Sinking Ships - Tami Fischer - E-Book
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Sinking Ships E-Book

Tami Fischer

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Beschreibung

Sie will sich nicht verlieben. Er hat es schon längst getan … Im Spiegel-Bestseller »Sinking Ships«, dem zweiten Liebesroman in Tami Fischers romantischer und mitreißender Fletcher-University-Reihe, muss Carla lernen, Schwäche zuzulassen – und ihre größte Angst überwinden, um in ihrem Leben der Liebe vielleicht doch noch eine Chance zu geben. Carla Santos hält nichts von der Liebe. Und schon gar nicht von unerträglich netten, attraktiven Jungs wie Mitchell, dem Bruder ihrer besten Freundin und Kapitän des Schwimmteams. Denn Carla braucht eine harte Schale, damit ihr das Leben nichts mehr anhaben kann. Damit sie es schafft, ihre beiden kleinen Brüder allein groß zu ziehen und nebenbei auch noch Job und Studium zu stemmen. Deshalb darf niemand wissen, dass sie panische Angst vor Wasser hat, seit sie als kleines Mädchen mit ansehen musste, wie ihre Mutter ertrunken ist. Niemand soll Carla schwach sehen. Doch als Carla bei einer Party in den Pool stürzt, ist es ausgerechnet Mitchell, der sie in letzter Sekunde vor dem Ertrinken rettet. Gegen ihren Willen lässt Mitchell Carlas Mauern bröckeln, aber bevor sie ihm ihre Gefühle gestehen kann, schlägt das Leben noch einmal mit aller Härte zu. Carla muss sich endlich ihrer größten Angst stellen, wenn sie Mitchell für sich gewinnen will. »Sinking Ships« ist nach »Burning Bridges« der zweite Liebesroman innerhalb der Romance-Reihe an der Fletcher University, von Spiegel-Bestseller-Autorin Tami Fischer. Im ersten Band »Burning Bridges« steht Carlas Freundin Ella sowie ihre gefährliche Liebe zu dem geheimnisvollen Ches im Mittelpunkt. In den Folgebänden wird es um weitere Mitglieder von Ellas und Claras Clique gehen. Für mehr Info schau gerne auch auf Tamis YouTube-Kanal und auf Instagram vorbei.

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Tami Fischer

Sinking Ships

Roman

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Carla Santos hält nichts von der Liebe. Und schon gar nicht von unerträglich netten, attraktiven Jungs wie Mitchell, dem Bruder ihrer besten Freundin und Kapitän des Schwimmteams.

Denn Carla braucht eine harte Schale, damit ihr das Leben nichts mehr anhaben kann. Damit sie es schafft, ihre beiden kleinen Brüder allein groß zu ziehen und nebenbei auch noch Job und Studium zu stemmen. Deshalb darf niemand wissen, dass sie panische Angst vor Wasser hat, seit sie als kleines Mädchen mit ansehen musste, wie ihre Mutter ertrunken ist. Niemand soll Carla schwach sehen.

Doch als Carla bei einer Party in den Pool stürzt, ist es ausgerechnet Mitchell, der sie in letzter Sekunde vor dem Ertrinken rettet. Gegen ihren Willen lässt Mitchell Carlas Mauern bröckeln, aber bevor sie ihm ihre Gefühle gestehen kann, schlägt das Leben noch einmal mit aller Härte zu. Carla muss sich endlich ihrer größten Angst stellen, wenn sie Mitchell für sich gewinnen will.

Inhaltsübersicht

Für Vicci und Anna

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Danksagung

Der Soundtrack von Burning Bridges

Leseprobe »Hiding Hurricanes«

Für Vicci und Anna

Prolog

Schon als Kind hatte ich gewusst, wie ich einmal sterben würde.

Ich hatte immer wieder davon geträumt, sogar bis ins Teenageralter hinein. Manchmal, wenn ich mich besonders einsam fühlte, kehrte der Albtraum sogar noch später zu mir zurück, als wolle mich der liebe Gott ab und zu daran erinnern, dass ich nicht unverwundbar war. Dass es diese eine große Angst gab, die mich jederzeit in die Knie zwingen konnte. Es war wie das Wissen um ein Gewitter: Man konnte es riechen, die Nackenhaare stellten sich auf, und die Luft schmeckte nach Gefahr. Man wusste, jeden Moment würden die dunklen Wolken dem Druck nicht mehr standhalten können, würde sich die Spannung in gleißenden Blitzen entladen. Man konnte es spüren, noch bevor es geschah.

Dieselbe Gewissheit erfüllte mich auch, wenn mich mein Albtraum heimsuchte. Ich starb darin nicht einfach. Als Erstes wurde mir kalt. So kalt, dass meine Glieder taub wurden. Ich schlug hilflos um mich und bekam doch nichts zu fassen. Ich schrie, doch niemand hörte mich. Der Sauerstoff in meiner Lunge ging zur Neige. Wasser drang in meine Ohren, in meine Nase und in meinen Mund. Es einzuatmen, so kalt und unerbittlich, brannte wie flüssiges Feuer in meiner Lunge. Egal, wie viel Kraft ich hatte, egal, wie sehr ich mich auch bemühte, ich hatte keine Chance. Das Wasser würde mich verschlingen und mich mit sich in seine unergründlichen schwarzen Tiefen ziehen.

Ich konnte es in meinen Knochen spüren. Ich war erfüllt von Gewissheit.

Schon als Kind hatte ich gewusst, wie ich eines Tages sterben würde. Es war wie das Wissen um ein Gewitter.

Eines Tages würde ich ertrinken.

Kapitel 1

Carla

Und wieder vibrierte das Handy in meiner Hosentasche. Ich gab mir alle Mühe, es zu ignorieren und mich auf meinen Professor zu konzentrieren, der den Hörsaal seit einer Stunde mit verschiedenen Marketingstrategien auf Trab hielt. Meine Notizen waren von Anfang an unordentlich und zusammenhanglos gewesen, weshalb ich bereits nach einer halben Stunde aufgehört hatte, mitzuschreiben. Ausgerechnet heute hatte ich den Laptop zu Hause vergessen. Oskar, einer meiner kleinen Brüder, hatte verschlafen und den Schulbus verpasst, also hatte ich ihn fahren müssen. Der Morgen war so hektisch gewesen, dass der Laptop leider nicht den Weg in mein Auto gefunden hatte. Verdammter Mist. Mein Marketingkurs würde zwar in wenigen Minuten vorbei sein, doch jede einzelne davon fühlte sich an wie Stunden. Ich hatte keine Ahnung, wovon Professor MacKenzie sprach. Außerdem nuschelte der alte, dürre Mann, als hätte er sein Gebiss verlegt.

Wieder vibrierte das Handy in meiner Hosentasche, und ich grollte leise, ehe ich es herausfischte und unter dem Tisch die neuen Nachrichten las.

Oskar: Carla!!! Mateo hat mich geschlagen und mir meinen Gameboy weggenommen!!

Oskar: Wann kommst du nach Hause? Mateo hat die Reste vom Abendessen alle aufgegessen!

 

Alma: ¡Hola, Mariposa! Kannst du morgen im Salon aushelfen? Marias Sohn ist krank und hat sie angesteckt.

 

Oskar: Carla!! Mateo hat wieder Besuch von seinen Freunden, und sie rauchen Zigaretten in der Wohnung!!!

 

Mateo: Kannst du mir zehn Dollar geben?

Ein entnervtes Stöhnen entfuhr mir.

Offenbar war es ein wenig lauter als gedacht, denn mehrere Köpfe drehten sich zu mir herum.

Ich versuchte, mich auf meinem Stuhl klein zu machen, und legte verdrossen den Kopf auf dem Tisch ab. Wieso schafften es meine kleinen Brüder nicht, einen einzigen verfluchten Nachmittag lang allein miteinander auszukommen? Und Mateo hatte wieder seine verdammten Freunde zu uns nach Hause eingeladen! Mierda. Ihm würde der Ärger seines Lebens blühen, wenn ich ihn in die Finger bekam.

Unauffällig tippte ich unter dem Tisch Antworten an Tante Alma und die Jungs, ehe ich das Telefon wieder wegsteckte.

»Miss, langweile ich Sie?«

Erschrocken hob ich den Kopf und starrte Professor MacKenzie an, dessen missbilligender Blick ausgerechnet auf mir ruhte.

Wie auch die Aufmerksamkeit des Hörsaales.

Ich biss die Zähne zusammen. »Nein, Sir. Natürlich nicht, im Gegenteil.«

»Wie war noch gleich Ihr Name?«

»Carla Santos, Sir.«

Der alte Mann schenkte mir ein kühles Lächeln. »Wenn ich mich nicht irre, haben Sie die ganze Vorlesung an Ihrem Telefon verbracht, richtig, Miss Santos? Sicher haben Sie kein Problem damit, bis nächste Woche Freitag eine kleine Hausarbeit über operatives Marketing zu schreiben. Zehn Seiten sollten reichen.«

Ich zwang mich, nicht zu fluchen, und ballte stattdessen die Hände zu Fäusten. Das war bereits das dritte Mal dieses Semester, dass ich einen solchen Dämpfer von einem Dozenten aufgedrückt bekommen hatte. Deshalb erwiderte ich nichts, atmete tief durch und fixierte so lange meinen Tisch, bis MacKenzie endlich seine genuschelte Vorlesung fortsetzte.

Jemand pikste mich mit einem Stift in den Arm.

Ich blickte zur Seite und begegnete Austin Fullers lässigem Grinsen.

Großartig.

Meine Laune sank immer weiter.

