Signs of Love - Sam Nolan - E-Book

Signs of Love E-Book

Sam Nolan

5,0

Beschreibung

Bastian muss auf schmerzlichste Art und Weise erfahren, was es bedeutet, einen geliebten Menschen von heute auf morgen zu verlieren. Er zieht sich aus dem Leben zurück und will von nichts und niemandem mehr etwas wissen. Einzig und allein sein bester Freund Noah schafft es, wieder einigermaßen an ihn heranzukommen und ihn wieder zurück ins Leben zu holen. Auf dem Weg dorthin entdecken die beiden ihre Gefühle für einander und ein Kampf gegen die eigenen Gefühle beginnt, der letztendlich in einem Kampf um die große Liebe endet. Noah steht plötzlich vor der schwersten Aufgabe seines ganzen Lebens. Werden es beide schaffen, ihre Liebe zueinander zu gestehen und eine neue kleine Familie aufzubauen?

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Seitenzahl: 313

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      Signs of Love -

Im Zeichen der Liebe

 

von

Sam Nolan

 

 

 

Bisher von Sam Nolan erschiene:

Luca – Im Sturm ans andere Ufer Herbst 2014

ISBN print: 978-3-86361-394-5 Auch als E-book

 

 

Himmelstürmer Verlag, Kirchenweg 12, 20099 Hamburg,

Himmelstürmer is part of Production House GmbH

www.himmelstuermer.de

E-mail:[email protected]

Originalausgabe, Juli 2014

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages

Coverfoto:123rf.com, Bearbeitung: Caro Sodar

Umschlaggestaltung: Olaf Welling, Grafik-Designer AGD, Hamburg.

www.olafwelling.de

 

ISBN print 978-3-86361-409-6       ISBN epub978-3-86361-410-2

ISBN pdf: 978-3-86361-411-9

 

Die Handlung und alle Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit

realen Personen wären rein zufällig.

 

 

Kapitel 1

Bastian

Noch eine Woche, dann sollte es endlich so weit sein. Ich würde die Frau meines Lebens heiraten, die Frau, die ich seit fünf Jahren liebte. Und was noch viel schöner war, in etwa zwei Wochen, würden wir die Eltern eines wunderschönen, kleinen Mädchens sein. Auf einen Namen hatten wir uns nach langer Zeit dann auch endlich geeinigt, auch wenn ich anfangs nicht wirklich damit einverstanden war. Hannah war total fasziniert von dem englischen Namen Scarlett. Allerdings konnte ich mit englischen Namen mal überhaupt nichts anfangen. Doch sie hat es nach langen Überredungskünsten dann doch geschafft, mich zu überzeugen. Und irgendwann hatte ich mich sogar schon richtig in den Namen verliebt. Er würde bestimmt super zu unserer süßen Maus passen.

Hannah und ich haben uns während des Abiturs kennengelernt, damals war sie siebzehn und ich achtzehn Jahre alt. Ich musste sehr lange um ihre Liebe kämpfen, aber der Kampf hatte sich gelohnt und irgendwann konnte sie mir einfach nicht mehr widerstehen. Sie war damals schon, wie heute, wunderschön. Ca. 1,75 m, schlank, lange blonde Haare, strahlend blaue Augen. Sie war einfach meine absolute Traumfrau.

Ja und jetzt, vielleicht noch ein paar Worte zu mir. Ich heiße Bastian und bin, wie ihr euch wahrscheinlich schon selbst ausgerechnet habt, dreiundzwanzig Jahre alt. Meine Größe würde ich so auf ca. 1,90 m schätzen, 80 Kilo, sportlich, schwarze Haare bis zu den Ohren und blaue Augen. Ich studiere Medizin im zweiten Semester und möchte dann irgendwann einmal Kinderarzt werden. Vorausgesetzt, alles klappt so, wie ich es mir vorstelle. Aber ich muss sagen, bisher lief mein Leben genauso, wie ich es mir gewünscht habe. Ja, und neben dem Studium tanze ich auch noch ein bisschen. Hip Hop, Jumpstyle, und so weiter. Je nachdem, wo nach mir gerade ist.

„Schatz? Ich bin gleich weg, Training ruft.“

„Wie? Heute auch noch einmal? Ich dachte, wir verbringen den Abend heute miteinander?“ Hannah klang ziemlich enttäuscht.

„Aber das können wir doch auch, so spät werde ich nicht zu Hausesein.“

„Ja, das sagst du jedes Mal und dann sitze ich hier und warte und schlafe irgendwann vor lauter Langeweile ein.“

„Hey, Schatz.“ Ich ging zu ihr und nahm ihr Gesicht in meine Hände. „Heute ist noch einmal sehr wichtig, morgen ist doch die deutsche Meisterschaft, aber wenn die vorbei ist, konzentriere ich mich nur noch auf euch beide und auf unsere Hochzeit. Das verspreche ich dir.“

„Ich weiß doch, wie wichtig dir das ist und du sollst es ja auch machen. Im Moment ist einfach nur ...“

„Die Hormone, ich weiß.“ Ich lächelte sie an, ich konnte ihr ja sowieso nicht böse sein.

„Na los, mach, dass du weg kommst.“ Jetzt musste auch sie lächeln.

„Bis später.“ Ich gab ihr einen Kuss und verließ die Wohnung.

Ich machte mich also auf den Weg zum Training, die anderen warteten bestimmt schon auf mich. In letzter Zeit kam ich auch einfach viel zu oft zu spät. Aber was will man schon machen, wenn die hochschwangere Freundin vor einem sitzt und mal wieder total am Boden zerstört ist? Man kann sie ja wohl kaum zu Hause alleine lassen. Und das habe ich auch nie getan, deshalb kam das Training in den letzten Wochen und Monaten auch manchmal einfach viel zu kurz. Aber das würde sich ja auch bald wieder ändern.

