten in der Nähe der großen Parkplätze am Strand einen Kiosk, in dem er amerikanische Zeitschriften und schwedische Pornohefte verkaufte. Der andere war ein Kaufmann aus Frisco, der während der Sommermonate alle paar Wochen herüberkam um den Hippies die Handarbeiten abzukaufen, mit denen sie sich über Wasser hielten hübsche Ledergürtel oder von indianischen Motiven inspirierten Silberschmuck.

Der Besucher bog um die Ecke. Erschreckt blieb er stehen, als er Roberto erblickte, der ruhig in seinem Liegestuhl lag und an dem kühlen Drink nippte. Die Eiswürfel klickten leise gegen das Glas. Robertos Hand lag locker zwischen seinen Beinen.

„Was wollen Sie, Giona?“, fragte Roberto grob.

Agostino Giona glich einem fetten, ängstlichen Gespenst. Der Schweiß hatte helle Linien in das staubgepuderte Gesicht gegraben. Seine hängenden Wangen zitterten, aus den herabgezogenen Mundwinkeln rann der Sabber. Aus kleinen, schwimmenden Äuglein starrte er auf Roberto Tardelli hinab, während er langsam näher herankam. Der Anzug hatte seine letzte Form verloren. Wie wahllos zusammengenähte Putzlappen schlotterte er um die massige Gestalt.

Erfreut stellte Roberto fest, dass Giona dabei war, sich in eine geradezu selbstmörderische Panik hineinzusteigern. Der Mafia-Jäger kam nicht umhin, Colonel Myers Menschenkenntnis zu bewundern. Bisher hatte der Mann von COUNTER CRIME Agostino Gionas Reaktionen absolut präzise eingeschätzt.

„Sie haben recht gehabt“, gestand der Mafioso kleinlaut. „Sie sind hinter mir her ...“ Er sah sich um. Gionas Hemdkragen war dunkel vom Schweiß. Der Kopf drehte sich zurück. Flehend sah er Roberto an. „Ich ... haben Sie einen Schluck zu trinken für mich? Mann, ich bin total fertig!“

Roberto glitt geschmeidig vom Liegestuhl. Wie zufällig gewährte er dem anderen einen Blick auf die schwere Luger. Er zerrte das Sitzmöbel von der Schwelle und bedeutete Giona, hereinzukommen.

Der Mafia-Gangster atmete hörbar auf, als er sich im Inneren des Bungalows befand. Roberto steckte die Luger gut sichtbar in die Klammer an seinem Gürtel. Er wandte seinem Besucher den Rücken zu, doch er hatte die Flaschen und die Eisbox so gestellt, dass er den Raum im Spiegel über der Kommode genau überblicken konnte.

Agostino Giona hatte keinen üblen Trick auf der Pfanne. Nicht die Spur eines Verdachts regte sich bei ihm. Er kam nicht auf den Gedanken, dass der angebliche Killer, der ihn draußen in der Wüste gejagt hatte, Roberto Tardelli gewesen sein könnte.

Pardon, natürlich nicht Roberto Tardelli. Für ihn nannte sich der Mafia-Jäger ganz anders. Rod Dovani aus Cleveland, Ohio. Caporegime aus der 'Familie' des Don Sergio Tucci. Robertos Background war astrein abgecheckt worden.

Er schaufelte eine Handvoll Eis in ein Glas, kippte großzügig Gin darüber und füllte mit Orangensaft auf. Er drehte sich um und reichte Agostino das Glas.

Der Mafioso grapschte das Glas, setzte es an die Lippen und schlabberte seinen Inhalt in sich hinein wie ein Verdurstender. Er leerte es mit einem einzigen Zug.

Danach bekam er Magenkrämpfe. „Man sollte so kalte Getränke nicht hastig hinunterstürzen“, tadelte Roberto. „Das ist nicht gesund.“ Agostino Giona verzog das Gesicht. Ihm mochte aufgehen, dass ein Magengeschwür bei ihm wohl kaum noch eine Chance hatte, sich in Ruhe zu entwickeln.

Er ließ sich in einen Sessel plumpsen. Ächzend wand er sich aus der durchgeschwitzten Jacke, und mit einem erleichterten Stöhnen riss er die Hemdknöpfe auf. Die Krawatte hing schon längst auf Halbmast. Ärgerlich begann er auch noch, die Riemen des Schulterholsters zu lösen.

„Moment, Moment!“, protestierte Roberto. „Sie wollen sich doch hier nicht etwa häuslich niederlassen?“ Agostino erschlaffte. Mit elendem Hundeblick schielte er zu Roberto hinauf, der mit leicht gespreizten Beinen vor ihm stand. „Aber ... ich weiß doch nicht ...“

„Wenn Ihre Leute hinter Ihnen her sind, wird man Sie früher oder später schnappen, das ist mal sicher.“

„Sie!“, keuchte der Gangster. „Sie wollten mir doch helfen!“

„Da wusste ich nicht, wie schlimm es in Wirklichkeit um Sie steht“, gab Roberto zurück.

„Helfen Sir mir!“, flehte der Mafioso. „Bitte!“

„Ich bin doch nicht lebensmüde“, erwiderte Roberto kalt. „Wenn Ihre Leute dahinterkommen, dass ich hier bin, knallen sie mich ab. Eiskalt, sage ich Ihnen. Wie soll ich Ihnen helfen, wenn ich selbst auf der Abschussliste stehe?“

„Ihre ... Leute stehen doch hinter Ihnen! Sie haben mir doch ein Angebot gemacht, Dovani! Haben Sie das vergessen? Sie haben gesagt, Sie wollten mich übernehmen!“

Roberto starrte den Gangster an. Der Bursche senkte den Blick, heftete ihn auf seine großen Füße. Die Finger strichen nervös über die feisten Schenkel.

