Sindbads längste Reise, Teil 3 von 3 - Alfred Bekker - E-Book
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Sindbads längste Reise, Teil 3 von 3 E-Book

Alfred Bekker

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Beschreibung

Der Umfang dieses Buchs entspricht 130 Taschenbuchseiten. Gut gelaunt kehrten sie zum Schiff zurück. Besonders Sindbad machte einen regelrecht erleichterten Eindruck. Der junge Sin beobachtete das sehr genau. Zum ersten Mal seit ihrem Aufbruch aus Bagdad wirkte Sindbad der Seefahrer ziemlich gelöst und entspannt. "Ich bin mir sicher, dass man im Reich der Khmer in Angkor mehr über das Land der Riesenvögel weiß", meinte er an Abdul gewandt. "Und sollte man dort nichts davon gehört haben, so mag es in der Zwischenzeit im Meer versunken sein." "Wie kommst du auf einmal darauf, dass das Land des Vogels Rock im Meer versunken sein könnte?", fragte Abdul stirnrunzelnd, während sie gerade den Hafen erreichten. "Das ist nur ein Gedanke. Dahergeredet, um zum Ausdruck zu bringen, dass ich überzeugt davon bin, dass wir nun auf dem richtigen Weg sind – und mit Hilfe der Karten des Königs Rajaraja auch sicher ans Ziel gelangen werden! Denn auch wenn das Land der Riesenvögel auf diesen Karten selbst nicht verzeichnet ist, so wird man doch gewiss in Angkor noch besser über jene Länder Bescheid wissen, die noch weiter im Osten liegen!"

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Alfred Bekker

Sindbads längste Reise, Teil 3 von 3

Cassiopeiapress Spannung

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Sindbads längste Reise, Teil 3 von 3

Roman von Alfred Bekker

 

Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© 2015 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

[email protected]

 

Der Umfang dieses Ebook entspricht 130 Taschenbuchseiten.

WO IST JARMILA?

Gut gelaunt kehrten sie zum Schiff zurück. Besonders Sindbad machte einen regelrecht erleichterten Eindruck. Der junge Sin beobachtete das sehr genau. Zum ersten Mal seit ihrem Aufbruch aus Bagdad wirkte Sindbad der Seefahrer ziemlich gelöst und entspannt. „Ich bin mir sicher, dass man im Reich der Khmer in Angkor mehr über das Land der Riesenvögel weiß“, meinte er an Abdul gewandt. „Und sollte man dort nichts davon gehört haben, so mag es in der Zwischenzeit im Meer versunken sein.“

„Wie kommst du auf einmal darauf, dass das Land des Vogels Rock im Meer versunken sein könnte?“, fragte Abdul stirnrunzelnd, während sie gerade den Hafen erreichten.

„Das ist nur ein Gedanke. Dahergeredet, um zum Ausdruck zu bringen, dass ich überzeugt davon bin, dass wir nun auf dem richtigen Weg sind – und mit Hilfe der Karten des Königs Rajaraja auch sicher ans Ziel gelangen werden! Denn auch wenn das Land der Riesenvögel auf diesen Karten selbst nicht verzeichnet ist, so wird man doch gewiss in Angkor noch besser über jene Länder Bescheid wissen, die noch weiter im Osten liegen!“

Diese Worte erschienen Abdul offenbar vernünftig, denn er nickte zufrieden.

Branagorn meldete sich zu Wort und als er sprach, spitzte Sin die Ohren. „Ich habe auf meinen Reisen in die Länder des Ostens immer wieder Geschichten über Länder gehört, auf denen feuerspeiende Berge zu finden sind. Und so manch eine der vielen Inseln mag im Meer versunken oder daraus neu aufgestiegen sein.“

„Mir sind diese Geschichten neu“, sagte Sindbad daraufhin.

„So? Das wundert mich, da du doch viel weiter nach Osten vorgedrungen sein musst – vorausgesetzt, das Land des Vogels Rock ist wirklich dort zu finden...“

„...und er wirklich dort gewesen ist“, ergänzte Kapitän Firuz noch mit bissigem Unterton.