„Hey Bastian, da bist du ja endlich“, rief mir Noah schon von weitem zu. „Die anderen sind schon hinten.“ Noah war seit Kindertagen mein bester Freund, wir wussten wirklich alles voneinander und ich hätte wohl oft nicht gewusst, was ich ohne ihn hätten tun sollen Denn er verpasste mir auch oft genug den nötigen Arschtritt, wenn ich einen brauchte.

„Hi Noah, na, alles klar?“

„Ja, alles bestens. Bei euch auch?“

„So wie immer eben, die üblichen Nebenwirkungen der Schwangerschaft.“ Ich musste grinsen.

„Sei froh, wenn das endlich mal ein Ende hat. Ist ja grausam, mit welchen Stimmungsschwankungen man da so zu kämpfen hat. Bin ich froh, dass ich keine Frau bin.“ Er lachte.

„Ja, ich bin auch froh, wenn das alles endlich vorbei ist, aber ich hoffe, dir ist klar, was dann auf dich zukommt.“

„Jaja, der Patenonkel wechselt dann die Windeln, wenn die geschafften Eltern auch einmal Zeit für sich brauchen.“ Wieder lachteer. „Mache ich doch gerne.“

„Ja, das weiß ich, deshalb ist die Wahl des Patenonkels ja auch auf dich gefallen.“

„So, jetzt genug der netten Worte, lass uns nach hinten gehen, bevor das noch Ärger gibt.“

„Ja, du hast recht, lass uns gehen.“

Die anderen waren natürlich schon fleißig beim Training, als wir dazu kamen. Auch wenn wir alles Einzeltänzer waren, hatte es immer einen Vorteil, wenn wir zusammen trainierten. So konnte man sich gegenseitig ab und zu den ein oder anderen guten Tipp geben. Die ganzen Jahre, die wir schon zusammen trainierten, hatten uns mittlerweile auch zu ziemlich guten Freunden werden lassen. Wenn wir irgendwas zusammen unternahmen, dann meistens nur mit der Clique. Da waren Eric und Selena, die ich schon als Pärchen kennengelernt hatte, Sven und Katrin, unsere Oberzicke Steffi, ja und Noah und ich natürlich.

„Und Bastian? Bereit für morgen?“, fragte mich Steffi.

„Aber sicher doch. Ich werde die alle umhauen.“ Ich musste lachen, manchmal war ich wirklich zu sehr von mir überzeugt.

„Ja, das werden wir ja dann sehen.“

Als wir mit dem Training fertig waren, zeigte die Uhr bereits 21 Uhr. Oh Mann, Hannah würde mir den Hals umdrehen.

„Was ist, Bastian? Kommst du noch mit ins Dragon?“, fragte mich Noah.

Das Dragon war unsere Stammkneipe, in der trafen wir uns regelmäßig, fast jedes Wochenende. Allerdings war ich nicht mehr ganz so oft dabei gewesen.

„Nee, lass mal. Hannah ist bestimmt eh schon total sauer auf mich, weil es heute wieder so spät geworden ist. Ich möchte sie nicht noch länger warten lassen.“

„Na gut, dann kümmere dich mal gut um deine Zukünftige.“

„Werde ich machen. Bis morgen zusammen.“

„Tschau, Bastian“, riefen sie alle wie aus einem Mund.

Ich machte mich also auf den Weg nach Hause. Allerdings fuhr ich einen kleinen Umweg und hielt kurz an der Tankstelle, um Hannah einen kleinen Blumenstrauß mit zu bringen. Vielleicht konnte ich sie so ein bisschen versöhnlich stimmen. Zuhause angekommen, schloss ich langsam und leise die Tür auf, vielleicht schlief sie ja doch schon. Und das tat sie, sie lag eingemummelt in ihrer Kuscheldecke auf der Couch. Die Arme hatte wirklich wieder versucht, auf mich zu warten. Ich kniete mich vor sie und gab ihr einen Kuss auf die Lippen, um sie zu wecken und sie öffnete auch sofort ihre Augen.

„Da bist du ja endlich wieder.“

„Es tut mir leid, Schatz, ich wollte dich nicht so lange warten lassen.“ Ich hielt ihr die Blumen vor die Nase und sie setzte sich hin.

„Die sind wirklich wunderschön.“

„Bist du mir sehr böse?“

„Nein, gar nicht. Komm her.“

Sie zog mich zu sich und küsste mich voller Leidenschaft, fordernd. Während der Schwangerschaft schliefen wir nicht wirklich oft miteinander, was mir aber nicht sonderlich viel ausmachte, immerhin wusste ich, warum es so war und dafür hatte ich vollstes Verständnis. Doch heute war es anders, wir schliefen miteinander und es war unglaublich schön. Ich kann gar nicht beschreiben, wie unendlich glücklich ich mit dieser Frau war, sie war die große Liebe meines Lebens.

Kapitel 2

Bastian

Am nächsten Morgen mussten wir schon sehr früh aufstehen, der Wecker klingelte bereits um 6 Uhr, da ich mich noch duschen und für den Auftritt fertig machen musste. Hinzu kam noch, dass wir eine Anfahrtszeit von knapp zweieinhalb Stunden hatten und man ja auch nicht genau wusste, wie der Verkehr auf den Straßen heute aussehen würde.

„Geht es dir gut, Hannah? Du siehst blass aus“, fragte ich sie besorgt.

