Sinepoi - Werner Röschl - E-Book

Sinepoi E-Book

Werner Röschl

0,0

Beschreibung

Dies sind die Erfahrungen die ein schwarzer Kater auf seinem Lebensweg in seiner eigenen Sichtweise macht.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 163

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Corsoma

Lehrstunden

Neugier

Unternehmungslust

Abenteuerlust

Revierkämpfe

Erkundigungen

Athasonia

Altes und Neues

Etwas ganz Neues

Eine Rettungsaktion

Fremde Gesellen

Nichts als Undank

Unerwarteter Besuch

Überraschende Begegnung

Lomisols Geschichte

Überraschender Besuch

Chancenlos?

Kompromisse

Gefährliche Spiele

Das siebente Leben

Protagonisten

Corsoma

Mein Name ist Aspunesio. Den kennt selbstverständlich außer meiner Mutter niemand. Das heißt, niemand dürfte ihn kennen, denn ich bin eine Katze. Oder genauer gesagt ein Kater. Gerade einmal drei Wochen alt, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt natürlich keine Ahnung von Tagen oder Wochen habe. Mein ganzes Tagwerk beschränkt sich darauf, möglichst nahe bei meiner Mutter und bei meinen Schwestern zu sein und zu bleiben. Und wenn ich Hunger habe, sind Mutters Zitzen gerade richtig. Oder ich verschlafe und verdöse die Zeit.

Aber zurück zu meinem geheimen, beziehungsweise meinem richtigen und wahren Namen. Denn sobald jemand meinen richtigen Namen erfährt, hat er vollständige Macht über mich! Und dass dies das schlimmste ist, was einer Katze – oder wie in meinem Fall einem Kater – passieren kann, wird wohl jeder, der auch nur drei seiner sieben Sinne beieinander hat, verstehen!

Ich bin das vierte Kätzchen meiner Mutter und kohlrabenschwarz. Meine Mutter, Corsoma, – sie ist weiß und grau, wobei sie ein recht lustiges Gesicht hat, nämlich von den Ohren bis zum Kinn grau und rund um das zierliche Mäulchen so weiß wie ein Clown! – hat jedoch inzwischen nur noch zwei von ihren fünf Katzenkindern. Doch davon später. Viel bedeutsamer ist jedoch, dass meine vier Geschwister, das heißt eigentlich Schwestern, allesamt Katzenmädchen sind. Ich bin also der einzige Kater im Haus, wie man so sagt.

Natürlich habe ich auch noch einen Rufnamen, damit mich Mutter zu sich rufen konnte, wenn sie mir etwas erklären musste, oder wollte. Oder wenn sie der Meinung war, dass etwas unbedingt und unmissverständlich gesagt werden musste. Dieser Rufname war Sinepoi. Ich habe keine Ahnung, nach welcher Vorstellung Corsoma ihn ausgesucht hatte, aber mir gefiel er ganz gut!

Auch meine beiden noch bei uns wohnenden Schwestern haben ihre eigenen Rufnahmen: Singuina und Selesia. Singuina, die ältere der beiden Mädchen sah fast genauso aus, wie ihre Mutter, lediglich war ihr weißer Fleck im Gesicht an der rechten Wange und lief bis übers Kinn.

Selesia, also die Jüngere, war anstatt grau schwarz und weiß. Und auch sonst in keiner Weise bemerkenswert, symmetrisch oder sonst irgendetwas Besonderes, sondern so richtig bunt gemischt.

Etwa zur selben Zeit wurden zwei meiner Schwestern weggenommen und kamen nie wieder. Als unsere Mutter, die aus unerfindlichen Gründen auch kurz weg war, wieder von dem was ihr in dieser Zeit angetan worden war, zurückkam, waren sie jedenfalls nicht mehr da. Wir waren noch viel zu klein und unerfahren, um davon genaueres mitzubekommen. Mutter suchte sie jedenfalls zwei Tage lang vergebens. In unserer Unbedarftheit konnten wir ihr natürlich auch nicht helfen. Das heißt, wir beteiligten uns selbstverständlich ebenfalls an der Suche, aber leider mit demselben Ergebnis.