„Was ist geschehen?“, erkundigte sich Roberto schließlich. „Erzählen Sie mir alles. Alles, verstehen Sie, Giona?“

Agostino erzählte von dem Killer auf dem Motorrad, der ihn gejagt hatte, und er berichtete, wie er sich schließlich totgestellt hatte. Im Wesentlichen hielt er sich an die Tatsachen. Nun, viel zu verdrehen gab es schließlich nicht. Roberto hörte mit ausdruckslosem Gesicht zu.

Vor drei Tagen hatte er sich an Agostino herangemacht, nachdem die Vorbereitungen abgeschlossen waren. Er hatte sich als Caporegime aus Cleveland zu erkennen gegeben, als Unterboss aus Don Sergio Tuccis 'Familie'. Don Sergio war einer der wenigen großen Mafia Bosse, die nicht zu Virgil Maiottis Kunden zählten. Don Sergio bezog das Heroin, das er im gesamten Norden absetzte, über die klassischen Kanäle.

Agostino Giona kannte Don Sergio natürlich nicht persönlich, aber er wusste von seiner Existenz und davon, dass Don Sergio bei der Commissione, in der alle großen Capi vertreten waren, gegen Maiottis Methoden stänkerte.

Roberto hatte Agostino eine durchaus glaubwürdige Story aufgetischt. Er hatte erzählt, dass es Don Sergio und einigen anderen Capi überhaupt nicht passte, dass Maiotti mit seiner ‚Fabrik‘ den Markt beherrschte und die Preise und die Marktanteile bestimmte. Er hatte einige der alten Importeure ruiniert, indem er sie solange unterboten hatte, bis sie vom Markt verschwunden waren. Jetzt setzte Maiotti die Preise herauf.

Die wenigen übriggebliebenen Importeure und Männer wie Sergio Tucci fühlten sich in ihrer Existenz bedroht. Deshalb, so hatte Roberto Agostino Giona erzählt, habe Don Sergio Virgil Maiotti den Kampf angesagt. Die Commissione in New York habe sich zum Stillhalten verpflichtet. Von der Commissione, so hatte Roberto weiterhin behauptet, habe er die Information, dass Maiotti sich von Giona trennen wolle, und zwar bei nächster günstiger Gelegenheit. Giona habe einen Fehler gemacht, als er vor einigen Wochen einen Transport verloren habe. In der Tat hatten die Männer von COUNTER CRIME der Rauschgiftbehörde von Texas einen Tipp gegeben, und die Narcs hatten einen von Gionas Männern geschnappt, als der gerade zwei Kilogramm reines Heroin über die Grenze bei El Paso schmuggeln wollte.

Agostino Giona hatte die Kröte nicht schlucken wollen. Bei dem Geschäftsumfang waren Verluste in dieser Größenordnung eingeplant. Um ihn vollends zu überzeugen, hatte Roberto die Nummer mit dem Motorradkiller abgezogen. Und jetzt saß Agostino Giona hier bei ihm im Bungalow, ein jämmerlicher, von Panik geschüttelter fetter Verbrecher.

Agostino Giona war für die Sicherheit der 'Fabrik' und für den Transport des Heroins in die Staaten verantwortlich. Ein wichtiger Mann. Jetzt war er übergelaufen.

„Sie haben mir ein Angebot gemacht“, wiederholte Giona anklagend.

„Der Preis ist gestiegen, Giona“, sagte Roberto. „Das verstehen Sie doch, oder?“

„Was verlangen Sie denn, Dovani?“

„Da muss ich erst mit meinem Boss sprechen, aber ich kann mir vorstellen, was er verlangen wird ...“

„Sagen Sie es!“, flehte Agostino Giona.

„Tja, zuerst wird er wissen wollen, wie Sie das Heroin in die Staaten schleusen. Alle Wege, verstehen Sie?“

„Ja, ja ...“

„Dann wird er wissen wollen, wer es übernimmt, wo es übergeben wird ...“

„Ja, ja ...“ Das war alles klar. Agostino Giona würde singen, solange er glaubte, einen anderen Mafioso als Zuhörer zu haben. Doch das war es nicht allein, was COUNTER CRIME und Roberto wollten.

„Und dann noch etwas“, murmelte Roberto. „Das Wichtigste ...“ Er verstummte und sah den dicken Mann skeptisch an.

„Was ist es? Sagen Sie es mir!“

„Don Sergio wird verlangen, dass Sie die Fabrik zerstören.“

7

Agostino Giona prallte zurück. Sein Doppelkinn wabbelte, der Unterkiefer fiel herab. „Ich ... äh, ich kann doch nicht noch einmal dort hinauf! Das ist unmöglich!“

„Einmal noch, Giona! Wir zwei! Ich bin bei Ihnen.“

„Nein! Nein!“

„Agostino, hören Sie doch! Bei der Fabrik weiß doch niemand, dass Sie auf der Abschussliste stehen! Die werden doch nicht informiert ...“

„Die Laborleute vielleicht nicht. Aber meine Männer ... Ich habe einen Leutnant und zwei Hitmen oben stationiert ...“

Roberto lächelte beruhigend. „Sie werden doch nicht anrufen, oder?“

„Nein ...“

„Na, sehen Sie! Sie bringen mich rauf. Alles Weitere erledige ich.“

„Es sind nicht nur meine Leute. Es gibt da ein ... ein Camp, in dem Rocker leben.“

Roberto hörte gespannt zu. Das Lager war den Leuten von COUNTER CRIME bekannt. Sie hatten es auf den Aufklärungsphotos, die ihnen von der Air Force zur Verfügung gestellt worden waren, deutlich erkennen können. Eins der unzähligen Camps aus Wellblechbaracken, Zeltbahnen und einfachen Verschlägen, in denen ganze Banden in den Bergen Kaliforniens, New Mexicos und in Mexiko selbst hausten.