»Hey, Carla«, flüsterte er und beugte sich zu mir herüber. Der Duft seines teuren Eau de Parfums stieg mir dabei in die Nase. »Morgen Abend schmeiße ich eine kleine Party. Du solltest wirklich kommen, das wird lustig.«

Austin und seine Mitbewohner waren am ganzen Campus bekannt für die legendären Partys in ihrem Verbindungshaus. Die ahnungslosen Freshmen fühlten sich immer wie ganz besondere Schneeflocken, wenn Austin oder die anderen Jungs sie einluden – natürlich hauptsächlich, um sie der Reihe nach flachzulegen. Ich war zwar nicht dämlich genug, um darauf hereinzufallen, hatte meine Dämlichkeit aber auf eine andere Art und Weise bewiesen.

Ich hob eine Augenbraue und musterte Austins selbstbewusstes Gesicht, das Funkeln in seinen blauen Augen und das zerzauste schwarze Haar. Beinahe wäre mir eine scharfe Antwort herausgerutscht, doch ich ermahnte mich, nett zu sein.

Ich wusste, dass ich einen gewaltigen Fehler begangen hatte. Es war Silvester gewesen, vor fast zwei Monaten. Meine Brüder hatten die gesamte Woche nach Weihnachten bei meiner Tante verbracht, weshalb ich neben meinem Job als Barkeeperin tatsächlich vorübergehend so etwas wie ein Leben gehabt hatte. Also war ich, wie auch der Rest meiner Freunde, auf Austins Silvesterparty gegangen. Ich hatte nicht nur zu viel getrunken, irgendwie war es auch dazu gekommen, dass Austin und ich im Bett gelandet waren. Jede Menge Alkohol und meine gewaltige Durststrecke von über einem Jahr hatten mich schwach werden lassen. Der Sex war nicht unbedingt schlecht gewesen, doch er erwies sich nun als wirklich dämlicher Fehltritt. Der Kerl hing an mir wie eine Klette. Er rückte mir einfach nicht mehr von der Pelle, und es gab nichts, was ich tun konnte, um ihm klarzumachen, dass wir diese Nacht niemals wiederholen würden. Ich hatte keine Zeit für Dates. Und für Sex auch nicht. Vor allem nicht mit so einem selbstgefälligen Sportlertypen wie Austin Fuller.

»Ich besuche deine Partys nicht mehr, Fuller«, flüsterte ich zurück. »Das wissen wir beide. Ich gehe auch nicht mit dir aus oder sitze in der Mensa am Tisch mit dir und den anderen Wasserratten.«

Austin war Mitglied des Schwimmteams unseres Colleges. Und es gab kaum etwas, das mir befremdlicher vorkam als unser Schwimmteam. Allein die Vorstellung, freiwillig in tiefes Wasser zu springen, sorgte bereits dafür, dass mir schlecht wurde, und sie redeten von nichts anderem. Irgendetwas stimmte doch mit denen nicht.

Austin verzog keine Miene, was mich augenblicklich auf die Palme brachte. Dios mío, war es so schwer, eine Abfuhr zu akzeptieren? Ich versuchte ja nicht, die Sache schönzureden. Ich sagte ihm ins Gesicht, was ich dachte, wie ich es immer tat. Aber es war jedes Mal dasselbe. Vielleicht sollte ich dankbar dafür sein, dass er mich daran erinnerte, mich von Kerlen fernzuhalten. Was für eine Zeitverschwendung.

Austin lächelte verwegen und fuhr sich mit den Fingern durch das schwarze Haar. »Na schön. Dann könnten wir ja mal zusammen lernen oder so. Wenn du willst, helfe ich dir mit der Studie aus der letzten Vorlesung, mit der du Probleme hattest.«

Ein Klingeln gellte durch den Saal und ließ jeden der circa zweihundert Studenten aufatmen.

Ich packte meine Sachen ein und beeilte mich aufzustehen. »Ich werde nicht mit dir lernen«, erklärte ich genervt und schulterte meine Tasche. »Frag doch eine deiner Wasserratten-Freundinnen, ob sie Zeit mit dir verbringen will. Aber ich habe kein Interesse.«

Unerschütterlich grinste er und zuckte mit den Schultern. »Eines Tages vielleicht …«

»Ay, no!«, unterbrach ich ihn und hob einen Finger vor sein Gesicht. »Nicht eines Tages. Niemals, comprendes?«

Diesmal verblasste das Lächeln auf seinen Lippen, und ich nahm das als funkelnden Hoffnungsschimmer. Bevor Austin noch etwas erwidern konnte, drehte ich mich um und eilte auf meinen hohen Absätzen aus dem Hörsaal.

Freitag war einer der wenigen Tage, an denen ich bis zur letzten Vorlesung am Campus bleiben konnte. Die restlichen Tage unter der Woche musste ich meine Brüder von einem Training zum nächsten kutschieren, mit ihnen lernen, aufräumen, kochen oder einkaufen. Oder ich musste im Salon meiner Tante aushelfen. Ein egoistischer Teil von mir genoss es, freitags länger hierbleiben zu können, auch wenn ich dabei ein furchtbar schlechtes Gewissen hatte.

Ich verließ Millard House und steuerte den Weg zum Parkplatz an, zwischen alten Magnolienbäumen und ordentlich gemähten Rasenflächen. Die Luft war schneidend kalt und drang durch meine Winterjacke. Zu dieser Jahreszeit sah selbst die Fletcher University ein wenig trostlos aus. Die in Efeu gehüllten Gebäude mit ihren roten Ziegelsteinen und weißen, großen Fenstern ragten neben Neubauten aus Glas und Beton in einen grauen Himmel. Die Bäume auf dem ganzen Campus waren allesamt kahl, und jeder trug noch immer seine dicksten Jacken, obwohl wir zuletzt vor zwei Wochen Minustemperaturen gehabt hatten.

Mein Handy vibrierte erneut, noch bevor ich mein Auto erreicht hatte. Entnervt nahm ich den Anruf an.

»Carla, Mateo hat Pizza bestellt!«, rief Oskar in den Hörer. Mein zehnjähriger Bruder klang ein wenig hysterisch.

»Was ist daran so schlimm?«, erwiderte ich.

»Er hat kein Bargeld!«

Ich stöhnte auf und stieg in meinen Wagen. »Wieso bestellt er dann Pizza?«

»Keine Ahnung! Der Pizzalieferant ist richtig sauer!«

»Ay, ich bin gleich zu Hause, ich habe Bargeld. Sag Mateo, dass ich jeden einzelnen seiner Freunde umbringen werde, sollten sie noch da sein, wenn ich zurück bin.«

»Wird gemacht«, erwiderte Oskar und klang erleichtert. »Dann bis gleich. Ich gebe dem Pizzamann Bescheid!«

Ich beendete das Gespräch, schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Müdigkeit machte sich in mir breit. Ich wusste nicht, wann ich zuletzt mehr als fünf Stunden geschlafen hatte. Es war unfair. Jeder andere Student konnte sich auf Vorlesungen und Partys konzentrieren. Nur ich musste mich außerdem noch um Jobs und zwei Nervensägen kümmern. Ich wollte schreien. Ich brauchte Zeit. Ich brauchte ein zweites Leben, um nicht auf so vielen Hochzeiten gleichzeitig tanzen zu müssen.

Auf direktem Weg fuhr ich nach Hause, bezahlte den verärgerten Pizzalieferanten und klemmte mir den Karton unter den Arm.

Dann trat ich ins Wohnzimmer, pfählte Mateo mit einem einzigen Blick und baute mich vor ihm auf. Zu seinem Glück hatte er seine Freunde tatsächlich nach Hause geschickt.

»Was soll das, Mati?«, fragte ich auf Spanisch. »Hat dein Aftershave dir jetzt das Hirn weggeätzt?« Wohlgemerkt, Mateo hatte noch keinen Bartwuchs. Trotzdem badete er in dem Zeug.

Mein Teenager-Bruder saß breitbeinig und mit verschränkten Armen auf dem abgewetzten Ledersofa und starrte mürrisch vor sich hin. »No, Carla. Ich hatte einfach nur Hunger.«

»Ach ja?« Ich pfefferte den Pizzakarton auf den Esstisch und stemmte die Hände in die Hüften. »Dann hättest du dir einen Käsetoast machen können! Du weißt, dass ich freitags später nach Hause komme. Notfalls hättest du auch Lenny fragen können, ob sie dir den Käsetoast macht, aber mit fünfzehn Jahren sollte man so was eigentlich schon alleine hinbekommen!«

Oskar trat aus der Tür zu seinem und Mateos Zimmer und beobachtete uns stumm, wie meistens, wenn wir uns stritten.

Wütend warf Mati die Hände in die Luft. »Ich hatte eben keine Lust auf Käsetoast, klar? Außerdem wollten Diego und die Jungs …«

»Aha«, sagte ich. »Diego. Der ist hier nicht willkommen, das habe ich dir schon mal gesagt.«

»Aber wieso?«, fauchte mein Bruder und sprang auf. »Das ist unfair! Oskars Freunde dürfen ja auch vorbeikommen!«

Mit drei großen Schritten stand ich vor ihm und bohrte ihm den Finger in die Brust. »Mateo, fang nicht an zu diskutieren. Wenn Oskars Freunde hier sind, stinkt es nicht nach Rauch, und keiner von denen hat mir je das Haushaltsgeld geklaut, im Gegensatz zu Diego. Außerdem ist er viel älter als du und noch dazu ein schlechter Einfluss. Sieh dich doch an!« Mein Blick war auf seine Jeans gefallen. »Ist das die Hose, die Tante Alma dir erst letzten Monat gekauft hat? Hast du die Knie etwa mit einer Schere aufgeschnitten?«

Aufgebracht schlug er meine Hand weg. »Lass mich in Ruhe! Ich bin befreundet, mit wem ich will!« Er stapfte davon, wurde jedoch am Esstisch langsamer und schielte zur Pizza.