„Mir ist nur ein bisschen schlecht, aber das ist ja nichts Ungewöhnliches mehr.“

„Möchtest du vielleicht lieber zu Hause bleiben? Ich kann auch alleine fahren.“

„Nein, ich möchte mitfahren und dabei sein, wenn du denen zeigst, wer der deutsche Meister ist.“

„Du bist süß, aber ich mache mir Sorgen.“

„Das musst du nicht, wirklich nicht.“

„Dann lass uns losfahren, sonst kommen wir noch zu spät.“

Die Fahrt war ganz okay und wir kamen auch ziemlich gut durch, bis auf ein paar kleinere Staus war nicht wirklich viel los gewesen.Also waren wir knapp drei Stunden später auch schon in Hamburg angekommen. Hannah ging schon mal in die Halle, während ich noch die anderen suchte, um zu fragen, wann genau wir dran waren.

„Bastian“, begrüßte mich Noah mit einem Lächeln. „Heute sogar mal pünktlich.“

„Jaja, verarsch mich noch. Alles klar?“

„Wie immer. Wir beide sind in fünfundvierzig Minuten dran, vielleicht sollten wir uns schon mal aufwärmen gehen.“

„Wo ist der Rest?“

„Die sind auch schon am Trainieren.“

„Ja, dann lass uns mal los legen.

Dass Noah und ich zu demselben Song tanzten, war ja eigentlich ganz praktisch, allerdings war er auch mein größter Konkurrent. Er war wirklich gut und manchmal beneidete ich ihn wirklich dafür, wie gut er sich bewegen konnte. Aber um über so etwas nachzudenken, hatte ich jetzt keine Zeit mehr. Wir gingen raus auf den Flur und kurze Zeit später standen wir auch schon das erste Mal oben auf der Bühne. Wir legten beide einen super Auftritt hin, wie uns später auch unser Tanzlehrer mitteilte, und qualifizierten uns auch direkt für das Finale. Ebenfalls war auch Selena mit dabei, der Rest von uns hatte es leider nicht geschafft. Aber wie heißt es doch auch so schön? Es kann nur einen Gewinner geben.

„Na dann wollen wir doch gleich mal sehen, wer von uns dreien der oder die Beste ist.“

„Also ich tippe ja auf Bastian“, sagte Selena.

„Ach was, Noah ist viel besser.“

„Gut, damit es gerecht bleibt, tippe ich auf Selena.“ Noah lachte laut.

„Ihr seid doof.“ Auch Selena lachte jetzt. „Lasst uns zur Bühne gehen, wir sind sicherlich gleich dran.“

„Ich komm gleich nach, ich will nur noch einmal kurz nach Hannah sehen.“

„Okay, mach das, aber komm nicht zu spät“, ermahnte er mich. Er kannte mich einfach zu gut.

„Nein, keine Sorge. Bis gleich.“

Ich ging also rüber zu Hannah, wo ich mit Erschrecken feststellte, dass sie noch viel blasser war, als sie es heute Morgen schon gewesen war. So langsam fing ich wirklich an, mir ernsthafte Sorgen zu machen.

„Hannah?“

„Bastian. Schön, dass du da bist. Wann bist du dran?“

„In etwa zehn Minuten. Aber wenn ich mir dich so ansehe, bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich da wirklich hochgehen sollte. Vielleicht sollte ich dich besser zu einem Arzt bringen.“

„Nein, das ist nicht nötig. Mir geht es gut, geh du jetzt da hoch und gewinne für uns.“

„Bist du dir sicher?“

„Ganz sicher.“ Sie beugte sich zu mir und gab mir einen Kuss.

Ganz von meinen Zweifeln beruhigt hatte sie mich allerdings damit noch nicht.

„Gut, aber sobald wir hier fertig sind, fahren wir nach Hause und du legst dich hin.“

„Einverstanden.“

Ich drehte mich um und lief zur Bühne, ich wollte es jetzt allen zeigen, allen beweisen. Für meine zukünftige Frau und meine kleine ungeborene Scarlett.

Kurze Zeit später stand ich nun auf der Bühne, tanzte, als ginge es um mein Leben und ich möchte behaupten, es war der beste Auftritt, den ich je hingelegt hatte. Aber da ich auch nicht einschätzen konnte, wie Noah und die anderen getanzt hatten, wusste ich natürlich noch nicht, wie das Ganze für mich ausgehen würde.

Zwanzig Minuten später rief der Moderator dann zur Siegerehrung und ich war total nervös. Ich hoffte so sehr, hier gewonnen zu haben, denn der Sieger qualifizierte sich direkt für die Europameisterschaft in der Schweiz. Und soweit hatte ich es bisher noch nie geschafft.

Alle Plätze hatten sie bisher schon bekannt gegeben und jetzt standen nur noch Noah und ich hier oben. Einer von uns hatte es also geschafft. Einer von uns durfte unser Land vertreten und ich gönnte es Noah mindestens genau so sehr, wie mir selbst.

„Du kannst stolz auf dich sein, Bastian“, sagte Noah plötzlich.

„Warum? Noch wissen wir nicht einmal, wer gewonnen hat.“

„Doch, ich weiß es.“ Er lächelte mich an.

Warum musste so etwas eigentlich immer so lange dauern?

„Und der erste Platz und somit der Titel des deutschen Meisters, geht an ... Bastian Aumann. Herzlichen Glückwunsch, Bastian.“

Ich konnte nicht glauben, dass der Typ gerade wirklich meinen Namen genannt hatte. Wenn Noah mir nicht um den Hals gefallen wäre, hätte ich es wahrscheinlich nicht einmal wirklich registriert, dass ich gewonnen hatte.

„Siehst du, ich habe es dir doch gesagt. Du hast es wirklich verdient, Bastian.“

„Danke, Noah.“

Ich bekam meinen Pokal und die Urkunde und anschließend mussten wir auch sofort die Bühne verlassen, damit die Veranstaltung weiter ihren Lauf nehmen konnte.

