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Seine Fäuste wirken wie zwei Vorschlaghämmer, sein muskulöser Körper birgt die Kräfte eines Bären, sein Gesicht spiegelt eine unbeugsame Entschlossenheit wider, und seine Augen sind scharf wie die eines Habichts. Der Mann im schwarzen Gehrock, der auf einem Muli durch die Bergwildnis Colorados reitet, heißt Charles Everett. Sein Ziel ist die berüchtigte Goldgräberstadt Golden City. Dort, zwischen Diggern und Saloon-Flittchen, Glücksspielern und Cowboys will der Mann in Schwarz Gottes Wort verkündigen. Denn Everett ist Prediger.
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Auge um Auge, Zahn um Zahn
Vorschau
Impressum
Auge um Auge, Zahn um Zahn
von Frank Callahan
Seine Fäuste wirken wie zwei Vorschlaghämmer, sein muskulöser Körper birgt die Kräfte eines Bären, sein Gesicht spiegelt eine unbeugsame Entschlossenheit wider, und seine Augen sind scharf wie die eines Habichts. Der Mann im schwarzen Gehrock, der auf einem Muli durch die Bergwildnis Colorados reitet, heißt Charles Everett. Sein Ziel ist die berüchtigte Goldgräberstadt Golden City. Dort, zwischen Diggern und Saloon-Flittchen, Glücksspielern und Cowboys will der Mann in Schwarz Gottes Wort verkündigen. Denn Everett ist Prediger. Und zuweilen heißt es: Auge um Auge, Zahn um Zahn...
Heiß sengt die Sonne hernieder. Die kahlen Gipfel der Sangre-de-Christo-Berge schimmern messingfarben.
Im Schatten einiger Douglasfichten, die hoch in den Himmel ragen, zügelt der Mann im schwarzen Predigerrock das Maultier und klettert aus dem Sattel.
Charly Everett reckt und dehnt seinen muskulösen Körper, der an den eines Preisboxers erinnert. Der breite Brustkasten droht das Hemd zu sprengen.
Er nimmt den Hut ab und streicht sich das dunkelblonde Haar zurück. Dann zwirbelt er den Oberlippenbart und lockert dem Maultier den Sattelgurt.
»Wir machen eine Pause, Hannibal«, sagt er zu dem Tier, das die langen Ohren spitzt, dann den Kopf senkt und mehrmals nickt, als wolle es seine Zustimmung geben.
Der Prediger lehnt sich mit dem Rücken gegen den Stamm einer Fichte und schnauft erleichtert auf. Um ihn herum ist die raue Bergwelt der Rocky Mountains hier in Colorado.
Und Charly Everett glaubt immer mehr, sich in dieser Bergwildnis verirrt zu haben.
Sein Ziel ist eines der vielen Goldgräbercamps, wo er den Diggern das Wort Gottes predigen will.
Seit drei Tagen ist er unterwegs, nachdem er in Denver, der Hauptstadt des Colorado-Territoriums, eine größere Pause eingelegt hatte.
Das Maultier beginnt an den üppig wachsenden Gräsern zu zupfen, und das erinnert den Prediger daran, dass er seit der frühen Morgenstunde nichts mehr gegessen hat. Und mittlerweile ist die Mittagsstunde längst überschritten.
Charly holt ein wenig von seinem Proviant aus den Satteltaschen und macht sich darüber her. Anschließend zieht er eine halbvolle Whiskyflasche hervor und blickt sie abschätzend an.
Dann hebt er seinen Blick zum Himmel.
»Nur einen winzig kleinen Schluck, Herr«, sagt er. »Du weißt, dass ich ihn zur Verdauung brauche, sonst bekomme ich wieder diese schlimmen Magenkrämpfe.«
Für einen kurzen Moment steht Charly Everett regungslos, als erwarte er eine Antwort aus den Himmelshöhen, dann setzt er die Flasche entschlossen an seine Lippen.
Und es ist wirklich nur ein winziger Schluck, den er trinkt, ehe er die Whiskyflasche wieder in seiner Satteltasche verstaut.
»So, und nun werde ich ein kleines Mittagsschläfchen halten«, spricht er zu sich selbst.
Gesagt, getan.
Der Prediger streckt sich auf dem weichen Moospolster aus. Gleich darauf verkünden seine gleichmäßigen Atemzüge, die bald in ein lautes Schnarchen übergehen, dass er seinen wohlverdienten Schlaf gefunden hat.