„Nun, das Inseln aufsteigen und versinken und dass Feuer und flüssiges Gestein aus der Erde kommen und sie entweder aus dem Wasser emporheben oder darin versenken können, wissen wir doch alle! Das geschieht doch auch in anderen Teilen der Welt, die unserer geliebten Heimat Bagdad näher sind“, erklärte Sindbad.

Während der junge Sin noch gebannt der Unterhaltung zuhörte, stieß Jarmila ihn an. „Ich werde dich heute Nacht wecken“, sagte sie. „Du solltest nicht zu tief schlafen und keine Geräusche beim Erwachen von dir geben...“

„Wie...“

„Hörst du mir überhaupt zu?“

Sin hatte Jarmilas Worte nur wie aus weiter Ferne mitbekommen. Er hatte tatsächlich der Unterhaltung der Männer zugehört und sehr intensiv darüber nachgedacht, was wohl die Bemerkung von Sindbad dem Seefahrer über versinkende und versunkene Inseln wohl zu bedeuten hatte und wieso der berühmte Mann diese Worte gerade jetzt gesprochen hatte. Davon abgesehen war Sin ziemlich überrascht, dass Jarmila ihn jetzt ansprach, wo sie doch nun schon eine ganze Weile kaum miteinander geredet hatten.

„Wieso willst du mich wecken? Wir wollen schließlich morgen aufbrechen und wer weiß, wann wir das nächste Mal eine ruhige Nacht haben. Schließlich kommen wir durch ein Kriegsgebiet, wenn wir nach Angkor segeln!“

Jarmila blieb stehen und Sindbad folgte ihrem Beispiel, während die anderen schon weiter zur Anlegestelle der 'Flügel des Windes' gingen. „Ach, Sin“, seufzte sie. „Ich dachte, du wolltest deine Münze wieder haben!“

„Ja, sicher!“

„Dann halte dich bereit. Schließlich wird heute Nacht die letzte Gelegenheit dazu sein, denn wie du schon richtig bemerkt hast, werden wir morgen aufbrechen.“

„Wir?“, fragte Sin.

„Wieso nicht 'wir'?“, fragte Jarmila zurück.

„Irgendwie hatte ich immer angenommen, du würdest vielleicht...“

„...hierbleiben?“

„Ist doch deine Heimat.“

„Es war meine Heimat“, korrigierte Jarmila. „Und das ist so lange her, dass es mir so erscheint, als wäre das in einem anderen Leben gewesen.“ Sie lächelte. „Man glaubt hier nämlich daran, dass man mehrfach auf die Welt kommt und immer wieder ein neues Leben lebt – mal als Mensch, mal als Affe oder vielleicht auch als Insekt.“

„Da ist mir ein immerwährendes Paradies schon lieber“, meinte Sin.

„Ich komme mit euch – obwohl ich tatsächlich eine Weile überlegt habe, ob es nicht besser wäre, hier zubleiben. Und was deine Münze betrifft...“

„Wie willst du das anstellen?“, unterbrach Sin sie, ehe sie dazu auch nur ein Wort hätte sagen können. „Ganz gleich, was du auch versuchst, entweder du beleidigst irgendwelche Götter und kommst hier in größte Schwierigkeiten, oder aber es klappt nicht!“

„Doch, mein Plan wird klappen. Ich habe allerdings nicht geahnt, dass wir schon so früh aufbrechen werden, deshalb muss ich jetzt auch nochmal weg.“

„Aber...“

„Falls jemand nach mir fragt, dann denk dir irgendwas aus, was mir größeren Ärger erspart.“

„Und was bitte schön, sollte das sein?“

Ihre Augen blitzten. „Dein Name ist doch Sindbad!“

„Ja schon, aber...“

„...und jemandem, der diesen Namen trägt, sollte es nicht schwer fallen, sich irgendeine Geschichte einfallen zu lassen. Und ansonsten kannst du ja deinen berühmten Namensvetter fragen, der wohl wie kein zweiter weiß, wie man mit einer Lüge eine andere verbirgt!“

Und damit war sie auch schon fort. Sie ließ Sin einfach stehen, winkte ihm noch einmal kurz zu und verschwand dann zwischen den Menschen, die sich in der Nähe des Hafens stets zu drängen pflegten.