»Denk nicht einmal dran, du kleiner Scheißer«, zischte ich, legte meine Hände auf seine Schultern und schob ihn, an Oskar vorbei, in ihr Zimmer. »Die Pizza essen Oskar und Lenny. Du bekommst Käsetoast. Außerdem holt Tante Alma euch in einer Stunde ab.«

»Ich hasse dich!«

»Ich liebe dich auch, Mijo«, erwiderte ich sarkastisch und gab ihm einen kleinen Stoß. »Und jetzt erledige deine Hausaufgaben!«

Bevor er noch etwas erwidern konnte, schloss ich die Tür hinter ihm und kniff mir mit Daumen und Zeigefinger in die Nasenwurzel.

»Also, äh …«, begann Oskar und scharrte mit den Füßen. Ich warf ihm einen erschöpften Blick zu.

»Dann darf ich mir etwas von der Pizza nehmen?«

»Mach erst deine Schulaufgaben.«

Er murrte frustriert und schob sich ebenfalls an mir vorbei ins Jungszimmer.

In diesem Moment kam Lenny aus dem Bad, gefolgt vom herben Duft ihres Duschgels. Lenny war nicht nur unsere Mitbewohnerin, sondern auch so etwas wie Familie. Ihr Onkel war seit einigen Jahren mit unserer Tante zusammen, was sie wohl zu so etwas wie unserer Stiefcousine machte. Manchmal war Familie wirklich verwirrend. Vor drei Jahren hatte es sich dann ergeben, dass wir diese ungewöhnliche WG gegründet hatten. Und obwohl Lenny und ich so verschieden waren, liebte ich sie wie eine Schwester.

»Irgendwann werden die beiden es dir danken, Santos«, sagte sie und wickelte sich enger in ihren Bademantel.

»Ich hasse Teenager«, entgegnete ich bloß und ließ mich auf einen Stuhl am Esstisch fallen.

Lenny setzte sich mir gegenüber, und ein Lächeln machte sich auf ihren Lippen breit. Ihre braunen Haare waren noch feucht und reichten ihr in Wellen fast bis zur Taille. Meine Mitbewohnerin mit offenen Haaren zu sehen war ein seltener Anblick.

»Ich hasse Teenager auch«, sagte sie schulterzuckend. »Aber Mati und Oskar lieben wir. Besonders heute Abend, weil sie nicht da sein werden.« Ihre Augen blitzten.

»Ich mag es nicht, wenn sie das Wochenende bei Alma verbringen«, murmelte ich und nahm mir ein Stück Pizza aus der Pappschachtel. »Es kann jederzeit etwas passieren, und ich habe versprochen, Alma rauszuhalten, wenn es dazu kommen sollte.«

Lenny hob eine Augenbraue und nahm sich ebenfalls ein Stück Pizza. »Wem hast du das denn versprochen?«

»Mir selbst«, erwiderte ich kauend.

»Gott, Carla, du musst endlich einen Gang runterschalten. Alma hat dich damals nach der Sache mit eurer Mum auch aufgenommen, und es ist niemandem etwas zugestoßen, weder dir noch den Jungs. Außerdem hattest du die letzten Jahre nie Probleme, wenn die Jungs das Wochenende bei Alma und Vince verbracht haben.«

»Das war früher«, widersprach ich. »Jetzt hält Mateo sich aber für Tupac, und wenn irgendwann die Polizei vor der Tür stehen sollte, haben wir ein Problem.«

Ich zwang mich, mir nicht auszumalen, was genau dann passieren würde. Denn es würde einiges sein, und das durfte nie, niemals eintreffen.

Lenny biss von ihrem Pizzastück ab. »Du malst schon wieder den Teufel an die Wand. Entspann dich doch mal. Ich würde vorschlagen, du gehst jetzt los und klapperst die Läden ab, um noch ein Last-Minute-Geschenk zu besorgen. So wie ich dich kenne, hast du das bestimmt vergessen.«

Das Herz rutschte mir in die Hose. Ich verschluckte mich beinahe an der Pizzakruste und sprang von meinem Stuhl auf. »Mierda! Du hast recht!«

»Sag ich doch.« Lenny leckte sich die Finger ab.

Heute Abend feierte Savannah, eine meiner wenigen Freundinnen, in ihren Geburtstag rein, und sie würde eine riesige Party schmeißen. In einem Ort wie Fletcher war es zwar kein Hexenwerk, doch vielleicht feierte sie neben ihrem einundzwanzigsten Geburtstag auch die Tatsache, wie problemlos sie seither ohne notwendigen Ausweis durch die Bars von Fletcher hatte ziehen können – und das, obwohl sie aussah wie fünfzehn.

»Ich treffe mich in einer Stunde mit den anderen bei Ella zum Anziehen und Schminken. Da sehen wir uns, oder?«, fragte ich, während ich mir eilig die Autoschlüssel schnappte und meine Handtasche schulterte.

Lenny schnaubte. »Sehe ich etwa so aus, als würde ich mich nur wegen eines Hollywood-Dresscodes in ein Kleid zwängen?«

»Wir wissen beide, dass du dich schon in ganz andere Kleidungsstücke gezwängt hast«, erwiderte ich, woraufhin sie die Augen verdrehte.

»Wir sehen uns auf der Party, Santos. Viel Glück bei der Geschenksuche.«

Ich eilte aus der kleinen Wohnung zu meinem Auto. Es gab nur einen Ort, an dem ich fündig werden konnte, um ein passendes Geschenk für Savannah zu finden. Und dieser Ort befand sich leider Gottes auf der anderen Seite von Fletcher.

Kapitel 2

Mitchell

Mit einem Ächzen öffneten sich die Türen des Aufzuges, und der Lärm der Mall schlug mir entgegen. Zusammen mit einem jungen Paar mit Kinderwagen visierte ich die Läden auf der anderen Seite an und lief über einen breiten Verbindungssteg. Über uns glitten Menschen auf ewig langen Rolltreppen hoch und runter, und weit unter uns im Erdgeschoss spuckten Wasserbecken bunt beleuchtete Fontänen in die Höhe. Es schienen von überall Stimmen widerzuhallen, die die Luft erfüllten, und der süße Duft eines Stands mit allerlei Cupcakes ließ meinen Magen grummeln.

Die Mall von Fletcher war gigantisch. Die Buchhandlung, zu der ich wollte, lag in der vierten Etage und war ebenfalls sehr weitläufig. Es war der Lieblingsladen meiner kleinen Schwester. Wann immer Savannah und ich in das Multiplex-Kino gingen, das im obersten Stockwerk der Mall lag, bestand sie darauf, sich noch ein Buch zu kaufen. Aus unserer Freundesgruppe war meine Schwester wohl mit Abstand die Ruhigste. Sie ging zwar ab und zu aus, doch am glücklichsten war sie mit einem Buch und einer Tasse Tee.

Ich dachte an ihren Wunschzettel, den sie an Freunde und Familie geschickt hatte, und verdrehte bei dem Gedanken daran die Augen. Unter den Büchern, die auf der Liste standen, war kein einziges, auf dem nicht mindestens ein halb nackter Ritter oder Highlander abgebildet war, der irgendwelchen Frauen in den Nacken biss. Da meine Eltern und unsere Freunde bereits die restlichen Dinge auf dem Wunschzettel gekauft hatten, blieb mir nur noch der dritte Band von Feuer und Leidenschaft – Geliebt von zwei Highlander-Brüdern. Ich war so sehr mit meinem Schwimmtraining und den Klausurvorbereitungen beschäftigt gewesen, dass ich viel zu spät dran war. Aber Sav würde mich hassen, wenn ich mit leeren Händen vor ihr stand, vor allem an diesem besonderen Geburtstag.

Hier war ich also, obwohl ich in einer Stunde schon im Haus unserer Eltern sein musste, um mit den Jungs die letzten Partyvorbereitungen zu treffen. Zeitdruck war noch eine viel zu nette Beschreibung dafür.

Ich betrat die Buchhandlung und steuerte die Abteilung mit den Romanen an. Der Laden war zwar erst ein paar Jahre alt, doch sie hatten versucht, den Charme der ursprünglichen Buchhandlung zu imitieren, die damals aufgrund der Eröffnung der Mall hatte schließen müssen. Dunkle Bücherregale zierten die Wände, überall standen weiche Ohrensessel, dekorierte Tische, und es roch nach frischem Kaffee und staubigem Holz.

Ich stellte mich vor den Büchertisch mit den historischen Liebesromanen und suchte die schnulzigen Einbände nach zwei halb nackten Highlandern ab. Warum Savannah solchen Schund las, würde ich wohl niemals verstehen. Früher hatte sie gute Sachen gelesen wie Harry Potter oder Der Herr der Ringe – aber dann hatte das hier begonnen.

Ich seufzte.

Endlich entdeckte ich das richtige Buch, das letzte Exemplar, und griff danach. Doch noch bevor meine Finger es berühren konnten, schnappte es mir eine Hand vor der Nase weg.

Erschrocken blickte ich auf – und begegnete prompt einem vertrauten Paar grünbrauner Augen.

Ich erstarrte.

Carla Santos.

Überrascht blinzelte sie, ehe sie die Schultern straffte. »Du«, sagte sie und verengte die Augen.