Er sieht nicht die vier Burschen, die eine halbe Stunde später ihre Pferde zügeln und herüberspähen. Regungslos sitzen sie in den Sätteln.
Jeder erfahrene Westmann wüsste sofort, dass er Outlaws vor sich hat, die ruhelos das Land durchstreifen, immer auf der Suche nach Beute.
Die vier Burschen verhalten noch immer regungslos in den Sätteln. Zwei von ihnen sind mittelgroß, während der andere ein bulliger Riese und der vierte der Halunken sehr klein geraten ist.
Dann nickt einer der Männer. Auf sein Gesicht legt sich die Andeutung eines spöttischen Lächelns.
Flüsternd sagt er: »Na, wie sieht es aus, Freunde? Wollen wir uns den Hombre dort einmal vorknöpfen? In den letzten Tagen haben wir kaum Beute gemacht und in unseren Taschen befinden sich nur noch wenige Dollars. Vielleicht haben wir Glück, wenn es sich um einen Digger handelt, der auf dem Heimritt ist.«
Seine drei Begleiter nicken lässig. Dann ziehen sie sich auch schon die verschmutzten Halstücher vors Gesicht, dass nur noch die Augen zu sehen sind.
Die vier Outlaws schwingen sich aus den Sätteln, ziehen ihre Revolver und schleichen langsam näher. Bald erkennen sie, dass ihre Vorsicht unbegründet ist, denn ihr Opfer schnarcht dermaßen laut, dass sie schon eine ganze Menge Lärm machen müssten, um dieses Konzert zu übertönen.
Sie stehen um Charly Everett herum, schütteln die Köpfe und glauben in diesen Sekunden, dass es mit einer reichen Beute wohl nicht so klappen wird.
Der Schlafende macht wirklich nicht den Eindruck, als sei er groß mit Reichtümern gesegnet.
Zwei der Banditen holstern ihre Revolver. Der kleingeratene Bursche kniet sich neben dem Wanderprediger nieder und hält ihm dann die bebenden Nasenflügel zu.
Und es dauert nicht lange, dann beginnt Charly Everett nach Luft zu schnappen und reißt dabei den Mund weit auf, wie ein Fisch, der aufs Trockene geraten ist.
Längst ist das geräuschvolle Schnarchen abgebrochen. Noch immer hält der Halunke dem Prediger die Nase zu.
Charly Everetts linke Hand saust plötzlich hoch und wischt den kleinen Burschen zur Seite, der einen Schrei ausstößt und einige Yards entfernt in einem Dornbusch landet.
Der Prediger öffnet die Augen, starrt auf die vor ihm stehenden Männer und richtet dann langsam seinen Oberkörper auf. Dann gähnt er ausgiebig und blickt zu dem kleingeratenen Burschen hinüber, der sich inzwischen aus dem Dornbusch gelöst hat. Seine Kehrseite sieht einem Igel nicht unähnlich.
»Was ist denn mit ihm los, Männer?«, fragte er und ignoriert die beiden auf ihn gerichteten Revolver.
»Komm her, Kleiner. Ich ziehe dir die Dornen heraus. Du hättest dir auch eine andere Sitzgelegenheit suchen sollen. Und...«
Der kleine Bursche schickt einen lästerlichen Fluch herüber, der dem Prediger die Zornesröte ins Gesicht schießen lässt. Mit einer Schnelligkeit, die ihm niemand zugetraut hätte, gelangt Charly Everett auf die Beine.
Die drei Banditen weichen zurück, als wäre unvermutet vor ihnen ein Grizzly aufgetaucht.
»Du sollst nicht fluchen, mein Sohn«, sagt der Prediger mit ruhiger Stimme. »Du darfst den Namen unseres Herrn nicht verspotten und in den Schmutz ziehen. Und...«
Die drei anderen Kerle beginnen nun dröhnend zu lachen. Sie starren belustigt auf den Mann im Predigerrock und ahnen, dass sie da auf einen sonderbaren Vogel gestoßen sind.
»Du kannst mich mal«, sagte der Mann, der in den Dornbusch gefallen ist, und verzieht sein Gesicht noch mehr. »Worauf wartet ihr noch, Leute? Wir sollten weiterreiten, bei diesem Narren ist doch nichts zu holen.«
Charly Everett nickt.
Er wendet sich den drei übrigen Banditen zu.