„Das sind gar keine Rocker. Oder es sind doch welche, aber sie werden von ... uns bezahlt, damit sie die Fabrik abschirmen. An ihnen kommt niemand vorbei.“

„Außer Ihnen?“

„Außer mir.“

Roberto lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Er zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Die Rocker hatten weder er noch Colonel Myer als Problem betrachtet. Sie waren vorhanden, man würde irgendwie an ihnen vorbeimüssen, okay, das hatten sie einkalkuliert, aber dass diese Kerle von Maiotti und dem San Diego Mob bezahlt wurden, damit sie, wie der sagenhafte Drache den Goldschatz, die Heroinfabrik bewachten, das hatten sie nicht bedacht.

Umso mehr brauchte er Agostino Giona.

„Okay“, sagte er. „Dann werden Sie und ich bis zum Camp hinauffahren. Sie werden mit den Brüdern dort palavern, und dann geht’s weiter.“

Der Mafioso schüttelte störrisch den Kopf. „Die Kerle hören nicht auf mein Kommando. Ich weiß nicht, wessen Befehlen sie gehorchen, aber jedenfalls nicht meinen. Vielleicht gibt es ein Funkgerät im Camp, oder in San Diego lassen sie eine Brieftaube fliegen ... Sie wissen jedes Mal Bescheid, wenn ich komme. Wie gesagt, von mir nicht.“

Roberto fluchte lautlos vor sich hin. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn es beim ersten Anlauf geklappt hätte. Bisher war alles glatt verlaufen. Zu glatt. Diese ewig misstrauische Verbrecherbande traute einem Burschen wie Giona nicht. Sie traute niemals einem einzelnen Mann. Es gab auf jeder Stufe mehrere Sicherheitsschleusen. Er, Roberto Tardelli, hätte es wissen müssen. Giona und drei Männer, die die Fabrik selbst bewachten. Das war eine Gruppe. Die Rocker waren eine andere. Sie unterstand einem Mann in San Diego. Nicht Virgil Maiotti persönlich, beileibe nicht, dieser clevere, supersmarte Knilch gab sich nicht mit solchen Details ab. Der studierten Bilanzen und Absatzstatistiken, verhandelte mit großen Capi und kümmerte sich um seine politische und gesellschaftliche Laufbahn.

„Wer ist Ihr Boss, Giona?“

„Mann!“, stöhnte der Mafioso.

Roberto sah ihn kalt an. Die Zeit brannte ihm unter den Nägeln. Wann würden die anderen Mitglieder des San Diego Mob Verdacht schöpfen? Wann würden sie wittern, dass hier etwas faul war?' Roberto hatte sich ausgerechnet, noch heute Abend in die Berge zu fahren und in der Nacht in die Fabrik einzudringen, um sie zu zerstören. Das Labor dort war illegal. Selbst die mexikanischen Behörden würden es, ohne zu zögern, dem Erdboden gleichmachen, doch COUNTER CRIME bevorzugte eine Methode, die unauffälliger war und es erlaubte, nicht nur die Fabrik zu zerstören, sondern auch die Abnehmer und Verteiler in den Staaten unschädlich zu machen. Das Justizministerium hatte den mexikanischen Behörden einen Wink gegeben, dass man eine Aktion gegen amerikanische Gangster auf mexikanischem Gebiet plante, und die Mexikaner hatten auf inoffiziellem Wege zu verstehen gegeben, dass man eine eigenmächtige Grenzverletzung und ein Vorgehen amerikanischer Dienststellen gegen mexikanische Bürger unter keinen Umständen tolerieren könne, man aber andererseits nicht daran interessiert sei, sich mit US-amerikanischen Gangstern abzuplagen, bis deren Anwälte alle Rechtsmittel ausgeschöpft hätten. COUNTER CRIME hatte diese Botschaft als stillschweigende Erlaubnis aufgefasst, im Grenzgebiet der Baja California, wie diese Provinz hieß, tätig zu werden.

„Wer ist Ihr Boss, Giona?“, fragte Roberto noch einmal. „Antworten Sie, oder verschwinden Sie.“ Er deutete auf die Fenstertür.

Gionas Tränensäcke schienen anzuschwellen. Seine Augen hatten allen Glanz verloren. Roberto blickte den Gangster immer noch kalt an. Dabei konnte er den Mann verstehen. Giona hatte nicht allzu viele Trümpfe in der Hand, mit denen er, wie er meinte, Don Sergios Schutz kaufen konnte. Zur Fabrik würde er Roberto Tardelli alias Rod Dovani nicht führen. Die Rocker stellten eine unbekannte Größe dar. Blieben ihm nur noch seine Kenntnisse der illegalen Wege, über die das Heroin in die Staaten verfrachtet wurde, und einige Interna der Mafia von San Diego.

Agostino Giona reichte Roberto das leere Glas, in dem sich nur ein Bodensatz aus geschmolzenem Eis befand. „Geben Sie mir noch etwas zu trinken“, sagte er rau.

Roberto zuckte die Achseln. Er nahm das Glas und wandte sich der Anrichte zu, wo die Eisbox und die Flaschen standen.

Es war dunkler geworden im Zimmer, und doch sah Roberto die verstohlene Bewegung, mit der Giona nach seinem Colt griff.

Roberto wirbelte herum. Das Glas hielt er noch in der Hand. Ohne zu überlegen, schleuderte er es nach dem Mafioso.

Es landete genau in dessen Gesicht. Das Glas zerbrach. Der Mafioso heulte auf und presste eine Hand gegen die aufgeplatzte blutende Lippe.

Mit der anderen riss er den .32er heraus. Roberto sprang den Mann an.

