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Erbarmungslos brennt die Sonne auf die Berge Colorados. Schon seit Stunden verfolgt der Sheriff aus Tonson City den sechzehnjährigen Jerry Dwynn. Seit man den Stiefvater des Jungen mit einem Messer im Rücken tot aufgefunden hat, ist Jerrys Leben keinen Cent mehr wert.
Auf den Mörder wartet der Galgen, so will es das Gesetz. Und deshalb hetzen sie Jerry Dwynn wie einen tollen Hund. Nur der Junge und der richtige Mörder wissen, dass ein Unschuldiger hängen soll ...
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Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Den Hals in der Schlinge
Vorschau
Impressum
Den Halsin der Schlinge
von Frank Callahan
Erbarmungslos brennt die Sonne auf die Berge Colorados. Schon seit Stunden verfolgt der Sheriff aus Tonson City den sechzehnjährigen Jerry Dwynn. Seit man den Stiefvater des Jungen mit einem Messer im Rücken tot aufgefunden hat, ist Jerrys Leben keinen Cent mehr wert.
Auf den Mörder wartet der Galgen, so will es das Gesetz. Und deshalb hetzen sie Jerry Dwynn wie einen tollen Hund. Nur der Junge und der richtige Mörder wissen, dass ein Unschuldiger hängen soll ...
Doc Smokys Stimme verklingt mit einem schrillen Misston. Seit über einer halben Stunde hat der Oldtimer die krächzenden Töne von sich gegeben, die er als Gesang bezeichnet.
Die übrigen Cowboys der Skull-Ranch haben sich längst an dieses morgendliche Konzert gewöhnt. Und sie wissen, dass das Frühstück fertig ist, sobald Doc Smoky die dreiunddreißigste Strophe seines Songs beendet hat.
Diesmal ist es jedoch anders.
Der Koch der Skull-Ranch kommt wie ein wildgewordener Medizinmann aus dem Küchenanbau gesaust und schwingt wütend seine größte Bratpfanne.
»Wo bist du, General Lee?«, brüllt er. »Oh, wenn ich dich erwische, mache ich Hackepeter aus dir. Ich ziehe dir die Ohren lang, du verdammtes Hundevieh.«
Diese und noch andere Sprüche lässt der Oldtimer los, während er über den Ranchhof jagt, um General Lee, den Deutschen Schäferhund zu suchen.
Und allen wird sofort klar, dass General Lee wieder einmal etwas ausgefressen hat, was Doc Smoky auf die Palme brachte, wenn man es einmal so bezeichnen möchte.
Doc Smokys verwittertes Piratengesicht verzieht sich furchterregend, als er den Schäferhund erkennt, der hinter einem Brennholzstapel hervorgekrochen kommt.
Er schwingt seine Bratpfanne noch höher und macht einen Schritt auf den Schäferhund zu, der plötzlich den Schwanz einzieht, die Ohren spitzt und sich niederkauert.
Vorsichtig äugt er zu dem alten Burschen hinüber, von dem er schon so manchen Leckerbissen erhalten hat und der so oft nach gutem Essen riecht.
General Lee kriecht langsam rückwärts, als Doc Smoky ihm näher aufs Fell rückt. Er kennt dieses komische Ding in der Hand des Alten, hat damit schon öfters schlechte Erfahrungen gemacht.
Drei Schritte vor dem am Boden kauernden Schäferhund bleibt Doc Smoky stehen.
»Da bist du also, du gemeiner Dieb!«, ruft er. »So, und nun möchte ich wissen, wo meine halbe Speckseite geblieben ist. Und ich wette jeden Betrag, dass du sie mir gemopst hast, du Mischung von einem Wolf und einem Coyoten.«
General Lee erhebt sich, wedelt mit dem Schwanz, trottet auf den Oldtimer zu und beginnt ihm die Hand zu lecken. Das Tier scheint die drohend erhobene Bratpfanne einfach zu ignorieren.
Doc Smoky steht wie erstarrt. Langsam sinkt seine Hand mit dem gusseisernen Ungetüm herunter.
»He«, sagte er dann. »Das verstehe ich nicht, General. Deinem Verhalten nach, scheinst du ein reines Gewissen zu haben, den sonst würdest du das Weite suchen.«
Er streichelt das Fell des Hundes, der zufrieden stillhält. Smoky schiebt seinen riesigen Lederhut in den Nacken. Er überlegt noch immer.
Und dann brüllt er auch schon los.