Über die beiden nicht mehr bei uns lebenden weiß ich so gut wie nichts, weil uns auch unsere Mutter nicht viel über sie erzählte, nicht einmal ihre Rufnamen. Und selbstverständlich erst recht nicht ihre geheimen Namen.

Diese Tatsache, dass die beiden erstgeborenen Mädchen nicht mehr bei uns waren, war wohl auch der Grund dafür, dass meine Mutter, sehr bald nachdem sie uns geboren hatte, mit einer schrecklichen Tatsache konfrontiert wurde. Sie wurde ihrer Fähigkeit beraubt, weitere Katzenkinder in die Welt zu setzen. Und das auch noch zum gleichen Zeitpunkt, während ihr ihre zwei ersten Kinder ebenfalls genommen wurden.

Was genau dabei geschah, hat sie uns Kindern nie wirklich mitgeteilt. Vermutlich weil sie selbst nicht genau wusste, was da mit ihr passiert war. Oder vielleicht wollte sie uns auch nur nicht mit so tiefgreifenden und auch verstörenden Eingriffen in ihr Leben belasten.

Wie auch immer. Wir waren immerhin noch zu dritt, sodass uns die beiden Schwestern nicht wirklich abgingen. Alles in allem hatten wir ein beschauliches Leben, welches lediglich durch langweilige Lehrstunden unterbrochen wurde.

Wir lebten in einem kleinen Anwesen, in einem kleinen Dorf nahe eines Baches. Es war kein Bauernhof. Es gab keine weiteren Tiere oder sonstige landwirtschaftliche Gerätschaften und Tätigkeiten. Vielleicht ausgenommen diverser Werkzeuge, welche man vermutlich nicht nur landwirtschaftlich sondern auch für alle möglichen Tätigkeiten verwenden konnte.

Natürlich inspizierte ich das gesamte Gelände. Nicht nur allein das Wohnhaus, sondern selbstverständlich auch alle – vor allem diese! – Nebengebäude. Und das war eigentlich eine ganze Menge. Allen voran so eine Art Lagerhaus, in welchem etwa Äpfel, Erdäpfel, Getränke und andere Lebensmittel in kleineren abgeteilten Bereichen, Stellagen und anderem gespeichert waren.

Daneben gab es auch noch kleinere abgeteilte Bereiche, die offenbar von früheren Bewohnern oder eben halt überhaupt früher, vielleicht sogar für Tiere, genutzt wurden oder genutzt werden konnten. Ganz speziell diese Bereiche hatten es mir angetan, denn sie waren richtig bevölkert: Von Mäusen, von Spinnen, von Fledermäusen und sogar von Vögeln! Außerdem hatte dieser Teil keinen festen Boden, sondern war nur mit Erde, Sand und Kies belegt, in welchem sich herrlich herumgraben ließ.

Viele Häuser in diesem Dorf waren während der finsteren Monate des Jahres unbewohnt. Sie dienten einigen Bewohnern einer wahrscheinlich weit entfernten Stadt nur als Sommerresidenzen oder wurden sonst irgendwie kurzfristig genutzt.

Das alles wusste ich damals jedoch noch nicht. Ich war ausschließlich damit beschäftigt, die Gegend zu erkunden. Allerdings nur, wenn Corsoma es uns erlaubte. Mutter konnte sehr streng mit uns sein, wenn wir nicht in ihrem Sinne parierten!

Unter ‚die Gegend erkunden‘ meine ich, dass ich nicht nur die umliegenden Felder, Wiesen und kleinen Wäldchen, den gar nicht so kleinen Bach, sondern auch die oftmals unbewohnten fremden Häuser inspizierte. Natürlich mit der gebotenen Vorsicht, denn man wusste nie, ob nicht ganz plötzlich doch jemand unvorhergesehen dort auftauchte!

An dieser Stelle vielleicht ein paar Worte zu den Bewohnern in unserem Haus. Es waren ein Mann und eine Frau, beide in einem Alter, in welchem es ihnen möglich war, ohne besondere Tätigkeiten ihr Leben nach eigenem Gutdünken zu gestalten. Sie lebten das ganze Jahr über in diesem Haus.