Eine gefühlte Ewigkeit lang stierte ich Carla unverhohlen an. Sie war einen ganzen Kopf kleiner als ich, hatte einen kurvigen Körper, goldene Haut und langes dunkles Haar. Ihre Augen waren groß und ihre Lippen voll. Und einladend. Dieses Detail schoss natürlich jedes Mal – auch jetzt – in den Vordergrund und lenkte mich ab, einfach so.

»Hi«, sagte ich und lächelte. Möglicherweise sogar ziemlich breit. »Schön, dich zu sehen, Prinzessin.«

»Hör auf, mich so zu nennen!«

Ich konnte mich ehrlich gesagt nicht daran erinnern, woher dieser Spitzname stammte oder wie ich darauf gekommen war. Doch ich nannte Carla gerne so, weil es sie jedes Mal auf die Palme brachte.

»Wenn du alle anderen dazu bringst, mich nicht mehr Hollister zu nennen, haben wir einen Deal«, sagte ich grinsend und zwinkerte ihr zu. Das ließ jedoch nicht ihre Wangen rot werden, sondern meine eigenen.

O Mann. Das Leiden jedes Menschen mit heller Haut und Sommersprossen.

Unglücklicherweise hatte sich der Spitzname Hollister unter meinen Freunden wie ein Lauffeuer verbreitet und entwickelte sich dabei immer weiter, wie ein unaufhaltbarer Virus. Das war alles Creeds schuld. Er war der Meinung, dass ich aussah, wie eins dieser Models, die man immer auf den Abercrombie-Tüten sah. Erst hatten sie mich also Abercrombie & Mitch genannt – ich weiß, sehr kreativ –, und mein Mitbewohner Todrick hatte den Spitznamen anschließend weiterentwickelt. Er hatte Hollister und Hilfiger hinzugefügt, und das war nur der Anfang der Liste.

Ich räusperte mich und zwang mich, mit dem Starren aufzuhören. Gott, ich durfte mich nicht so aus dem Konzept bringen lassen, wenn ich ihr begegnete. Ich war schließlich kein dürrer, stotternder Vierzehnjähriger mehr, sondern im dritten Jahr am College und der beste Schwimmer unserer Mannschaft. Allmählich sollte ich das hier in den Griff bekommen. Aber wieso zum Teufel lief ich ihr ausgerechnet hier über den Weg?

»Äh, ich will deinen Grips ja nicht infrage stellen, Prinzessin, aber was hast du hier zu suchen?«

»Ernsthaft?« Sie wedelte mit dem Buch in der Luft. »Deine seltsame Schwester hat zufällig Geburtstag, und ich brauche noch ein Geschenk.«

»Du kannst das Buch aber nicht kaufen«, sagte ich ernst und legte eine Hand darauf.

»Ay, natürlich kann ich das!« Verärgert schüttelte Carla meine Hand ab. »Wer zuerst kommt, Platz gefangen, Hollister!«

Ich blinzelte sie verwirrt an. Dann verstand ich, und ein Lachen brach aus mir heraus, was ich schnell zu unterdrücken versuchte. »Das mit den Sprichwörtern solltest du noch ein wenig üben.«

Wütend funkelte sie mich an und schlang die Arme um das Buch.

Fehler.

Carla mochte es gar nicht, wenn man sie korrigierte.

»Leck mich, Hollister. Du bist selbst schuld, wenn du zu spät dran bist. Als Savs großer Bruder solltest du mehr auf Lager haben als irgend so einen …« Sie schielte auf den Buchrücken und rümpfte die Nase. »… Outlander-Porno. Dios mío, was zum Teufel liest Savannah eigentlich für Schrott?«

»Siehst du? Schenk ihr doch lieber etwas, das du nicht für Schrott hältst, und überlass mir den historischen Porno.« Hoffnungsvoll lächelte ich, doch natürlich wurde sie dadurch nicht weicher. Ich fuhr mir mit den Händen durch die Haare und ächzte verzweifelt. Mir rannte die Zeit davon.

Als hätte sie dasselbe Problem, warf sie einen Blick auf ihre Armbanduhr und stieß einen Fluch auf Spanisch aus. »Sind wir hier fertig? Ich hab es eilig, wir treffen uns bei Ella, um uns für die Party fertig zu machen.«

»Ich habe es auch eilig!«, sagte ich und trat einen Schritt auf sie zu. »In einer Stunde müssen die Partyvorbereitungen erledigt sein, und ich kann die Jungs nicht alles allein machen lassen. Ernsthaft, Carla, ich brauche dieses Buch.«

»No! Ich brauche es auch!« Sie presste sich das Buch gegen die Brüste, und ich zwang mich, nicht dorthin zu sehen. Unfassbar unpassender Zeitpunkt!

»Bitte, Carla.« Jetzt bettelte ich schon. Vielleicht sollte ich Sav einfach eine Karte schenken, auf der stand: Schwesterherz, ich liebe dich genug, um vor Carla Santos auf die Knie zu gehen und sie anzuflehen. Alles Gute zum Geburtstag!

»Hör zu«, sagte ich und legte ihr meine Hände auf die Schultern, wohl bewusst, dass ich sie sonst nie einfach anfasste. »Ich mache alles, was du willst, okay? Ich muss Savannah etwas von ihrer Wunschliste schenken, nur sind alle anderen Dinge bereits vergeben. Sag mir, was du willst, und ich tue es. Nur gib mir dieses verdammte Buch.«

Ihre Augenbrauen schossen in die Höhe, und ihre Mundwinkel zuckten. »Wirklich alles?«

Sieh mal einer an. Ich hatte sie am Haken.

Ich lächelte. »Gib mir das Buch, und ich lese dir jeden Wunsch von den Lippen ab, Prinzessin.«

»Wow«, murmelte sie und legte mir eine Hand auf die Brust. Die Berührung hatte denselben Effekt wie eine Stahlfaust in Warpgeschwindigkeit. Mein Atem stockte, und unter ihren Fingern wurde es nicht einfach nur warm. Es begann, gefährlich schnell zu pochen.

Carla lehnte sich zu mir, und der süße Duft ihres Parfums stieg mir in die Nase.

»Dieses Angebot …« Sie blickte durch lange Wimpern zu mir auf. Es war so verdammt sexy, dass es mich beinahe um den Verstand brachte. Doch das plötzliche Funkeln in ihren Augen verlieh ihr etwas Durchtriebenes. »… ist mit Abstand das Traurigste, was deinen Mund je verlassen hat. Selbst von dir hätte ich mehr erwartet.«

Und noch bevor ich meine Stimme wiedergefunden hatte, trat sie zurück und rauschte zur Kasse. Über ihre Schulter rief sie: »Bis später auf der Party, Hollister!«, und verschwand hinter einem Paar, das sich gleich nach ihr anstellte.

»Mist!«, stieß ich hervor. Sie hatte gewonnen. Und alles, was mir blieb, war ein Geschäft voller Bücher – und damit auch voller Möglichkeiten, den Geschmack meiner Schwester meilenweit zu verfehlen. Ich saß offiziell in der Scheiße.

Ihretwegen.

Und dennoch – ich blieb eine gefühlte Ewigkeit stehen und starrte ihr nach.

Carla war nicht nur eine Freundin von Savannah, sondern schon seit einer ziemlich langen Zeit mein Kryptonit. Ich wusste nicht einmal, wieso. Sie war nicht sonderlich nett zu mir, wie sie wieder einmal bewiesen hatte. Das war sie nicht einmal zu Schulzeiten gewesen. Zwar hielt sie eigentlich jeden um sich herum auf Abstand, doch ich hatte das Gefühl, dass sie zu mir besonders kratzbürstig war. Dennoch hatte ich meine Augen noch nie von ihr abwenden können.

Eine Hand berührte mich an der Schulter, was mich erschrocken zusammenzucken ließ. Ich drehte mich um und sah geradewegs in das von wilden blonden Locken umrahmte Gesicht von Kat Eaves, der Besitzerin des Buchladens. Sie war außerdem die Tante meiner besten Freundin Ella, und ich kannte sie schon mein halbes Leben.

»Mitchell! Wie schön, dass du da bist!«

Vor Erleichterung hätte ich beinahe gejauchzt. »Du bist meine Rettung, Kat. Gib es zu, du wurdest geradewegs von irgendwelchen Engeln und gnädigen Göttern geschickt, oder?«

Sie lachte glockenhell, und die Krähenfüße um ihre poolblauen Augen wurden dabei tiefer. »Ganz im Gegenteil. Die ungnädige Gottheit nennt sich Lunchpause erst kurz vor Feierabend, weil heute Mittag ein Vertreter hier war, der unbedingt mit mir sprechen wollte.« Ihr Blick blieb an einem Punkt hinter mir hängen, und sie hob überrascht die Brauen. »Wer war das gerade? Ist das Carla?«

»Jepp. Der Teufel in Person.«

»Habt ihr euch gestritten?«

Ich schnaubte. »So würde ich das nicht nennen.«

Kats Blick kehrte zu mir zurück. »Und wieso genau bin ich deine Rettung? Was genau machst du überhaupt hier? Ach, warte: Feiert Savannah nicht heute ihren Geburtstag? Und du hast noch kein Geschenk?«

Natürlich wusste Kat Bescheid. Irgendwie wusste sie immer alles.

»Genau deswegen brauche ich deine Hilfe. Carla hat nämlich gerade das Buch gekauft, das ich Savy schenken wollte.«

»Hm«, machte Kat und betrachtete die Lücke auf dem Büchertisch. Dann grinste sie wissend und tätschelte meine Schulter. »Die Highlander-Brüder? Typisch Sav. Komm mit. Ich zeige dir eine noch viel bessere Reihe. Carlas Geschenk wird auf Savannahs Regal nur noch Staub sammeln, wenn deine Schwester die erst einmal angefangen hat.«

Ich seufzte erleichtert, ehe ich ihr zum Regal folgte. Eins musste man Ellas Tante lassen: Sie hatte diesen Laden im Griff.