Gionas Rechte riss den Colt heraus. Der Bursche war überraschend schnell und überraschend geschickt im Umgang mit der Kanone. Während der Arm noch einen Bogen beschrieb, zog der Daumen bereits den Hammer zurück.

Roberto schnellte herum, warf sich zur Seite. Seine linke Handkante sauste herab. Sie sollte Gionas Unterarm treffen.

Agostino Giona warf das ins Rennen, wovon er am meisten besaß – seine Körpermassen. Er sprang auf und stieß seinen Bauch vor. Er hatte zwar keine brettharten Bauchmuskeln, doch die Wucht, mit der sein Bauch Roberto traf, genügte, um den Mafia Jäger wie einen Medizinball durch den Bungalow zu schleudern.

Robertos Kniekehlen stießen gegen den Hocker, auf dem er kurz vorher noch seine müden Füße ausgestreckt hatte. Im torkelnden Fall versuchte er, die Luger aus der Klammer zu ziehen, obwohl er nicht die Absicht hatte, eine Schießerei anzufangen. Die Federale machte kurzen Prozess mit Americanos, die missbräuchlich Waffen benutzten. Und von seiner Mission durfte er nichts erwähnen. Niemand, weder das FBI und schon gar nicht die Leute von COUNTER CRIME, jener streng geheim arbeitenden Organisation, konnte es sich leisten, in einen Skandal verwickelt zu werden. Die Mexikaner reagierten da äußerst empfindlich. In der Vergangenheit hatte es zu viele Pannen gegeben. Da half selbst das stillschweigende Einverständnis der mexikanischen Justizbehörden nichts. Ihr Stillhalten galt nur solange, wie die Amerikaner einander in den sonnendurchglühten Bergen die Köpfe einschlugen. Und nicht für eine Schießerei in einem Motel in Ensenada, einem Städtchen, das vom Tourismus lebte.

Roberto stürzte nach hinten weg. Er krachte mit dem Rücken gegen das Fußende des Bettes.

Das Bettgestell bestand aus vielfach verschnörkeltem Messingrohr mit unzähligen Rosetten und vorspringenden Enden, die sich wie die Hörner eines Stiers in Robertos Rücken bohrten.

Der Schmerz entstand in der Mitte der Wirbelsäule, wo er sich wie eine grelle Stichflamme bis in die entferntesten Winkel seines Körpers ausbreitete. Am unangenehmsten wirkten sich die Blitze in seinem Gehirn aus.

Er spürte immerhin den warmen Kolben der Luger in seiner Faust, und er hob den Arm, obwohl er seinen Gegner im Moment nicht einmal sehen konnte. Aber vielleicht konnte er den Fettsack wenigstens einschüchtern.

Er hatte den Halunken unterschätzt. Ein solcher Fehler konnte sich als tödlich erweisen. Kein Zweifel – Agostino Giona hatte Angst. Er befand sich in Panik, und seine Reaktionen waren deshalb unberechenbar. Er war aber auch ein Mafioso, und zwar einer aus der oberen Schublade. Ein Bursche, der während seiner Gangsterkarriere wieder und wieder hatte beweisen müssen, dass er nicht beim ersten Windhauch umfiel, und auch nicht, wenn sich mal ein Unwetter zusammenbraute.

„Nicht doch, Dovani!“, drang die Stimme des Gangsters in Robertos betäubtes Hirn. Am Zittern des Bodens konnte er unschwer feststellen, dass Giona auf ihn zu walzte. Inmitten eines grauen Nebels, der sich nur zögernd lichtete, erschien, formatfüllend, die schwammige Gestalt. Unübersehbar war der Revolver in der prallen Faust. Die Mündung wies auf Robertos Kopf. Der fette Zeigefinger steckte unter dem Abzugsbügel.

Verdammt!, dachte Roberto. Du hast dich von einem solchen Fettkloß übertölpeln lassen wie ein blutiger Anfänger.

Er ließ den Arm sinken. Agostino lächelte beifällig, obwohl seine geplatzte Oberlippe blutete. Blut floss über das fette Kinn.

Giona war nicht nur ein Kerl, der zurückschlagen konnte, er war auch gemein.

Sein Fuß flog heran. Roberto unterdrückte einen Aufschrei, als die Schuhspitze gegen sein Schienbein knallte. Er presste eine Hand auf die getroffene Stelle.

„Tut’s weh?“, erkundigte sich Giona scheinheilig.

„Was ist in dich gefahren?“, zischte Roberto.

Giona grinste hämisch. „Oh, gar nichts. Ich will überleben, das ist alles. Und du wirst mir dabei helfen.“ Er lachte fett. „Ich werde mein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Ich fliege nach Mexico City, und dort kaufe ich mir ein Ticket irgendwohin.“ Der Mafioso lachte wieder. Er gewann Oberwasser.

Roberto hielt es für höchste Zeit, den Knaben auf den Teppich herunterzuholen, wenn er den Job nicht gefährden wollte. Er hatte schon viel zu viel Zeit verloren.

Giona bückte sich, um Robertos Luger an sich zu nehmen. Roberto ließ ihn gewähren, weil er nicht anders konnte. Giona zog sich vorsichtshalber aus Robertos Reichweite zurück.

Ja, Roberto musste etwas unternehmen. Denn wenn Giona sich absetzen wollte, auf eigene Faust unterzutauchen gedachte, musste er alle Brücken hinter sich abreißen. Eine dieser letzten Brücken hieß Roberto Tardelli.

Roberto gab sich keinen Illusionen hin. Der Dicke musste ihn töten, wenn er leben wollte.

8

Roberto richtete sich auf. Er setzte sich auf das Bett, starrte den dicken Gangster böse an. Er versuchte, den anderen nicht merken zu lassen, wie er sich wirklich fühlte. Er hoffte, dass Agostino Giona sich nicht auch noch als Menschenkenner erweisen würde.