»Warum verhüllt ihr euere Gesichter, Jungs?«, fragt er. »Und eure Colts könnt ihr auch wegstecken. Ihr habt doch hoffentlich keine Angst vor einem Mann, der den Rock des Herrn trägt und überall das Wort Gottes verkündet?«
»Verhalte dich ganz ruhig, Mister«, zischt die Stimme des bulligen Mannes. »Wir werden zuerst dich und dann deine Satteltaschen einer näheren Überprüfung unterziehen. Und solltest du Geld bei dir haben, dann wäre es gut, wenn du es uns freiwillig geben würdest.«
»Geld?«, fragt der Prediger. Er lächelt freundlich. »Ich könnte einige Dollars gebrauchen, denn ich will eine Kirche bauen. Ein richtiges Gotteshaus, um dort die Worte des Herrn zu predigen.«
Everett bückt sich und hebt seinen Hut auf. Er tritt zu den Outlaws und hält ihnen den Hut so hin, dass die Öffnung nach oben zeigt.
»Wie wäre es mit einer kleinen Spende, Jungs? Ich werde euch dann auch jeden Abend in meine Gebete mit einbeziehen.«
»Der Bursche hat einen ganz gewaltigen Dachschaden«, sagt einer der Halunken.
»Bei dem fehlen wohl gleich mehrere Latten im Zaun«, meint ein anderer.
Die beiden übrigen Banditen schütteln nur die Köpfe, glauben wirklich, dass der Mann im Predigerrock leicht übergeschnappt ist. Ihre Meinungen ändern sich jedoch von einer Sekunde zur anderen.
Charly Everett ist nämlich nicht nur ein gottesfürchtiger Mann, sondern auch ein Bursche, der vor nichts Angst hat und auch mächtig hart mit seinen Fäusten zuschlagen kann.
Und so handelt er in diesen Sekunden.
Beidhändig schlägt er zu. Die Revolver werden den beiden Outlaws aus den Händen geschlagen. Und mit zwei weiteren Hieben schickt er die Banditen zu Boden.
Der kleingeratene Halunke springt ihn von hinten wie ein wütender Terrier an, und Charly Everett schüttelt ihn ab, in dem er sich im Kreise dreht.
Der Bursche reißt einen seiner Banditenfreunde um, der sich gerade stöhnend erheben will und dabei einen Zahn ausspuckt. Natürlich geht er wieder stöhnend zu Boden.
Der andere Outlaw, der mit wütend funkelnden Augen auf der Erde kniet, greift nach seinem Revolver. Charly Everett tritt ihm die Waffe aus den Fingern.
Dann will er sich dem vierten Banditen zuwenden. Es handelt sich dabei um den bulligen Burschen, der als einziger dem Wanderprediger gewachsen zu sein scheint.
Aber dieser Hombre scheint ein wenig langsam im Denken zu sein, denn er steht noch immer regungslos, hat die Niederlage seiner drei Freunde staunend mit angesehen.
Dann schwingt er jedoch seine mächtigen Fäuste hoch. Haarscharf rasiert ein kräftig geschlagener Schwinger am Ohr von Charly Everett vorbei, der ebenfalls zuschlägt, die Kinnspitze des Outlaws treffen will, diese jedoch verfehlt.
Der Hüne von einem Mann stößt nun ein höhnisches Gelächter aus und greift erneut an. Und er erinnert wirklich an einen Büffelbullen, als er ungestüm vorwärtsspringt.
Fäuste klatschen. Und die beiden Männer schenken sich nichts. Der Prediger kommt mit seinem zweiten Hieb durch die Deckung des Outlaws und erwischt ihn voll am Kinn.
Der bärenstarke Bursche taumelt zurück, als wäre er in den Huf eines ausschlagenden Pferdes hineingelaufen. Dann setzt er sich stöhnend auf den Hosenboden.
Charly Everett nickt zufrieden, freut sich jedoch zu früh. Als er hinter sich ein Geräusch vernimmt, will er zwar noch herumkreiseln, schafft es jedoch nicht.
Es ist der kleingeratene Bursche, der gerade einen mächtigen Anlauf nimmt, durch die Luft segelt und dann seinen Revolverlauf dem Prediger gegen den Schädel donnert.
Charly Everett steht wie erstarrt. Kraftlos fallen seine riesigen Fäuste an den Seiten nieder.