Natürlich kamen alle zu mir, gratulierten mir, ich hatte kaum eine Chance zum Luft holen. Doch das störte mich ganz und gar nicht, viel zu sehr genoss ich die Situation und natürlich auch meinen Sieg.

„Bastian! Bastian!“, hörte ich plötzlich Selena schreien. „Du musst sofort kommen, Hannah, sie ...“

„Was ist mit Hannah?“, fragte ich panisch. „Los, sag schon, was ist passiert.“

„Die Wehen haben eingesetzt. Du musst sie ins Krankenhaus bringen.“

„Scheiße.“

Ich drückte Noah meinen Pokal und die Urkunde in die Hand und rannte sofort los.

„Wo ist sie?“, fragte ich Selena, die hinter mir herlief.

„Sie steht draußen.“

Ich war unendlich froh, als ich endlich bei ihr war und mich um sie kümmern konnte.

„Hannah! Alles in Ordnung?“

„Unsere Tochter hat es wohl ziemlich eilig.“

„Warte, ich frage nach, wo hier das nächste Krankenhaus ist.“

„Nein, Bastian, ich möchte nach Hause, in das Krankenhaus, welches wir uns zusammen angeschaut haben.“

„Hannah, wir müssen mindestens zweieinhalb Stunden zurück fahren!“

„Ich weiß, Bastian, aber sie wird so lange warten. Da bin ich mir sicher.“

„Aber ...“

„Bitte, Bastian, zur Not können wir immer noch woanders hinfahren.“

„Ja, ist gut, dann komm, wir fahren.“

Wir liefen sofort zum Auto und machten uns auf den Weg. Allerdings konnte ich nicht verstehen, wieso sie unbedingt nach Hause fahren wollte, wir hätten genauso gut in ein umliegendes Krankenhaus fahren können, aber nein, sie wollte es nicht. Aber streiten wollte ich mich auch nicht mit ihr, das hätte sie nur zu sehr aufgeregt. Und das wollte ich auf keinen Fall.

Es ging ihr auch die ersten zwei Stunden relativ gut, die Wehen kamen alle zehn bis zwölf Minuten und sie meinte, sie könne sie noch gut aushalten. Und bald hatten wir es ja auch geschafft, es würde also gut gehen, hoffte ich. Und auch Hannah sprach mir gut zu und sagte, dass wir es auf jeden Fall bis zum Krankenhaus schaffen würden. Doch sie hatte sich getäuscht. Ihre Schmerzen wurden stärker, die Wehen kamen nun schon in vier Minuten Abständen.

„Verdammt, Hannah, ich habe doch gesagt, wir sollen direkt ins Krankenhaus fahren, aber nein, du musstest ja unbedingt zurück.“

„Jetzt hör auf, mit mir herum zu meckern. Jetzt ist es eh nicht mehr zu ändern und wir sind ja gleich da.“

Wieder schrie sie auf vor Schmerzen und es tat mir in der Seele weh, dass ich nichts für sie tun konnte.

„Fahr schneller verdammt!“, schrie sie mich an.

Und das tat ich dann auch. Auf keinen Fall durfte sie unser Kind hier im Auto bekommen. Die Autobahn war auch relativ leer, so dass ich nicht sonderlich viele Probleme mit anderen Autos hatte.

Doch dann passierte das Schlimmste, was hätte passieren können. Vor uns fuhr ein Audi, der war viel langsamer als ich, weshalb ich ihn auch überholen wollte. Doch als ich noch nicht einmal neben ihm war, eigentlich noch knapp dahinter, verlor der Fahrer die Kontrolle über den Wagen. Er brach nach links aus, ich hatte kaum mehr Zeit zu reagieren. Ich riss das Lenkrad nach rechts und alles, was ich noch weiß, war, dass wir uns mehrmals überschlugen. Ich schrie nach Hannah, hatte solche Angst um sie. Doch sie reagierte nicht und dann wurde es schwarz vor meinen Augen …

Kapitel 3

Noah

„Und? Was fangen wir mit dem super Tag an?“, fragte ich Sven.

„Dass du dich so freust. Du hast nicht einmal gewonnen.“ Er lachte.

„Ja und? Der zweite Platz ist doch auch gut und vor allem freue ich mich für Bastian.“

„Ja, ich freue mich auch. Bei dem Typ klappt auch zurzeit einfach alles. Er hatte eine wahnsinnig tolle Frau, bekommt wohl heute auch noch eine wundervolle Tochter und ist zum krönenden Abschluss auch noch deutscher Meister geworden. Perfekter geht es ja wohl nicht.“

„Ja, das stimmt, er ist wirklich ein Glückspilz. Ich wünschte, das könnte ich von mir auch behaupten.“

„Das kommt auch alles noch. So, und jetzt genug Depri geschoben, lass uns irgendwo feiern gehen.“

„Ja, du hast recht. Lass uns mal die anderen suchen.“

Das kommt auch alles noch ... Ich hatte die Hoffnung mittlerweile aufgegeben, meine letzten Beziehungen waren nicht das, was man sich unter einer funktionierenden Beziehung vorgestellt hatte. Oder vielleicht war ich auch gar nicht beziehungsfähig. Irgendwie ging es mir nie wie Bastian, heißt, ich wollte nie mit einer Frau zusammenleben. Ich brauchte meine Freiheiten, und das nicht nur einmal die Woche. Und wenn ich ehrlich bin, hatte ich auch schon nach kurzer Zeit die Lust an einer Frau verloren. Es kam auch leider oft genug vor, dass ich nicht treu sein konnte. Aber auf der anderen Seite wünschte ich mir genau das, was Bastian mit Hannah hatte, eine Familie, eine Frau, die mich über alles liebte, Kinder ... Das sollte doch mal einer verstehen. Kein Wunder, dass es keine Frau länger bei mir aushielt. Ich wusste ja doch nicht, was ich wollte.