»Brazos, verdammt noch mal, wo steckst du?«
Brazos, der Schmied der Skull-Ranch, schiebt sich aus der Tür des Bunkhouses hervor. Er schlendert näher und grinst dabei wie ein Bär, der einen vollen Honigeimer gefunden hat.
»Was gibt es, Alter?«, fragt er und gähnt anschließend sehr ausgiebig. »Soll ich dir helfen, das Frühstück rüber ins Mannschaftsgebäude zu tragen?«
Doc Smoky legt den Kopf schief, während er langsam seine Bratpfanne hochschwingt.
»Ich will wissen, wo meine halbe Speckseite geblieben ist, du elender Vielfraß«, schimpft er dann. »General Lee ist es nicht gewesen. Und außer dem Hund gibt es nur noch einen verfressenen Burschen auf der Ranch und der bist du!«
Brazos' Lächeln verliert sich. Er blickt seinen Gefährten entgeistert an und tippt sich dann gegen die Stirn.
»Du wirst von Tag zu Tag verrückter, alter Knabe«, sagt er dann. »Ich habe deine Speckseite nicht. Du wirst sie entweder selbst verputzt oder so gut versteckt haben, dass du sie selbst nicht mehr findest. Wäre ja nicht das erste Mal.«
Doc Smoky geht einen Schritt auf Brazos zu, der jedoch nur einen großen Satz nach vorn macht und dem Oldtimer die Bratpfanne aus der Hand windet.
Doc Smoky beginnt lästerlich zu fluchen. Die beiden Männer fahren jedoch herum, als General Lee plötzlich wie wild zu bellen beginnt. Der Schäferhund sitzt drüben vor der Tür des Stalles und bellt, als würde sich dort ein Fremder aufhalten.
Brazos und Doc Smoky sausen los, bleiben dann vor dem Eingang des Pferdestalles stehen. Sie vernehmen das Stampfen der Hufe und auch ein unwilliges Wiehern.
»Da drinnen ist jemand«, behauptet Doc Smoky, der General Lee ins Fell gegriffen hat, um ihn zu halten.
»Rauskommen«, schmettert Brazos Stimme. »Los, Mister, komm raus, oder ich lasse den Hund los. Und dann wird es sehr schlimm für dich werden!«
Nichts rührt sich drinnen im Halbdunkel des Stalles. Brazos wirft Smoky einen kurzen Blick zu und zuckt mit den Schultern.
Der Oldtimer schiebt sich einen Schritt nach vorn und sagt mit krächzender Stimme: »Ich gebe dir eine letzte Chance, Mister. Wenn du nicht innerhalb einer Minute auftauchst, hole ich meine alte Schrotflinte, deren Ladung du dann kennenlernen wirst. Außerdem ist der Stall umstellt. Wir finden dich auf jeden Fall.«
Shorty, Jimmy Twodance, Clay Rodgers und noch ein paar Cowboys haben sich hinter den beiden Männern versammelt. Auch drüben im Ranchhaus ist man aufmerksam geworden.
John Morgan, der Boss der Skull-Ranch, ist auf die Veranda getreten und späht herüber. Die schwarzhaarige Mary-Lou tritt neben ihren Vater.
Brazos macht plötzlich einen gewaltigen Satz in den Stall hinein und brummt dabei wütend. Gleich darauf vernehmen die Skull-Männer einen gellenden Aufschrei, der auf keinen Fall von Brazos stammt.
Dann taucht der Cowboy auch schon auf. Er zerrt einen halbwüchsigen Jungen, von vielleicht sechzehn Jahren, hinter sich her, der sich gegen den harten Griff vergebens sträubt.
Doc Smoky baut sich vor dem Jungen auf, nachdem Brazos ihn losgelassen hat. Er blickt in ein schmutziges Gesicht, das bestimmt schon seit Tagen nicht mehr die Bekanntschaft mit Wasser und Seife gemacht hat. Die blonden Haare sind verfilzt und strähnig. Auch Hemd, Hose und Jacke machen einen ramponierten Eindruck, sind an einigen Stellen verschmutzt und zerrissen.
Der Junge senkt den Blick, fühlt sich überhaupt nicht wohl in seiner Haut, als er nun von einem halben Dutzend Männer angestarrt wird.
Doc Smoky will schon eine Schimpftirade loslassen, besinnt sich jedoch im letzten Moment anders. Seine Stimme bekommt sogar einen fürsorglichen Ton, je länger er redet.