„Manchmal kommt es eben anders, als man denkt“, tröstete ihn Giona. Er grinste. Seine blutverschmierte Fratze wirkte dadurch etwa so menschlich wie die eines angeschossenen Alligators. „Hast du Geld bei dir? Wieviel?“ Er streckte die freie Hand aus und hakte Robertos Jackett vom Fensterriegel. Ohne Roberto aus den Augen zu lassen, begann er, das Kleidungsstück nach der Brieftasche oder der Geldrolle abzusuchen.

In Robertos Ohren begann es zu rauschen wie ein Wasserfall.

In der Brieftasche in seinem Jackett steckte sein Pass. Sein richtiger Pass mit seinem richtigen Namen.

Er stöhnte und krümmte sich zusammen, um Giona abzulenken. Agostino sah kurz auf. Roberto ließ sich zurücksinken.

„Mann, hast du mir welche verpasst!“, keuchte er.

Giona machte keinerlei Anstalten, zu ihm herüberzukommen oder von der Jacke abzulassen. Roberto wälzte sich herum, richtete sich wieder auf. Er schwang seine Beine über die Bettkante, stellte die Füße fest auf den Boden. Das Bett befand sich jetzt zwischen ihm und dem Mafioso.

„Das Geld habe ich hier“, sagte er. Er stand gebückt da. Seine Hände lagen auf der Bettkante, als ob er sich aufstützen musste. Er atmete flach. Es musste ihm gelingen, den Gangster von der Brieftasche abzulenken. Die Nebel in seinem Hirn legten sich langsam, die Schmerzen in seinem Rücken und in seinem Schienbein ebenfalls.

Komm her, du Schweinehund!, dachte er, und starr, als ob er den anderen hypnotisieren wollte, starrte er ihn an.

Agostino Giona erwiderte Robertos Blick. Seine Hand steckte gerade unter dem Jackett. Er klemmte es unter dem Arm fest. Der Colt lag in seiner Linken. Die Voraussetzungen für einen Überraschungsangriff waren ganz günstig für Roberto. Der Fettsack musste nur von der Tür weg. Er musste sich zwischen dem Bett und einer Wand befinden.

„Wo?“, fragte der Mafioso.

„Unterm Bett“, antwortete Roberto. Die Fransendecke verwehrte einen Fernblick unter das Bett, wo sich außer Staubflocken nichts befand.

Zögernd walzte Agostino heran. Der Colt wies auf eine Stelle neben Robertos Schulter. Dahinter lag die Tür zum Bad.

„Drück bloß nicht mal aus Versehen ab“, warnte Roberto. „Ich will nichts mit den Federales zu tun haben!“

„Wenn ich abdrücke, Amigo, brauchst du die Federales nicht mehr zu fürchten.“ Ein gefühlloses Grinsen verzerrte die schwammigen Züge.

Roberto grinste ebenfalls, als er sich gegen das Bettgestell stemmte.

Die Kiste rutschte über den glattgetretenen Teppichboden, immer schneller glitt sie auf Giona zu.

Der Mafioso riss die Schweinsäuglein auf. Da geschah es auch schon.

Die harte Kante des Rahmens traf Gionas Beine eine Handbreit unterhalb der Knie. Dort bedeckten keine schützenden Speckschwarten die Knochen.

Er knickte erst nach vorn ein, dann gaben seine Knie nach. Roberto hatte ein Kissen gepackt. Das schmetterte er dem Gangster gegen den Arm, in dem er die Kanone hielt. Mit der anderen Hand schlug er unter Gionas Handgelenk.

Der Schuss klang gedämpft. Die Kugel fuhr durch das Kissen und klatschte über der Badezimmertür in die dünne Wand.

Roberto rammte Agostino Giona den Schädel in den Kugelbauch. Mit eisernem Griff presste er den rechten Arm des anderen in die Höhe. Federn wirbelten wie Schneeflocken durch den Raum.

Giona wollte sich einfach auf Roberto fallen lassen. Roberto durchschaute gerade noch rechtzeitig die Absicht des Gangsters. Der Halunke hätte ihn glatt zerquetscht. Schwer krachte der Gangster auf den Boden. Roberto setzte ihm einen Fuß auf das rechte Handgelenk. Blitzschnell entwand er ihm den Revolver, dann sprang er zurück.

Agostino Giona lag auf dem Teppich wie eine Schildkröte, der die Puste vor Erreichen des Ziels ausgegangen war.

Roberto nahm seine Luger wieder an sich, dann leerte er die Trommel des Colts.

„Steh auf“, sagte er zu dem anderen. „Stell dich nicht so an. Nimm deine Jacke und verschwinde.“

Giona wälzte sich herum. Von unten herauf starrte er Roberto Tardelli an. Wieder begannen seine Wangen zu zittern. „Das ist doch nicht Ihr Ernst, Dovani!“ Er versuchte ein nervöses Lachen, aber er schaffte es nicht.

„Das kannst du doch nicht machen! Dovani! Draußen warten die Killer!“

„Jetzt übertreibst du aber, Giona. Es ist nur einer, und der hält dich für tot. Verschwinde jetzt. Ich brauche meine Ruhe.“

Agostino Giona keuchte. Seine Oberlippe war stark angeschwollen. Das Blut auf seinem breiten Kinn war eingetrocknet. In Robertos dunklen Augen las er nur tödliche Entschlossenheit.

Nein, wer immer dieser Mann auch war, ob der Mafioso für den er sich ausgab, oder der MafiaJäger er hatte nicht den mindesten Grund, einen Burschen wie Giona zu schonen.

Es sei denn, er erwies sich als kooperativ.

„Hör zu, Dovani! Ich tue alles, was du verlangst!“

„Alles?“, fragte Roberto. Dabei hob er skeptisch die Brauen. Dennoch wirkte er nicht sonderlich interessiert. Ihm war klargeworden, dass er den Weg zur Fabrik allein finden musste.