Nicht dass sie tatenlos in den Tag hineinlebten, das nicht, aber sie konnten eben tun, was ihnen gerade beliebte. Und es beliebte ihnen, kleine Katzen bei sich zu haben. Sie schienen davon derart angetan zu sein, dass es ihnen gar nicht auffiel, wie sehr unsere Mutter – in späterer Zeit auch wir – sie mit Beschäftigung versorgten.

Diese Beschäftigung erschöpfte sich keineswegs darin, uns mit Futter zu versorgen, nein, Futter hatten wir eigentlich genug in unsrer näheren Umgebung. Viel wichtiger war für uns, dass wir von ihnen ganz besondere Leckerbissen bekamen. Und natürlich auch die Sicherheit des Hauses selbst.

Mutter hatte auch sehr rasch herausgefunden, wo diese besonderen Leckerbissen gelagert waren, - nämlich in genau dem von mir Lagerhaus genannten Gebäude! – sodass sie, wenn sie Lust darauf hatte, unseren Leuten auch genau sagen konnte, was und wieviel sie wovon haben wollte. Selbstverständlich blieb uns Kindern das auch nicht lange verborgen und wir konnten genau wie unsere Mutter davon profitieren.

Was uns faszinierte, war die Tatsache, dass Mutter offensichtlich auch noch einen gänzlich anderen Namen hatte. Denn die Bewohner, die unser Haus bewohnten, nannten sie ‚Maunzel’. Jedes Mal wenn dieser Name von irgendjemandem gerufen wurde, spitzte sie die Ohren und horchte, ob sie auch wirklich gemeint war und eventuell gehen musste.

Meistens ging sie nicht. Es bedurfte offenbar eines bestimmten Tones, damit sie dem Ruf Folge leistete. Stimmte dieser Ton nicht, so drehte sie sich um und widmete sich weiterhin der gerade ausgeübten Tätigkeit. Meist war das nur Dösen. Oder sie beobachtete ein Fliege, eine Spinne oder sonst etwas Genießbares, das jedoch außerhalb ihrer Reichweite war. Immer in der Hoffnung, dass sich eine günstige Gelegenheit ergab, dieses Tierchen zu erhaschen. Und anschließend zu verspeisen, selbstverständlich.

Bei einer dieser Gelegenheiten erfuhr ich, dass auch wir Kinder recht sonderbare Namen von den Bewohnern dieses Hauses erhalten hatten. Zu Beginn achteten wir nicht weiter darauf; es schien uns ganz einfach nichts anzugehen. Als sie uns aber mit diesen seltsamen Namen ansprachen, als es keinen Zweifel darüber gab, dass nur wir damit gemeint sein konnten, begriffen wir es auch.

Meine beiden Schwestern hießen dann Rosini – woher diese Bezeichnung stammte, war uns nicht ersichtlich – und Scheckli – was anhand ihres Aussehens durchaus gerechtfertigt schien – anstatt richtig Singuina und Selesia. Und ich? Mich nannten sie Baghira. Wieso ihnen derart unmögliche Namen in den Sinn kamen, wo wir doch so schöne hatten, blieb uns ein Rätsel. Allerdings hatten sie selbst ebenfalls so komische Namen: Nämlich Luise und Jakob.

Mutter hatte uns erklärt, dass es unmöglich war, diesen Leuten unsere wirklichen Namen zu nennen. Denn erstens verstanden sie unsere Sprache nicht und selbst wenn, es wäre ihnen vermutlich gar nicht möglich gewesen, sie richtig auszusprechen. Und so blieb uns nichts anderes übrig, als uns mit diesen unverständlichen, meiner Meinung nach sogar schauerlichen Namen abzufinden.

Was wir jedoch von Mama lernten war, dass ihrem Ruf zu folgen, nicht unbedingt notwendig war. Lediglich wenn es ums Futter ging oder wenn etwas Interessanteres als das geschah, womit wir im Augenblick beschäftigt waren. Keinesfalls jedoch, wenn etwas geschehen war, wofür wir zwar nichts konnten, das uns aber angelastet wurde.

Man glaubt ja gar nicht, wie einfallslos Luise und vor allem Jakob waren! Es war ihnen offensichtlich nicht klar, dass ein zu nahe am Rande eines Tisches oder einer Kommode abgestelltes Glas oder Häferl oder auch Teller, ganz einfach geradezu darauf warteten, umgestoßen und in der Folge herabgestoßen zu werden, beziehungsweise herunterzufallen!