»Was hast du da drinnen im Stall zu suchen, mein Junge? Los, du kannst es mir sagen. Warum hast du dich nicht bei uns gemeldet, sondern schleichst wie ein Dieb auf dem Ranchgelände herum.«
Der Junge blickt noch immer zu Boden, bebt am ganzen Körper. Seine Augen flackern, als er dann auf den Oldtimer starrt.
»Ich... ich...«, sagt er, ehe ihm die Stimme versagt.
»Hör zu, Kleiner«, meint Doc Smoky. »Keiner will dir den Kopf abreißen. Und du wirst doch einsehen, dass wir wissen wollen, was du hier treibst.«
Der Junge nickt.
Seine Angst legt sich. Und irgendwie fasst er Vertrauen zu dem Oldtimer.
»Ich habe dort drinnen übernachtet«, klingt seine klare Jungenstimme auf. »Und... und... da ich Hunger hatte...«
Er verstummt.
»Heiliger Kochlöffel«, stöhnt Doc Smoky und wirft erst Brazos und dann General Lee einen entschuldigenden Blick zu. »Du hast die halbe Speckseite gemopst. Und wenn ich in meiner Küche genauer hinschaue, werden wohl auch noch andere Dinge fehlen.«
Der Junge wird bei diesen Worten um einige Zoll kleiner. Angst steht in seinem verschmutzten Gesicht. Er sieht sich um, sucht eine Möglichkeit, abhauen zu können, aber er ist von den Skull-Cowboys umringt, die jedoch alle einen friedlichen Eindruck machen.
»Okay, Kleiner, die Sache ist vergessen. Du hattest Hunger und wusstest dir nicht anders zu helfen.«
Doc Smokys gütiges Herz quillt in diesem Moment über. Und der Junge sieht geradeso aus, als wäre es ihm in den letzten Tagen nicht besonders rosig ergangen.
»Natürlich hast du einen großen Fehler gemacht«, fährt der Ranchkoch fort. »Du hättest auch um ein Abendessen bitten können. Niemand wäre dagegen gewesen. Ich schätze jedoch, dass du schon sehr schlechte Erfahrungen gemacht hast.«
Der Junge nickt.
»Was ist denn hier los, Jungs?«, vernehmen sie plötzlich die Stimme von Chet Quade, der mit schnellen Schritten den Ranchhof überquert. »Habt ihr keine Lust an die Arbeit zu gehen?«
Die Cowboys weichen zurück. Der indianerhaft wirkende Vormann der Skull-Ranch bleibt mit erstauntem Gesicht vor dem halbwüchsigen Burschen stehen, der einen Schritt zurückweicht.
»Erschreck nur den Jungen nicht«, sagt Doc Smoky tadelnd. »Er hat heimlich im Stall übernachtet. Wir haben ihn gerade gefunden, das heißt, General Lee ist es gewesen. Möchte nur wissen, warum er ihn erst jetzt entdeckt hat?«
Chet Quade, der ehemalige Revolverkämpfer, nickt nur, wendet sich dann den Cowboys zu.
»Los, Jungs, ran ans Frühstück. Wir haben heute mächtig viel Arbeit vor uns und können es uns nicht erlauben, noch länger herumzutrödeln.«
Er wendet sich an den Jungen.
»Komm mit, Kleiner. Wir gehen zum Boss hinüber. John Morgan wird sich um dich kümmern.«
Er fasst den Jungen am Arm und geht mit ihm auf die Veranda zu, wo sich inzwischen auch Leroy Spade und General Norman Carrington zu John Morgan und seiner Tochter gesellt haben.
Doc Smoky aber eilt in den Stall, um nach den Resten seiner Speckseite zu sehen. Vielleicht kann er noch etwas retten, denn sonst bekommen die Cowboys Eier ohne Speck.
»So, du kommst also aus Tonson City, mein Junge«, sagt John Morgan mit väterlicher Stimme. »Und warum bist du dort abgehauen?«
John Morgan und Mary-Lou sitzen dem Jungen gegenüber, der in den letzten Minuten ein wenig aufgetaut ist und zu den beiden Vertrauen gefasst hat.
Und das liegt auch viel an Mary-Lou, die sich rührend um Jerry Dwynn gekümmert hat, ihm neue Kleidung gab, nachdem er sich gewaschen hatte, und ihm auch ein Frühstück aus Doc Smokys Küche holte.