 

Eine Stunde später parkte ich meinen Wagen in der Garage meiner Eltern und verstaute das Geschenk und einen Strauß Blumen im angrenzenden Waschraum. Das Haus lag am Stadtrand von Fletcher und war mit seinen hohen Wänden und den großen Fenstern wie gemacht für Savannahs Dresscode-Party. Zwar hatte es eine Ewigkeit gedauert, bis wir unsere Eltern hatten überreden können, hier zu feiern, doch unsere Hartnäckigkeit war belohnt worden. Wäre ich nicht so spät dran gewesen, hätte ich die Auffahrt sogar noch mit einem roten Teppich ausgelegt, aber dafür war wohl oder übel keine Zeit mehr. Mir blieb noch eine halbe Stunde, bis meine Schwester kam, und die Vorbereitungen waren nicht annähernd fertig.

»Mitchell?«, erklang eine Stimme aus der Garage, gerade als ich die Blumen in eine Vase mit frischem Wasser stellte. Die Tür zum Waschraum wurde aufgerissen. Vor mir stand meine Mutter. Sie sah aus wie eine russische Monarchin, mit ihrer fellbesetzten Mütze und der dazupassenden Jacke, den funkelnden Ohrringen und dem blutroten Lippenstift.

Mit einem erleichterten Seufzen fasste sie sich an die Brust. »Endlich bist du hier. Dein Vater und ich sind gerade auf dem Sprung, wir konnten nicht länger auf dich warten. Ich habe eine Hausordnung erstellt und sie an den Kühlschrank geheftet. Wenn sich die Leute nicht daran halten, schmeiß sie bitte umgehend raus. Unser Haus ist kein Spielplatz, und ich möchte weder Scherben noch Flecken auf jeglichen Polstern, Teppichen, Tapeten und Tischen.«

Es kostete mich große Mühe, nicht die Augen zu verdrehen. Sobald meine Mum die Kontrolle über etwas verlor, benahm sie sich wie ein aufgescheuchtes Huhn.

»Keine Sorge, Mum, wir haben alles im Griff«, sagte ich und platzierte die Blumen auf einer der Waschmaschinen. »Es wird eine kleine gemütliche Runde mit Freunden, Musik und Dads Sloppy Joes.«

Bis auf eine zuckende Augenbraue regte sich in ihrer Miene nichts. »Die Sloppy Joes stehen mit dem restlichen Büfett im Kühlschrank. Wärmt sie am besten im Ofen auf. Und für den Fall der Fälle, ich habe den Code von unserem Tresor im Schlafzimmer geändert, die Nummer habe ich dir eben als SMS geschickt. Stell alles rein, was geklaut werden könnte.«

Wow. Sie schien wohl überhört zu haben, dass Sav nur ihre engsten Freunde eingeladen hatte. Mums Paranoia wuchs allmählich ins Unermessliche.

»Wird erledigt«, erwiderte ich.

Sie nickte, was einem zufriedenem Ausdruck heute wohl am nächsten kam. »Dann sehen wir uns in zwei Wochen. Und Mitchell, reiß dich bitte zusammen, was den Alkohol angeht. Coach Pat hat deinen Trainingsplan nicht umsonst erstellt. Du kannst es dir nicht leisten, jetzt etwas von deiner Kondition einzubüßen. Und denk an deine Ernährung, bevor du dich auf das Büfett stürzt. Ich habe dir einen griechischen Salat und einen Proteinshake in das untere Kühlschrankfach gestellt.«

Diesmal konnte ich es mir nicht verkneifen, das Gesicht zu verziehen. »Mum, ich kann sehr gut auf mich selbst …«

»Oh, und bevor ich es vergesse«, fiel sie mir ins Wort, während sie sich umdrehte und zurück in die beleuchtete Garage trat. »Sorg dafür, dass deine Schwester nicht über die Stränge schlägt, Mitchell. Sonst bekommt sie womöglich noch eine ihrer Phasen und steigert sich wieder rein. Das ist für uns alle lästig.«

Mein Blut wurde kalt. Bewegungslos sah ich zu, wie sie einen kleinen, silbernen Handkoffer nahm und den Griff herauszog.

Wut schäumte mit einem Mal in mir auf, die ich augenblicklich wieder hinunterschluckte. Immer wenn ich glaubte, ich würde langsam wieder einen Draht zu meiner Mutter finden, benutzte sie die Worte reinsteigern und lästig, wenn sie von Savannah sprach. Ich hasste es, wenn sie das tat, mehr als alles andere. Denn Savannahs Phasen waren erst dann so richtig schlimm geworden, als Mum angefangen hatte, sie kleinzureden und Sav für einfach nur weinerlich zu erklären.

Wieder einmal war ich froh, dass meine Schwester und ich auf dem Campus lebten und nicht im viel zu großen Haus unserer Eltern.

»Viel Spaß bei den Hendrixens«, erwiderte ich knapp und ballte die Hände zu Fäusten.

Sie erwiderte nichts mehr, sondern verließ die Garage durch das offene Tor, welches kurz darauf hinunterfuhr.

Vielleicht machte es mich zu einem schlechten Menschen, dass ich erleichtert aufatmete, als das Tor schließlich unten war und ich zu hören glaubte, wie Dads Wagen sich entfernte. Ein kleiner leiser Teil in mir war froh, dass meine Eltern für die nächsten zwei Wochen nicht in der Stadt waren. Wann immer Mum und ich aufeinandertrafen, endete es entweder in einem Streit oder mieser Laune. Es war, als hätte sie mir ihre Warnungen nur aufgebrummt, um meine Selbstbeherrschung auf die Probe zu stellen.

Ich betrat das Haus durch die Garagentür, joggte die Treppenstufen hoch und drückte die Schiebetür zur Küche auf.

»Alter, du bist spät dran!«, rief Todrick anstelle einer Begrüßung.

Mein Mitbewohner stand an der Kücheninsel und schüttete Chips in große Plastikschüsseln, während Hip-Hop aus einer Bluetooth-Box neben ihm dröhnte. Todrick hatte dunkle Haut und millimeterkurze schwarze Krauselocken. Er hatte sich tatsächlich an Savannahs Dresscode gehalten und seinen gigantischen Footballer-Körper in ein Sakko gezwängt. Mit einem strahlend weißen Grinsen auf den Lippen klemmte er sich eine der Schüsseln unter den Arm und langte hinein.

»Tut mir leid, ich wurde aufgehalten«, sagte ich und griff ebenfalls in die Schüssel. Seit mein Schwimmcoach mir meine Pläne erstellt hatte, achtete ich akribisch auf meine Ernährung, doch ich langte diesmal richtig zu. Vielleicht war es einfach eine Trotzreaktion auf die Worte meiner Mutter. »Danke, dass ihr mit den Vorbereitungen schon angefangen habt«, fügte ich hinzu und stopfte mir eine Handvoll Chips in den Mund.

»Schon angefangen?«, rief eine Stimme aus dem Wohnzimmer. Creed und Ches erschienen in der Küchentür, und Creed schnaubte in gespielter Empörung. »Du meinst, danke, dass ihr alles schon ohne mich erledigt habt. Wir müssen nur noch fertig dekorieren und dein Handy mit der Anlage verbinden.«

Ich seufzte erleichtert und trat zu Creed, um ihm auf die Schulter zu klopfen. Seit Ches und Ella ein Paar waren und sich zwischen Creed und mir eine wahre Bromance entwickelt hatte, hingen wir praktisch immer mit den Jungs ab, wenn wir nicht gerade am Campus waren. Sie studierten nicht, auch wenn Creed es wieder vorhatte.

»Danke, Mann. Ihr seid die Besten. Was ist mit den Luftballons?«, fragte ich.

»Ich kümmere mich gerade darum«, sagte Ches und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Wir haben noch achtzehn Minuten, bis die Mädchen kommen.«

Creed verdrehte die Augen und ging zurück ins Wohnzimmer. »Zählst du schon die Minuten? Alter, du hast Ella erst heute Morgen gesehen.«

Wir folgten ihnen ins Wohnzimmer, und Ches ließ sich auf das Sofa fallen.

Ich pfiff durch die Zähne. Die Jungs hatten wirklich reife Arbeit geleistet. Den roten Teppich hatten sie quer durch den Raum gelegt, die Möbel waren an die Wand geschoben, und zwei Stehtische mit weißen Tischdecken sowie eine Fotostation waren aufgestellt. Sav würde ganz aus dem Häuschen sein.

»Ich sage es dir ja nur ungern, Ches«, sagte Todrick und ließ sich ebenfalls auf das Sofa fallen, »aber du bist krank.«

»Ich bin nicht krank«, widersprach Ches, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Er war wie ein unerschütterlicher Berg. Für den heutigen Dresscode war sogar sein Bart ordentlich getrimmt, und er hatte seine Haare in einen Knoten am Hinterkopf gesteckt.