Wir packten unsere sieben Sachen und machten uns auf den Weg nach Hause. Im Auto schlief ich erst einmal eine Runde, war doch alles ganz schön anstrengend gewesen. Zuhause angekommen, war es mittlerweile auch schon 18 Uhr und ich war ganz schön fertig, keine Ahnung, ob ich überhaupt noch zu irgendetwas Lust hatte.

„Kommst du gleich auch noch insDragon, Noah?“, fragte mich Steffi.

„Ich weiß nicht, ich gehe jetzt erst einmal duschen und dann schau ich mal, wie ich mich fühle.“

„Ach komm schon, das wird bestimmt lustig.“

„Mal sehen. Also vielleicht bis gleich.“

Sie schlug die Autotür zu und fuhr weg, irgendwie war ich erleichtert, jetzt doch mal meine Ruhe zu haben. Ich überlegte, ob ich Bastian anrufen sollte, es interessierte mich doch tierisch, ob mein Patenkind mittlerweile schon auf der Welt war. Ich entschied mich aber dann dafür, erst einmal in Ruhe duschen zu gehen. Anrufen konnte ich ihn später ja dann immer noch.

Nach der Dusche, ich fühlte mich schon wesentlich besser, machte ich mir etwas zu essen und versuchte drei oder vier Mal, Bastian zu erreichen. Doch er meldete sich nicht. Ich führte das darauf zurück, dass Hannah wahrscheinlich noch im Kreißsaal lag, oder sie vielleicht einfach nur ihre Ruhe haben wollten. Ich machte mir also keine weiteren Gedanken darüber und machte mich auf den Weg insDragon.

Ich wurde bereits sehnlichst erwartet, hätte ich gar nicht mit gerechnet.

„Da bist du ja endlich, Noah. Hast du schon was von Bastian gehört?“, fragte mich Selena, ach daher wehte der Wind.

„Ich habe versucht, ihn anzurufen. Aber bisher hat er sich noch nicht gemeldet. Er wird es bestimmt sofort machen, sobald das Kind da ist.“

„Na hoffentlich, ich will endlich Baby gucken.“ Sie lachte.

Ich setzte mich zu ihnen und bestellte mir ein Bier. Wir tranken ziemlich viel in den nächsten zwei Stunden, immerhin hatten wir so einiges zu feiern. Und auch wenn wir noch nicht wussten, ob Bastian schon Vater geworden war, darauf mussten wir natürlich auch anstoßen. So gegen 22 Uhr klingelte dann auch endlich mein Handy – Bastian.

„Bin gleich wieder da, ich gehe mal eben telefonieren“, sagte ich und rannte aus der Kneipe. Ich war total aufgeregt, wollte unbedingt wissen, was Bastian mir jetzt zu erzählen hatte.

„Hey, Bastian. Na, ist das Kind schon da?“

„Noah?“

„Jan?“ Es war Bastians Bruder.

„Ja, ich bin es. Wo bist du?“

„Ich bin im „Dragon“. Was ist denn los? Alles in Ordnung?“

„Nein, Noah, nichts ist in Ordnung. Du musst sofort herkommen. Geht das?“

„Also ... Ich ... Ja klar, ich nehme mir ein Taxi, aber was ist denn passiert?“

„Das kann ich dir am Telefon nicht sagen. Komm hierher, bitte.“ Seine Stimme zitterte und ich hatte plötzlich Angst.

„Ist gut, ich bin sofort da.“

Ich legte auf und rannte sofort los. Zum Glück war der nächste Taxistand direkt um die Ecke.

„Einmal zum Elisabeth Krankenhaus.“

Auf der Fahrt dorthin gingen mir tausend Sachen durch den Kopf. Was war nur passiert, dass Jan es mir am Telefon nicht sagen konnte? Ob irgendetwas mit Hannah war? Oder mit dem Kind? Aber warum rief Bastian mich dann nicht selbst an? Ich war froh, als ich endlich am Krankenhaus ankam, sonst wäre ich noch verrückt geworden.

Ich fragte kurz an der Anmeldung nach und die schickten mich nach oben auf die Intensivstation. Oh mein Gott, es musste was Schreckliches passiert sein. Ich rannte so schnell es ging nach oben und dort wartete auch schon Jan auf mich.

„Mensch, Jan, was ist denn nur passiert?“ Ich sah sofort, dass er geweint hatte.

„Noah, ich bin so froh, dass du da bist. Es ist so schrecklich.“ Und wieder fing er an zu weinen, ich nahm ihn in den Arm, drückte ihn fest.

„Jan, beruhige dich, erzähl mir, was passiert ist.“

„Hannah und Bastian hatten einen schweren Autounfall. Bastian liegt im Koma, sie wissen nicht, ob er die Nacht überlebt.“

„Oh mein Gott ...“ Auch mir kamen jetzt Tränen in die Augen. „Was ist mit Hannah? Und dem Baby?“

„Das Baby liegt auf der Neugeborenen Intensivstation, es wird es schaffen.“

„Und Hannah?“ Ich fing an zu zittern, war am Ende.

Jan brach zusammen, weinte und weinte. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, doch ich musste versuchen, stark zu bleiben.

„Jan ... Bitte sag mir, was ist mit Hannah?“

„Sie ... sie liegt im Sterbezimmer Noah, sie wird ... sie wird es nicht schaffen.“

„Was? Warum? Das ... das ist bestimmt nur eine Verwechslung, oder? Jan, bitte, sag mir, dass du dich irrst.“

Er schüttelte nur den Kopf, sagte nichts mehr. Hannah würde sterben und Bastian vielleicht auch. Das durfte doch alles nicht sein, warum nur? Warum? Sie waren doch so glücklich ... Sie wollten heiraten, sie hatten ein Kind. Warum nur riss das Schicksal eine Familie auseinander? Was hatte es sich dabei nur gedacht?