Ja vor allem Jakob war in dieser Hinsicht unbelehrbar, er achtete grundsätzlich nicht darauf, wo und wie er etwas abstellte. Und was war die Folge davon? Natürlich war es ihrer Meinung nach eine dieser unruhigen Geister, die nie wussten, was sie mit ihren Schwänzen alles anstellen konnten.

Aber es gab selbstverständlich auch Gelegenheiten, bei denen wir, wenn man schon unbedingt wollte, Schuld trugen. Das betraf beispielsweise Gegenstände, welche ganz offensichtlich zum Spielen gedacht waren. Was in der Folge natürlich dazu führte, dass beim spielen damit das eine oder andere dieser Dinge kaputt ging.

Und falls es im ursprünglichen Sinn gar nicht zum Spielen, speziell für uns, gedacht war, dann war das letztendlich auch nicht unsere Schuld, sondern im eigentlichen Sinn eine Unachtsamkeit von Luise und Jakob.

Als wir Corsoma fragten, ob sie wisse, was mit unseren verschollenen Schwestern geschehen war, äußerte sie sich nur undeutlich. Also sie waren nicht wirklich verschollen, sie waren nur ganz einfach nicht mehr bei uns. Sie, also Corsoma, meinte, sie hätte von anderen Katzenmüttern gehört, dass die meisten Katzenkinder zu anderen Leuten kamen, welche noch keine Katzen in ihren Familien hatten, aber so etwas wie Katzenliebhaber darstellten.

Das mit der neuen Familie interessierte mich ganz ungemein. Ich malte mir in den tollsten Farben aus, wie ich dort, ähnlich wie von Mama, in jeder Weise verwöhnt wurde. Immer stand irgendwo ein Schälchen Milch, irgendwo eines mit den köstlichsten Fischen und Mäusen ...!

Das beruhigte uns ungemein, denn wir schlossen daraus, dass es ihnen gut ging, da sie ja bei Leuten waren, die Kätzchen mochten. Sofort sah ich ein wunderschön eingerichtetes Zimmer mit vielen weichen Pölstern und mit samtenen Decken am gesamten Boden. Und überall standen kleine Schälchen mit den ausgesuchtesten Leckereien!

Später, sehr viel später, erfuhr ich, dass das leider sehr oft überhaupt nicht stimmte. Oft waren die kleinen Kätzchen nur als Geschenk für kleine Leute, Corsoma nannte sie immer Kinder, welche dann entweder ihrer rasch überdrüssig wurden oder die Kätzchen gefielen ihnen gar nicht. In solchen Fällen kamen die Kätzchen dann in irgendein Tierheim, oder, was Gott sei Dank, nicht allzu oft vorkam, sie wurden irgendwo in der Wildnis ausgesetzt, was ihnen gar nicht bekam, da sie noch immer sehr stark von der Pflege ihrer Mutter abhängig waren.

Lehrstunden

Zunächst jedoch machte uns das keinen Kummer. Und dann holte Mama uns zurück auf den Boden des ernsten Lebens. Mama erklärte uns, wie es in solchen Heimen zuging. Selbstverständlich bekamen sie alle ausreichend Futter, aber ansonsten kümmerte sich niemand um sie.

Und noch viel erschreckender, sie waren in einem kleinen Raum, einem Käfig eingesperrt und durften nie ins Freie, durften nicht selbständig jagen und in der Gegend herumstreifen, bis sie nur noch traurig dahinlebten. Aber das Erschreckendste war, dass es niemanden gab, der für sie, nur für sie da war, der sie verwöhnte, der sie in den Arm nahm, streichelte und lieb mit ihnen spielte.

Als wir endlich ein wenig selbständiger wurden, das heißt so etwa mit vier Wochen, kam die Zeit der Schulungen. Zunächst ging es lediglich darum, zu tun, was Mutter uns anschaffte oder auch verbot. Man glaubt ja gar nicht, wieviel Dinge für uns gefährlich, oder wenigstens unangenehm waren oder werden konnten.

Zum Beispiel Hitze. Man denkt sich nichts dabei, springt irgendwo hinauf und steht urplötzlich auf einem glühend heißen Herd. Er sieht eigentlich gar nicht gefährlich aus, trotzdem ist er es in ganz besonderem Maße.