Der kleingeratene Cowboy steht vor ihm, weicht nun ängstlich zurück, den Colt noch immer in der erhobenen Faust. Und der Bursche wartet darauf, dass der Prediger zusammenbricht.
Everett steht noch immer kerzengerade. Er stöhnt, ehe er wie ein angeschossener Toro in die Knie geht und dann wie ein gefällter Baum zur Seite kippt.
Bald haben sich die vier Banditen um den bewusstlosen Prediger versammelt und starren ihn an, als wäre er ein Wundertier mit wenigstens zwei Köpfen.
»Heiliger Rauch«, sagt einer. »Das muss ein verkleideter Grizzlybär sein, Jungs. Der Bursche hätte uns doch beinahe alle aus den Stiefeln geschlagen.«
Die drei anderen Halunken nicken. Und sie spüren die Schmerzen, die ihnen die Fäuste von Charly Everett zugefügt haben. Sie werden wohl noch lange an die Auseinandersetzung zurückdenken.
Charly Everett schlägt die Augen auf, tastet über die hühnereigroße Beule an seinem Hinterkopf. Taumelnd gelangt er auf die Beine.
Er sieht sich suchend um, kann jedoch von den vier Outlaws nichts mehr entdecken. Hart pressen sich seine Lippen aufeinander. Schwankend läuft er zu dem Maultier hinüber, das den Kopf hebt und zu wiehern beginnt.
Die Satteltaschen liegen am Boden, und der Inhalt liegt verstreut im Gras. Der Prediger kniet sich nieder und beginnt fieberhaft zu suchen.
Als er sich erhebt, ist sein Gesicht gerötet. Schneller geht sein Atem. Und Charly Everett weiß nun, dass die tausend Dollar gestohlen worden sind, die er mühsam in den letzten Wochen gesammelt hatte, um in einer Goldgräberstadt eine Kirche zu bauen.
Stumm verharrt Charly.
Er weiß nun, dass sein Traum ausgeträumt ist, wenn er die tausend Dollar nicht mehr zurückbekommt. Und er glaubt nicht, dass er sie jemals wieder von den Outlaws bekommen wird.
Der Prediger wirft einen anklagenden Blick zum Himmel. Noch immer brennt die Sonne heiß hernieder.
Er sagt: »Das hättest du nicht zulassen dürfen, Herr. Nun stehe ich wieder mittellos da, so wie vor einigen Monaten. Alles ist umsonst gewesen. Wie soll ich nur mein Gelübde halten, dir endlich ein Gotteshaus zu bauen?«
Der hünenhafte Mann steht mit hängenden Schultern da, einen resignierten Ausdruck im Gesicht. Dann macht er sich daran, seine Habseligkeiten wieder in den Satteltaschen zu verstauen.
Seine Laune wird noch schlimmer, als er auch noch die Whiskyflasche vermisst.
Charly überlegt, ob er den Burschen vielleicht folgen soll. Er glaubt jedoch keine Chancen zu haben. Die Halunken kennen sich bestimmt in dieser Gegend wie in ihrem Tabaksbeutel aus. Und er würde garantiert ihre Fährten in dieser unwegsamen und rauen Bergwildnis bald verlieren.
Charly will sich in den Sattel seines Maultieres ziehen, als er zusammenzuckt. Seine Hand tastet hoch zum Hals. Und diesmal beginnt der Prediger beinahe zu fluchen.
Nur im letzten Moment bekommt er sich unter Kontrolle und wirft einen schuldbewussten Blick gen Himmel.
»Nun haben sie mir auch noch mein Amulett gestohlen, diese elenden Straßenräuber«, stößt er mit vibrierender Stimme hervor. »Ich trage es seit vielen Jahren. Es ist das einzige Andenken an meine Mutter. Ihr Bild befindet sich in diesem Amulett. Doch das weißt du ja alles, Herr. Und nun muss ich diese Burschen doch noch finden. Nicht wegen des Geldes, sondern wegen dieses für mich so kostbaren Erinnerungsstückes. Ich werde mir diese vier Burschen vorknöpfen und ihnen die heilige Mannesfurcht einprügeln. Außerdem...«
Charly Everett schweigt und nickt dann langsam.