„Ist jemand bei ihr?“

„Meine Eltern sind da, ihre sind nicht zu erreichen. Sie sind irgendwo am Arsch der Welt im Urlaub.“

„Verdammte Scheiße ... Kann ich dich kurz alleine lassen? Ich würde gerne ...“

„Ja, geh nur, sie freut sich bestimmt, dich zu sehen.“

Ich stand auf und ging in Richtung des Zimmers. Lange stand ich davor, wusste nicht, was ich tun sollte. Ich hatte Angst, Angst vor dem, was mich darin erwartete. Ich wollte nicht, dass Hannah starb, das hatte sie nicht verdient. Das hatte Bastian nicht verdient.

Nach gefühlten drei Stunden drückte ich dann doch die Klinke nach unten und öffnete die Tür. Langsam ging ich ins Zimmer und dort lag sie, total blass, überall Kratzer und blaue Flecken im Gesicht. Sie sah schlimm aus.

„Noah, wie schön, dass du da bist“, sagte sie mit schwacher Stimme.

„Ja, ich ... Jan, hat mich angerufen. Was macht ihr denn für Sachen, Mensch?“

Sie sagte nichts zu mir, drehte den Kopf und sah Bastians Eltern an.

„Könnt ihr uns bitte alleine lassen? Ich müsste mal mit Noah reden.“

„Ja, aber natürlich“, antwortete Bastians Vater und die beiden gingen aus dem Zimmer. Dann sah sie mich wieder an, sie hatte Tränen in den Augen.

„Setz dich zu mir, Noah.“ Ich ging zu ihrem Bett und setzte mich neben sie, nahm ihre Hand in meine und fing an zu weinen. Das war mir einfach alles zu viel.

„Hey, nicht weinen. Alles wird gut.“

„Das sagst du so einfach.“

„Noah, bitte, du musst jetzt stark sein. Du musst für Bastian da sein, wenn ich es nicht mehr kann. Du bist der einzige Mensch der an ihn herankommt, wenn es ihm schlecht geht. Du musst mir das versprechen, Noah. Ja?“

„Du darfst nicht von uns gehen, Hannah. Du musst kämpfen. Hörst du? Kämpfe! Für Bastian und für euer Baby.“ Ich weinte immer mehr, warum passierte das denn alles nur?

„Es ist zu spät, Noah ... Es ist zu spät.“

Eine ganze Weile schwiegen wir, ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Die Situation überforderte mich total.

„Noah?“

„Ja?“

„Ich habe noch eine Bitte.“

„Alles was du willst.“

„Falls ...“ Sie schluckte. „Falls Bastian es auch nicht schaffen sollte ... Oder in dem Fall, dass er noch länger im Koma liegen sollte ...“

„Ja?“

„Bastian und ich waren vor ein paar Wochen beim Anwalt. Wir haben ein Schreiben aufsetzen lassen ...“

„Was für ein Schreiben, Hannah?“

„Darin steht, dass, wenn der Fall eintritt, dass mir und Bastian etwas passiert, du unser Kind bekommst. Es ist alles mit dem Jugendamt abgesprochen. Sie werden sich mit dir in Verbindung setzen und klären, ob alles so weit in Ordnung ist. Dies ist auch der Fall, wenn wir nicht in der Lage sind, uns um die Kleine zu kümmern, wenn wir im Koma liegen sollten. Auch dann darfst du dich um alles kümmern. Vorausgesetzt, du möchtest das.“

„Moment mal? Ihr habt was? Wieso? Ich meine, wieso ich?“

„Bastian vertraut dir mehr als jedem anderen, Noah, und ich tue das auch. Ansonsten hätten wir dich nicht als Paten ausgewählt. Ich bin mir sicher, dass du dich gut um sie kümmern wirst. Würdest du denn ...“

„Ob ich es machen würde? Natürlich würde ich es machen. Ich würde alles für euch tun, wenn es euch nur hilft.“

„Ich bin dir so dankbar, Noah, so sehr ...“ Ich merkte, dass sie schwächer wurde.

„Hannah, nicht, bleib bei mir, bitte...“, Ich flehte sie regelrecht an.

„Ich kann nicht mehr ... sag Bastian ... Dass ich ihn über alles liebe ...“

Sie schloss die Augen, sie war tot ... Nun war ich endgültig am Ende. Ich legte meinen Kopf auf ihr Bett, hielt ihre Hand und weinte bitterlich. Ich bekam nur noch mit, wie eine Schwester hereinkam und mich aus dem Zimmer zog. Sie mussten mir eine Beruhigungsspritze geben, wie mir Jan später sagte, da sie mich kaum noch beruhigen konnten. „Noah Maier?“

„Ja, das bin ich.“ Eine der Krankenschwestern sprach mich an.

„Ich weiß, der Zeitpunkt ist jetzt vielleicht nicht so günstig, aber ...“

„Worum geht es denn?“

„Um das kleine Mädchen. Man hat mir Unterlagen zukommen lassen, aus denen hervor geht, dass Sie jetzt erst einmal für das Kind verantwortlich sind.“

„Ja, das ist richtig.“

„Sie muss angemeldet werden und was noch viel wichtiger ist, das Kind braucht eine vertraute Person in seiner Umgebung. Es wäre also schön, wenn Sie sich ein bisschen darum kümmern.“ Ich sah an Jans Blick, dass er nichts von alldem wusste.

„Ja, ich komme gleich, ich muss hier nur noch kurz etwas klarstellen.“

„In Ordnung, ich warte dann oben auf sie.“

Und schon war sie weg. Jan stand immer noch ungläubig vor mir und starrte mich an. Ich musste ihm die ganze Sache jetzt erst einmal erklären.