Oder Wasser. Natürlich konnten wir schwimmen – wenn es denn unbedingt sein musste. Aber jeder, der einmal unwillkürlich eine größere Menge Wasser schlucken musste, sich verschluckte, keine Luft mehr bekam, sich zu Tode hustete und so weiter, weiß, wovon ich spreche.

Es gab jedoch auch ziemlich harmlos aussehende Dinge, welche einem sehr rasch gefährlich werden konnten. Natürlich kann man die Hitze eines Herdes nicht sehen, aber man kann sie riechen. Bei Pflanzen ist das schon viel schwieriger: Ob sie giftig oder genießbar sind, kann man weder sehen noch riechen, man muss es aufwendig lernen. Und Corsoma war in dieser Hinsicht eine ganz ausgezeichnete Lehrerin!

Als nächstes wurden wir einer besonderen Schulung unterzogen. Zuerst waren es nur einfache Aufgaben. Wir – natürlich nicht nur ich, auch meine Schwestern! – mussten unsere eigenen Mäuse fangen! Mutter war unerbittlich. Zwar zeigte sie uns noch, wo und wie wir ein Mäuseloch fanden, aber die eigentliche Schwierigkeit bestand darin, geduldig zu warten und keinerlei Lärm dabei zu machen.

Sie möchten wissen, wie so eine Mäusejagd abläuft? Sie möchten die ganze Langweiligkeit erleben, oder nur das Ergebnis: Ein köstlicher Happen, der mit nichts vergleichbar ist, was anderswo auf den Tisch kommt!

Nun, das Wesentliche besteht natürlich im Auffinden der Maus. Also eigentlich nicht der Maus, sondern eines Mäuseloches, aus welchem die Maus unweigerlich herauskommen muss. Das bedeutet in meinem Fall also: Die Nase spitzen und Mäusegeruch aufnehmen. Der führt dann zielsicher zum Mauseloch. Das ist ganz simpel, aber jetzt wird es langweilig: Völlig ruhig zu sitzen und keinen wie immer gearteten Lärm erzeugen. Vor allem nicht, vor lauter Aufregung mit dem Schwanz schlagen!

Was soll ich sagen!? Es war todlangweilig! Dabei flatterte gleich daneben ein hübsches buntes Blatt im Wind und wartete nur darauf, von mir gefangen zu werden! Aber woher kommt die Langeweile? Natürlich von der Ungeduld. Alleine ganz ruhig sitzen ist schon eine Kunst, aber sich dabei von nichts ablenken zu lassen, das ist die wahre Herausforderung!

Nicht ablenken lassen heißt in diesem Fall auch: Den Blick nicht vom Mausloch nehmen. Es reicht bereits ein Wimpernschlag Unaufmerksamkeit und die Maus ist schon wieder weg. Wieso sie gleich wieder weg ist? Sie hat natürlich auch eine feine Nase und sobald sie aus dem Mausloch heraus ist, kann sie die Katze riechen! Also ist es klug, augenblicklich nachdem sie aus dem Loch herausschaut, schon nach ihr zu greifen.

Jetzt haben wir eine Maus und wollen sie auch verspeisen. Auch dabei gilt es Vorsicht walten zu lassen, denn nicht alles in oder an der Maus ist auch essbar. Das heißt essbar schon, aber nicht unbedingt köstlich, so zum Beispiel die Galle, die lässt man besser über. Aber der ganze Aufwand ist allemal lohnend, denn sofort nach dem Verspeisen der Maus hat man Lust auf die nächste.

Was jedoch diese ganze Jagd letztlich so verlockend macht, ist der Verzehr der selbst erlegten Beute! Als ich meine erste selbst und alleine gefangene Maus verzehrte, stellte ich fest, dass der Vergleich mit den von Mama vorgelegten atemberaubend war! Der Geruch und der Geschmack des warmen, noch nicht gestockten Blutes ließ mir noch Stunden danach das Wasser im Munde zusammenlaufen. Was auch die sofortige Lust auf die nächste Beute erklärt.