„Ja, alles, alles bis auf ... ich kann dich nicht zur Fabrik führen, verstehst du? Ich kann nicht! Sie würden mich nicht durchlassen! Und es gibt doch nur den einen Weg ...“ Roberto wandte sich ab.

Er ging ins Bad. Dort ließ er heißes Wasser über ein Handtuch laufen. Er wrang es ein wenig aus, dann ging er in das Apartment zurück und klatschte das Tuch in Agostinos verquollenes Gesicht.

„Okay, Giona“, sagte er müde. „Pack aus.“

9

Agostinos Aussage deckte sich mit den Erkenntnissen, die COUNTER CRIME gewonnen hatte. Es gab nur eine unbefestigte Bergstraße in die Sierra de Juarez, die an einer steilen Rinne endete. Die Rinne war mit Geröll gefüllt. Oberhalb der Rinne kampierten die Rocker, die angeblichen Rocker, wie Roberto inzwischen wusste. Vom Camp der Motorradbande ging es etwa zwölf Meilen im Zickzack über ein von unzähligen Rissen und Spalten zerklüftetes Hochplateau.

Natürlich hätte man mit einem Hubschrauber angreifen können, doch dann hätte man schon einen Kampfhubschrauber nehmen müssen. Das Gelände war so beschaffen, dass ein sich nähernder Helikopter meilenweit zu sehen sein müsste. Ferner barg ein Angriff aus der Luft nicht abschätzbare andere Risiken – wer arbeitete in der Fabrik? Lebten dort vielleicht Chemiker, die gegen ihren Willen von der Mafia dort festgehalten wurden? Wurden ihre Angehörigen gefährdet, falls es zu einer Aktion der Behörden kommen sollte? Und ihr eigenes Leben würde bei einem Hubschrauberangriff ebenfalls bedroht sein, denn die Gangster würden, wenn sie fliehen mussten, ihre Geiseln oder Gefangenen nicht zurücklassen. Außerdem würde ein Hubschrauberangriff, sollte er bekanntwerden, ungleich mehr Staub in der Presse aufwirbeln als eine andere Aktion.

Nein, die Zerstörung der 'Fabrik' war ein Job für eine Ein-Mann-Armee. Für eine Armee mit dem Namen Roberto Tardelli.

Roberto wusste, dass regelmäßig Hubschrauber bei der Fabrik landeten. Das waren, so vermuteten er und Colonel Myer, die Maschinen, die das Rohopium brachten und das Endprodukt, das raffinierte Heroin, abholten. Den Standort der Helikopter hatte COUNTER CRIME bisher nicht ermitteln können.

„Was ist mit den Hubschraubern?“, fragte Roberto.

Giona gestattete sich ein Aufatmen. Zaghaft grinste er. Der andere sprach noch mit ihm, das konnte er als gutes Zeichen deuten.

„Es gibt zwei. Sie stehen unter ... Ansaldos Kommando.“

Da war ein Name. Roberto hätte ihn bereits gehört. „Lorenzo Ansaldo?“ „Ja. Er ist mein Boss ...“

Lorenzo Ansaldo stand im Range eines Capo, demnach müsste Agostino Giona ein Caporegime sein. Virgil Maiotti führte keinen eigenen Titel. Er fühlte sich als Geschäftsmann. Statt mit Autos zu handeln oder Ananas zu importieren, produzierte er Heroin. Einen Vergleich mit den Mafiosi hätte er zweifellos empört zurückgewiesen, auch wenn er engsten mit Don Lorenzos 'Familie' zusammenarbeitete, schließlich brauchte er eine Verkaufsorganisation. Darin unterschied er sich in keiner Weise von jedem anderen Geschäftszweig.

„Was ist also mit den Hubschraubern?“

„Sie bringen das Rohopium hinauf ...“

„Woher kommt es?“

„Aus China, glaube ich.“

„Ich meine, über welche Häfen wird es nach Mexiko hineingebracht?“

„Oh, das ist ganz verschieden. Meistens wird es auf hoher See in zugeschweißten Kanistern ins Wasser geworfen. Es gibt da ein Schiff, eine Jacht. Sie fischt die Kanister auf und bringt sie entweder nach Rosario oder Guayamas, das wechselt.“

Genaueres wusste Giona nicht über die Methode, wie das Rohopium ins Land gebracht wurde. Dafür war wieder eine andere Gruppe verantwortlich. Ein anderer Mafioso im Range eines Caporegime. Aber immerhin, das Wenige, das Giona wusste, konnte helfen, die nächsten Lieferungen Rohopium abzufangen. Roberto vermutete, dass kleine Peilsender an den Kanistern klebten, die der Besatzung der MafiaJacht das Auffinden der wertvollen Ware erleichterte.

„Und das fertige Heroin?“ Sein Abtransport fiel in Gionas Bereich.

„Es wird ebenfalls per Hubschrauber abtransportiert. Meistens jedenfalls. Manchmal packe ich mir auch die Kiste voll und bringe es mit dem Wagen nach Mexicali oder Ciudad Juarez. Das kommt ganz darauf an, wie es am jeweiligen Grenzübergang aussieht ob wir einen unverdächtigen Mann haben der es hinüberschafft, oder sogar einen Mann beim Zoll.“

Die Späher der Mafia lagen immer auf der Lauer. Wenn ein Grenzbeamter oder ein Zöllner einmal einen Fehler machte und die Mafia bekam Wind davon, war er ihr hilflos ausgeliefert. Er wurde so lange unter Druck gesetzt, bis er den Gangstern Tipps gab, wie sie die Grenze passieren konnten. Oder er brachte die Ware sogar selbst hinüber.