»Ach, stimmt ja, du bist verliehiebt!«, singsangte Todrick und grinste breit. »Aber das ist ungefähr dasselbe. Du wirst keine von den Bräuten, die später kommen, anrühren können. Also mich und meine Eier würde das ziemlich belasten.«

Ich lachte und klemmte mir eine von Mums teuren Vasen unter den Arm. »Nicht jeder ist so ein Frauenheld wie du, Todd.«

Creed und Ches stimmten in mein Lachen ein, und ich begann, die wertvolleren Habseligkeiten meiner Eltern in ihr Schlafzimmer zu räumen. Das Haus meiner Eltern war riesig. Ehrlich gesagt war es zu groß, um sich wie zu Hause zu fühlen. Allein im Erdgeschoss gab es vier Schlafzimmer. Im Obergeschoss war noch mehr Platz, und im Garten hinter dem Haus gab es auch noch ein Poolhaus, in dem ich das letzte Jahr der Highschool über gewohnt hatte.

Nachdem ich jede Vase und jede Skulptur in Sicherheit gebracht hatte, kehrte ich zu den Jungs zurück. Ches war gerade dabei, weiße und goldene Luftballons mit Helium zu füllen, während Todrick über sein Lieblingsthema sprach.

»Erinnerst du dich noch an Tessa, die Kleine, die ich dir auf meinem Handy gezeigt habe?«, fragte er Creed und schob sich eine Ladung Chips in den Mund.

»Klar«, sagte Creed. »Was ist mit ihr? Hast du dich mit ihr getroffen?«

Todd lachte vielsagend und zuckte mit den Schultern. »Was soll ich sagen, wir haben das Fletcher Inn das ganze Wochenende nicht mehr verlassen.«

»Schon wieder diese Geschichte?«, fragte ich spöttisch. »Vielleicht hätten wir den neuen Barkeeper im Leo’s auch einladen sollen. Ihr könntet einen Männerschlampen-Club eröffnen.«

»Hey«, sagte Todrick warnend. »Nur weil du bei all den anderen Dingen, die du so treibst, nicht einmal Zeit findest, dich regelmäßig um dich selbst zu kümmern, muss das hier nicht zu einer Slutshaming-Debatte werden. Wir sind young, wild and free. Außerdem bin ich noch lange nicht so schlimm wie dieser Barkeeper, wenn es um Frauen geht. Niemand ist das. Der Kerl ist irre.«

»Hast du nicht Angst, dass ihr euch irgendwann in die Quere kommt?«, fragte Ches amüsiert, während ich spürte, wie der Ärger in mir hochstieg. Todrick, dieser Mistkerl. Da erzählte ich ihm einmal, dass ich momentan keinen Kopf für Dates hatte, und er verwendete es gegen mich. Es war erst ein paar Wochen her, seit ich meine letzte Beziehung beendet hatte. Wobei, genau genommen konnte man einen One-Night-Stand nicht gerade Beziehung nennen. Es war jedoch so dermaßen schiefgelaufen, dass ich trotzdem offiziell hatte Schluss machen müssen. Es war wirklich schräg gewesen. Ich hatte den Jungs nichts davon erzählt, weil dieses gewisse Mädchen … sie war eben, wie sie war. Arden Fuller, eine Kindheitsfreundin von Savannah und mir und definitiv der größte Fehler, den ich in letzter Zeit begangen hatte. Wenn meine Freunde wüssten, dass zwischen uns etwas gelaufen war, würden sie mich für verrückt erklären. Besonders Carla durfte keinen Wind davon bekommen, da sie Arden nicht ausstehen konnte. Falls es überhaupt möglich war, dass ich in ihrem Ansehen noch tiefer sinken konnte, dann wäre diese Geschichte definitiv ein guter Grund dafür. Dabei hatte mir der Sex rein gar nichts bedeutet. Es war kein einziger Funke übergesprungen. Und ich hatte noch nie eine Beziehung beenden müssen, wo keine gewesen war.

Zum Glück würden Arden und ihr Bruder Austin heute Abend nicht in der Stadt sein, weil sie mit ihrer Familie unterwegs waren.

»Wir kommen uns nicht in die Quere«, erklärte Todrick und verschränkte die Arme.

»Sicher?«, fragte Ches, während ich begann, ihm mit den Luftballons zu helfen.

»Eigentlich können wir ganz froh sein, dass Savannah Brigham nicht eingeladen hat«, sagte Creed. »Brig würde jede ihrer Freundinnen flachlegen, und zum Schluss vielleicht sogar Sav selbst.«

»Auf keinen Fall!« Ich richtete mich auf und sah die Jungs der Reihe nach todernst an. »Wenn einer von euch auch nur versucht, meine kleine Schwester anzurühren, werde ich euch höchstpersönlich …«

»Immer mit der Ruhe, Abercrombie & Mitch!«, fiel Todrick mir ins Wort. Er stand grinsend auf und donnerte mir seine Pranke auf den Rücken. Der Schlag des hundertzwanzig Kilo schweren Defensive Ends ließ mich einen Schritt nach vorne stolpern. »Sav ist doch auch für uns wie eine kleine Schwester.« Er beugte sich vor und senkte die Stimme, obwohl Ches und Creed ihn mit Sicherheit noch immer hören konnten. »Außerdem ist sie weder mein Typ noch Creeds. Und Ches ist vergeben. Es droht also keine Gefahr.«

Ich verengte die Augen. »Was genau willst du damit sagen? Sav ist eine Schönheit.«

»Savannah ist der Wahnsinn«, stimmte mir Creed zu, woraufhin ich ihn ebenfalls mit einem finsteren Blick bedachte. Mein Beschützerinstinkt war vielleicht ein wenig ausgeprägt.

»Sav ist einfach zu nett und zu unschuldig«, erklärte Todd und zuckte mit den Schultern. »Sei froh drum. Schlimmer wäre es, wenn Becky Tanner deine Schwester wäre, denn dann könnte ich nicht die Finger von ihr lassen.«

Ich verdrehte die Augen. »Du bist ein Spinner.«

»Deswegen liebst du mich doch, Süßer!« Er drückte mir einen Schmatzer auf die Wange, was die Jungs auflachen ließ. Ich boxte Todrick gegen die Schulter und wischte mir angewidert das Gesicht ab, auch wenn ich selbst lachen musste.

In meiner Gesäßtasche vibrierte es kurz. Ich zog mein Handy heraus und entsperrte den Touchscreen.

Sav: HILFE! Welches Kleid soll ich anziehen? Welches findest du besser? Wir sind noch bei Ella, fahren in fünf Minuten los!

Zwei Bilder ploppten im Chat auf. Sie zeigten meine Schwester bis zum Hals, einmal in einem eng anliegenden roten Kleid und einmal in einem silbernen, mit Pailletten besetzten Kleid.

Seufzend tippte ich eine Antwort.

Ich: Äh, Savy, für solche Entscheidungen hast du deine Freundinnen. Ich bin dein männlicher großer Bruder, schon vergessen?

 

Sav: Du bist trotzdem mein bester Freund, Idiot. Also sag schon! Welches Kleid??! Die Mädels sind sich uneinig, und ich kann mich einfach nicht entscheiden!!

»Wer ist das denn?«, erklang eine Stimme direkt neben meinem Ohr. Todrick pfiff durch die Zähne und sah über meine Schulter auf die Fotos. »Hast du endlich wieder ein Mädchen gefunden, Mitch? Das rote Kleid sieht wirklich verboten scharf aus. Kommt sie heute Abend auch?«

Ich wirbelte herum und verpasste ihm einen ordentlichen Schlag auf den Hinterkopf, sodass er aufjaulte.

»Das ist Sav, du Idiot!«

Todd knurrte und rieb sich den Nacken. »Das war ein Scherz, Mann. Ich wusste natürlich, dass das Sav ist, ich wollte dich bloß aufziehen.«

Ich warf ihm einen missbilligenden Blick zu, der ihm hoffentlich zu verstehen gab, dass ich ihm kein Wort glaubte. Und so viel zu »Es droht keine Gefahr«.

Ich schickte meiner Schwester rasch eine Antwort.

Ich: Zieh an, was immer du willst. Aber auf keinen Fall das rote Kleid.

Anschließend verabschiedete ich mich von den Jungs und sprang unter die Dusche.

Als ich die Tür des Wohnzimmers wieder öffnete, schlugen mir helle Stimmen und Musik entgegen. Savannah sprang begeistert durch den Raum, schenkte dem roten Teppich und der Fotostation jedoch kaum Beachtung, weil die Luftballons sie völlig für sich einnahmen. Sie freute sich wie ein Kind am Weihnachtsmorgen. Ches war gerade dabei, Ella zur Begrüßung einen leidenschaftlichen Kuss zu geben. Ihre beste Freundin Summer klebte dafür wieder an Creed, so wie immer, wenn sie die Chance dazu bekam. Wo meine Schwester klein, elfenhaft und zierlich war, war Summer groß und kurvig. Sie hatte ewig lange Beine und volles blondes Haar, das ihr beinahe bis zur Taille reichte. Wenn Summer einen Raum betrat, zog sie mit ihrem lauten Lachen und den immerzu rot geschminkten Lippen jede Aufmerksamkeit auf sich. Doch aus irgendeinem Grund hatte Creed sie nie angerührt. Eigentlich behandelte er sie, als würde er sie loswerden wollen.

Meine Gedanken lösten sich in Luft auf, als Lenny und Carla das Wohnzimmer betraten.

Ich hielt den Atem an.

Vielleicht hätte ich Savannah bitten sollen, doch das rote Kleid anzuziehen. Vielleicht gab es irgendeine Art Codex unter Frauen, der verhindert hätte, dass sie im Partnerlook gingen, denn verdammt, nun trug Carla ein rotes Kleid. Allein ihr Anblick genügte, dass mir das Blut vom Kopf so schnell in tiefere Gefilde schoss, dass mir schwindelig wurde. Der Stoff ihres Kleides wirkte hauchdünn, als würde er ihren Körper weniger bedecken als umschmeicheln wollen. Der Saum war kurz und der Ausschnitt verlockend tief. Als sie sich zur Seite drehte, um etwas zu Ella zu sagen, fiel mein Blick auf einen sehr nackten Rücken.