Dabei war das Mäusefangen noch das Allereinfachste. Die nächste Stufe war bereits gehörig schwieriger: Selbst einen Fisch fangen! Dabei war gar nicht so sehr der Fangvorgang schwierig, viel schwieriger war es, dabei nicht selbst ins Wasser zu fallen. Nicht nur einmal kämpfte ich mich danach wieder mühsam ans Ufer zurück. Natürlich ohne Fisch!

Aber nach diesen anfänglichen Lernphasen wurde es erst richtig kompliziert: Einen Vogel erhaschen! Mama versprach uns, dass dessen Geschmack alles, was wir bisher kannten, unweigerlich in den Schatten stellen würde! Jedoch war dieser Vorgang durch eine weitere Schwierigkeit gekennzeichnet. Nachdem Vögel üblicherweise nicht so einfach am Boden herumspazierten oder in Erdlöchern hausten, mussten wir die Jagd auf Bäumen erlernen. Und dabei selbstverständlich nicht versehentlich selbst vom Baum fallen!

Meine ersten Versuche waren demzufolge eine unablässige Folge von missglückten Sprüngen. Entweder war der Vogel viel zu weit weg, oder er war nicht genug mit eigenen Dingen beschäftigt. Mein ureigenster Fehler war es aber, dass ich viel zu unvorsichtig heranschlich! Ich bedachte ganz einfach nicht, dass der Vogel ein viel größeres Blickfeld hatte als ich.

Das bedeutete im Besonderen, dass ich ausschließlich aus seinem Rücken heraus operieren musste. Und das muss ich euch sagen, quirlig ist gar kein Ausdruck für die Behändigkeit, mit der so ein Piepmatz von einem Ast auf den anderen wechselt!

Und überhaupt fand ich heraus, dass sie sehr wohl auch am Boden spazieren. Vor allem wenn sie nach Würmern in der frischen Erde suchen. In solchen Fällen konnte ich die besten Erfolge aufweisen!

Nach zirka fünf Wochen meinte Mama, jetzt könnte ich bereits meinen Schwestern Jagdtricks beibringen! Ich war natürlich maßlos stolz über das Lob meiner Mutter, wusste jedoch im selben Augenblick, dass in genau diesem Augenblick meine gut geschützte Jugend zu Ende war.

Das bedeutete im einzelnen, dass ich nicht nur ganz allein auf mich gestellt für mein Futter sorgen musste, nein, ich musste auch noch um die von unseren Leuten bereitgestellten Leckereien kämpfen, vor allem wenn unsere Mutter fand, dass ihre beiden Mädchen womöglich zu kurz kamen!

Dabei war ich noch insofern begünstigt, als Luise scheinbar ganz besonders in mich vernarrt war, sie hatte immer wenn ich in ihrer Nähe war irgendein besonderes Leckerle oder ein kleines Schüsselchen Milch extra dabei, sodass es meine Schwestern nicht mitbekamen.

Von nun an war ich also auf mich selbst gestellt und alleine für mich verantwortlich! Das betraf selbstverständlich auch meine Freiheit in der uns umgebenden Umwelt. Aber ich war zufrieden.

Neugier

Meine Neugier war ungeheuer. Es gab so gut wie nichts, das mich nicht interessierte. Völlig egal ob es ein unbekanntes Gewächs oder ob es ein unbekanntes Tier war, ich musste es untersuchen. Gewächse waren da relativ harmlos. Wohl hatte unsere Mutter uns darin unterwiesen, giftigen Pflanzen aus dem Weg zu gehen, aber sonst? Sie konnten allerhöchstens stechen; oder stinken. Na ja.

Bei Tieren war das schon etwas anderes. Sie konnten sich wehren. Die kleinste Maus hatte schon sehr scharfe Zähne und vor den Schnäbeln der Vögel brauche ich wohl niemanden zu warnen. Aber es gab darüber hinaus eine ganze Menge kleiner Tierchen, diese waren geradezu prädestiniert für meinen Spieltrieb.

Ja, ja! Sie haben schon richtig gehört: Neben meiner Neugier war der Spieltrieb geradezu mein Markenzeichen. Alles was sich bewegte, wurde von mir sehr intensiv auf Spielmöglichkeiten untersucht. Manches davon eignete sich besser, etwa Bälle, anderes weniger, zum Beispiel Bälle, die zerbrachen, wenn man sie schubste.