Sin sah ihr einen Augenblick lang nach, konnte sie aber schon nach wenigen Momenten nirgends mehr entdecken. Er war verwirrt. Was hatte sie vor? Auf ihre geheimnisvollen Andeutungen konnte er sich wirklich keinen Reim machen.

„Wo ist Jarmila?“, fragte plötzlich eine Stimme neben ihm.

Es war niemand anderes als Sindbad der Seefahrer.

Sin seufzte tief. Da fragte ihn ja gleich der Richtige, ging es ihm durch den Kopf.

„Sie kommt sicher gleich nach“, sagte er.

Eine richtige Geschichte war das nicht. Und vor allem keine, die jemanden hätte überzeugen können, der ein so begnadeter Erzähler war wie Sins vielgerühmter Namensvetter.

 

 

Glücklicherweise erkundigte sich niemand sonst nach Jarmila. Es fiel nicht weiter auf, dass sie nicht an Bord der 'Flügel des Windes' war, denn dort hatte man für den Rest des Tages ganz andere Sorgen. Kapitän Firuz war vollauf damit beschäftigt, sicher zu stellen, dass genug Vorräte und Ausrüstung an Bord waren. Neue Pfeile für Hauptmann Hassans Bogenschützen gehörten ebenso zu den Dingen, die gekauft werden mussten, als auch Stockfisch und haltbare Früchte, die man auf die Seereise mitnehmen konnte. Ein paar kleinere Reparaturen hatte der Kapitän bereits während der Zeit, die die Dau bereits im Hafen des Königs Rajaraja angelegt hatte, durchführen lassen. Bei jeder Seefahrt entstanden kleinere Schäden, die nicht weiter ins Gewicht fielen, wenn sie schnell genug entdeckt und ausgebessert wurden. So gab es zwischen den miteinander vernuteten Holzplanken immer wieder undichte Stellen, durch die Wasser ins Innere drang und die dann mit einem klebrigen Brei aus Pech und zerkleinerten Pflanzenfasern abgedichtet wurden.

Branagorn, Ibn Sina und Abdul aus Cordoba berieten ausgiebig über die Karten, die sie von König Rajaraja erhalten hatten. Oft war war auch Steuermann Omar dabei und dann wurde darüber beratschlagt, welchen Kurs man am besten segeln sollte.

Vor allen Dingen ging es um die Frage, wie weiträumig man die Gewässer vor der Küste von Sri Vijaya meiden sollte. Diese Gewässer ganz zu umfahren war kaum möglich und es gab überall relativ enge Durchfahrten zwischen verschiedenen Inseln, die man passieren musste. Dort kontrollierten offenbar die Feinde von König Rajaraja den Schiffsverkehr. Das bedeutete auch, dass man natürlich alles, was darauf hindeuten konnte, dass die Besatzung der 'Flügel des Windes' irgendwie mit dem König in Verbindung stand, verbergen musste.

Insbesondere galt das natürlich für die Karten – aber noch viel mehr für den Gesandtschaftsbrief, den man dem König von Angkor überbringen sollte.

Ein Bote von König Rajaraja brachte diesen Brief ein paar Stunden später zur Anlegestelle des Schiffs und übergab ihn Branagorn.

Kapitän Firuz eröffnete schließlich, dass es auf dem Schiff für solche Zwecke einen ausgehöhlten Balken gab, in dem sich ein Geheimfach befand. Es war von außen mit Pech so abgedichtet, dass nicht auffielt, dass sich dort die Öffnung befand. „Dort bewahre ich immer einen Teil meines Silbers auf“, erklärte Firuz. „Schließlich weiß man ja nicht, ob man unterwegs nicht von Piraten ausgeplündert wird, aber sofern einem zumindest das Schiff gelassen wird, steht man nicht ganz ohne Mittel da!“

Dort wurde also der Gesandtschaftsbrief verstaut.

Zwischenzeitlich zweifelte Ibn Sina die Genauigkeit der Karten und meinte, dass die Angabe der Himmelsrichtungen zum Teil widersprüchlich sei.