„Was war das denn jetzt?“, fragte er.

„Ja ... das ist so ...“

Ich erzählte ihm von meinem Gespräch mit Hannah und davon, was sie und Bastian sich überlegt hatten.

„Und du möchtest diese Verantwortung auch wirklich übernehmen?“

„Ja, das möchte ich. Auch wenn es bestimmt nicht einfach wird, die beiden haben mir vertraut und ich werde sie nicht enttäuschen.“

„Ich meine das ja nicht böse, aber ausgerechnet du mit einem Kind.“

„Schwer vorstellbar, oder?“ Er nickte. „Aber ... Ich weiß, dass Bastian stark ist. Und er wird das schaffen. Da bin ich mir sicher.“

„Ich hoffe so sehr, dass du recht hast.“

„Das werde ich.“

Ich nahm ihn in den Arm, wieder einmal musste ich der Starke sein, dabei fiel es mir doch so unglaublich schwer.

„Ich werde mal schauen, ob es schon was Neues gibt.“

„Mach das. Ich werde nach der Kleinen sehen und nachher wiederkommen. Vielleicht kann ich ja dann auch mal zu Bastian ...“

„Okay, bis nachher.“

„Bis nachher.“

Ich machte mich also auf den Weg in die Neugeborenen Intensivstation und konnte kaum mehr einen klaren Gedanken fassen. Ich wusste nicht einmal, wie spät es gerade war. Doch es musste schon weit nach Mitternacht sein. Meine Gedanken kreisten um Hannah, Bastian und um die Kleine. Wie sollte ich das alles nur hinbekommen? Was, wenn auch Bastian die Nacht nicht überstehen würde, was wenn ... Nein, darüber durfte ich nicht nachdenken. Er würde es schaffen und er würde sich bald selbst um seine kleine Tochter kümmern können. Und bis dahin würde ich es so gut tun, wie ich konnte.

„Da sind Sie ja.“ Es war wieder dieselbe Krankenschwester wie vorhin.

„Ja, ich bin so schnell her, wie ich konnte.“

„Na, dann kommen Sie mal rein, die Kleine hat gerade Hunger.“

„Wie geht es ihr denn?“

„Es geht ihr soweit ganz gut. Sie hat wirklich großes Glück gehabt.“

Wir gingen in einen der Räume und dort lag sie in ihrem Bettchen. Sie war so wunderschön und so unglaublich süß. Die Krankenschwester legte sie mir in den Arm und gab mir das Fläschchen. Jetzt saß ich also hier, ausgerechnet ich, der vor ein paar Stunden nicht einmal wusste, was er wollte. Und nun hatte ich so ein kleines Würmchen auf dem Arm, welches vielleicht kurz nach der Geburt beide Elternteile verlieren würde. Das Schicksal meinte es wirklich nicht gut mit der kleinen Maus.

„Wie soll die Kleine denn heißen?“ Die Krankenschwester sah mich fragend an. Was sollte ich denn jetzt antworten? Klar, ich wusste, welchen Namen die beiden sich ausgesucht hatten, aber vielleicht ...

„Sie soll Hannah heißen, wie ihre Mutter.“

Ich war mir sicher, dass es in beider Interesse gewesen wäre, wenn ich so handeln würde. Was machte ich denn da? Ich redete ja schon so, als wenn Bastian auch nicht mehr da wäre.

Mensch Noah, reiß dich endlich zusammen. Bastian braucht dich jetzt, ermahnte ich mich selbst.

Eine ganze Weile saß ich noch dort, betrachtete die Kleine und gab ihr das Fläschchen, zwischendurch kamen mir immer wieder Tränen in die Augen. Ich konnte und wollte einfach nicht glauben, was heute alles passiert war. Es war alles so furchtbar ungerecht.

„Können Sie die Kleine jetzt wieder nehmen? Ich würde ganz gerne mal nach meinem besten Freund schauen.“

„Ja, natürlich.“

Ich gab ihr Hannah und machte mich wieder auf den Weg auf die Intensivstation. Ich hoffte so sehr, dass es wenigstens Bastian gut ginge. Vor der Tür saß auch schon Jan, der aufstand und auf mich zukam, als er mich sah.

„Und? Wie geht es ihr?“

„Gut, sie hat Glück gehabt. Du, Jan?“

„Was?“

„Ich habe ihr den Namen Hannah gegeben. Ich dachte ...“

„Ich finde, das ist eine schöne Idee. Bastian wäre bestimmt damit einverstanden.“

„Wie geht es ihm?“

„Unverändert. Die Ärzte sagen, wenn er die Nacht übersteht, hat er gute Chancen. Allerdings können sie nicht genau sagen, wie lange er im Koma liegen wird.“

„Kann ich zu ihm?“

„Ich glaube nicht, sie haben meine Eltern auch gebeten zu gehen. Besuchszeiten sind erst wieder morgen ab zehn Uhr.“

„Aber ich ...“

„Geh nach Hause, Noah. Du bist total fertig, leg dich ein bisschen hin.“

„Kannst du mir mal bitte sagen, wie ich jetzt schlafen soll?“ Wieder fing ich bitterlich an zu weinen.

„Bitte, Noah, du kannst hier eh nichts mehr tun.“

Ohne darauf zu antworten, ging ich zum Ausgang fühlte mich wie in Trance. Ich hatte das Gefühl, nichts mehr wirklich zu registrieren, alles um mich herum war unwichtig, nichts nahm ich mehr wahr. Tränen liefen mir über das Gesicht und es wurden immer mehr. Ich brach innerlich zusammen, verstand erst jetzt, was wirklich passiert war. Hannah war tot, Bastian lag im Sterben und ich konnte nichts tun, gar nichts.