Die Kleidungsstücke stammen von einem Skull-Cowboy, der sie bereitwillig abgab, bis Mary-Lou die Sachen von Jerry gewaschen und geflickt hat.
»Willst du mir nicht den Grund sagen, warum du aus Tonson City abgehauen bist?«
Jerry Dwynn lächelt. Es ist ein schüchternes Lächeln, das die ganze Unsicherheit des sechzehnjährigen Jungen zeigt.
»Ich bin ausgerissen, Sir«, sagt er, »weil ich es dort nicht mehr aushielt. Ich musste wie ein Pferd schuften und bekam mehr Prügel als zu essen. So lief ich einfach davon.«
Es ist eine kurze Geschichte, die jedoch bereits viel über Jerry aussagt. John Morgan ist es jedoch nicht genug. Sofort hakt er nach, obwohl er merkt, dass es Jerry Dwynn nicht besonders gefällt, denn sein Gesicht verzieht sich abweisend.
»Du hast also deine Eltern im Stich gelassen, Jerry? Findest du das schön? Man muss manchmal mit zugreifen, wenn Not am Mann ist. Und du...«
Jerry unterbricht den Boss der Skull-Ranch.
»Ich habe keine Eltern mehr, Sir«, sagt er. Seine Stimme bekommt einen traurigen Unterton. »Mein Vater starb vor acht Jahren bei einem Apachenüberfall in der Nähe von Tucson. Meine Mutter habe ich nie gekannt. Ich war bei mehreren Bekannten, bis ich in Tonson City landete. Dort nahm sich ein gewisser Harold Lloyd meiner an. Er ist einer der reichsten Männer der Stadt, denn ihm gehört die Bank. Ein paar Meilen außerhalb bewirtschaftet er eine kleine Farm. Und dort musste ich schuften, war für diesen Mann nur eine billige Arbeitskraft.«
Jerry senkt wieder den Kopf. Von einer Sekunde zur anderen macht er wieder einen eingeschüchterten und irgendwie verzweifelten Eindruck.
Mary-Lou greift nach der Hand des Jungen. Ihr bittender Blick trifft ihren Vater. Und John Morgan ahnt schon bereits in dieser Sekunde, was nun kommen wird.
Mary-Lou sagt: »Er soll bei uns bleiben, Dad. Wir könnten ihm hier auf der Ranch eine faire Chance geben. Er macht einen guten Eindruck auf mich. Ich bin sicher, dass Jerry uns nicht enttäuschen wird.«
Der Junge staunt, blickt auf die junge Frau, die seine Hand noch immer mit sanftem Druck umklammert. Seine Augen beginnen zu leuchten.
John Morgan weiß schon in diesem Moment, dass er geschlagen ist. Er bringt es einfach nicht fertig, nein zu sagen. Außerdem ist der Boss der Skull-Ranch ein Mann, der jedem eine Chance gibt und keinerlei Vorurteile hegt.
Er nickt.
»Also gut, mein Junge«, sagt er. »Du kannst bleiben, doch ich sage dir schon jetzt, dass es auch hier bei uns eine Menge Arbeit gibt. Und ich kann dir auch nicht abnehmen, dass du dich bei den Jungs alleine durchsetzen musst. Halte dich am besten an Doc Smoky, Brazos und Shorty. Sie werden dir helfen. Und solltest du mit irgendetwas nicht zurechtkommen, dann wende dich an mich oder an Chet Quade, unseren Vormann. Ist das klar?«
Jerry Dwynn nickt mehrmals. Sein sommersprossiges Gesicht strahlt. Er erhebt sich, tritt zu John Morgan und reicht ihm die Hand. Der Ranchboss blickt den Jungen erstaunt an, verbeißt sich jedoch ein Lächeln, als er den tieferen Ernst in Jerrys Augen erkennt.
»Ich danke Ihnen Sir«, sagt der Junge. »Ich werde Ihnen das niemals vergessen.«
»Schon gut, Jerry«, sagt John Morgan und schlägt dem Jungen leicht auf die Schulter. »Du meldest dich anschließend bei Doc Smoky. Ich schätze, dass der alte Knabe Arbeit für dich hat. Und geh nur nicht wieder an seine Vorräte, denn dann wird der Alte fuchsteufelswild.«
Jerry nickt nur, blickt dem Ranchboss hinterher, der den Wohnraum verlässt und ins Freie stiefelt. Bald unterhält er sich angeregt mit Leroy Spade und General Norman Carrington.