„Die Kartenzeichner waren sicherlich nicht so in den Künsten der Mathematik und der Geometrie bewandert wie du“, meinte daraufhin Abdul aus Cordoba. „So müssen wir sicherlich mit gewissen Ungenauigkeiten rechnen!“

„Aber dies ist doch das Mutterland der Mathematik“, erwiderte Ibn Sina. „In meiner Heimat Samarkand lehren Männer aus Indien diese Kunst und ich bin selbst Zeuge ihrer Fähigkeiten gewesen! Hier hat man schließlich das Zeichen für das Nichts erfunden, mit dem wir alle großen Zahlen schreiben!“

Ein Punkt oder ein Kreis.

Das war das Zeichen für das Nichts – die Null. Und obwohl Sin nicht lesen und schreiben konnte, so kannte er doch die Zahlen und wusste, welche Bedeutung dabei das Zeichen für das Nichts hatte. Sich Zahlen aufzuschreiben, das war selbst für einen Lastenträger wichtig, hatte sein Vater immer betont. Dass das Zeichen für das Nichts allerdings nicht von den Gelehrten in Bagdad, sondern von den ungläubigen Verehrern von heiligen Kühen und diebischen Affen erfunden worden war, hatte Sin nicht geahnt.

„Wir werden mit Ungenauigkeiten bei den Karten rechnen müssen“, stellte Branagorn klar. „Allerdings nicht wegen irgendwelcher fehlerhaften Berechnungen oder weil etwa die Zahlenkünstler des Königs Rajaraja nicht mindestens genauso gut wären, wie diejenigen des Kalifen, sondern weil es sich um Kopien handelt. Und beim Abzeichnen kommt es immer zu Fehlern.“

„Andererseits sind dies Kopien ja ursprünglich nicht für uns, sondern für die Kapitäne der Kriegsschiffe des Rajaraja angefertigt worden – und die wird man ja wohl nicht absichtlich ins Verderben geschockt haben“, gab Abdul zu bedenken.

 

 

Der Abend brach herein. Die Dämmerung kam schnell und inzwischen war auch Jarmila zurückgekehrt.

Die Seeleute an Bord wollten von Sindbad dem Seefahrer erfahren, was er über die östlichen Gewässer wusste. Ob es stimmen würden, dass das Meer dort kochen würde und dass es rauchende Berge gäbe, in denen Drachen hausen würden. Und außerdem wollte der Steuermann Omar wissen, auf welchen Inseln genau, Sindbad denn schon einmal gewesen sei. „Wie sind ihre Namen?“

„Nun, jede Insel hat in jeder Sprache einen anderen Namen“, redete Sindbad sich heraus. „Aber ich habe tatsächlich einmal einen Berg gesehen, der rauchte und dann Feuer spie, so als wären hundert Drachen darin zu Hause, die im selben Moment ihr Feuer aus dem Maul herausschleudern würden! Es muss wohl auf jener Fahrt gewesen sein, auf der ich später unglückseligerweise am Strand des Riesenvogellandes ausgesetzt und zurückgelassen worden bin.

Wir standen alle an der Reling und ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen: Beinahe hätte uns das herumschwenkende Segel von Bord gerissen, weil wir nicht darauf geachtet haben. So gebannt waren wir von dem Anblick. Glücklicherweise waren wir in sicherer Entfernung von dem Drachenschlund der sich auftat. Heißes Gestein, glühend wie geschmolzenes Eisen in einer Schmiede, floss ins Meer und ließ das Wasser verdampfen. Ein gewaltiger Nebel bildete sich und als er sich senkte, war jenes Land, das wir gesehen hatten, nicht mehr da. So sehr wir auch in den nächsten Tagen danach Ausschau hielten, es blieb verschwunden und war offensichtlich durch die Kräfte aus dem Inneren der Erde hinab in die Tiefe des Ozeans gerissen worden.“ Sindbad machte nun eine bedeutungsschwere Pause, wie es seine Angewohnheit war. „Allah sei gepriesen dafür, dass er uns alle in Ländern hat zur Welt kommen lassen, in denen nicht die Gefahr besteht, dass das Land unter einem in den tiefsten Schlund der Hölle versinkt! Aber dieses Glück teilen nicht die Bewohner aller Länder auf der Welt!“

„Dann können wir ja nur hoffen, dass nicht ausgerechnet das Land des Vogels Rock plötzlich im Meer versinkt, bevor wir es gefunden haben“, mischte sich Kapitän Firuz mit einem spöttischen Unterton ein.