Plötzlich hatte ich keine Kraft mehr weiterzulaufen, sackte zusammen. Ich kniete mitten auf der Straße, weinte, konnte einfach nicht mehr. Und niemand war da, der mich hätte auffangen können. Noch nie in meinem ganzen Leben ging es mir so beschissen, wie an dem heutigen Tag.

„Noah? Ist alles in Ordnung? Hörst du mich, Noah?“ Ich registrierte die Stimme neben mir zwar, konnte aber überhaupt nicht sagen, wer es war.

„Lass mich“, sagte ich nur, wollte einfach nur noch alleine sein.

„Hey Noah, komm schon, steh auf. Ich bring dich nach Hause, alles wird wieder gut.“ Ich wurde hochgezogen, versuchte mich zu wehren, schaffte es aber nicht.

„Verdammt, lass mich doch in Ruhe.“

„Los, sieh mich an! Hörst du? Sieh mich an, NOAH!“ Er packte mein Gesicht, drehte es in seine Richtung ... Es war Jan, er war mir wohl sofort hinterher gegangen.

„Jan ...“ Ich konnte kaum mehr sprechen, war total am Ende. „Hannah, sie ist ... und Bastian, Jan, bitte sag mir, dass ich träume.“

„Noah, versuche dich doch bitte zu beruhigen, ich weiß, dass das alles nicht zu verstehen ist, aber du musst dich beruhigen.“

„Hannah ist tot, verstehst du??? Sie ist tot!!! Wie soll ich mich denn da beruhigen???“ Ich schrie ihn an, war total verzweifelt.

Jan antwortete mir nicht mehr, zog mich nur noch in seine Arme und hielt mich fest bei sich. Ich weinte nur noch, noch mehr, als ich es die ganze Zeit eh schon getan hatte. Vielleicht würde ich Bastian nie mehr wiedersehen. Der Gedanke daran riss ein Loch in mein Herz und machte mich fast wahnsinnig.

„Hör zu, Noah“, sagte Jan, als ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte. „Du kommst jetzt mit zu mir und ich mache dir einen Tee. Und dann versuchst du mal ein bisschen zu schlafen. Okay?“

„Ich kann nicht schlafen.“

„Aber versuchen können wir es. Lass uns gehen.“

Jan nahm mich mit zu sich nach Hause, kümmerte sich um mich und das, obwohl es ihm garantiert genauso, wenn nicht sogar schlechter ging als mir. Doch er ließ es sich nichts anmerken, worum ich auch wirklich dankbar war, denn ich war nicht mehr in der Lage, den Starken zu spielen. Mir ging es einfach nur verdammt mies.

Wie versprochen, machte Jan uns einen Tee, legte mich dann anschließend in sein Bett und kuschelte sich neben mich, war weiterhin für mich da. Irgendwann muss ich dann wohl auch eingeschlafen sein, denn wach wurde ich erst wieder am nächsten Morgen.

„Morgen, Noah, wie geht es dir?“, fragte Jan mich.

„Beschissen. Wie spät ist es?“

„Halb elf.“

„Verdammt, ich muss zurück ins Krankenhaus.“ Ich sprang auf und wollte sofort losgehen, doch Jan hielt mich zurück.

„Noah, hör zu, ich habe vorhin mit meinen Eltern gesprochen. Sie haben vorhin angerufen.“

„Und? Was ist mit Bastian? Jetzt sag schon.“

„Er hat die Nacht überstanden, er wird es wohl schaffen, allerdings ...“

„WAS?“

„Sie können nicht mit Sicherheit sagen, ob er wieder aus dem Koma erwachen wird.“

Ich sagte nichts, setzte mich nur wieder aufs Bett. Bastian hatte die Nacht überstanden, was ja schon mal gut war. Aber was, wenn er nie wieder aufwachen würde?

„Ich muss zu ihm.“

„Warte, wir fahren zusammen. Aber lass uns vorher noch eine Kleinigkeit frühstücken.“

„Ich habe aber keinen Hunger.“

„Noah, du musst stark sein, für Bastian und auch für Hannah. Ich werde dich nicht zu ihnen lassen, bevor du nicht wenigstens ein bisschen was gegessen hast.“

„Ich habe sowieso keine andere Wahl, oder?“

„Eigentlich nicht, nein.“ Er grinste ein wenig, aber ich konnte ihm genau ansehen, wie schwer es ihm fiel und genauso, dass es auch ihm sehr sehr schlecht mit der ganzen Situation ging.

„Es tut mir leid, Jan.“

„Was tut dir leid?“

„Dass ich gestern zusammengebrochen bin, dass du dich um mich kümmern musstest. Bastian ist dein Bruder, dir muss es doch mindestens genau so schlecht gehen wie mir.“

„Mach dir um mich keine Gedanken, du hast mich gestern gebraucht und ich war für dich da, genauso wie du es ein paar Stunden vorher für mich warst. Und jetzt komm, lass uns was essen, damit wir so schnell wie möglich ins Krankenhaus kommen.“

„Ja, ist gut.“

Nachdem wir dann zusammen eine Kleinigkeit zu uns genommen hatten, machten wir uns auch direkt auf den Weg zu Bastian und Hannah ins Krankenhaus. Jan und Bastians Eltern waren auch bereits da, hatten aber extra draußen gewartet, damit ich sofort zu Bastian ins Zimmer gehen konnte. Ich war wirklich dankbar dafür, denn viel länger hätte ich es nicht mehr ausgehalten, ihn nicht zu sehen.

Ich bekam von den Krankenschwestern erst einmal irgend so einen dummen blauen Kittel, bevor ich das Zimmer betreten durfte. Und die Hände desinfizieren musste ich natürlich auch noch, dann ließen sie mich endlich zu ihm.