Jerry wendet sich Mary-Lou zu, die ihm mit der Hand durch das nun saubere Haar fährt.
»Du hast eine große Chance bekommen, Jerry«, sagt sie. »Bitte enttäusche mich nicht. Willst du mir das versprechen?«
»Gewiss, Ma'am«, antwortete er. »Auch Ihnen danke ich von ganzem Herzen. Ich werde Ihr Vertrauen nicht enttäuschen.«
Mary-Lou lächelt herzlich.
»Schön hast du das gesagt«, antwortet sie. »Und ich glaube sogar, dass du lesen und schreiben kannst.«
Jerry Dwynn nickt stolz.
»Yeah, Ma'am, ich habe fünf Jahre lang die Schule besucht und kann lesen und schreiben.«
»Okay, Jerry, dann lauf rüber zu Doc Smoky. Und noch etwas, ehe ich es vergesse: Du solltest dem Oldtimer nicht alles glauben, was er so erzählt. Er schneidet manchmal mächtig auf.«
Jerry läuft davon und verschwindet gleich darauf in Doc Smokys Küchenanbau.
»Du glaubst mir wohl nicht, mein Junge«, sagt Smoky todernst und fuchtelt mit beiden Händen vor Jerry Dwynns Gesicht herum. »Der Grizzlybär hüpfte wirklich hin und her, nachdem ich ihm auf die Pranke getreten war. Und dann hatte er solch einen großen Respekt vor mir, dass er das Weite suchte.«
Jerry grinst und schüttelt den Kopf.
»Nein, ich glaube Ihnen wirklich nicht, Mister Smoky. Sie verwechseln vielleicht den Bären mit einem Coyoten. Ein Bär hätte Sie niedergeschlagen und aufgefressen.«
Doc Smokys Augen funkeln listig.
»Ach was«, meint er. »Es ist wirklich ein Bär gewesen. Ich kann doch noch einen Bären von einem Coyoten unterscheiden.«
Der Oldtimer merkt jedoch schnell, dass er den Jungen von seiner Geschichte nicht überzeugen kann.
»Los, lauf rüber und hol ein paar Scheite Holz, Jerry. Beeil dich, sonst geht das Feuer aus. Und dann bekomme ich mächtigen Ärger mit dem Boss.«
Jerry flitzt los, kommt jedoch bereits nach wenigen Augenblicken mit aschfahlem Gesicht zurück. Ihm zittern die Hände. Seine Augen sind schreckhaft geweitet.
Doc Smoky sieht ihn staunend an und geht kopfschüttelnd zu dem Jungen.
»He, Kleiner«, murmelt er. »Ist dir da draußen vielleicht ein Gespenst erschienen, oder was ist los? Wer hat dich denn so erschreckt?«
Jerry Dwynn wich bis zur Wand zurück, lehnt sich schweratmend dagegen. Der Oldtimer ahnt, dass er keinen Ton aus dem jungen Burschen herausbekommen wird. Daher tritt er selbst vor die Tür, um zu sehen, was Jerry so sehr erschreckt hat.
Er erkennt zwei Reiter, die in diesem Moment das Tor passieren, über dem der mächtige Bullenschädel von Old Mossy hängt, der der Skull-Ranch ihren Namen gegeben hat.
Die beiden Männer sitzen zusammengekrümmt in den Sätteln. Ein langer Ritt scheint hinter ihnen zu liegen. Mitten auf dem Ranchhof zügeln sie die staubverkrusteten Pferde. Träge senkt sich der aufgewirbelte Staub zu Boden.
Es handelt sich um einen älteren und einen jüngeren Mann. Einer von ihnen schwingt sich nun aus dem Sattel und geht zum Ranchgebäude hinüber.
Vor den Stufen, die zur Veranda hochführen, bleibt der jüngere der beiden Ankömmlinge stehen und blickt auf John Morgan, der gerade aus dem Haus kommt.
Doc Smoky fühlt geradezu den Ärger, der auf die Skull-Ranch zukommt. Jerry schiebt sich plötzlich neben den Oldtimer. Smoky erkennt, dass der Junge noch immer am ganzen Körper zittert. Beruhigend legt er ihm eine Hand auf die Schulter.
»Kennst du diese Leute?«, fragt er Jerry, der ängstlich hochsieht und dann nickt.
In diesem Moment erschallt auch schon die Stimme des Fremden, der vor dem Ranchboss stehengeblieben ist und sich lässig gegen die Krempe seines Stetsons tippt.