Der Hubschrauber flog das Zeug lediglich nach Ensenada oder allenfalls bis Rosario. Dort wurde es unter Gionas Obhut in Motorboote verladen. Kleine Sportboote, wie sie zu Tausenden an der Küste lagen. Die Mafia besaß je drei davon in Ensenada und in Rosario. Die Motorboote brachten die wertvolle Fracht bei Nacht aufs Meer hinaus, wo sie auf die 60-Fuß-Jacht des Don Lorenzo verladen wurde. Was dann geschah, entzog sich Agostino Gionas Kenntnis.

Roberto warf dem Dicken einen Block und einen Kugelschreiber zu.

„Schreib die Namen der Boote und die Bezeichnungen der Liegeplätze auf“, sagte er.

Giona tat, was Roberto verlangte. Okay, dachte der Mafia-Jäger, Agostino Giona war bereit, auszupacken. Er würde ihn Colonel Myer in die Hände spielen. Was er, Roberto, jetzt brauchte, waren handfeste Hinweise, wie er zur Fabrik gelangen und in sie eindringen konnte.

Er hatte die Rinne noch nicht von nahem gesehen, nur auf den Fotos der Air Force. Er konnte sich nicht vorstellen, wie Giona mit seinem Dodge diesen Canyon passieren konnte. Er fragte ihn danach.

Agostino plusterte sich auf. „Wir haben einen Jeep hinaufgeschafft“, berichtete er stolz. „Und einige Hundert Gallonen Sprit. Die Rocker bringen immer volle Kanister mit, wenn sie in der Stadt waren. Meinen Wagen lasse ich unten stehen ... ließ ihn unten stehen“, berichtigte er sich kleinlaut.

„Okay, du lässt den Dodge unten am Ende der Straße stehen, kletterst die Rinne hinauf und steigst oben in den Jeep?“

„Ja, genau so ist es.“

„Wo steht der Jeep?“, fragte Roberto. Auf den Aufklärungsfotos war von dem Fahrzeug nichts zu erkennen gewesen, trotzdem die Auswerter ihr Geschäft verstanden. Die Mafiosi allerdings auch, wie sich nun zeigte.

„Im Camp natürlich. Sie haben eine Plane über die Mulde gezogen. Da steht der Wagen drin.“

Roberto löcherte den Mafioso noch mit etlichen Fragen. Es wurde dunkel darüber. Beim Zimmer Service bestellte Roberto ein Tablett mit Sandwiches, Salat, zwei Flaschen Rotwein, dazu neues Eis, Orangensaft und Mineralwasser.

Während sie darauf warteten, zog Giona sich aus und stieg unter die Dusche.

Als er zurückkehrte, hatte er ein großes schneeweißes Badelaken um seinen unförmigen Leib geschlungen.

Dann hockten die beiden ungleichen Männer im Dunkeln bei offenem Fenster zusammen, aßen und tranken von dem Rotwein und sahen auf die unregelmäßigen Schatten der Büsche, hinter denen die Lichter der Stadt funkelten.

Roberto hing seinen Gedanken nach. Er musste nach Santo Tomas zurück. Dort musste er das Motorrad holen. Er musste seinen ursprünglichen Plan ändern. Er konnte nicht, wie ursprünglich vorgesehen, mit dem Chevy in die Berge fahren.

„Du kannst den Bungalow haben“, sagte Roberto unvermittelt. „Bis morgen früh.“

Agostino begann wieder zu zittern. „Und was soll ich dann machen?“, jammerte er. „Wenn man mich erkennt ...“

„Willst du für immer hierbleiben? Dieses hier ist doch kein Altersheim, Mann! Selbst dieser miese Schuppen kostet zwanzig Mäuse pro Nacht!“ Das schien den Mafioso zu erschüttern. „Was soll ich denn tun?“, fragte er kläglich.

Roberto tat, als überlegte er. Dann zog er das Telefon zu sich heran und nannte dem Girl in der Vermittlung eine Nummer in Yuma, New Mexiko, im Grenzdreieck zwischen Mexiko, Kalifornien und New Mexiko.

Er legte auf und wartete schweigend. Schon nach wenigen Sekunden schnarrte der Summer, und Roberto griff sich den Hörer.

„Ja?“, bellte er.

„Ihr Gespräch, Sir, bitte …“

„Hallo?“, rief er.

„Thunderbird Western Motel, Yuma, New Mexico. Sie wünschen, bitte?“

„Verbinden Sie mich mit Mr. Petrone.“

„Augenblick!“

Es knackte in der Leitung, und sofort meldete sich die vertraute Stimme Colonel Myers von COUNTER CRIME, der im Thunderbird abgestiegen war und Robertos Einsatz von dort aus verfolgte. Als Mr. Petrone.

„Ja?“, fragte er vorsichtig.

„Ich bin mit Falstaff einig geworden.“ Roberto grinste, weil Agostino das breite Gesicht verzog. Der Mafioso schien immerhin so weit in der Literatur bewandert zu sein, um diese Shakespeare-Figur des feisten Schlemmers und Prahlers zu kennen.

„Gratuliere.“

„Nur als Bärenführer taugt er nichts. Es gibt da andere Probleme.“

Colonel Myer schwieg.

„Machen Sie sich keine Sorgen, Mr. Petrone“, sagte Roberto mit übertriebenem Enthusiasmus. „Ich schaffe das schon allein.“

„So, schaffen Sie es ...“

„Ja. Nur unser Freund Falstaff macht sich Sorgen. Ich habe ihm versprochen, dass Sie sich um ihn kümmern.“

„Sehr herzlich“, versicherte Colonel Myer.