Mir wurde heiß. Ich beobachtete, wie sie Creed, Ches und Todd mit flüchtigen Küsschen auf die Wangen begrüßte, und verspürte dabei einen Anflug von Neid. Wieso behandelte sie jeden anderen ganz normal und mich wie die Pest?

Ich riss mich zusammen und löste meinen Blick von ihr. Sie war wie eine verbotene Frucht in einem von hohen Mauern umgebenen Garten. Außerdem hasste sie mich und war in unserer Clique. Eindeutig genug Gründe, um diese Schwärmerei ein für alle Mal fallen zu lassen.

»Mitch!«, rief Savannah aufgeregt und hastete zu mir, ehe sie mir in die Arme sprang. »Danke, dass ihr die Party vorbereitet habt. Alles sieht perfekt aus! Die Luftballons sind sogar mit Helium gefüllt!«

Ich strahlte, verkniff es mir aber, ihr durch die Haare zu wuscheln. Sie hätte mich vermutlich getötet.

»Du siehst großartig aus, Schwesterherz«, sagte ich und hielt sie eine Armeslänge von mir weg, um sie in Augenschein zu nehmen. Savannah trug Kontaktlinsen, was nicht oft vorkam, und hatte sich die Augen dunkel geschminkt. Bei all dem Make-up konnte man keine einzige ihrer Sommersprossen mehr sehen, von denen wir beide zahlreiche besaßen, und ihr Gesicht wirkte kantiger.

Ein Grinsen stahl sich auf meine Lippen. »Hey, du siehst richtig erwachsen aus, Savy.«

Sie grinste zurück und zupfte am offenen Kragen meines weißen Hemdes. »Du siehst aber auch ziemlich schick aus, Hollister.«

Ich stöhnte gequält auf. »Nicht du auch noch mit diesen dämlichen Spitznamen.«

Savannah kicherte und legte mir den Arm um die Schulter, wofür sie sich, trotz hoher Schuhe, strecken musste. »Ich kann nichts dafür! Die Spitznamen passen einfach zu dir. Ich frage mich, wieso ich nicht früher darauf gekommen bin.«

Jemand hatte die Party-Playlist auf meinem Handy gestartet und drehte nun die Musik so laut auf, dass die Luft zu pulsieren schien. Gleichzeitig wurde das Deckenlicht abgedimmt. Ich begrüßte rasch die anderen Mädchen, ehe Sav mich wieder packte.

»Na los, besorgen wir uns ein paar Shots!« Sie dirigierte mich in Richtung Küche. Doch sie war wohl nicht die Einzige, die vorhatte, sich etwas zu trinken zu besorgen. Ich sah, wie Carla und Lenny ebenfalls den Weg zur Küche einschlugen, und folgte meiner Schwester mit einem Mal ein wenig bereitwilliger. Dabei fasste ich den Entschluss, die Dinge einfach auf mich zukommen zu lassen. Ich ließ mir von Sav ein volles Shotglas und eine Zitronenscheibe in die Hand drücken.

Morgen früh startete mein Schwimmtraining zwar um sieben Uhr und würde mir einiges abverlangen, aber heute feierten wir in Savs Geburtstag rein.

Heute würde ich einfach nur Spaß haben.

Kapitel 3

Mitchell

Vielleicht hatte meine Mum doch ein gutes Gespür. Es waren definitiv mehr Leute hier, als Sav eingeladen hatte. Das Haus war voll. Vor einer Stunde, um Mitternacht, hatten wir auf meine Schwester angestoßen und einen großen Red-Velvet-Kuchen ins Haus getragen, in den Ella jede Menge Wunderkerzen hineingesteckt hatte. Summer, Carla und Lenny hatten schließlich ein so großes Geschenk geholt, dass die ganze Meute – ja, Meute!, es waren wirklich verdammt viele Leute im Haus –, gejohlt und gejubelt hatte. Ella, Summer, Carla und Lenny hatten ihr einen sonnengelben Sitzsack geschenkt, der so monströs war, dass ich mich fragte, wie Savannah ihn in ihrem kleinen Wohnheimzimmer unterbringen wollte. Savy war so gerührt gewesen, dass sie in Tränen ausgebrochen war.

Creed erschien neben mir am Rand der Tanzfläche und drückte mir einen Becher voll Bier in die Hand. Er wirkte erledigt. »Hier. Ich brauche eine kurze Pause. Wenn Summer kommt, verstecke ich mich hinter dir, und du erzählst ihr, dass ich in der Garage bin, ja?« Er fuhr sich über die kurz geschorenen Haare und blickte sich nervös um.

»Was?«, fragte ich lachend. »Was hast du nur mit Summer? Ist sie dir zu scharf?«

Creed machte ein finsteres Gesicht. »Nein, sie ist mir zu sehr beste Freundin der Freundin meines besten Freundes.«

Ich blinzelte. »Ich habe zwar noch nicht viel getrunken, aber irgendwie habe ich nach drei Wörtern schon den Faden verloren.«

Creed rieb sich stöhnend das Gesicht. »Wenn es nach mir ginge, würde ich ihr keinen Korb geben, aber ich habe Ches versprochen, keine von Ellas Freundinnen anzurühren. Wenn man ein Mädchen flachlegt, sollte man darauf achten, ihr danach nicht immer noch regelmäßig zu begegnen. Ich bin hier noch nicht so verrufen wie zu Hause in Maine, und ich möchte es mir nicht versauen. Aber Gott, ist das schwer.«

Ich lachte auf und nahm einen tiefen Schluck von meinem Bier. »Dann warst du früher wie Brigham, der Barkeeper aus dem Leo’s?«

Creed sah sich nervös um, so, als hätte er wirklich Angst, Summer zu begegnen. »Ich habe nie behauptet, ein krankhaftes Verhältnis zu Sex zu haben. Ich hatte auf der Highschool und während der kurzen Zeit am College meinen Spaß. Sehr viel Spaß, aber mein Versprechen Ches gegenüber bringt mich noch um. Summer flirtet ununterbrochen mit mir, und am liebsten würde ich sie irgendwohin locken, wo wir für uns sind, und anschließend …«

»Okay, ich glaube, ich habe es kapiert«, winkte ich ab und trank einen weiteren Schluck.

»Es ist zum Verrücktwerden«, klagte er.

Meine Augen suchten die tanzenden Leute nach einem knappen, sehr heißen roten Kleid ab, aber ich konnte es nicht finden. Schon die ganze Zeit über spielte ich dieses Spiel. Und meistens verlor ich, wie jetzt.

»Du tust es übrigens schon wieder, Mitch.«

Ich blickte auf und begegnete Creeds Augen, die mich über den Rand seines Bechers beobachteten.

»Was meinst du?«

»Du hältst nach Carla Ausschau.«

Für einige Sekunden hatte ich meine Gesichtszüge nicht mehr unter Kontrolle. »Was meinst du?«, wiederholte ich, doch selbst in meinen Ohren klang ich nicht überzeugend.

Creed legte mir seufzend einen Arm um die Schultern. Währenddessen beobachteten wir drei Studentinnen, die ich irgendwo schon einmal auf dem Campus gesehen hatte – definitiv Freshmen. Sie tanzten sexy und kicherten anschließend hysterisch, um ihre Verlegenheit zu überspielen.

»Du starrst Carla schon den ganzen Abend an. Ganz abgesehen davon, dass du es fast immer tust.«

»Tue ich nicht.«

»Ist klar, Kumpel. Zu deiner Verteidigung, sie sieht heute umwerfend aus. Oh, schau mal, da ist sie ja!«

Mein Kopf zuckte so schnell zur Seite, dass Creed laut lachte. »Tut mir leid, ich konnte es mir nicht verkneifen.«

Ich machte ein finsteres Gesicht und schüttelte seinen Arm von meinen Schultern. »Reden wir nicht darüber, und tu bitte einfach so, als hättest du nichts bemerkt.«

Creed stieß mit seinem roten Becher gegen meinen und trank aus. »Das ist doch selbstverständlich.«

Meine Augen blieben zwischen den Tanzenden hängen, und ich erstarrte.

»Oh, Scheiße«, murmelte ich. Das hatte mir gerade noch gefehlt.

»Was ist los?«, fragte Creed sofort.

»Arden«, erklärte ich, ohne den Blick von dem blond gefärbten Schopf meines Ex-One-Night-Stands zu wenden. Sie entdeckte mich, noch bevor ich die Flucht hätte ergreifen können. Strahlend bahnte sie sich einen Weg zu mir.

Nein, nein, nein.

Ich fluchte. »Verdammt, was zum Teufel hat Arden hier zu suchen, Creed? Ich dachte, sie ist heute mit ihrer Familie unterwegs!«

Er bedachte mich mit einem verwirrten Blick. »Keine Ahnung. Was ist denn mit dir los? Ich dachte, du und Arden seid Freunde. Kennen sich eure Eltern nicht schon seit der Highschool?«

Plötzlich fingen Creeds Augen einen Punkt hinter mir ein, und er fluchte ebenfalls. »Fuck, da vorne ist Summer. Ich mach mich dann mal aus dem Staub. Viel Spaß noch, Hollister!«

Hilflos sah ich ihm hinterher. Für einen so großen Kerl bewegte er sich wirklich flink. Wie ein Hase, der sich im hohen Gras vor dem Fuchs versteckt, verschwand er auf der Tanzfläche.

»Mitchell!«, trällerte eine hohe, unverkennbare Stimme.