Sindbad hob daraufhin die Hände. „Nur Allah weiß, was geschehen wird!“, sagte er.

Sin hatte Sindbads Erzählung nachdenklich zugehört, während Jarmila sich zu ihm setzte. Sie band sich ihr Gewand zurecht.

„Worüber grübelst du?“, fragte sie.

„Wieso spricht Sindbad jetzt auf einmal so viel über versinkende Länder und rauchende Berge?“

„Das ist doch ganz eindeutig: Ich glaube, er hat keine Ahnung, wo das Land des Riesenvogels ist. Ich glaube, er weiß noch nicht einmal, ob dieses Land überhaupt existiert, denn er war mit Sicherheit niemals dort.“

„Wie kannst du so etwas sagen?“

„Du ahnst die Wahrheit doch selber, Sin. Auch wenn du es nicht auszusprechen wagst, weil du Sindbad den Seefahrer magst und in ihm dein großes Vorbild siehst.“ Sie beugte sich zu ihm, kam nahe an sein Ohr heran und flüsterte: „Ich möchte übrigens auch nicht in Sindbads Haut stecken, ehrlich gesagt! Stell dir vor, wie er dasteht, wenn er nach Bagdad zurückkehren muss, ohne ein Ei des Riesenvogels Rock gefunden zu haben!“

Sin schluckte.

„Ich glaube, das würde er nicht überleben!“

„Oder aber er redet sich irgendwie heraus – vorausgesetzt dieser Hauptmann Hassan hat ihm nicht vorher die Gurgel durchgeschnitten!“

Sin dachte über Jarmilas Worte nach. Ja, sie hatte recht. Über die Möglichkeit, dass Sindbad der Seefahrer sich alles nur ausgedacht hatte und er nie im Land der Riesenvögel gewesen war, hatte er auch schon nachgedacht. Dieser Gedanke war wie ein Gift, das langsam wirkte und dessen Wirkung erst nach und nach den ganzen Körper erfasste. „Es wäre aber so schön, wenn alles wahr wäre“, murmelte Sin schließlich.

 

 

EIN NÄCHTLICHES ABENTEUER

Mitten in der Nacht weckte ihn Jarmila.

„Steh auf, Sin!“, flüsterte sie.

Eine leichte Brise strich vom Meer her über den Hafen und das Schiff.

Sin war hellwach. Keinen Ton hatte Jarmila bisher darüber verraten, was sie in dieser Nacht eigentlich vorhatte. Er sah nur ihren Schatten, der sich gegen das helle Mondlicht abhob. „Folge mir!“, flüsterte sie. „Und mach keinen Krach!“

„Die Wachen...“

„...sind eingeschlafen!“

Sin erhob sich nun und tat, was Jarmila von ihm verlangt hatte. Vollkommen lautlos huschte sie über das Deck der 'Flügel des Windes'. Nicht einen einzigen Laut konnte man hören. Es war so, als würden ihre Füße gar nicht richtig das Holz der Planken berühren.

Sin war da schon etwas schwerfälliger. Vor allem war er es nicht gewohnt, sich mit solcher Leichtigkeit und Behändigkeit zu bewegen. Aber er versuchte sein Bestes.

Jarmila wartete auf ihn, während er vorsichtig über die Reling stieg. Einer der Wächter, die Hauptmann Hasssan eingeteilt hatte, schnarchte gegen den Mast gelehnt vor sich hin. Es war Ahmad der Bogenschütze. Er schreckte plötzlich auf. Das Mondlicht fiel in sein Gesicht und ließ Sin die schreckgeweiteten Augen erkennen. Noch im selben Moment griff Ahmad zu seinem Bogen, den er stets bei sich trug. Inzwischen war auch sein Pfeilköcher wieder gut gefüllt, auch wenn Sin ihn am Tag darüber hatte fluchen hören, dass die Pfeile nichts taugten. Man sollte ihn doch besser selbst welche fertigen lassen. Aber dafür gab es an Bord der 'Flügel des Windes' kein Stück Holz, das erstens geeignet und zweitens übrig gewesen wäre.