„Er fährt morgen früh nach Yuma. Nehmen Sie ihn dort in Empfang. Okay?“ Roberto blickte Giona an. Der Gangster nickte nach einigem Zögern. „Sie befinden sich in besten Händen“, versicherte Roberto dem Mafioso. Zu Colonel Myer sagte er: „Falstaff plaudert wirklich sehr nett. Er möchte dem Don gefällig sein, verstehen Sie?“

„Ja, ich verstehe.“ Colonel Myer würde die Rolle des Caporegime aus Don Sergio Tuccis Familie Giona gegenüber solange weiterspielen, bis er alles an Informationen über den San Diego Mob aus ihm herausgequetscht hatte. Dann erst würde er sich dem Mann zu erkennen geben.

Agostino Giona hatte dann die Wahl. Er konnte als freier Mann untertauchen, denn die Aussagen, die er gegenüber COUNTER CRIME machte, konnten nicht gegen ihn verwendet werden.

Oder Giona würde sich den Behörden anvertrauen und offiziell aussagen. Das blieb ihm überlassen. Es kam darauf an, welche Zusage die zuständige Staatsanwaltschaft ihm in Bezug auf seine Sicherheit würde machen können. Und darauf, ob Giona ihr glauben würde, was Roberto bezweifelte. Es gab kein Loch auf der ganzen weiten Welt, in dem sich jemand vor den Killern der Mafia auf Dauer verstecken konnte, außer einem Grab.

„Wann wird er eintreffen? Und mit welchem Verkehrsmittel?“

Roberto rechnete schnell nach. „Ich schätze, er wird irgendwann am Nachmittag an der Grenze eintreffen. Nicht vor drei Uhr.“

„Okay. Ich werde ihn persönlich erwarten.“

„So long, Boss“, sagte Roberto. „Warten Sie!“, rief der Colonel hastig.

„Ja? Was gibt’s denn noch?“

Colonel Myer räusperte sich verlegen. Dann sagte er: „Bei Tijuana ist etwas schiefgelaufen ...“ Robertos Nackenhaare stellten sich auf. Bei Tijuana befand sich der nächste Grenzübergang. Gleich gegenüber lag San Diego. Agostino Gionas Gorillas mussten wie die Teufel dorthin gerast sein. Direkt in die Arme der alarmierten Grenzer und des FBI. So war es ausgemacht gewesen.

„Kann ich reden?“

Roberto presste den Hörer fest ans Ohr. „Ja“, sagte er.

„Es hat eine Schießerei gegeben. Ein Beamter vom Rauschgiftdezernat ist ums Leben gekommen. Eine Figur namens Danilo de Vito wurde erschossen, ein Typ, bei dem es sich vermutlich um Michele Spettrino handelt, liegt schwer verletzt im Hospital aber auf der mexikanischen Seite, und ein dritter Mann ist entkommen.“

Cobb. James Richard Cobb. Killer Cobb wurde er genannt. Dieser Babysitter lief also frei in der Gegend herum und machte den San Diego Mob mobil.

Es kam jedoch noch besser.

„Cobb befindet sich ebenfalls noch auf der mexikanischen Seite. Wir können gar nichts tun ... Wir müssen davon ausgehen, dass er mit San Diego telefoniert hat, um zu erfahren, was los war, und ich gehe jede Wette ein, dass er sich auf dem Weg zurück nach Ensenada befindet. Über seine Absichten und seine Instruktionen gibt es wohl keine Zweifel ...“

„Nein ...“, murmelte Roberto betroffen.

„Roberto?“

„Ja?“

„Ich kann mir vorstellen, was Sie denken. Aber ich weiß noch etwas. Sie hätten es nicht getan.“

„Darauf hätten wir es ankommen lassen sollen, oder?“, gab Roberto aufbrausend zurück. „Noch etwas?“

„Nein. Was werden Sie jetzt tun, Roberto? Niemand nimmt es Ihnen übel, wenn Sie den Job zurückstellen.“

„Wer sollte auch?“, schnappte Roberto Tardelli. „Aber ich bleibe bei der Stange. So long.“ Er warf den Hörer auf die Gabel und starrte den dicken Mafioso an, ohne etwas zu sagen.

Seine Gedanken rasten. Was wusste Cobb? Was konnte er wissen?

Viel konnte es nicht sein, selbst wenn er mit San Diego gesprochen hatte. Vielleicht mit Don Lorenzo persönlich. Lorenzo Ansaldo musste glauben, dass der fingierte Anruf, der Agostino Gionas Babysitter nach San Diego zurückbeorderte, von Giona selbst stammte. Don Lorenzo und auch Cobb konnten nur zu einem einzigen Schluss kommen, nämlich dem, dass Agostino Giona sich absetzen wollte.

Das war eigentlich alles.

Was würden sie unternehmen? Außer natürlich zur Hatz auf Agostino blasen?

Sie würden die Fabrik räumen ...

Roberto starrte ins Leere. Vielleicht schwebte der Helikopter bereits über der Sierra de Juarez?

„Zieh dir was an. Los, Fettwanst, mach schon!“, Roberto schnappte sein Jackett. Er stellte die Luger in die Klammer und sah dem Dicken zu, wie der sich in seine verschwitzten und verdreckten Klamotten zwängte.

„Was ist denn los?“, jammerte Giona. Er ahnte, dass Roberto eine schlechte Nachricht bekommen hatte, doch er hoffte, dass sie ihn nicht betraf.

„Beeil dich. Ich muss weg ...“

„Aber ich sollte doch hierbleiben!“

„Kannst du auch. Aber du brauchst doch einen Wagen, oder?“

„Ja, ja ...“

„Deine Gorillas hatten einen Plymouth, stimmt’s?“

„Ja. Was ist mit dem Wagen?“

„Nichts, Agostino, gar nichts. Ich wollte nur wissen, ob du ein Fahrzeug zur Verfügung hast“, log Roberto.

„Nein, ich habe keins.“

„Deshalb will ich dir einen Wagen besorgen. Komm mit.“

10