Ich drehte mich um und trank den Rest meines Biers auf ex.

Arden Fuller hatte ein sympathisches Lächeln. Savannah und ich waren schon seit unserer Kindheit mit ihr und ihrem Bruder Austin befreundet, er war sogar bei mir im Schwimmteam. Arden hatte Austin und mich einige Male auf Wettkämpfe begleitet, wegen derer wir meistens ein ganzes Wochenende unterwegs waren. Manchmal sogar eine Woche, wenn es noch Workshops und Ähnliches gab. Auf einer solchen Fahrt vor einem Monat waren wir schließlich unter dem Einfluss eines hart erkämpften Sieges in der Mannschaftswertung und zu viel Bier zusammen im Bett gelandet. Es gab keinen Tag, an dem ich das nicht bereute. Ardens Meinung nach hatten wir irgendeine besondere Verbindung. Deswegen ließ sie nicht locker, obwohl ich das zwischen uns beendet hatte. Mit der platonischen Freundschaft war es seither jedenfalls vorbei. Sie verhielt sich plötzlich wie ein ganz anderer Mensch.

Jetzt sprang sie mir stürmisch in die Arme und presste mir dabei ihre Brüste gegen den Oberkörper. »Ich freue mich so, dich zu sehen, Mitchy!«

Zögerlich erwiderte ich ihre Umarmung.

»Was für eine Überraschung, dich hier zu treffen«, sagte ich. »Ich dachte, du und Austin seid mit euren Eltern unterwegs und könntet deshalb nicht kommen?«

Sie löste sich von mir, trat jedoch nicht zurück, sodass wir uns noch immer berührten. Ich nahm ihr diese Aufgabe ab und machte unauffällig einen Schritt nach hinten.

»Es war eher spontan«, sagte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung, auch wenn ich ihr das bei ihrem aufwendigen Make-up und dem extravaganten Kleid nicht abnehmen konnte. »Außerdem hätten wir uns Savs Geburtstag doch niemals entgehen lassen können. Ich meine, hallo? Sav und ich teilen uns schließlich das Wohnheimzimmer!«

»Hast du Sav schon gratuliert?«, fragte ich herausfordernd.

»Äh, klar. Ich habe ihr einen Strauß Sonnenblumen geschenkt. Das sind doch ihre Lieblingsblumen, oder?«

Meine Mundwinkel zuckten. »Nein, Arden. Das sind meine Lieblingsblumen.«

Ihre Wangen wurden trotz des vielen Make-ups ein wenig rot. Sie schlug die langen Wimpern nieder und spielte mit einer wasserstoffblonden Haarsträhne. Ich erinnerte mich, wie sie mich mit ähnlichen Gesten um den Finger gewickelt hatte …

Ohne es zu wollen, schweifte mein Blick von ihr ab und begann wieder damit, die tanzenden Leute nach einer gewissen hinreißenden Latina abzusuchen. Ich entdeckte Carla ein kleines Stück entfernt, wie sie mit Savannah und Ella tanzte. Gott, wie diese Frau sich bewegen konnte. Vor allem in diesem Kleid. Ich wünschte, sie hätte mit mir so getanzt.

»Oh, richtig«, trällerte Ardens hohe Stimme und riss mich aus meinen Gedanken. »Na ja, hoffentlich findet Savannah sie auch schön.«

»Bestimmt«, erwiderte ich und berührte sie am Arm. »Hey, Arden, es war schön, dich zu sehen. Aber ich muss kurz mit Sav sprechen. Wir sehen uns später.«

»Warte!« Sie hielt mich fest, indem sie mir eine Hand gegen den Bauch drückte. Sehr unmissverständlich. »Erst musst du mit mir tanzen, ja?«

Ich räusperte mich, und schon wieder huschte mein Blick verstohlen über die Tanzfläche. Doch gerade als ich meine Augen auf Carla heftete, begegnete ich plötzlich ihrem Blick.

Es durchfuhr mich wie ein Blitz.

»Sicher«, murmelte ich, ohne die Augen von Carla losreißen zu können. »Klar. Wir tanzen.«

»Yay!«, sagte Arden und zog mich auch schon mit sich zwischen die Feiernden. I Like It von Cardi B dröhnte als Nächstes aus den Boxen, was Arden vor Begeisterung kreischen ließ. »Ich liebe diesen Song!« Sofort schlang sie die Arme um mich und begann, eng an mich gepresst zu tanzen.

Ich biss die Zähne zusammen und wippte hin und her.

So hatte ich mir den Abend nicht vorgestellt. Ich wollte jedoch auch keine Szene herbeibeschwören, indem ich Arden einfach stehen ließ – denn ich wusste, dass sie definitiv eine Szene daraus machen würde. Vielleicht war ich einfach zu nett. Ich sollte aufhören, so verdammt nett zu sein.

Eine Weile tanzten wir. Ich ließ meine Gedanken schweifen und spielte wieder mein Spiel. Mittlerweile nannte ich es »Wo ist Carla?« und stellte mir die Partyszenerie wie ein großes Wimmelbuch vor. Doch Carla war trotz ihres leuchtend roten Kleides alles andere als leicht zu finden, und ab und an schien sie sich einfach in Luft aufzulösen.

Gerade als Arden ihren Hintern in sehr offensichtlicher Absicht an meinem Schritt rieb und ich mir Mühe gab, sie so subtil wie möglich wegzuschieben, tippte mir jemand von hinten auf die Schulter. Dankbar für die Ablenkung hielt ich inne, drehte mich um und …

Gewonnen.

Carla stand vor mir und tippte nun auch Arden auf die Schulter. Sie lächelte die falsche Blondine zuckersüß an. »Hola, Arden. Ich glaube, das reicht jetzt.«

Damit stand es fest. Carla war mein persönlicher Engel.

Arden erstarrte. Ihre Augen verengten sich, und sie funkelte die schöne Latina böse an. Ich konnte nur verblüfft danebenstehen. Hatte Carla eine Wette verloren?

»Verzieh dich!«, fauchte Arden und grub ihre Fingernägel in meinen Arm. »Wie du siehst, tanzt Mitch gerade mit mir!«

Carla hatte die Arme vor der Brust verschränkt, und ihr glänzendes, volles Haar war ein wenig zerzaust. Sie hob eine Augenbraue – und erwiderte meinen Blick.

»Sicher?«, fragte sie, ohne von mir wegzusehen. In ihren Augen funkelte es. »Ich glaube nämlich fast, dass Mitch lieber mit mir tanzen würde.«

Mir wurde gefährlich heiß. Hätte Carla meinen Blick nicht festgehalten, hätte ich vermutlich irgendetwas Geistreiches sagen können. Zumindest schaffte ich es, Arden ein entschuldigendes Lächeln zu schenken und ihren Griff um meinen Arm sachte zu lösen. Sie wich zurück, als hätte sie sich verbrannt. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht ließ augenblicklich Schuldgefühle in mir aufsteigen.

»Mitchell?«, fragte sie, was jedoch eher wie eine Drohung klang.

»Tut mir leid«, sagte ich und fuhr mir durch die Haare. »Vielleicht, äh, tanzen wir ja später noch einmal.«

Sie starrte mich ungläubig an. Dann ballte sie die Hände zu Fäusten, wirbelte herum und stolzierte davon.

Carla stöhnte auf. »Ernsthaft, Hollister? Ich rette dich, und du versprichst ihr, später wieder mit ihr zu tanzen?«

Meine volle Aufmerksamkeit richtete sich nun auf Carla, und ein Lächeln machte sich auf meinen Lippen breit. »Womit habe ich die Ehre deiner Rettung verdient?«

Zu meiner Überraschung legte sie mir die Hände auf die Schultern und begann damit, sich zum Beat der Musik zu bewegen, genau wie all die Leute um uns herum. Ich tat es ihr nach, um einiges bereitwilliger als eben noch mit Arden. Meine Hände legten sich wie selbstverständlich an ihre Hüften, und ich zog sie an mich.

»Ich mache nur die Sache von vorhin wieder gut«, erwiderte sie, wobei sie das »R« beim Sprechen rollte – ganz offenbar hatte sie schon etwas getrunken, denn sonst bekam Carla nur einen leichten Akzent, wenn sie sich aufregte. »Wegen des Buches«, fügte sie widerwillig hinzu. »Jetzt bin ich dir nichts mehr schuldig, und wir können alle wieder glücklich und zufrieden sein.«

Sie wollte sich schon von mir lösen, als ich sie noch ein wenig enger an mich zog. Ein überraschter Laut entschlüpfte ihr, und ich brachte meinen Mund an ihr Ohr.

»Nicht so schnell«, sagte ich, noch immer tanzend. »Ich bin erst glücklich und zufrieden, wenn du diesen Tanz auch in seiner vollen Länge durchziehst. Natürlich nur wegen des Buches.«

Ich war definitiv dabei, mich lächerlich zu machen. Welcher Kerl hatte keinen Schiss davor, von dem Mädchen, auf das er stand, ausgelacht zu werden?

Doch Carla lachte mich nicht aus. Im nächsten Moment schlang sie nämlich die Arme um meinen Hals und tanzte ebenfalls weiter. »Nur diesen einen Tanz«, erwiderte sie, und ihr heißer Atem streifte meine Wange. »Und danach fragst du mich nie wieder. Am besten redest du dann einfach gar nicht mehr mit mir.«

»Alles, was du willst«, sagte ich und legte mich ein wenig mehr ins Zeug. In diesem Moment gingen alle meine Träume in Erfüllung, und ich würde den Augenblick so lange auskosten, wie ich nur konnte.

Der nächste Song war Taki Taki von DJ