»Zuerst werde ich einmal sehen, dass ich diese Goldgräberstadt mit dem Namen Golden City erreiche. Dann sehe ich weiter. Ich gebe nicht auf, Herr. Du wirst deine Kirche bekommen, so wie ich es dir vor vielen Monaten versprochen habe.«
Nach diesen Worten zieht sich der Prediger in den Sattel und tätschelt dem Maultier das struppige Fell.
»Los, Hannibal«, raunt er. »Setz dich in Bewegung, du hast dich lange genug ausruhen können. Und wir halten erst wieder an, wenn wir unser Ziel erreicht haben. Ist das klar?«
Das Maultier stellt die übergroßen Ohren, wiehert und setzt sich zögernd in Bewegung. Und bald sind Muli und Reiter im unwegsamen Gelände untergetaucht.
»Du könntest auch mal eine Runde ausgeben«, sagt Shorty und stößt dem großgewachsenen Brazos mit dem Ellenbogen in den Bauch. »Du trinkst bereits den ganzen Abend auf unsere Kosten. Jimmy Twodance, Clay Rodgers und Doc Smoky machen schon ganz lange Gesichter. Und da du wohl von selbst nicht auf diese Idee kommst, möchte ich dich ganz höflich daran erinnern.«
Das ist eine lange Rede für den kleingeratenen Shorty gewesen, der seinen Freund Brazos mit pfiffigem Gesichtsausdruck und mit zurückgelegtem Kopf ansieht.
Die drei anderen Cowboys von der Skull-Ranch nicken dazu, blicken dann auf ihre leeren Gläser. Seit über einer Stunde befinden sie sich im Nugget Saloon in Golden City und spülen sich den Staub eines langen Rittes aus den Kehlen.
Die fünf Skull-Cowboys aus dem Bluegrass Valley haben zwei Wagen mit Rindfleisch in die Stadt geliefert und wollen anschließend den Trail zur Ranch wieder antreten.
Brazos Gesicht hat sich in den letzten Sekunden gerötet. Finster blickt er Shorty an, der sich auf die Zehenspitzen stellt, um wenigstens ein wenig größer zu erscheinen.
Noch immer blickt er seinen Freund herausfordernd an.
»Ich bin pleite, Jungs«, verkündet Brazos dann mit grollender Stimme. »Tut mir leid. Ich gebe ein anderes Mal wieder einen Drink aus. Wenn ihr mir jedoch keinen Whisky mehr gönnt, dann warte ich eben draußen vor dem Saloon.«
Er blickt seine vier Freunde der Reihe nach an.
Jimmy Twodance und Clay Rodgers, die beiden Youngsters der Skull-Mannschaft, lächeln nur. Sie kennen Brazos' Sprüche zur Genüge. Shorty schüttelt den Kopf, als habe er überhaupt mit keiner anderen Antwort gerechnet.
Doc Smokys Gesicht bekommt einen listigen Ausdruck. Der Oldtimer gibt seinem riesigen Lederhut einen Schubs, dass dieser noch weiter in den Nacken rutscht.
»Okay, Dicker«, sagt er mit krächzender Stimme. »Ich leihe dir fünf Dollar. Und da ich bereits zehn Dollar von dir bekomme, sind es dann insgesamt sechzehn Dollar. Einverstanden?«
Brazos will schon nicken, doch dann blickt er den Koch der Skull-Ranch lauernd an und tippt sich dann gegen die Stirn.
»Heh, Alter, du hast wohl doch nur Matsch in deiner Birne. Fünf Dollar und zehn Dollar ergeben fünfzehn Bucks. Und nicht sechzehn, wie du gerade gesagt hast.«
Doc Smokys Grinsen verstärkt sich.
»Du hast die Zinsen vergessen, Bulle. Ich berechne dir einen Dollar für die Zinsen, falls du überhaupt weißt, was das ist.«
Brazos schnauft, während sich seine gewaltigen Hände zu Fäusten ballen.
»Na warte, du alter Bauchbetrüger«, knurrt er wütend. »Irgendwann zahle ich dir das wieder heim. Feine Freunde habe ich. Freunde, die sogar Zinsen wollen, nur weil man sich bei ihnen ein paar lausige Dollar geborgt hat.«
Seine vier Gefährten wissen nun wirklich im ersten Moment nicht, ob Brazos wütend ist, oder nur so tut. Und der bärenstarke Cowboy stößt sich vom Tresen ab und will sich in Richtung des Saloonausganges in Bewegung setzen.
Shorty dackelt hinter ihm her und hält seinen Freund am Jackenzipfel fest.